Lebensmittel auf Kontingent
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28. Mai 2018, 15:46 Uhr
Während Westdeutsche Anfang der 50er Jahre bereits Sahnetorte aßen, mussten Ostdeutsche weiter mit einer Mangelwirtschaft leben. Denn auch mehrere Jahre nach Kriegsende standen nur eine bestimmte Menge an Fleisch, Fett, Zucker und ähnlich knappen Waren zur Verfügung. Man konnte nicht nach Belieben einkaufen, sondern hatte im Monat nur ein bestimmtes Kontingent zur Verfügung. Erst am 28. Mai 1958 wurde dann auch im Osten die Lebensmittelkarte abgeschafft.
Aus Angst vor einer Lebensmittelknappheit wurden Brot, Milch, Eier, Zucker und andere Nahrungsmittel im Zweiten Weltkrieg rationiert. Nach dem Krieg wurde das System der Lebensmittelkarten beibehalten und die Bevölkerung von den alliierten Besatzungsmächte in Verbrauchergruppen eingeteilt.
Einteilung in fünf Kategorien
Kategorie I: Schwerstarbeiter und Funktionäre
Kategorie II: Schwerarbeiter
Kategorie III: Arbeiter
Kategorie IV: Angestellte
Kategorie V: Sonstige (Kinder, Rentner, Schwerbehinderte, Nichterwerbstätige). Die Karte wurde auch "Friedhofskarte" genannt.
Nach Schwere der Arbeit wurden fünf Gruppen unterschieden. Wer in die Kategorie der "Normalverbraucher" fiel, erhielt wöchentlich 2.400 Gramm Brot, 500 Gramm Fleisch und 270 Gramm Fett. "Schwerarbeiter" und "Schwerstarbeiter" bekamen mehr. Außerdem gab es spezielle Rationen für Schwangere, Stillende und Kinder. Ende 1946 entsprach die vorgesehene Tagesration für erwachsene Normalverbraucher 1550 Kilokalorien.
Mangelwirtschaft DDR: Butter und Milch nur auf Marken
Die Währungsreform 1948 brachte im Westen des Landes das Wirtschaftswunder mit sich. Bereits 1950 konnten die Lebensmittelkarten abgeschafft werden. Doch die DDR war davon noch weit entfernt.
Von der Sowjetunion lernen, heißt Siegen lernen.
Unter der Losung "Von der Sowjetunion lernen, heißt Siegen lernen" wurde die gesamte Wirtschaft der DDR an der sowjetischen Planwirtschaft ausgerichtet. Das bedeutete, dass der Fokus auf dem Ausbau der Schwerindustrie lag. In diesem Bereich konnte der Osten große Erfolge vorweisen. Die Rohstahlerzeugung war 1953 mit 2,1 Millionen Tonnen doppelt so hoch wie zu Vorkriegszeiten. Durch den Ausbau der Schwerindustrie sollte die Grundlage für eine leistungsfähige Wirtschaft gelegt werden. Doch dieser Erfolg ging auf Kosten der Konsumgüter. Viele begehrte Artikel gab es nur auf Marken und in schlechter Qualität. In den Läden der Handelsorganisaton (HO) gab es zwar ein reichhaltiges Angebot. Jedoch war das für die meisten Bürger zu teuer.
Aufstand am 17. Juni 1953
Als Walter Ulbricht im Juli 1952 den "weiteren planmäßigen Aufbau des Sozialismus" verkündete, führte das zu großem Unmut in der Bevölkerung. Denn das Politbüro erhöhte die Arbeitsnorm - nicht aber die Löhne. In der weiteren Folge kam es zum Volksaufstand am 17. Juni 1953. Mehr als eine Millionen Menschen gingen auf die Straße und forderten den Rücktritt der Regierung. In Folge des Volksaufstandes wurden im Herbst 1953 die Preise in den HO-Läden um 10 bis 25 Prozent reduziert. Ebenso wurden die Reparationsleistungen an die Sowjetunion auf fünf Prozent des Staatshaushaltes begrenzt.
Fresswelle im Westen: "Aber bitte mit Sahne"
Derweil entdeckten die Bundesbürger ihre Leidenschaft für Fettiges. Buttercremetorten, Mayonnaise, Toast Hawaii und andere reichhaltige Speisen kamen auf den Tisch. Zum Nachtisch wurde "kalter Hund" serviert, dazu gab es Erdbeerbowle oder Eierlikör. Der in den 70er-Jahren komponierte Udo-Jürgens-Hit "Aber bitte mit Sahne" erinnert an die Zeit des Wohlstandes. Doch während sich die Westdeutschen einen "Wohlstandsbauch" zulegten, blieb die DDR weiter zurück. Nicht nur das Essen wurde rationiert. Brauchte man Strümpfe, Schuhsohlen oder Bettwäsche, mussten bei den Behörden gesonderte Anträge gestellt werden. Schneller konnten die Sachen auf dem Schwarzmarkt besorgt werden.
Schwarzmarkt, Bückware und Schrebergärten
Zigaretten, Alkohol oder Schallplatten waren beliebte Waren auf dem Schwarzmarkt. Aber auch Sachen wie Gürtel oder Schminke wurden illegal gehandelt. Die Ware war so heiß begehrt, dass eine Zigarette teilweise bis zu fünf Ost-Mark kostete. Außerdem waren Tauschhandel und Beziehungen das A und O auf dem Lebensmittelmarkt. Wer beides hatte, dem ging es gut. Mit Beziehungen bekam man die sogenannte "Bückware". Tauschgeschäfte unter den Bürgern waren Normalität. Wer eine kaputte Fensterscheibe reparierte, bekam dafür eine Packung Eier. Wer weder Beziehungen noch Geld für den Schwarzmarkt hatte, der baute selber an im eigenen Schrebergarten. Statt "kalter Hund" kam "Eingemachtes" aus den heimischen Gärten auf den Tisch.
Ende der Lebensmittelrationierung
Als im Mai 1958 die Lebensmittelkarten auch in der DDR verschwanden, hatte das keine "Fresswelle" und allgemeinen Wohlstand wie im Westen zu Folge. Die Lebensmittelpreise stiegen und die Mangelwirtschaft blieb. Um die Waren bezahlbar zu machen, wurde ein einheitliches Preissystem eingeführt.
Als Ausgleich für die hohen Preise gab es außerdem staatliche Zuschläge bei den Löhnen. Bei einem Einkommen von 410 Mark gab es 14 Mark mehr für Essen. Rentner bekamen pauschal neun Mark. Um die Einheitspreise zu gewährleisten, unterstützte der Staat nicht nur den einzelnen Bürger, sondern auch die Lebensmittelindustrie. Noch 1988 subventioniert die DDR die Lebensmittel mit 32 Milliarden Ost-Mark. Viele Preise blieben bis zur Wende gleich. So kostete ein Brötchen bis zum Schluss fünf und die Bockwurst 80 Pfennige.
Über dieses Thema berichtete der MDR im TV auch in "Umschau" 12.12.2017 | 20:15 Uhr