Podcast | Diagnose: UnangepasstStorytelling-Podcast über Gewalt gegen Frauen in der DDR
Hauptinhalt
30. April 2024, 08:00 Uhr
Der ARD-Podcast "Diagnose: Unangepasst - Der Albtraum Tripperburg" beleuchtet das dunkle DDR-Kapitel der geschlossenen venerologischen Stationen. Hier wurden Mädchen und junge Frauen eingesperrt und misshandelt. Nun brechen die Frauen ihr Schweigen. Ein Überblick, was euch in den sechs Folgen erwartet.
CN: In diesem Podcast geht es um explizite Beschreibungen psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt. Es wird auch über Gewalt gesprochen, die von Ärzt:innen ausgeht.
Machtsysteme, die Frauen systematisch unterdrücken. Der sechsteilige Storytelling-Podcast "Diagnose: Unangepasst - Der Albtraum Tripperburg" macht Geschichten von Frauen unter Macht- und Kontrollsystemen zum Thema. Dazu wird das düstere Kapitel der geschlossenen venerologischen Stationen in der DDR beleuchtet. Hier wurden scheinbar "unangepasste" Mädchen und junge Frauen eingesperrt und misshandelt, um sie nach sozialistischem Vorbild umzuerziehen.
Die Journalistin Charlotte Witt begibt sich mit den drei Zeitzeuginnen Sabine, Bettina und Sarah auf eine emotionale Reise in die Vergangenheit. Sie blicken auf Machtsysteme damals wie heute und suchen nach Antworten. Wieso weiß bis heute kaum jemand Bescheid, was auf diesen Krankenstationen passiert ist? Warum hat niemand eingegriffen? Wie gehen die Frauen mit dem Erlebten um? Und welche Auswirkungen hat das auf junge Menschen heute?
Was sind venerologische Stationen?
Die Venerologie ist ein Teilbereich der Medizin, der sich mit der Diagnose und der Behandlung von Geschlechtskrankheiten beschäftigt. Sie ist Teil der Dermatologie. Daher sind venerologische Stationen oft Teil von Hautkliniken.
Protagonistin Sabine berichtet von ihrer Ankunft in der "Tripperburg".Bildrechte: Ann-Kathrin Canjé
In der ersten Folge wird emotional und faktisch in das Thema eingeführt und die erste Hauptprotagonistin vorgestellt: Wir lernen Sabine kennen, die von sich, ihrer Vorgeschichte und ihrem Internierungsprozess in die "Tripperburg" berichtet. Dabei begleiten wir sie in verschiedenen Situationen: Wir hören von Sabines Jugend vor der "Tripperburg", von ihrer ersten großen Liebe, von ihrem Weg auf die Station und ihrer Ankunft dort. Dazwischen wird auf die damalige Situation in der DDR in den 1970er Jahren und auf das Lebensgefühl eingegangen. Die Folge endet mit Sabines Ankunft auf der geschlossenen venerologischen Station in Leipzig.
Ich wusste erst mal gar nichts. Ich saß da jetzt einfach in dem Bad und hatte wieder panische Angst. Gitter. Diese Gitter. Ich dachte: 'Wo bist du hier?'
Host Charlotte Witt wird von Sabine und Bettina durch ihre Erlebnisse in der "Tripperburg" geführt. Wie war der Alltag? Wie waren die anderen Frauen? Was wurde mit den Frauen gemacht? Wie haben die Frauen darauf reagiert und vor allem: Was ging in ihnen vor? Daneben liefert die Folge Hintergründe zu den geschlossenen venerologischen Stationen und auch Zahlen zu den inhaftierten Frauen, Infektionszahlen und stellt die Fragen: Gab es solche Maßnahmen davor auch schon? Und vor allem: Warum?
Bettina berichtet in Folge 3 von der Zwangsadoption ihres Sohnes.Bildrechte: MDR/Charlotte Witt
Sabine berichtet vom Tag ihrer Entlassung. Host Charlotte Witt führt die Zuhörer:innen durch die Szenen, etwa wie Sabines Mutter sie in der Leipziger Station abholt und stellt dann die dritte Protagonistin vor: Sarah. Ein kurzer Exkurs erklärt die medizinischen Hintergründe einer Entlassung aus einer solchen geschlossenen Station. Wieso hat der Staat diese Form der Unterdrückung zugelassen - oder sogar gewollt? Es folgt ein Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Christian Sachse zu staatlicher Unterdrückung in der DDR und die Auswirkungen auf junge Menschen.
Sie wollten mich schon anders haben. Jeder hat an einem rum gezerrt, wollte einen umkrempeln. [...] Ich wollte eigentlich bloß in Ruhe gelassen werden.
Wie leben die Frauen weiter mit dem, was sie in den Tripperburgen erlebt haben? Wie gehen sie mit den möglicherweise traumatischen Erfahrungen um? Host Charlotte Witt trifft in dieser Folge Sabine wieder und später auch ihre Tochter Yvonne. Sie spricht darüber, wie sie weitergelebt hat, über Folgeschäden und ihren Umgang mit der Vergangenheit. Und Sabine berichtet davon, welche Rolle ihre Tochter dabei spielt. Es geht auch darum, welche weitreichenden Auswirkungen die Zeit in der Tripperburg auf Sabines Leben hatte. Ergänzend dazu spricht Charlotte mit Tolou Maslahati - eine Expertin für Trauma-Arbeit und gesellschaftliches Trauma.
Host Charlotte Witt widmet sich in Folge 5 der systemischen Gewalt gegen Frauen.Bildrechte: Ann-Kathrin Canjé
Diese Folge des Podcasts "Diagnose: Unangepasst: Der Albtraum Tripperburg" startet mit dem Thema Zwangsadoption. Bettina wird ihr Sohn weggenommen und Sarah lebt mit der Angst davor. Host Charlotte Witt ist frustriert, welches Ausmaß die staatliche Gewalt gegen Frauen hat. Was ist mit den Verantwortlichen passiert? Die Folge nähert sich dem Thema Aufarbeitung und unterhält sich dazu mit Birgit Neumann-Becker und Maximilian Schochow, die Schlüsselfiguren der heutigen Aufarbeitung sind. In einem kurzen Exkurs werden die Strukturen thematisiert, die Gewalt gegen Frauen zulassen. Dazu kommt die Autorin Mithu Sanyal zu Wort. Am Ende der Folge begibt sich Host Charlotte Witt auf die Suche nach den Verantwortlichen.
Aber ich wusste auch nicht, was ich machen sollte. Das ist eben das System. Du wirst geprägt. Und du musst das machen und das muss laufen.
Mit dieser Folge geht der Podcast zu Ende. Host Charlotte Witt setzt erstmal da an, wo sie die Hörer:innen in Folge 5 zurückgelassen hat: Die Suche nach den Verantwortlichen. Doch sie muss sich schließlich eingestehen: Es wird kein abschließendes Geständnis, keine Einsicht geben. Charlotte Witt trifft sich noch einmal mit Sabine und Sarah. Sie besprechen miteinander, was sie durchgemacht haben und wie sie heute auf die Verantwortlichen blicken. Wie gehen die beiden damit um? Und genau an diesem Punkt erinnert Sabine sich an Frau R. Die Frau, die ihr so herzlich zur Seite gestanden hat. Nach vielen Jahren sehen sich nun Sabine und Frau R. wieder.
Dieses Thema im Programm:
ARD Audio | 30. April 2024 | 06:00 Uhr
Neuer Bereich
Auch interessant
Marie Ronninger: "Obwohl mein mit Kohle gezeichnetes Porträt keine echte Person darstellt, hat es ein bisschen von jeder dieser starken Frauen in sich."Bildrechte: Marie Ronninger