Der Raketensonntag von Dannenwalde
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14. August 2017, 16:35 Uhr
Am 14. August 1977 kam es im brandenburgischen Dannenwalde zu einer Katastrophe. Ein Blitzschlag ließ ein Munitionslager der Sowjetarmee in die Luft gehen. Erst nach dem Ende der DDR wurde das wirkliche Ausmaß bekannt - wahrscheinlich lagerten dort auch Atomsprengköpfe.
Der 14. August 1977 - ein schwüler Hochsommersonntag in Dannenwalde, einem kleinen Ort im nördlichen Brandenburg. Um die Mittagszeit zieht eine Gewitterfront heran, gegen 14 Uhr hängt das Gewitter direkt über dem Ort. Ein Zeitzeuge erinnert sich: "Es hat etwa zwei Mal geblitzt und gedonnert, aber dann ging das Gewitter weiter, aber wir haben keinen Blitz mehr gesehen." Dann begann das Inferno.
Sechs bis sieben Raketen auf einmal
Versteckt im Wald bei Dannenwalde befand sich damals ein riesiges Munitionslager der Sowjetarmee. Dort traf an diesem Sonntag im August ein Blitz einen Stapel von im Freien gelagerter Munition, woraufhin diese explodierte. Vermutlich wurde dadurch der Antrieb von daneben liegenden Katjuscha-Raketen aktiviert, die daraufhin unkontrolliert starteten. "Die Raketen kamen aus jeder Richtung und flogen in jede Richtung", erinnert sich ein Einwohner aus Dannenwalde an die Katastrophe. „Schwefelgeruch lag in der Luft, man konnte kaum atmen.“ Es waren nicht nur einzelne Raketen, sondern sechs bis sieben Stück auf einmal, die zischend durch die Luft flogen. In Panik rannten die Leute aus ihren Häusern und versuchten, so schnell wie möglich aus dem Ort zu fliehen. Kurze Zeit später kamen russische Frauen und Kinder aus dem Lager gerannt und versuchten, sich in den nun leeren Häusern in Dannenwalde zu verstecken.
Erst nach Stunden hörten die Explosionen auf
Hunderte der Katjuscha-Raketen schlugen in den umliegenden Orten ein – trafen Dächer, Autos, blieben in Bäumen stecken. Russische Soldaten versuchten mit Panzern, auf dem Gelände die Raketenstapel auseinanderzuschieben. Mehrere Mittelstreckenraketen wurden in aller Eile von russischen Soldaten weggefahren. Ein vollbeladener Munitionszug konnte gerade noch rechtzeitig mit Hilfe deutscher Helfer aus der Gefahrenzone in Dannenwalde gezogen werden. Erst 20 Uhr beruhigte sich das Inferno. Die Einwohner von Dannenwalde und anderer umliegender Ortschaften kamen damals mit dem Schrecken davon. Verletzt wurde niemand. Wie viele russische Soldaten damals starben, ist bis heute nicht bekannt. Angeblich wurden nach der Katastrophe verstärkt Särge in der Umgebung in Auftrag gegeben.
Absolute Geheimhaltung
Am Tag danach begannen die Aufräumarbeiten. Wie nach dem Ende der DDR aus Aufzeichnungen der Stasi bekannt wurde, wurden 778 Raketen außerhalb des Munitionslagers geborgen. Die Bewohner von Dannenwalde durften bis 1989 nicht über die Geschehnisse des 14. August 1977 reden. Die DDR-Presse berichtete nicht darüber.
Anfang der 90er Jahre, als die sowjetische Armee ihre Liegenschaften verließ, kam auf dem Gelände bei Dannenwalde bergeweise Munitionsschrott zum Vorschein, teilweise vergraben, teilweise in Haufen frei herumliegend. Experten gehen davon aus, dass noch immer Raketen voller Sprengstoff im Wald von Dannenwalde und Umgebung in der Erde liegen. Aber welcher Gefahr die Menschen dort wirklich entronnen sind, kam erst vor wenigen Jahren ans Licht. Denn nur 200 Meter vom Ort der Explosion entfernt befand sich ein streng abgeschirmtes Sonderlager. Es diente der Lagerung von „Spezialladungen“ - bis heute ist nicht geklärt, ob sich dort chemische Waffen oder sogar Atomsprengköpfe befanden.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch in: Lebensretter | 14.08.2014 | 20.15