Werbung Gespräch mit DEWAG-Experte Gottfried Scheffler
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16. September 2004, 22:36 Uhr
Von 1969 bis 1987 arbeitete Gottfried Scheffler als festangestellter Regisseur bei der DEWAG, der Deutschen Werbe- und Anzeigengesellschaft der DDR.
MDR: Schlangestehen, Mangelwaren, Engpässe, das alles gehörte in der DDR zur Tagesordnung. Für welche Produkte konnte die DEWAG da überhaupt Werbung machen? An Plakate mit dem Slogan "Kauf doch einen Trabi!" kann sich bestimmt kein DDR-Bürger erinnern ...
Gottfried Scheffler: Die gab es auch nicht. Produktwerbung, wie wir sie heute kennen, fiel aus, denn es gab ja kaum Konkurrenzprodukte. Werbung für den Binnenmarkt war also mehr Öffentlichkeitsarbeit. Wenn ein neues Produkt auf den Markt kam, dann wurde es bekannt gemacht. Für die Fernsehwerbung "tausend tele tips" wurden nur die Exposés geschrieben. Die Produktion übernahm das Fernsehen. Werbung konnten wir auch immer dann machen, wenn es etwas im Überfluss gab - bei einer Apfelschwemme zum Beispiel. Oder als sich in der DDR ein Zuckerberg "aufschüttete". Dann kam von der DEWAG der Werbeslogan: "Zucker sparen? Grundverkehrt! Der Körper braucht ihn. Zucker nährt." Vom gesundheitlichen Standpunkt eher bedenklich.
Wer durfte Werbung in der DDR machen?
Werbung und Öffentlichkeitsarbeit wurde getrennt in Binnenmarkt und Außenhandel. Für den Binnenmarkt waren die Handelsorganisationen HO und Konsum mit eigenen Werbeabteilungen selbst verantwortlich. Das galt auch für die Warenhausketten Centrum und Konsument. Vom Erscheinungsbild bis zur Warenpräsentation. Die andere Säule der Werbung war die DEWAG. Sie hatte, wenn man von HO und Konsum einmal absieht, das Werbemonopol. Das galt übrigens auch für die Anzeigen in Zeitungen. Die Leser gingen also nicht zur Zeitung und gaben ihre Annonce auf, sondern sie mussten zur DEWAG. Der gehörte auch jede einzelne Litfasssäule in der DDR.
Wem unterstand die DEWAG?
Die DEWAG war ein Betrieb der ZENTRAG und die gehörte der SED. Das heißt aber nicht, dass alle DEWAG-Angestellten in der SED sein mussten - ich war nie in der Partei. Die DEWAG hatte eine zentrale Leitung in Berlin und jeder Bezirk einen eigenen Betrieb mit verschiedenen Abteilungen: Die Abteilung Werbegestaltung befasste sich mit der Konzeption, mit der Gestaltung und Herstellung von Werbe- sowie Agitations- und Propagandamitteln. Dann gab es, wie gesagt, die Abteilung Anzeigen, die Annahmestellen in allen Kreisen und Städten hatte. Die DEWAG hatte außerdem eine Fotoabteilung und die Abteilung Vertrieb für Agitations- und Propagandamittel für gesellschaftliche Bedarfsträger sowie Bevölkerungsbedarf. Außerdem war die DEWAG für die Kinowerbung, die Bandenwerbung in Sportstätten und an Autobahnbrücken zuständig.
Die DDR konnte ja einige ihrer Erzeugnisse exportieren. Wurde dafür dann in dem jeweiligen Land geworben?
Ja. Ein sehr sensibler Bereich war die Werbung für das so genannte Nicht-Sozialistische-Wirtschaftssystem. Und das nicht nur aus politischen Gründen. Um in westlichen Ländern Werbung schalten zu können, brauchte der Auftraggeber natürlich Devisen. Und wie wir alle wissen, hatte die DDR daran einen chronischen Mangel. Wer es sich leisten konnte, ließ seine Plakate und Prospekte im Westen drucken, aus Qualitätsgründen.
Gab es eine Abnahme, bevor ein Slogan, ein Plakat, ein Film in die Öffentlichkeit durfte?
Die DEWAG hatte ein betriebliches Lektorat, von dem die Entwürfe formal und inhaltlich bewertet wurden. Erst wenn das Lektorat grünes Licht gab, dann wurden die Entwürfe dem jeweiligen Auftraggeber vorgestellt.
Wurde ein Entwurf von Ihnen zurückgewiesen?
Mehrfach. Ein Beispiel, über das ich heute lachen kann: Wir sollten ein Plakat für die Agra, also für die Landwirtschaftsausstellung, entwerfen. Es wurde ein Plakat gewünscht, auf dem die Schwerpunkte der Landmaschinenproduktion dargestellt werden sollten. Um diese öde Aufgabenstellung optisch einigermaßen interessant aufzuarbeiten, wurden Karte und Symbole plastisch angelegt. Um einen Betrachtungswiderstand zu vermeiden, fiel der Schatten, den menschlichen Lesegewohnheiten entsprechend: nach rechts. Der Entwurf wurde mit der Begründung abgelehnt, dass das Licht aus dem Westen komme und der Schatten in Richtung Osten falle ...