Miefiger Osten? Von wegen! Der Duft des Ostens
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25. März 2022, 15:45 Uhr
Ein Geruch wie Klostein, die Verpackung schmucklos wie bei einem Mittel gegen Fußpilz? Gegen das Vorurteil vom miefigen Osten traten die Parfüm-Entwickler aus Miltitz bei Leipzig mit ihren beschränkten Mitteln an. Ihr hochflüchtiges Erbe versucht die Düfte-Sammlerin Kerstin Zimmermann aus Radebeul zu pflegen.
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"Du duftest nach der ganzen Welt mit deinem DDR-Parfüm", hat der Liedermacher Fanny van Dannen einmal gesungen und ganz so unrecht hatte er damit nicht. Vor allem in den Anfängen der Republik gab es einiges zu riechen in den Duft-Abteilungen der Warenhäuser. In aufwendigen Verpackungen und seidig eingeschlagen kamen Parfüme mit exotischen Namen wie "Chinaseide", "Indisch Lotos" oder "Orchidea Grandiflora" daher.
Düfte ohne Sehnsuchtsfaktor
Als sich jedoch die Erkenntnis durchsetzte, dass die Mangelwirtschaft in der DDR zum System gehört, mussten auch die Parfumiers einen Gang zurückschalten. Statt Sehnsucht nach fernen Ländern zu wecken, bekamen die Duftwässerchen nun unverfänglichere Namen wie "Chance", "Souvenir" oder "Poesie".
Aus den Flakons "Made in GDR" war allerdings nicht selten doch der Duft der (westlichen) Welt zu erhaschen. Denn es wurde kopiert, was das Zeug hielt. So war das DDR-Schaumbad "Badusan" ein nachgemachtes "bade-das", "Idris" eine Kopie des legendären Parfüms "Opium". Und "Frisson" wurde – in Kooperation mit französischen Parfümeuren - dem "Poison" von Dior nachempfunden.
Luxus in der Mangelwirtschaft: Kreationen aus Miltitz
Im chemischen Kombinat in Miltitz bei Leipzig wurden ab den 1970ern fast alle Düfte der DDR zusammengemischt. Hier entstand der Grundstoff für jugendliche Eine-Mark-Düfte ebenso wie für die kopierten Luxusparfüme.
Die Anregung kam meistens aus dem Westen. Und wie auch in der Modebranche waren wir immer ein bisschen hinterher, weil wir ja erst einmal abwarten mussten, was war im Westen modern, was war im Westen üblich.
Die Supernasen spüren westlichen Düften nach
Die Originale brachten die Supernasen aus Miltitz von den Messen mit und nahmen sie im Labor auseinander. Doch selbst wenn alle Grundstoffe analysiert waren, hieß das noch lange nicht, dass es sie in der DDR auch gab. So mussten zum Teil Entwicklungen aus der Waschmittelproduktion und andere synthetische Produkte für die DDR-Kosmetik herhalten. Nur für die teuren Parfüms wurden ätherische Öle aus China und Vietnam importiert.
An die Qualität der Originale reichten die Plagiate meist dennoch nur in Sachen Preis heran. Im Exquisit kostete etwa das Deospray "Atoll" stolze 20 Mark, das Rasierwasser "Privileg" 27 Mark und manches Parfüm ganze 40 Mark: Ein wahres Luxusgut für DDR-Bürger. So überdauerten vor allem die aufwendigen Geschenk-Editionen nicht selten in den Schlafzimmerschränken sparsamer Damen den Zusammenbruch der DDR und warten dort auf die Sammelleidenschaft der Kerstin Zimmermann.
Die Hüterin der Düfte
Vor 15 Jahren entdeckte Kerstin Zimmermann aus Radebeul ihre Leidenschaft für den Duft des Ostens. Bei einer Drogerieauflösung fielen ihr zum Teil sehr seltene und alte Parfümkreationen in die Hände. Seitdem vergeht kaum ein Wochenende, an dem Kerstin Zimmermann nicht auf Flohmärkten nach Flakons und Sprühflaschen forscht. Das war vor allem vor der Ostalgiewelle ein schwieriges Unterfangen – die DDR mochte halt keiner mehr riechen.
Viele Leute denken, es gab kein Parfüm in der DDR oder nur Einheitsflakons. Aber ich finde immer wieder so schöne Flakons, so tolle Verpackungen, das ist wirklich faszinierend.
Inzwischen hat Kerstin Zimmermann ein kleines Privatmuseum eröffnet, um das Vorurteil vom miefigen Osten zu entkräften. 100 Marken hat sie in Glasvitrinen zusammengetragen: Eine Flasche "Sierra" mit Original-Bastbezug lässt sich hier ebenso bestaunen wie die Geschenkverpackung des Edelparfüms "Schwarzer Samt".
Heute geht es weit schriller, bunter und lauter zu auf dem schier unüberschaubaren Markt der Düfte. Irgendwo zwischen protzigen Verpackungen lässt sich mancherorts auch eine alte Bekannte wiederentdecken: "Casino de Luxe", ein Klassiker der DDR-Düfte, damals ein Verkaufsschlager und 1970 auf der Leipziger Messe goldprämiert, wurde unlängst im sächsischen Pobershau neu aufgelegt.