Uwe Holmer - der Pfarrer, der Erich Honecker Asyl gewährte
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29. Januar 2015, 10:03 Uhr
Der evangelische Pfarrer Uwe Holmer wurde Anfang 1990 weltbekannt. Er ließ nach der Wende den bereits gestürzten DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker und dessen Frau Margot bei sich im Lobetaler Pfarrhaus wohnen - für etwa zehn Wochen. Nun erzählt der Pfarrer, wie es zum Kirchenasyl der Honeckers kam und wie er diese Zeit erlebte.
In der DDR hatten Partei und Staat der Familie des evangelischen Pfarrers Uwe Holmer das Leben nicht eben leicht gemacht. Für acht seiner zehn Kinder hatte Holmer den Antrag auf den Besuch der Erweiterten Oberschule gestellt. Trotz guter und sehr guter Zensuren durfte keines der Kinder das Abitur machen; keine FDJ, keine Jugendweihe und keine Bereitschaft zur Teilnahme an Wehrertüchtigungslagern, so lautete die Begründung der staatlichen Stellen.
Suche nach einer Bleibe
Holmer erklärte sich Anfang des Jahres 1990 trotzdem bereit, den ehemaligen Staats- und Parteichef und die Volksbildungsministerin, das Ehepaar Erich und Margot Honecker, in seinem Privathaus aufzunehmen. Im Pfarrhaus in Lobetal gewährte er ihnen Asyl, denn das Ehepaar Honecker war zu diesem Zeitpunkt quasi obdachlos. In Wandlitz hatten sie kein Wohnrecht mehr und eine ihnen von der Regierung Modrow zugewiesene Wohnung in Berlin-Friedrichshain hatten sie aus Angst vor dem Unmut der Bevölkerung abgelehnt. Man suchte daraufhin Hilfe bei der Kirche - und fand sie schließlich bei Pfarrer Holmer. Anfang Januar 1990, so erzählt Holmer, habe er Besuch von einem Vertreter der Kirchenleitung Berlin bekommen, der ihn um Kirchenasyl für die Honeckers bat.
Das kam für mich völlig unvorbereitet!
Gebot der christlichen Nächstenliebe
Mit Ehefrau Margot bezog Honecker am 30. Januar im evangelischen Pfarrhaus die obere Etage. Etwa zehn Wochen wohnte das Paar unter einem Dach mit den Holmers. Für Uwe Holmer bedeutete die Aufnahme der Honeckers einen Akt christlicher Ethik. Und einen Sieg der Religion, weil der Atheist Honecker ausgerechnet in einem Pfarrhaus Asyl gesucht und gefunden hatte. Doch viele Menschen lehnten die Geste der Kirche ab, es kam sogar zu Demonstrationen vor dem Pfarrhaus. Und Pfarrer Holmer erhielt Protestbriefe und -anrufe.
Das Ablehnende und das Zustimmende hat sich ungefähr die Waage gehalten. Aber die Menschen waren sehr aufgewühlt und erregt über die Aufnahme der Honeckers bei uns.
Bald erschien das Pfarrhaus nicht mehr sicher. In seiner Not wandte sich Honecker an den ehemaligen Verbündeten. Die sowjetische Armee holte das Ehepaar schließlich am 3. April nach Beelitz im Süden Berlins, versprach zuverlässigen Schutz und die notwendige medizinische Betreuung.
Engagiert bis heute
Ein paar Jahre nach der Wende ist Uwe Holmer, geboren 1929 in Wismar, zurück in seine Heimat nach Mecklenburg gezogen. In Serrahn am Krakower See half er einem Freund, eine Rehaklinik für Suchtkranke aufzubauen. Bis heute engagiert er sich dort. In Serrahn gibt er drei Mal in der Woche Andachten unter dem Leitmotiv "Biblisch orientierte Lebenshilfe" und leitet einmal im Jahr eine Besinnungswoche für alkoholgefährdete Menschen. Und er vertritt Kollegen als Prediger, wenn es notwendig ist. Immer wieder ist Holmer in den vergangenen Jahren als Aushilfsseelsorger nach Kasachstan und Kirgisistan gereist, um dort an Bibelschulen zu lehren. Auch die Ukraine besuchte er, wo die Serrahner Klinik inzwischen eine Zweigstelle hat.
1995 starb Holmers Frau und Mutter seiner zehn Kinder. Uwe Holmer heiratete noch einmal - eine alte Freundin der Familie, die selbst ihren Mann verloren hatte, Mutter von fünf Kindern ist und 22 Jahre jünger als er. Die Familie ist so mittlerweile auf 15 Kinder und 55 Enkel gewachsen. "Wir waren ein belogenes Volk", sagt Holmer rückblickend auf die DDR. Gorbatschow habe ihm imponiert, sein Mut zu Wahrheit und Wahrhaftigkeit.
Angaben zur Sendung
"Zeitzeuge Uwe Holmer, Pastor in der DDR"
Ein Feature von Thomas Moser
Redaktion: Mark vom Hofe
Produktion: WDR 2011
Dauer: 25 Minuten
Buchtipp
Uwe Holmer:
"Der Mann, bei dem Honecker wohnte"
219 Seiten,
Holzgerlingen: Verlag SCM Hänssler 2009,
ISBN: 978-3-7751-4582-4