Christel Guillaume - Die Frau des DDR-Top-Spions
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15. Dezember 2017, 11:26 Uhr
Am 15. Dezember 1975 wurden die Ehefrau des DDR-Top-Spions Günter Guillaume wegen Landesverrates zu acht Jahren Haft verurteilt. Christel Guillaume war nicht nur die Ehefrau des DDR-Top-Spions in Willy Brandts Kanzleramt. Mittlerweile weiß man, ohne sie hätte es den größten Spionagefall in der deutsch-deutschen Geschichte 1974 nicht gegeben. Denn sie ebnete Günter Guillaume den Weg in die höheren Kreise der SPD.
Wie ist die Rolle einer Frau zu bewerten, die Zeit ihres Lebens im Schatten ihres Mannes stand? Einem Mann, dessen Aufgabe es war im Bundeskanzleramt diskret im Hintergrund zu agieren und außerdem, als "Offizier im besonderen Einsatz" der Staatssicherheit, im Kalten Krieg zu spionieren. Vielmehr als die Ehefrau und Mutter, die neben dem Haushalt noch die Legende einer intakten Familie zu erfüllen hatte, mag man dieser Frau wohl nicht zugetraut haben. Doch die Geschichte der Christel Guillaume ist eine andere. Sie machte den Coup von Günter Guillaume erst möglich und trug so zu einer Staatskrise bei, deren Auslöser als der größte Spionagefall in die deutsch-deutsche Geschichte eingegangen ist.
Die Rolle der Gattin
Die Sekretärin Christel Boom war bereits vom Staatsicherheitsdienst angeworben worden, als sie 1951 den Redakteur Günter Guillaume heiratete. Beide wurden sie von Anfang bis Mitte der 1950er-Jahre für ihren Dienst als so genannte Kundschafter des Friedens von der Auslandsspionage der Staatssicherheit vorbereitet. Von Anfang an wurde Christel dabei die Rolle der Ehefrau zugedacht, die ihrem Mann dienstlich unterstellt war.
In der höheren Hierarchie der HVA wie auch im Ministerium für Staatssicherheit insgesamt gab es kaum führende Frauenpositionen, und wenn man das dann noch dazu nimmt, dass sowieso in den 1950er- und 1960er-Jahren sowohl in Westdeutschland wie auch in Ostdeutschland Frauen kaum Karriere machen konnten, (...) dann ist es nicht erstaunlich, dass Christel Guillaume immer im Schatten ihres Mannes, sowohl in der Wahrnehmung wie auch in den Hierarchieverhältnissen gestanden hat.
Das Decodieren verschlüsselter Nachrichten und das Assistieren ihres Mannes sollten neben dem Haushalt und der Legende des Flüchtlingspaares zu ihren Aufgaben gehören. Im Jahr 1956 war es soweit. Familie Guillaume siedelte wie viele tausend andere DDR-Bürger, die unter dem Eindruck des niedergeschlagenen Volkssaufstandes in Ungarn ihr Heimatland verließen, in die Bundesrepublik über. Die Hauptabteilung Aufklärung (HVA) scheute keine Kosten, damit sich das Paar schnell eine Existenz im Westen aufbauen konnte.
Die Assistentin macht zunächst die steilere Karriere
Mit mehreren tausend Mark unterstützt die Staatsicherheit die Eröffnung eines kleinen Kaffee-und Tabakgeschäftes in Frankfurt. "Boom am Dom" war der Ausgangspunkt für die Spionageaktivitäten des Ehepaares. Beide traten in die Frankfurter SPD ein und knüpfen erste Kontakte.
Doch während Günter nicht über einen Funktionärsposten im SPD-Unterbezirk Frankfurt hinaus kam, machte die junge Mutter Karriere beim renommierten SPD-Europapolitiker Willi Birkelbach. Durch Birkelbachs Arbeit als Bundestagsabgeordneter, Staatssekretär und Mitglied des SPD-Parteivorstandes ging von innerparteilichen Strategiepapieren bis zu geheimen NATO-Dokumenten alles über Christels Schreibtisch und damit zur HVA nach Berlin.
Da hat sich Christel Guillaume bei ihrem Führungsoffizier darüber beschwert, dass sie eigentlich die Hauptarbeit macht, aber dass ihr Mann Günter Guillaume, immer noch ihr Vorgesetzter ist, obwohl sie das interessante Material beschafft. Und sie hat dann versucht, ihre Führungsoffiziere umzustimmen, dass sie die Vorgesetzte wird und Guillaume der Zuarbeiter, das ist ihr aber dann von den Führungsoffizieren ausgeredet worden und sie ist wohl regelrecht erpresst worden, dass das bestehende Arrangement weiter bestehen soll.
Zurück in die zweite Reihe
Frustriert durch die Entscheidung der Staatsicherheit bereitete sie ihrem Mann Günter den Weg in die höheren SPD-Kreise und stellte sich als Hilfsspionin zurück in die zweite Reihe. Während sie erfolglos auf der hessischen Landesliste für die Bundestagswahl kandidierte, konnte sich ihr Mann im Wahlkampf für einen Posten im Bundeskanzleramt empfehlen.
Es ist ja bezeichnend, dass es seit 1969 keinen einzigen Eintrag mehr gibt von irgendwelchen Berichten oder Dokumenten, die Christel Guillaume in den Osten weitergeleitet hat.
Enttäuschung und Enttarnung
Wie die Akten berichten, wurde Günter Guillaume für die Staatsicherheit zu einer Enttäuschung. Die wenigen Informationen, die er lieferte, wurden zumeist als uninteressant eingestuft. Während ihr Mann zu einem der vier Referenten des Bundeskanzlers aufstieg, konzentrierte sich Christel Guillaume auf ihr "offizielles Leben" in Westdeutschland. Ihre Loyalität gehörte von nun an ihrem Chef Birkelbach. DDR und Stasi interessierten sie nicht mehr.
Natürlich ist Günther Guillaume danach als großer Kanzleramtsspion herausgestellt worden, das hat aber damit zu tun, dass die Opposition das in der Bundesrepublik gerne so darstellen wollte, um Willy Brandt Schaden zuzufügen. Und natürlich weil der Mann auf der Straße die Arbeit im Kanzleramt immer automatisch mit Zugang zu geheimsten Materialien gleichgesetzt hat. Und das ist einfach nicht der Fall.
Die Enttarnung der Guillaumes kam einem Karrieresprung Christels in das Sekretariat des Bundesverteidigungsministers Georg Leber zuvor. Günter und Christel Guillaume wurden am 24. April 1974 in Bonn festgenomme. Am 15. Dezember 1975 verurteilte sie das Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Landesverrates und des Bruches bzw. Beihilfe des Bruches von Dienstgeheimnissen zu 13 bzw. acht Jahren Haft. Bereits sieben Jahre später wurde Christel Guillaume gegen BND-Agenten ausgetauscht, ihr Mann folgte ein halbes Jahr später nach. Keine zwei Monate später ließ sich das Ehepaar scheiden.
Vorträge, Orden und die Stilisierung zu Meisterspionen in Ost und West täuschten Christel Guillaume nicht über die bittere Erkenntnis hinweg, dass die Lüge, die jahrzehntelang ihr Leben beherrschte, es schließlich auch verpfuscht hatte.
Buchtipp
Eckard Michels:
Guillaume, der Spion
Eine deutsch-deutsche Karriere
Ch. Links Verlag
ISBN: 978-3-86153-708-3
Preis: 25,00 Euro
Erscheinungsjahr: März 2013
Über den Historiker Eckard Michels
Jahrgang 1962, Studium der Geschichte in Hamburg, 1993 Promotion, 2007 Habilitation, nach Tätigkeiten an der Universität der Bundeswehr in Hamburg, am Bonner Haus der Geschichte und bei der OSZE-Mission in Bosnien-Herzegowina lehrt er seit 1997 deutsche Geschichte am Birkbeck College der University of London, zahlreiche Veröffentlichungen, u.a.: "Der Held von Deutsch-Ostafrika: Paul von Lettow-Vorbeck - ein preußischer Kolonialoffizier", Paderborn 2008
Quelle: Ch. Links Verlag
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV-Magazin "artour": 10.04.2014 | 22:05 Uhr