17. Dezember 1971: Transitabkommen unterzeichnet Transitabkommen zwischen der BRD und der DDR
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17. Dezember 2021, 10:37 Uhr
Das Transitabkommen war der erste Vertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR – ermöglicht durch die neue Ostpolitik der Regierung Willy Brandts. Es erleichterte Bundesbürgern die Reise nach West-Berlin und den West-Berlinern einen Besuch in Ost-Berlin. Am 17. Dezember 1971 wurde das Transitabkommen in Bonn unterzeichnet.
17. Dezember 1971: Reporter aus der ganzen Welt beobachten Egon Bahr und Michael Kohl. Die beiden Staatssekretäre unterzeichnen das Transitabkommen im Palais Schaumburg in Bonn. Zähe Vertragsverhandlungen finden endlich ihren Abschluss. 15 Monate hatten sie gedauert, mehr als 75 Treffen waren der Unterzeichnung vorausgegangen. Und mehrmals standen die Verhandlungen auf der Kippe – schließlich saßen hier eher Gegner als Partner am Verhandlungstisch. Ein Streitpunkt war beispielsweise, ob die Bonner Regierung überhaupt für West-Berlin verhandeln dürfe. Streit gab es auch über die Frage der aus der DDR Geflohenen: Durften sie, die sich in den Augen der DDR strafbar gemacht hatten, die Transitwege durch das DDR-Gebiet benutzen?
Nur eingeschränkte Erleichterungen
Bundesaußenminister Walter Scheel bestand persönlich darauf, dass nur Gewaltverbrecher von der Benutzung der Transitwege ausgeschlossen werden. Die DDR-Führung stimmte schließlich zu. Flüchtlinge, die während ihrer Flucht kein Verbrechen begangen hatten, konnten die Transitwege ungehindert nutzen. Die mit dem Abkommen für die Bundesbürger erzielten Erleichterungen galten allerdings nur für den "spezifischen" Transitverkehr von und nach West-Berlin. Wurde die DDR als Durchreiseland genutzt, etwa um nach Polen oder in die Tschechoslowakei zu reisen, kontrollierten die DDR-Grenzer nach wie vor mit der ihnen eigenen Strenge. Insgesamt betrafen die Regelungen des Abkommens über 1.000 Kilometer Straße, gut 1.200 Kilometer Zugstrecken und knapp 600 Kilometer Flüsse. Am 3. Juni 1972 trat das Abkommen in Kraft.
Vorgeschichte: Die neue Ostpolitik Willy Brandts
Mit dem Regierungsantritt von Willy Brandt änderten sich die deutsch-deutschen Beziehungen ab 1969 erheblich. Der Schlüssel dazu lag in der neuen Ostpolitik der sozialliberalen Bundesregierung. Egon Bahr nahm in seiner Funktion als Staatssekretär im Bundeskanzleramt am 30. Januar 1970 Verhandlungen über eine deutsch-sowjetische Gewaltverzichtserklärung auf. Es benötigte mehr als 14 Begegnungen, bevor der Moskauer Vertrag am 12. August 1970 in Moskau unterzeichnet werden konnte. Wesentliche Bestandteile waren der gegenseitige Gewaltverzicht und die Anerkennung der bestehenden Grenzen. Daraufhin konnten auch die Beziehungen zu Polen teilweise normalisiert werden. Als Ergebnis dieser neuen Politik konnte Willy Brandt auch die Alliierten bewegen, den Status von Berlin neu zu definieren.
Im Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971 erkannten die Botschafter der Vereinigten Staaten, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs an, dass West-Berlin zum Rechtsgebiet der Bundesrepublik zugehörig sei. Entscheidender Punkt des Abkommens: Die Sowjetunion garantierte den ungehinderten Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin. Die Einzelheiten sollten die beiden deutschen Staaten selbst regeln. Der Weg für deutsch-deutsche Verhandlungen war damit frei.
Gewinn für Bundesbürger und für die Staatskasse der DDR
Im Gegensatz zur gängigen Praxis bis 1971 sollte nach Abschluss des Abkommens persönliches Gepäck von Bundesbürgern nur noch kontrolliert werden, wenn ein begründeter Verdacht vorlag (z.B. auf Schmuggel oder Devisenvergehen). Auch die Erteilung von Visa – vorher ein langwieriger bürokratischer Akt – wurde nun direkt an den Grenzübergangsstellen ermöglicht, für Busreisende gab es sogenannte Sammelvisa. Viele Bundesbürger nutzten die neuen Freiheiten und reisten in die DDR – meist, um dort Verwandte zu besuchen. Die Statistiken verzeichnen etwa zehn Millionen Besuchsreisen jährlich. Auch für West-Berliner war das Transitabkommen eine große Erleichterung. Sie durften nun an 30 Tagen im Jahr mit Tagesschein in den Ostteil der Stadt reisen.
Die Bundesrepublik ließ sich das Abkommen einiges kosten. Die Gebühren für Visa und Schienennutzung durch Bundesbürger übernahm die Bundesrepublik. Zwischen 1972 und 1975 überwies sie dafür knapp 250 Millionen DM an die DDR. Insgesamt zahlte die Bundesregierung bis 1989 über zwei Milliarden DM für die Instandhaltung der Transitwege. Regelmäßige Deviseneinnahmen für den Staatshaushalt der DDR.
Überwachung durch Stasi und Amateurspione
Die Staatssicherheit sah im Transitverkehr eine große Gefahr und baute die Überwachung entlang der Transitstrecken aus. So sollten Kontakte zwischen Bundesbürgern und DDR-Bürgern möglichst verhindert werden. Es ging vor allem darum, die Einfuhr "staatszersetzender" Schriften zu vermeiden. Und mehr noch darum, Fluchthilfe zu vereiteln. Daneben überwachte die Staatssicherheit auch die Angestellten in Intershops und an Raststätten längs der Transitstrecken und warb einige von ihnen als "inoffizielle Mitarbeiter" an.
Doch auch der Bundesnachrichtendienst war an Informationen von Transitreisenden interessiert. So schreiben Friedrich Christian Delius und Peter Joachim Lapp in ihrem Buch "Transit West-Berlin – Erlebnisse im Zwischenraum", dass der Bundesnachrichtendienst "Transitquellen" unter Studenten und LKW-Fahrern werben konnte. Das Ministerium für Staatssicherheit soll von den Aktivitäten gewusst und die vom BND Angeworbenen zum Teil auch für sich selbst arbeiten lassen haben. Ein Katz- und Maus- Spiel der Geheimdienste...
In der historischen Nachschau gilt das Transitabkommen von 1971 als Meilenstein auf dem Weg zur Einheit Deutschlands. Es trug bereits den Geist dessen in sich, was Willy Brandt 1989 auf die Formel brachte: "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört."
Dieser Artikel wurde erstmals 2011 veröffentlicht.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Wuhladko | 03. April 2021 | 11:45 Uhr