Haftschicksale 10 Jahre Zuchthaus: Wolfgang Harich
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04. Februar 2022, 13:28 Uhr
Wolfgang Harich war Philosoph und Cheflektor des Aufbauverlages. Er zählte zu einer kleinen Gruppe innerparteilicher Kritiker von Walter Ulbricht, die kurz nach der Niederschlagung des Ungarnaufstandes 1956 ins Fadenkreuz der Stasi gerieten. Ulbricht wollte seine Kritiker mundtot machen, ließ ihn und andere verhaften und in Schauprozessen zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilen. Harich erhielt von allen Angeklagten die höchste Strafe: zehn Jahre Zuchthaus, trotz eines Schuldbekenntnisses:
"Ich habe ja nun Erfahrung gemacht mit der Staatssicherheit der DDR, und ich habe dort eine Feststellung gemacht: Sie sind sehr korrekt und anständig ... Aber wenn ich das jetzt sage, nach dem was ich getan habe, glaubt mir so ohne weiteres kein Mensch. Aber das ist ein persönlicher Dank. Ich wäre nämlich nicht mehr aufzuhalten gewesen. Ich war wie so ein durchgebranntes Pferd, das man nicht mehr durch Zurufe aufhält. Mit diesen Ideen im Kopf bin ich eben durchgegangen, und wenn Sie mich nicht festgenommen hätten, dann wäre ich heute nicht reif für die zehn Jahre, die der Herr Generalstaatsanwalt beantragt hat, sondern für den Galgen. Und deshalb sage ich aus ganz persönlichen Interessengründen ... sage ich der Staatssicherheit also dafür meinen Dank."
Wolfgang Harich protestierte gegen Rehabilitationsverfahren
Während seiner Haft in Bautzen bis zu seiner Amnestie 1964 war Harich bei den Mitgefangenen äußerst unbeliebt. Er stand sogar unter dem Verdacht zu spitzeln. Erich Loest sagte dennoch 1981 in seiner Autobiografie "Durch die Erde ein Riss" mit gewissem Respekt über ihn:
Als hysterischer Schwächling erwies sich Harich in Bautzen. Er wurde zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt und saß mehr als neun davon ab, davon mindestens sieben allein. Erst mal nachmachen.
Wolfgang Harich wurde im März 1990, durch die "schlichte" Aufhebung des Urteils von 1957, von einem Gericht rehabilitiert. Noch im Gerichtssaal protestierte er wütend dagegen: Er wollte in diesem Rehabilitationsverfahren selber noch einmal eine inhaltliche Auseinandersetzung führen, seine Beweggründe darlegen.