Interview mit Altbischof Joachim Wanke Gedenken an Joachim Kardinal Meisner: "Ein Mann der klaren Worte"
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14. Juli 2017, 22:03 Uhr
Der am 5. Juli verstorbene Joachim Kardinal Meisner war eine der prägendsten Figuren der Katholischen Kirche in der DDR und BRD. Sein Weggefährte Altbischof Joachim Wanke erinnert sich an die gemeinsame Zeit.
Altbischof Dr. Joachim Wanke und Joachim Kardinal Meisner verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft. Beide sind in Breslau geboren und in der DDR aufgewachsen. In Erfurt haben beide ihre geistliche Laufbahn eingeschlagen. Die Bischofsweihe empfing Wanke 1980 durch den damaligen Bischof von Berlin, Joachim Meisner. Beide gehören zu den prägendsten Geistlichen der katholischen Kirche in der DDR.
MDR ZEITREISE: 27 Jahre hat Meisner nach seiner Priesterweihe in der DDR gewirkt. 1980 ernannte Papst Johannes Paul II. Meisner zum Bischof von Ost-Berlin. Dort legte er sich mit Honecker und Genossen an. Wie stark haben die Ereignisse Joachim Kardinal Meisner geprägt?
Meisner war ein Mann der klaren Worte in Hinblick auf die kommunistische Ideologie. Die hat versucht, gerade junge Menschen zu gewinnen. Und in der Abwehr des dialektischen und historischen Materialismus hat Meisner standhaft mitgewirkt. Er hat geholfen, dass dieses falsche ideologische Denken nicht zu weit in die Reihen der Gläubigen in der DDR mit eingebrochen ist. Er hat sich für diese Stärkung auch der Gläubigen unter den vielen Menschen eingesetzt, denen damals die Kirche schon nicht viel sagte. Das hat Meisner sehr geprägt und das hat ihn im gewissen Sinn auch immun gemacht gegen die liberalen Anfechtungen, die er dann später in Westdeutschland erfahren hat.
Er war ein Mann der klaren Worte. Ein Mann mit Ecken und Kanten, aber mit viel Herz. Meisner war ein leutseliger Mann.
Wie hat Meisner die DDR verändert?
Meisner hat entscheidend mitgeholfen, die Einheit der Kirche im Osten zu bewahren. Wir hatten damals Probleme mit der gespaltenen Kirche in den Ostblockstaaten. Meisner hat dafür gesorgt, dass wir als Kirche beisammen blieben und uns nicht von der Partei und ihren Spitzeldiensten auseinanderbringen ließen. Er hat konsequent seinen kirchlichen Auftrag im Blick gehabt und versucht, eine Unabhängigkeit vom damaligen Machtapparat durchzuhalten. In der DDR-Zeit hat Meisner geholfen, die Ökumene hochzuhalten. Er hat in Dresden 1987 das erste und einzige Katholikentreffen der DDR organisiert, mit über 100.000 Teilnehmern. Dort sagte er den berühmten Satz: "Wir werden keinem anderen Stern folgen als dem Stern von Bethlehem". Da hatte sich Meisner nicht zum ersten Mal klar gegen alle Versuche der Vereinnahmung durch den SED-Staat positioniert.
Neun Monate vor dem Fall der Mauer ging Meisner 1989 von Berlin nach Köln. Johannes Paul II. wusste, warum er ausgerechnet Meisner an die "Front" schickte. Was hat dieser Bischofs-Transfer von Ost nach West ausgelöst?
Der Papst wollte damit ein Zeichen setzen. Meisner hatte sich nicht um das Amt in Köln beworben, sondern ist im Grunde vom Papst dorthin geschickt worden. Ein Mann aus dem Osten sollte in den Westen gehen und westliche Geistliche sollen mit Selbstverständlichkeit auch einmal im Osten Dienst machen - also die Wiedervereinigung dann auch praktisch in der Kirche sichtbar machen. Das war das Anliegen des Papstes, der ja mit dazu beigetragen hat, dass die politische Mauer gefallen ist. Das wollte er auch kirchlich mit der Transferierung von Meisner nach Köln deutlich machen. Dass das den selbstbewussten Kölnern natürlich nicht immer ganz so passte, das ist ja bekannt.
Wo zeigt sich Meisners DDR-Identität in seinem Wirken im Westen? Hat der Osten Meisner "abgehärtet"?
Meisner war immer konsequent, etwa in Fragen des Lebensschutzes, wofür er im Westen oft Kritik einstecken musste. Entschieden wandte er sich gegen Abtreibung oder die Beihilfe zur Selbsttötung. In der DDR gab es schon klare Lösungen. Da war es für den Katholiken selbstverständlich, dass die staatliche Gesetzgebung nicht die Vorgabe für unser ethisches Verhalten sein kann. Da hat Meisner immer eine konsequente Haltung beibehalten. Gerade diese Haltung ist ein Indiz dafür, dass er seine Identität aus dem Osten bewahrt hat und mit seinem Wirken im Westen auch gezeigt hat.
Was wird von Kardinal Meisner besonders in Erinnerung bleiben?
Ich wünsche ihm von Herzen, dass er in Gottes Frieden ruhen kann. Ich habe ihn sehr geschätzt in seiner Gradlinigkeit und Offenheit und habe mich immer wieder gefreut, wenn ihm Dinge gut gelungen sind. Da war der große Weltjugendtag in Köln 2005, wo er sich enorm eingesetzt hat. Er hat auch immer ein Herz für uns im Osten gehabt. Man spürte seine Verbundenheit. Deswegen möchte ich ihm über das Grab hinaus ein großes "Danke" zurufen.
Zum Interviewpartner Dr. Joachim Wanke wurde 1941 in Breslau geboren. Nach der Vertreibung aus der Heimat verbrachte er seine Jugend in Ilmenau. Ab 1960 studierte er Theologie in Erfurt. Mit 39 Jahren wurde Wanke 1980 von Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof von Erfurt ernannt. 2012 legte er das Amt aus gesundheitlichen Problemen nieder.
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: Radio | 05.07.2017 | 09:15 Uhr