Runder Tisch
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12. März 1990: Letzte Sitzung des "Runden Tisches" Aufbruch zur Demokratie: "Runde Tische" in der DDR

11. August 2021, 17:19 Uhr

Rückblick: 7. Dezember 1989. An diesem Tag passiert es was bis dahin vollkommen Undenkbares: Es treffen sich Abgeordnete der DDR-Regierung und von den Oppositionsgruppen zu ihren ersten "Runden Tisch". Die Stimmung war angespannt. Denn es sollte über eine Machtteilung und die Durchführung von Wahlen verhandelt werden. Es war eine kurze Blüte der demokratischen Teilhabe. Die 16. (und letzte) Sitzung des "Runden Tisches" fand nämlich am 12. März 1990 statt.

Die "Runden Tische" sicherten den friedlichen Übergang von einer Diktatur in eine Demokratie. Sie setzten einen demokratischen Prozess in Gang. In Güstrow, Dessau und Wismar waren bereits im November 1989 Oppositionelle mit Kadern der SED an "Runden Tischen" zusammengekommen. Am 7. Dezember 1989 etablierte sich der "Zentrale Runde Tisch" der DDR in Ost-Berlin und kam bis zum 12. März 1990 mehrfach zusammen. Sie halfen dabei, dass Anarchie und Gewalt in den Wirren der letzten Monate der DDR verhindert werden konnten. Andererseits schafften die Verhandlungen und Ergebnisse der Sitzungen an den "Runden Tischen" auch die Grundlage für eine freiheitlich-demokratische Entwicklung.

Geschichte

Teilnehmer der Bürgerbewegung an den "Runden Tischen" in der DDR

Um den gesellschaftlichen Übergang nach dem Zusammenbruch des Sozialismus zu moderieren, wurden Ende 1989 in der DDR "Runde Tische" etabliert, an dem Vertreter von Regierung und Bürgerbewegung zusammensaßen.

Runder Tisch
Wolfgang Tiefensee Wolfgang Tiefensee engagierte sich 1989 bei der Bürgerbewegung "Demokratie Jetzt" und war einer der Vertreter am Runden Tisch. Von 1998 bis 2005 war er Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, im Anschluss daran wurde von 2005 bis 2009 Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer. Seit 2014 ist er thüringischer Wirtschafts- und Wissenschaftsminister, seit 2018 außerdem Landesvorsitzende der SPD Thüringen. Bildrechte: Hoferichter und Jacobs
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Wolfgang Tiefensee Wolfgang Tiefensee engagierte sich 1989 bei der Bürgerbewegung "Demokratie Jetzt" und war einer der Vertreter am Runden Tisch. Von 1998 bis 2005 war er Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, im Anschluss daran wurde von 2005 bis 2009 Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer. Seit 2014 ist er thüringischer Wirtschafts- und Wissenschaftsminister, seit 2018 außerdem Landesvorsitzende der SPD Thüringen. Bildrechte: Hoferichter und Jacobs
Runder Tisch
Ulrike Poppe Ulrike Poppe war Bürgerrechtlerin und eine der bekanntesten Oppositionellen in der DDR. 1988 gründete sie mit Weggefährten die Bürgerrechtsbewegung "Demokratie Jetzt", für die sie am Zentralen Runden Tisch in Berlin teilnahm. 2010 bis 2017 war sie Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, bei der sie sich unter anderem mit den Hinterlassenschaften des Ministeriums für Staatssicherheit beschäftigte. Bildrechte: Hoferichter und Jacobs
Runder Tisch
Martin Gutzeit Martin Gutzeit ist Theologe und Politiker, der im Oktober 1989 Mitbegründer der SPD (SDP) in der DDR war. Am Zentralen Runden Tisch war er Experte für Stasiauflösung und Sicherheitsfragen. Von 1993 bis 2017 fungierte er als Landesbeauftragter für die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR in Berlin. Bildrechte: Hoferichter und Jacobs
Runder Tisch
Gregor Gysi Gregor Gysi ist Rechtsanwalt und war von Ende 1989 bis 1993 Vorsitzender der SED-PDS und ihrer Nachfolgepartei PDS. Er fungierte als Vertreter der SED-PDS am Zentralen Runden Tisch. Danach war er Bundestagsabgeordneter; bis 2015 agierte er als Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion. Heute ist Gysi als Rechtsanwalt tätig. Bildrechte: Hoferichter und Jacobs
Runder Tisch
Konrad Weiß Konrad Weiß ist Dokumentarfilmregisseur. 1989 war er Mitgründer der Bürgerrechtsbewegung "Demokratie Jetzt", bei der er auch Mitglied des Sprecherrates war. Als Vertreter von "Demokratie jetzt" nahm er am Zentralen Runden Tisch in Berlin teil. Bei der Volkskammerwahl 1990 wurde Konrad Weiß als Abgeordneter in die Volkskammer der DDR gewählt. Zwischen 1990 und 1994 war er Mitglied des Bundestages für Bündnis 90/Grüne. 2001 trat er aus der Partei aus. Bildrechte: Hoferichter und Jacobs
Runder Tisch
Christian Scheibler Christian Scheibler war 1989 Mitbegründer der politischen Gruppierung "Demokratischer Aufbruch" in Leipzig, als deren Vertreter er ab 1989 beim Runden Tisch in Leipzig fungierte. Er war Bürgerrechtler und einer der Erstbesetzer der Leipziger Stasi-Zentrale im Dezember 1989. Heute engagiert er sich beim deutschen Tonkünstlerverband.
(Über dieses Thema berichtete der MDR im TV auch in "Aufbruch zur Demokratie. Runde Tische in der DDR" | 24.11.2019 | 22.50 Uhr)
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Bürgerrechtsbewegung und SED trafen erstmals zusammen

Die Etablierung eines "Zentralen Runden Tisches" in Ost-Berlin war ein wesentliches Puzzleteil des demokratischen Prozesses auf dem Weg in die Wiedervereinigung. Und das in einer Zeit, die rückblickend als eine extrem dynamische und hochpolitische Phase deutscher Geschichte gelten muss. Erstmals trafen damals Opposition und SED offen und im Dialog aufeinander. Erstmals war der politische Gegner für den SED-Apparat wahrnehmbar und der Dialog sollte schließlich zur ersten freien Wahl in der DDR führen. Doch nicht nur in Berlin erblühte die Demokratie in diesem letzten Abschnitt der DDR – auch überall sonst waren sie plötzlich zu finden: "Runde Tische" – die Gremien der Friedlichen Revolution.

"Aktuelle Kamera" berichtet vom ersten Runden Tisch
Erster "Zentraler Runder Tisch" in Berlin am 7. Dezember 1989 Bildrechte: DRA (Aktuelle Kamera)

Die Runden Tische waren ein Glücksfall für unsere Geschichte. Sie haben uns davor bewahrt, in Chaos zu versinken.

Lothar de Maiziére Letzter Ministerpräsidenten der DDR

Eckiger "Runder Tisch" in Ost-Berlin

"Wir wollten die Ecken der Tische zu unserem heutigen Gespräch auch nicht absägen. Das wäre nicht nur die Schädigung fremden Eigentums gewesen, es wäre auch der Sache nicht angemessen. Denn die Probleme, mit denen wir uns heute zu befassen haben, sind kantig", sagte Martin Ziegler am 7. Dezember 1989 in Ost-Berlin am "Zentralen Runden Tisch", der eigentlich eckig war, in seiner Funktion als Moderator.

Die Teilnehmer des Runden Tisches treffen sich aus tiefer Sorge um unser in eine Krise geratenes Land, seine Eigenständigkeit und seine dauerhafte Entwicklung. Sie fordern die Offenlegung der ökologischen, wirtschaftlichen und finanziellen Situation in unserem Land.

Mitglieder der Opposition

Die Oppositionsspitzen hatten die "Runden Tische" nach dem Vorbild des "Runden Tischs" in Polen konzipiert und etabliert, der in Warschau zwischen dem 6. Februar und dem 5. April 1989 in der Übergangsphase vom kommunistischen Regime zur demokratischen Republik tagte. Seine Wirkung auf den Wandel des Landes hatte überall tiefen Eindruck hinterlassen, nicht nur bei den Oppositionsführern der DDR.

Öffentliche Kontrolle ausüben

Die Bürgerrechtler verstanden die "Runden Tische" als übergreifende Instanz zur Konfliktlösung. Sie wollten kein Vakuum ausnutzen und nicht ohne politische Legitimation Macht ausüben. "Das war unsere Auffassung von Demokratie. Und deshalb erschien uns dieses Gremium als sinnvoller", sagt Ulrike Poppe, die für "Demokratie Jetzt" am "Runden Tisch" saß.

Zwischen Niedergang und Neuanfang

"Neues Forum", "Demokratie Jetzt", "Vereinigte Linke", "Demokratischer Aufbruch", "Initiative für Frieden und Menschenrechte", "Grüne" und "Sozialdemokratische Partei" – das waren die Teilnehmer der Bürgerrechtsbewegung der DDR am "Zentralen Runden Tisch" in Ost-Berlin und an den "Runden Tischen" im gesamten Land. In einem Land, das sich in einem rapiden Niedergang befand.

Die Ungewissheit war für viele DDR-Bürger in den Umbruchsmonaten zwischen 1989 und 1990 eine prägende Erfahrung. Der zu erahnende Neuanfang, das plötzliche Ende der vermeintlichen politischen Lethargie, die erstarkenden Bürgerrechtsbewegungen, die Gründungsideen und Aufrufe – all dies fand plötzlich auch auf oberster politischer Ebene seine Berechtigung, indem die Gruppen der Opposition gemeinsam auftreten konnten und die politische Spitze des SED-Staates an einen Tisch bekamen.

Denn genau darin bestand eben die Besonderheit und gleichzeitig auch die Dramatik dieser Zusammenkünfte sowohl am "Zentralen Runden Tisch" als auch in seinen Pendants in den Bezirken und Kreisen: Es war ein erstaunliches Maß an Überwindung, Mut und Zuversicht nötig, um sich mit den Vertretern der "staatlichen Organe" zusammenzufinden, die nur wenige Wochen zuvor zu den intimsten Feinden eines jeden Bürgerrechtlers gehört hatten.

Das Misstrauen blieb

Und genau das blieb immer auch spürbar – Freundschaften schlossen sich zwischen diesen Lagern nicht. Stattdessen herrschte auf Seiten der Bürgerrechtler oft eine Mischung aus Aufbruchsstimmung, Hemmnis, aber auch Misstrauen gegenüber den Verhandlungspartnern. Gerade als es um brisante Themen wie die Auflösung der Staatssicherheit oder Umweltskandale ging, kam es zu heiklen Gesprächssituationen. Aber auch zwischen den Gruppen der Opposition und innerhalb der Bündnisse selbst waren Konflikte an der Tagesordnung. Die Hinwendung der DDR-Bürger zu den etablierten Parteien und die allgemein spürbare Welle der Sympathie für eine schnelle Wiedervereinigung erleichterten die Arbeit der "Runden Tische" durchaus nicht. Im Vorfeld der Wahlen im März 1990 wurden diese Entwicklungen überdeutlich und die Gegenwart etablierter Politiker wie Helmut Kohl definierte die Anwendung von Macht für alle Anwesenden neu. Allein, die große Eskalation blieb aus.

Matthias Platzeck, Günter Nooke und Marianne Birthler posieren für ein Wahlplakat.
Die Bürgerrechtler Matthias Platzeck, Günter Nooke und Marianne Birthler Bildrechte: Manfred Uhlenhut, Berlin

Instanz der Konfliktlösung

Die "Runden Tische" waren eine übergreifende Instanz der Konfliktlösung. Eine ihrer größten Leistungen dürfte das Zustandekommen der ersten freien Wahlen im Frühjahr 1990 gewesen sein. Die Verständigung darauf führte dazu, dass in der Folge neben dem "Zentralen Runden Tisch" in Ost-Berlin auch die zum Teil schon vor diesem einberufenen regionalen und lokalen "Runden Tische" ihren festen Platz innerhalb des Reformprozesses und des Dialogs mit den jeweiligen Verantwortlichen fanden. Ihnen kommt der Verdienst zu, auf regionaler und lokaler Ebene neben den großen und wichtigen Themen vor allem solche Probleme zu verhandeln, die im weiteren Geschehen eher wenig Beachtung fanden.

Kurze Blüte demokratischer Teilhabe

Natürlich muss man auch das relativ schnelle Ende der "Runden Tische" und das Scheitern einiger ihrer Akteure betrachten. Durch das Fehlen einer demokratischen Legitimation und die Ablehnung hierarchischer Machtstrukturen schafften es die "Runden Tische" letztlich nicht, einen dauerhaften institutionellen Rahmen im wiedervereinigten Deutschland zu erlangen. Mit den ersten und einzigen freien Wahlen endete ihre kurze Blüte der demokratischen Teilhabe.

Über dieses Thema berichtet der MDR im TV in "Aufbruch zur Demokratie. Runde Tische in der DDR" 24.11.2019 | 22:50 Uhr

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