Tapetenwechsel - Prominente über 25 Jahre Mauerfall Ute Freudenberg – Die Sängerin mit den drei Leben

15. September 2015, 14:57 Uhr

Ute Freudenberg sagt von sich selbst, sie hätte drei Leben: Bis Mitte der 1980er-Jahre in der DDR, dann ein Intermezzo im Westen und nach der Wende wieder in der alten Heimat. Eines aber verbindet alles: ihr Hit "Jugendliebe". Schon 1980 katapultierte dieses Lied Ute Freudenberg in die Liga der DDR-Stars. Heute wünscht sich die Sängerin, dass endlich nicht mehr von "Ost" und "West" geredet wird.

Wenn Ute Freudenberg auf ihr Leben blickt, dann kann sie sich an Momente, in denen sich alles entschieden hat, genau erinnern. Dann hat es sie immer durchzuckt wie ein Blitz. So geschehen an einem Mittwoch 1995: Die Sängerin lebt in Düsseldorf, macht Wäsche, räumt auf, und geht kurz um die Ecke zum Italiener, um einen Salat zu holen. Als sie wieder aus dem Restaurant kommt, fühlt sie sich plötzlich vollkommen fremd - und beschließt, wieder in ihre Heimatstadt Weimar zu ziehen.

Von der Casting-Show auf die Bühne

Rückblende: Ute Freudenberg wird am 12. Januar 1956 in Weimar geboren. Ihre Kindheit kann sie mit einem Wort zusammenfassen: "traumhaft!" Ihre Tante hat einen Bauernhof, Ute Freudenberg macht mit Cousins und Cousinen Felder und Wiesen unsicher. Seit sie denken kann, will sie Sängerin werden. Ihre Eltern wiegeln wollen sie von ihren Träumen nicht abbringen, sondern unterstützen Ute, wo sie nur können. Ihr Talent darf sie das erste Mal 1972 vor großem Publikum zeigen, bei einer Talentshow im DDR-Fernsehen. Im gleichen Jahr beginnt sie ein Musikstudium an der Franz-List-Hochschule in ihrer Heimatstadt Weimar. Sie hat Auftritte, Konzerte, Chanson-Abende und gründet mit ihren Kommilitonen 1976 die Gruppe "Elefant".

Schattenseiten des Künstlerlebens

Ute Freudenberg wird SED-Mitglied und veröffentlicht ihre erste Single bei Amiga. 1980 katapultiert ihr Hit "Jugendliebe" Ute Freudenberg in die Liga der DDR-Stars. Als sie 25 Jahre alt ist, eckt sie das erste Mal mit dem DDR-System an. Die Abhängigkeit von der Gunst der Obrigkeit stößt ihr auf. In einem Live-Interview bei "Rock für den Frieden" spricht sie die ungleiche Behandlung an.

Wenn du irgendwann schlechte Bedingungen hast, vor oder nach den Konzerten nix mehr zu Essen bekommst und dann total hungrig in den Hotelzimmer gehst; Wenn du gemerkt hast, dass du bestimmte Dinge, die du ganz ehrlich gemeint hast, gar nicht wahrgenommen werden. Wer gute Beziehungen hatte, hat im großen Saal gespielt. Wer das nicht hatte oder nicht mehr angenehm war, der wurde in eine kleine Ecke verfrachtet mit deiner Band. Das war zum Schluss verlogen, da bin ich angeeckt.

Ute Freudenberg, Sängerin

Im April 1984, einen Monat nach ihrer Hochzeit, bleibt Ute Freudenberg nach einem Auftritt im Hamburg im Westen. Ihr Mann, Stuntman Peter Pieper, darf später auch zu ihr nach Düsseldorf ziehen. Musikalisch hat es Ute Freudenberg schwer – im Westen stehen alle auf die "Neue Deutsche Welle". Die DDR-Sängerin stellt sich bei einem Künstlerdienst vor, der sie nicht vermitteln will, ihr Gesang sei zu anspruchsvoll. Glücklicherweise lernt sie die Düsseldorfer Band "Flaming Bess" kennen. Gemeinsam spielen sie Live-Auftritte, Ute Freudenberg schlägt sich aber auch als Sängerin auf Kreuzfahrtschiffen und Galas durch.

Die Schwierigkeit zu der damaligen Zeit bestand darin, dass die Neue Deutsche Welle angesagt war und natürlich kein Mensch eine Sängerin haben wollte, die Anspruch auf Texte legte und auch noch sang, richtig mit großen Bögen und viel Anspruch. Damals war eher 'Da Da Da' angesagt. Das war schwierig, da musste ich einfach durch.

Ute Freudenberg, verließ 1984 die DDR

Aus Ute wird Heather

1988 singt Ute Freudenberg den Titelsong für den Tatort "Pleitegeier" mit Manfred Krug – allerdings nennt sie sich jetzt "Heather Jones". Ein Wunsch der Plattenfirma, die sich mehr Auftritte und mehr Absatz von Tonträger davon erhofft. Daheim in Weimar versteht man die Welt nicht mehr. Ute Freudenberg als Heather Jones im Westfernsehen – da wird sogar Freudenbergs Mutter auf der Straße angesprochen. Selbst Stellung zu ihrem Namenswechsel nehmen, kann Ute Freudenberg nicht. Sie darf nicht mehr in die DDR einreisen, nicht einmal, als ihr geliebter Vater stirbt. Erst nach der Wende, im Februar 1990, singt sie das erste Mal wieder im Osten – und kommt nun öfter.

Zurück nach Weimar

1995 schließt sich dann der Bogen: Kurz nach dem entscheidenden Moment in Düsseldorf, hat Ute Freudenberg den ersten Auftritt nach ihrem Weggang aus der DDR in Weimar beim Zwiebelmarkt. Der Platz ist schon um 8 Uhr morgens brechend voll, alle sind gekommen. Das Publikum legt ihr Rosen auf die Bühne, es herrscht eine sehr emotionale Stimmung.

Als sie den Hit singen will, der sie berühmt gemacht hat, die "Jugendliebe", versagt ihr die Stimme. Erst ganz zum Schluss stimmt sie den Song als Zugabe an – und alle singen mit. Noch auf der Bühne kündigt sie an, dass sie wieder nach Hause kommen wird. In der Tat sucht sich Ute Freudenberg eine Wohnung und zieht am 3. Oktober 1996, am Tag der Deutschen Einheit, zurück nach Weimar.

Zukunftspläne

2005 wird "Jugendliebe" zum beliebtesten Ost-Hit aller Zeiten gewählt, Ute Freudenberg mit der Goldenen Henne ausgezeichnet. Doch sie will nach vorn schauen: 2011 singt sie das Duett "Auf den Dächern von Berlin" mit Sänger Christian Lais. Die "Ost-West-Hymne" stürmt die Hitparaden und verkörpert einen großen Wunsch von Ute Freudenberg: Dass die Menschen in Ost und West offener aufeinander zugehen und zusammenwachsen. Dafür will sie auch die nächsten Jahre mit ihrer Musik dazu beitragen. 

Die Serie: "Tapetenwechsel - Prominente über 25 Jahre Mauerfall" 1989 begann für die Ostdeutschen ein neues Leben. Was sich bei Prominenten wie Achim Mentzel, Winfried Glatzeder oder Ute Freudenberg verändert hat und welche Rolle ihre Herkunft spielt, erzählt unsere GMD-Serie.

Buchtipp Dähn, Christine: "Ute Freudenberg Jugendliebe: Die Biografie"
320 Seiten,
Berlin: Verlag Neues Leben 2012
ISBN: 978-3355017947,
Preis: 45,00 Euro