Hauptdarsteller Reiner Schöne im Interview "Raubtierkapitalismus und Geldgier"
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23. April 2020, 14:06 Uhr
Im Doku-Drama "Der Auf-Schneider" wird die Rolle des real existierenden Dr. Schneider von Reiner Schöne gespielt - einem Musiker und Schauspieler, der 1968 in den Westen flüchtete und Karriere in den USA machte.
Herr Schöne, wie haben Sie sich auf Ihre Rolle als Dr. Schneider vorbereitet?
Ich habe mit Dr. Schneider gesprochen und mir Material von ihm im Netz angeschaut. Nach der Sendung haben wir noch einmal miteinander gesprochen. Und er war sehr begeistert von dem, was wir da gemacht haben - sowohl von meiner Arbeit als auch vom Gesamtpaket.
Was hat Sie an der Rolle fasziniert?
Erstmal ist es immer interessant, eine lebende Figur zu spielen. Damals habe ich zwar in Amerika gelebt, aber ich habe natürlich mitbekommen, was in Deutschland passierte. Und das hat mich schon fasziniert, weil ich auch Leipzig kenne und weiß, was er da erreicht hat. Ich fand es schon unglaublich, was sich die Banken da geleistet haben. Die haben ja jeden Häuslebauer besser kontrolliert, als jemanden wie Dr. Jürgen Schneider.
Inwieweit können Sie sein Handeln nachvollziehen?
Na ja, er hat in einer Wolke gelebt. Er merkte, dass er damit Erfolg hat. Dass die Banken ihm wirklich alles in den Hintern schieben, was er wollte. Und da kommt dann eins zum anderen. Ich kann das absolut nachvollziehen. Ich will das nicht entschuldigen oder schönreden. Er war schon ein Hochstapler, wenn auch ein sympathischer. Unser Raubtierkapitalismus und die Geldgier der Banken haben es ihm ja letzten Endes leicht gemacht. Und er hat das halt ausgenutzt. Die meisten Großbanker haben offenbar kein Gewissen. Sie sehen nur Geldscheine und blenden völlig aus, dass da am Ende jemand auf der Strecke bleibt - die Handwerker. Nachdem die Deutsche Bank in Panik die Reißleine gezogen hat und den verhängnisvollen Baustopp inszeniert hat, ging es den Bach runter.
Welche Schuld trifft die Banken?
Im Grunde genommen trifft die Banken dieselbe Schuld wie den Doktor. Er hat gepokert und nicht unbedingt die Wahrheit gesagt, um Kredite zu bekommen. Und die Banken haben mitgespielt. Da hätten schon auch ein paar Banker in den Knast gehen müssen. Er hatte einen Richter, der sehr hart aber gerecht war. Das sieht man ja auch im Film. Der Richter hat die Banker antanzen lassen. Und die standen dann mit schlotternden Hosen vor ihm, wie Dr. Schneider mir erzählte.
Sie sind in Weimar geboren, waren Songwriter in der DDR. Wie war es, den Inbegriff des Kapitalismus zu spielen?
Na, ich bin ja schon seit 50 Jahren raus aus der DDR und hab die Spielregeln des Kapitalismus durchaus begriffen. Aber man muss gar nicht so viel recherchieren, das haben die Autoren schon sehr sorgfältig gemacht. Das Drehbuch der Spielszenen waren für uns Schauspieler die Vorgabe, unser Gerüst.
Biografie: Reiner Schöne wuchs in Weimar auf und war als Schauspieler und Liedermacher in der DDR erfolgreich. Nach einem Konzert 1968 flüchtete er nach West-Berlin und begann dort eine Musical-Karriere. 1985 siedelte er in die USA um. Dort drehte er mit Hollywoodgrößen wie Clint Eastwood und Lee Van Cleef. Er spielte in bekannten US-Fernsehserien mit, darunter Raumschiff Enterprise und MacGyver. 2002 kehrte er nach fast 20 Jahren in den USA nach Deutschland zurück.
Es war ein viel krasserer Schnitt, als ich aus der DDR in die Bundesrepublik kam und mein Casting für das Musical "Hair" hatte - meine erste Arbeit im Westen. Nur ein paar Monaten nach meiner Flucht spielte ich plötzlich die Hauptrolle in dem Zeitgeist-Stück des 20. Jahrhunderts. Damit habe ich mich freigeschwommen. Das war ein heftiger Unterschied zu dem eingeengten Ost-Berlin. Ein Sprung ins warme Wasser.
1968 sind Sie nach einem Konzert in den Westen geflüchtet, können Sie davon erzählen?
Ich hatte ein Konzert in Westberlin und hatte einen Passierschein. Um 0 Uhr sollte ich wieder zurück sein und habe das ein bisschen ausgedehnt - 50 Jahre.
Ich wollte raus aus der DDR, weil es mir zu eng wurde und ich permanent angeeckt bin, politisch. Mich wollten sie von der Oberschule schmeißen, später von der Schauspielschule, immer aus politischen Gründen. Ich wollte weg aus dem Land. Aber dass mir der Herrgott mit "Hair" und dann auch noch mit meiner Karriere in Amerika ein solches Geschenk machen würde, damit habe ich nicht gerechnet.
1985 sind Sie als Schauspieler in die USA gegangen. Was hat Sie in Hollywood am meisten geprägt?
Ersteinmal ist es ein unglaublicher Schritt, wenn du als Weimarer in Hollywood überhaupt Rollen bekommst. Ich bin am ersten Tag, nachdem ich abgehauen bin 1968, in Berlin aufs Konsulat gegangen und habe gefragt, wie wird man Amerikaner? Und da haben die gesagt: "Das ist ganz schwierig. Da braucht man einen Bürgen". Sie haben versucht, mir das auszureden. Aber Gott sei Dank hat es geklappt.
Es ist schon ein geiles Gefühl, wenn du mit deinem 64er Ford Galaxy bei Universal einfährst und der Pförtner sagt: "Mr. Schoene, Ihr Wohnwagen steht da drüben." Aber das ist es nicht alleine: Sondern auch die qualifizierten Drehbücher und das unglaubliche Geld, was hinter den Produktionen steckt, weil die Amis ihre Filme ja auf der ganzen Welt verkaufen. Steven Spielberg hatte, das war eine Zahl von 1990, 28 festangestellte Drehbuchautoren, die jeden Tag ins Büro gekommen sind und geschrieben haben. Bei so viel Geld kommt auch eine ganz andere Qualität heraus.
Über dieses Thema berichtet der MDR in der Dokumentation "Der Auf-Schneider": TV | 13.01.2019 | 20:15 Uhr