Opposition in der Provinz
Hauptinhalt
Die Aktivisten aus Großhennersdorf
31. August 2017, 14:23 Uhr
Das beschauliche Großhennersdorf im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien gehörte einst zu den Zentren der DDR-Opposition. Fernab der Hochburgen der DDR-Opposition trafen sich hier Oppositionelle und Friedensaktivsten und gründeten eine Friedensgemeinschaft in der sächsischen Provinz.
Das sächsische Großhennersdorf, unweit von Zittau, reihte sich neben Berlin, Dresden, Leipzig oder Jena nahtlos in die Zentren der DDR-Opposition ein. In der Zeit von Aufrüstung und Friedenslosungen wurde die Tausend-Seelen-Gemeinde der Treffpunkt von Trampern, Friedensaktivisten und Aussteigern am südöstlichsten Zipfel der DDR. Andreas Friedrich und Andreas Schönfelder gehörten zu den Gründungsmitgliedern der ungewöhnlichen Friedensgemeinschaft in der sächsische Provinz.
Anlaufpunkt Katharinenhof
Anlaufpunkt für jugendliche Friedensaktivisten und Andersdenkende aus der ganzen Republik war der Katharinenhof. Das hochbetagte Anwesen aus dem 18. Jahrhundert wurde von der evangelischen Kirche bewirtschaftet und bot rund 350 behinderten Menschen Obhut. Doch die Zustände in einem der größten Behindertenheime der DDR waren katastrophal.
Da gab es eine Wassertoilette und eine Wanne - Der Rest saß auf Töpfen, also es stank im ganzen Haus.
Monat für Monat quittierten Pfleger frustriert den Dienst, bis junge Außenseiter und Rebellen aus dem ganzen Land den Katharinenhof aufsuchten. Sie wollten den Ausgestoßenen beistehen und dabei selbst Schutz vor Repression finden. Wie Andreas Schönfelder heute berichtet, wurden die Jugendlichen, vor allem die Tramperszene, verfolgt und ihr Lebensstil durch den § 249 des DDR-Strafgesetzbuches, dem so genannten Asozialen-Paragraph, kriminalisiert.
Geheimtipp Großhennersdorf
Nach Großhennersdorf pilgerten Woche für Woche die Langhaarigen, Renitenten und die, die versuchten, dem Zugriff des Staats etwas entgegenzusetzen. Gemeinsam gründeten sie eine Friedensgemeinschaft. Ein Mitglied der ersten Stunde war Andreas Schönfelder, der ab 1977 eine Ausbildung zum Krankenpfleger auf dem Katharinenhof machte. Er kaufte ein Haus, in dem die Friedensgemeinschaft und die Zugereisten einen Platz finden konnten.
Ja, es gab schon auch konspirative Arbeit. Bis hin zu verschlüsselten Telefonaten. Davon wusste aber nur ein sehr enger, vertrauter Kreis.
Aus dem einstigen Auffangbecken am südöstlichen Zipfel der Republik wurde zu Beginn der 1980er Jahre eine selbstbewusste Friedensgruppe, die der Konfrontation mit der Staatsmacht nicht aus dem Wege ging.
Aktionen in Zittau und Jena
Die Großhennerdorfer Aktivisten wurden nicht nur im nahegelegenen Zittau aktiv. Über Andreas Friedrich, der ab 1982 die Jenaer Friedensgruppe unterstütze, nahmen die Provinzaktivisten auch an Aktionen in einer der Hochburgen der DDR-Opposition teil. Im Jahr 1983 planten sie ihre bis dahin größten Aktionen. Auf offener Straße, inmitten offiziell zugelassener Demonstrationszüge, traten sie mit eignen Transparenten und politischen Forderungen auf.
Doch Staat und Staatssicherheit rüsteten zum Gegenschlag. Die Friendensgruppen wurden zerschlagen und die Mitglieder inhaftiert oder ausgebürgert, unter ihnen auch Andreas Friedrich. Auch die Gruppe um Andreas Schönfelder konnte ihr Engagement erst wenige Jahre später wieder aufleben lassen. Sie gründete Mitte der 1980er Jahre die erste Umweltbibliothek der DDR, die nicht unter dem schützenden Dach der Kirche aktiv war.