Achim Mentzel: Der Optimist aus dem Spreewald
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"Tapetenwechsel" - Prominente über 25 Jahre Mauerfall
15. September 2015, 14:57 Uhr
Achim Mentzel ist bis heute Kult. Seit 50 Jahren ist der Entertainer im Geschäft. Mit guter Laune hat er die Wende unbeschadet überstanden. Ähnlich wie die Spreewaldgurke, die es auch heute noch gibt. Doch Mentzel musste sich von Kritikern einiges gefallen lassen, wie er im dritten Teil unserer GMD-Serie "Tapetenwechsel" erzählt.
1996, ein ganz normaler Sonntagabend bei Familie Mentzel. Entertainer Achim sitzt Zuhause auf dem Sofa und schaut Fernsehen – da klingelt das Telefon, ein Kumpel ist dran. "Mensch Achim", sagt der, "schalt mal auf Premiere. Da verscheißert dich gerade einer." Mentzel tut wie ihm geheißen und landet bei der Satiresendung "Kalkofes Mattscheibe". Da ist TV-Kritiker Oliver Kalkofe zu sehen, mit Schnauzer und Perücke, der sagt: "Im MDR gibt’s einen Moderator, der ist die Mischung zwischen Tony Marschall, einem Yeti und einem überfahrenen Hamster. Sollten Sie diesen Mann sehen, melden Sie es bitte uns, der Polizei oder dem städtischen Hundefänger. Aber seien Sie vorsichtig, er ist mit einem Gurkentopf bewaffnet." Während seine Frau Brigitte das gar nicht lustig findet, muss Achim Mentzel lachen. Er ahnt, dass ihn dieser Hinweis zur besten Sendezeit im Westen bekannt machen wird.
Achim Mentzel, geboren 1946, hat zur Zeit der ersten Kalkofe-Parodie bereits ein aufregendes Leben hinter sich. Schon zu DDR-Zeiten schunkelt er sich durch die Republik, ist erfolgreicher Kapellenmusiker und Solist. In den 1960er Jahren gründet er mit Freunden seine erste Band, das "Diana Show Quartett". Die Männer spielen westliche Titel, vor allem von den Beatles. Doch dann werden die Rolling Stones hip. 1965 geben sie ein Konzert auf der Westberliner Waldbühne, das vollkommen eskaliert. Fans randalieren, die Polizei muss Wasserwerfer einsetzen. Die DDR-Regierung zieht Konsequenzen, auch die Band von Achim Mentzel ist betroffen und darf nicht mehr auftreten. Ihre Beatmusik ist nun als Musik von Langhaarigen verschrieen, die sich nicht anpassen wollen.
Nach dem Berufsverbot werden Mentzel und seine Bandkollegen sofort eingezogen, um bei der Armee ihren Dienst zu leisten. Nach der NVA-Zeit steigt Mentzel erst im Betrieb seines Schwiegervaters ein, dann als Sänger beim "Manfred-Lindenberg-Sextett". Doch Achim Mentzel will in einer großen Band spielen und wechselt zu Alfons Wonneberg, dessen Band auch im Westen auftreten darf. Nach einem Auftritt 1973 in Westberlin kehrt Mentzel nicht zurück. Er will dem Westshowbusiness zeigen, wo der Hammer hängt.
Ich dachte, die warten alle auf mich. Aber kein Mensch wollte mich haben. Mich kannte keiner. Da habe ich mich ausfliegen lassen zur Verwandtschaft und musste ja irgendwas arbeiten. Da habe ich plötzlich als Schweißer gearbeitet.
Die Musikkarriere im Westen will aber nicht klappen. Mentzel kommt bei Verwandten im Saarland unter. Im Arbeitsamt wird er nach seinem Beruf gefragt, Mentzel antwortet: "Ich kann gut singen und Gitarre spiele ich auch." Der Arbeitsamtmitarbeiter meint darauf: "Gaukler und Fallensteller haben wir hier genug." Mentzel arbeitet fortan als Hilfsschweißer im Drei-Schicht-System. Nach nur sechs Monaten kehrt er geläutert in die DDR zurück. Dort wird Mentzel wegen Republikflucht zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt, ausgesetzt für zwei Jahre Gefängnis auf Bewährung. Achim Mentzel bewährt sich, spielt zusammen mit Nina Hagen in "Fritzens Dampferband". Im Wendejahr 1989 hat er großes Glück: Noch im Mai bietet ihm das DDR-Fernsehen eine eigene volkstümliche Sendung an: "Achims Hitparade". Die schafft es unbeschadet und ohne Unterbrechung durch die Wende und wird ab 1992 weiter mit hohen Einschaltquoten beim MDR ausgestrahlt.
"Dass ich mich zur Volksmusik hin verändert habe, hat zwei Gründe. Ich wollte kein alternder Rockmusiker werden und ich habe in den Spiegel geschaut. Wenn einer zwei Zentner wiegt und auch so aussieht, sollte er nicht von Liebe und Triebe singen, sondern von Essen und Trinken und von den Weibern."
Heute ist Achim Mentzel Kult und ein Symbol für Optimismus. Seine Karriere dauert nun schon 50 Jahre. Ähnlich wie die Spreewaldgurke, die Mentzel sehr gern isst, ist er ein Symbol für die gute alte Zeit. Oliver Kalkofe hat ihm zwar 1996 anderthalb Minuten Spott, aber gleichzeitig auch seinen ersten Auftritt im Westfernsehen beschert. Der Tapetenwechsel ist geglückt, Kalkofe und Menzel sind inzwischen gemeinsam auf Tour, Mentzel hat in Kalkofes "Wixxer"-Filmen kleine Rollen übernommen. Auch sonst kann er sich nicht über fehlende Engagements beklagen, eigentlich singt er überall, wo man ihn hören will. Mit Ende 60 hat sich Mentzel außerdem seine Träume erfüllt: Viele Kinder gezeugt, einige Bäume gepflanzt, ein Haus gebaut und eine Biographie geschrieben. Nun lebt er dort, wo er immer sein wollte: mitten im Spreewald, mitten im Osten.
Buchtipp
Achim Mentzel: "Alles Achim oder was?"
319 Seiten,
Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag 1999,
ISBN: 978-3896023018,
Preis: 15,00 Euro
Die Serie: "Tapetenwechsel - Prominente über 25 Jahre Mauerfall" 1989 begann für die Ostdeutschen ein neues Leben. Was sich bei Prominenten wie Achim Mentzel, Winfried Glatzeder oder Ute Freudenberg verändert hat und welche Rolle ihre Herkunft spielt, erzählt unsere GMD-Serie.