Geheime atomare Waffensysteme Atomare Waffen auch in der DDR
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02. August 2021, 12:01 Uhr
Am 6. August 1945 wurde die Erste von insgesamt zwei amerikanischen Atombomben über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Die Folgen: 200.000 Tote. Doch auch Deutschland wurde zu Zeiten des Kalten Krieges mit atomaren Waffensystemen bestückt.1958 befiehlt der Kreml-Chef Chruschtschow die Stationierung der ersten atomaren Mittelstreckenrakete der Welt – mitten in der DDR. Bislang geheim gehaltene sowjetische Dokumente verraten die Standorte der in der DDR stationierten atomaren Waffen.
Moskau, 2019. Der Militärhistoriker Alexander Jazakow hält den auf kyrillisch geschriebenen Stationierungsbefehl in den Händen. Es geht um die "R5M – NATO-Code "SS-3", die in die DDR gebracht werden soll. Nach Vogelsang und Fürstenberg, nördlich von Berlin. Eine gefährlich Atomwaffe, die dem Westen lange unbekannt blieb. Selbst die DDR-Führung tappt im Dunkeln.
Vorbereitungen mit der R5M
Sowjetunion, 1956. Die Vorbereitungen zum Start am 2. Februar laufen auf Hochtouren. Zum ersten Mal soll die neue Rakete mit der Bezeichnung R5M, die auch atomar bestückt werden kann, über eine Distanz von bis zu 1.200 km abgeschossen werden. Der erfolgreiche Test markiert eine entscheidende Zäsur. Plötzlich ergeben sich für die Atom-Strategen im Kreml völlig neue Möglichkeiten. Bislang war die Sowjetunion klar im Hintertreffen.
"Wir waren den Amerikanern über Jahrzehnte hinweg unterlegen."
"Die USA waren uns wirklich überlegen. Sie waren als erste im Besitz von Atomwaffen und wir lagen ganz weit zurück. Zum damaligen Zeitpunkt war die Sowjetunion aber einfach nicht in der Lage aufzuschließen", erzählt Militär-Historiker Alexander Jazakow im Interview mit MDR Zeitreise. "Wir waren den Amerikanern über Jahrzehnte hinweg in der nuklearen Schlagkraft unterlegen, quantitativ und auch qualitativ."
Die Sowjetunion besitzt zwar schon seit Längerem kleinere Raketen, aber keine, die Atomwaffen transportieren können. Stalin hatte die Entwicklung der Atomwaffen forciert und dafür gesorgt, dass die Sowjetunion in den Besitz der "Bombe" gelangt, aber es wurde versäumt, entsprechende Transportmittel zu entwickeln. Und noch etwas fehlte:
Damals nach dem Test 1956 gab es noch keine militärischen Einheiten um die R5-Raketen zu bedienen. Selbst wenn es einen Feuer-Befehl gegeben hätte, hätte sie niemand zünden können. Es war nicht möglich.
Atomraketen wie Würstchen vom Band
Doch Chruschtschow, der Nachfolger Stalins, ist Meister im Bluffen. Er weiß, dass er der Schwächere ist. Umso lauter seine Beschwörungen und Drohungen, die er Richtung Westen aussendet: In der Sowjetunion würden Raketen wie Würstchen vom Band laufen. Dann beschließt der Kreml-Chef, die Katze aus dem Sack zu lassen. Im Oktober 1957.
Niemand weiß von den Atomraketen
Zum 40. Jubiläum der Oktoberrevolution gibt es eine imposante Heerschau auf dem Roten Platz und als Höhepunkt und Überraschungs-Coup werden zwei Exemplare der neuen Wunderwaffe präsentiert. Auf der Tribüne in Moskau auch Mao Zedong, aus Peking angereist, und Walter Ulbricht. Noch ahnt hier niemand, dass diese neue Wunderwaffe bald schon in der DDR stationiert wird. Außer einer.
Mauschelei im Hinterzimmer
Auf Initiative des Verteidigungsministers Malinowski wird der Chef des Generalstabes Marschall Sokolowski beauftragt, einen entsprechenden Befehl zur geheimen Stationierung der Rakete in der DDR auszuarbeiten. Der Marschall ordnet am 15. Mai 1958 an, die neue "nukleare Wunderwaffe" in die DDR zu verlegen.
Dem Historiker Alexander Jazakow ist gelungen, diesen Befehl in Moskau aufzuspüren. Es sind drei Seiten, auf denen genau beschrieben wird, wie die Stationierung der "R5M"-Raketen in der DDR ablaufen soll. Mit diesem Dokument ist belegt, dass es diese Geheimoperation gegeben hat. Und dass etwas dran war an den Gerüchten und Spekulationen, die seit Ende der 50er die Gemüter bewegten.