Katholiken in der DDR

11. Mai 2018, 09:25 Uhr

Die Katholiken stellten in der DDR nur einen verschwindend geringen Anteil an der Bevölkerung. Diese Minderheitenposition führte einerseits zu vielen Problemen mit der herrschenden SED, stärkte andererseits aber auch den inneren Zusammenhalt.

"Dieses Haus bleibt uns ein fremdes Haus"

"Der Christ sitzt in der Löwengrube. Er wird den Löwen aber weder streicheln noch am Schwanz ziehen". Mit diesem prägnanten Bild hat der Berliner Kardinal Alfred Bengsch die Position der katholischen Kirche in der DDR beschrieben. Bengsch, seit 1961 Bischof, ein Jahr später dann Erzbischof von Berlin, legte den Kurs der katholischen Kirche gegenüber dem Staat fest. Die Kirche solle sich politisch abstinent verhalten, befand der Geistliche, der als Vorsitzender der Berliner Ordinarienkonferenz de facto an der Spitze der katholischen Kirche in der DDR stand.

Schon sein Vorgänger, der Berliner Kardinal Konrad Graf von Preysing, hatte den Priestern 1947 in einem Erlass, der bis zum Ende der DDR in Kraft blieb, jede politische Stellungnahme untersagt. Damit war die Linie klar. Auch wenn Kontakte mit dem Staat nicht zu vermeiden und deshalb streng geregelt waren, grenzte sich die katholische Kirche ab. Als Leben in einem "fremden Haus" hat der Bischof von Meißen, Otto Spülbeck, diese Haltung einmal bezeichnet. Kirchliche Aktivitäten konzentrierten sich auf die Seelsorge, wobei den Gemeinden eine wesentliche Rolle zukam. Hier sollten die Katholiken – in einem Gesellschaftssystem, das die Abschaffung der Religion anstrebte – im Glauben gestärkt werden und resistent bleiben gegenüber jeder Form ideologischer Zumutung.

Hauskreise und RKW: Neue Formen christlichen Lebens entwickeln sich

So wurden spezielle Formen der Pastoral entwickelt, die im Osten Deutschlands bis heute Bestand haben. Familien trafen sich reihum in ihren Wohnungen zu Hauskreisen, Kinder starteten mit einer "Religiösen Kinderwoche" (RKW) in die Sommerferien – zum Ausgleich für den entfallenen Religionsunterricht, der in den 1950er-Jahren aus den Schulen verdrängt worden war. Diese neuen Formen boten Gläubigen Rückzugsorte und Rückversicherung, denn sie in vielen Bereichen wurden sie benachteiligt: Sie durften kein Abitur machen, nicht studieren oder wurden beruflich eingeschränkt. Eine besondere Rolle spielte dabei das philosophisch-theologische Studium in Erfurt, das Priester für die Gemeinden in der DDR ausbildete: ein geistiger Freiraum, in dem die Studenten auch auf die Auseinandersetzung mit dem Marxismus-Leninismus vorbereitet wurden.

Die Einheit der Kirche in einem geteilten Land

Als Christen und als Katholiken sahen sich die Gläubigen in der DDR in einer doppelten Minderheit. Rund sechs Prozent der ostdeutschen Bevölkerung gehörten 1990 noch der katholischen Kirche an. Vor dem Zweiten Weltkrieg war der Anteil  der Katholiken ebenso hoch gewesen, hatte sich aber nach Kriegsende durch die Flüchtlinge und Vertriebenen auf rund zwölf Prozent verdoppelt. Viele von ihnen zogen noch vor dem Mauerbau nach Westdeutschland weiter, so dass Mitte der 60er-Jahre in der DDR noch acht Prozent der Einwohner katholisch waren. Neben dem Erzbistum Berlin gab es nur ein weiteres Bistum, nämlich Meißen. Alle anderen Territorien gehörten formal zu westdeutschen Bistümern wie Würzburg, Fulda oder Paderborn, bildeten aber eigene Jurisdiktionsbezirke. Nicht umsonst war der Berliner Bischof Bengsch im Jahr des Mauerbaus gewählt worden. Sein Ziel war es, die kirchliche Einheit im nun geteilten Berlin wie deutschlandweit überhaupt aufrechtzuerhalten.

Mit der neuen Ostpolitik der sozialliberalen Bundesregierung und dem vatikanischen Kurswechsel unter Papst Paul VI. wurde das Vorhaben zusehends schwieriger. Letzterer plante, die Jurisdiktionsbezirke endgültig zu verselbständigen, weshalb er für die Gebiete in der DDR apostolische Administratoren ernannte und die selbständige Berliner Bischofskonferenz einrichtete. Weitere Schritte verhinderte sein Nachfolger Johannes Paul II. – der polnische Papst, der selbst aus einem kommunistischen Land kam. So wurden die Bistümer von Görlitz, Magdeburg und Erfurt erst nach der deutschen Wiedervereinigung gegründet. 

Von der Konfrontation zum Nebeneinander

Bei aller Abgrenzung war das Verhältnis von Staat und katholischer Kirche doch Wandlungen unterworfen. In den 50er-Jahren hatte die SED, von kurzfristigen Lockerungen nach dem 17. Juni 1953 abgesehen, einen kirchenfeindlichen Kurs eingeschlagen. Die katholische Kirche reagierte auf die Konfrontation – mit entsprechenden Folgen für ihre Mitglieder. Ein Beispiel: die Jugendweihe, 1955 als sozialistisches Ersatzritual für Konfirmation und Firmung eingeführt. Die katholische Kirche wandte sich entschieden gegen diese Feier des "Eintritts in die atheistische Gesellschaft“, wie der bischöfliche Kommissar für Meiningen, Joseph Schönauer, in einem Hirtenbrief an die Gemeinden schrieb. Die Teilnahme an der Jugendweihe wertete die Kirche als "schwere Sünde". Eine Rigorosität der frühen Jahre, die so in späteren Zeiten nicht mehr galt.

Kirchliche Großveranstaltungen in den 80er-Jahren

Die 80er-Jahre brachten für die katholische Kirche eine Zeit kirchenpolitischer Entspannung. Sichtbarer Ausdruck waren zwei Großveranstaltungen, wie es sie bislang in der DDR nicht gegeben hatte: die Elisabethwallfahrt im Jahr 1981, zu der mehr als 65.000 Katholiken kamen, und das Katholikentreffen 1987 in Dresden, an dem mehr als 100.000 Menschen teilnahmen. De facto ein DDR-weiter Katholikentag, auch wenn die Berliner Bischofskonferenz aus deutschlandpolitischen Erwägungen heraus bewusst auf diese Bezeichnung verzichtet hatte. Die 80er-Jahre sind aber auch jene Zeit, in der das Ministerium für Staatssicherheit verstärkt versuchte, die katholische Kirche zu unterwandern. Auch wenn es über die Arbeit der IMs weniger Erkenntnisse gebe als bei der evangelischen Kirche, sei es dem MfS bei der katholischen Kirche ebenso wenig gelungen, "diese zu instrumentalisieren und in ihren Entscheidungen zu beeinflussen", urteilt der evangelische Kirchenhistoriker Peter Maser in seinem Buch "Die Kirchen in der DDR".

Kirche gibt Raum für DDR-Kritik

In die letzten Jahre der DDR fallen auch die Anfänge des konziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, an dem sich nach anfänglichem Zögern auch die katholische Kirche beteiligte. 1988/ 89 fanden in Dresden und Magdeburg drei Treffen in Vorbereitung auf die Ökumenische Versammlung in Basel statt, von denen wichtige Impulse für den gesellschaftlichen Wandel in der DDR ausgingen. Es waren die Jahre, da sich unter dem schützenden Dach der evangelischen Kirche Oppositionelle sammelten. Der katholischen Kirche lag es, gemäß ihrer Haltung der politischen Abstinenz, eher fern, ihre Räume für Andersdenkende zu öffnen. Doch in den oppositionellen Basisgruppen engagierten sich auch zahlreiche katholische Laien, ebenso wie später bei den Montagsdemonstrationen. Und nicht nur Laien, auch katholische Geistliche traten gegen Ende der DDR als Moderatoren der Runden Tische in Erscheinung. Bis heute ist der Anteil von Politikern katholischer Konfession in den neuen Bundesländern, gemessen am Bevölkerungsanteil, außergewöhnlich hoch.

Konziliarer Prozess

Konziliarer Prozess ist die Bezeichnung für den gemeinsamen Lernweg christlicher Kirchen zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.

Ökumenische Versammlung

Unter der Bezeichnung Ökumenische Versammlung werden verschiedene Treffen innerhalb des Konziliaren Prozesses der christlichen Kirchen zusammengefasst.