Rente - damals und heute Was am Lebensabend blieb: 12-Bett-Zimmer und 520,13 Mark Rente
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18. Juni 2021, 15:24 Uhr
Das Leben für Senioren hat sich seit DDR-Zeiten verändert. Vieles ist besser geworden. Doch nicht alles. Eine halbe Million Renter bekommt zu wenig Rente. Eine Studie des Max-Planck-Instituts hat herausgefunden: Wer weniger Rente bekommt, stirbt im Schnitt fünf Jahre eher.
Ein Zimmer. 12 bis 15 Betten. Das war die normale Belegung in den Krankenhäusern und Altenheimen der DDR. Wer alt und pflegebedürftig war, der musste mit knappem Personal und medizinischer Versorgung, die nicht auf dem besten Stand war, zurecht kommen. Einer, der die Zustände in den Heimen und Krankenhäusern noch selbst mit erlebt hat, ist Alfred Bock. Der Krankenhausseelsorger war zu DDR-Zeiten in Dresden unterwegs. "Aus meiner jetzigen Sicht waren das damals schlimme Zustände", erzählt er. "Das kann man sich heute gar nicht mehr richtig vorstellen."
"Älter werden ist heute leichter"
Bock ist Pfarrer im Ruhestand. Er hat viele Jahre in Dresden und im Erzgebirge als Geistlicher gearbeitet. Die Zustände von heute seien nicht mit denen von damals zu vergleichen, meint er. "Die Bedingungen des Älterwerdens sind viel besser als noch vor 40 oder 50 Jahren", so Bock. "Und zwar auf vielen Ebenen."
Dieser subjektiven Einschätzung gibt auch eine wissenschaftliche Studie vom Max-Planck-Institut (MPI) recht. Gerade seit der deutschen Wiedervereinigung verzeichnen Demografen eine "historisch außergewöhnlich schnelle Steigerung der ostdeutschen Lebenserwartung". So drückt es zumindest Pavel Grigoriev, Wissenschaftler am MPI für demografische Forschung in Rostock, aus. "Ältere Menschen haben von der Wende extrem profitiert", so Grigoriev. "Besonders von einem besser werdenden Gesundheitssystem und einer höheren Rente." Denn diese war in der DDR alles andere als hoch.
DDR-Rente: Durchschnittslohn der letzten 20 Jahre
Bei der Rentenberechnung der DDR wurde das Durchschnittseinkommen der vergangenen 20 Jahre genommen. Hinzugerechnet wurde die Gesamtzahl der Dienstjahre plus freiwillige Zusatzrenten, Betriebsrenten oder Erschwerniszulagen bei bestimmten Berufen (bspw. bei Eisenbahnern oder Bergleuten). 1989 betrug die Durchschnittsrente der DDR 426,88 Mark zusammen mit der Freiwilligen-Zusatzrente 520,13 Mark. Wie hoch aber die Altersarmut in der DDR tatsächlich war, lässt sich nicht mit Zahlen belegen, da keine Statistiken darüber geführt wurden.
Der Großteil der Bevölkerung bestand aus der sogenannten Arbeiterklasse. Angestellte, Handwerker und Facharbeiter machten 62 Prozent der Bevölkerung aus. Nur drei Prozent waren Akademiker, vier Prozent Unternehmer oder Ingenieure, fünf Prozent politische Aufsteiger. Die Verdienstmöglichkeiten waren für mehr als die Hälfte der Bevölkerung überschaubar – was sich auf die spätere Rente auswirkte. 1949 lag der durchschnittliche Monats-Bruttoarbeitslohn bei 290 Mark, 1970 bei 755 DDR-Mark und 1989 bei 1.300 DDR-Mark. Zum Vergleich: In den alten Bundesländern lag der Durchschnittslohn 1970 bei mehr als 1.300 D-Mark.
Mit Beginn der Rente droht Altersarmut
Auch heute stellt für mehr als eine halbe Millionen Menschen der Eintritt ins Rentenalter den Beginn der Altersarmut dar. Laut Statistischem Bundesamt erhielten im Dezember 2018 rund 559.419 Menschen im Rentenalter Grundsicherung - also nicht mehr als 750 Euro im Monat. Die Prognose: 2025 wird sich der Trend noch verstärken, weil dann die sogenannten Babyboomer in Rente gehen. Pavel Grigoriev hat in einer seiner Studien vom April 2019 herausgefunden:
Einkommen und soziale Situation wirken sich immer stärker auf die Lebenserwartung aus: Wer eine kleine Rente bekommt, stirbt im Schnitt fünf Jahre früher als sehr gut situierte Rentner.
Babyboomer Gemeint sind hier die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1955 und 1965. 1964 hatten die Boomer ihren Höhepunkt mit 1.357.304 Lebendgeborenen (bezogen auf Gesamtdeutschland). Danach setzte besonders im Westen des Landes der Pillenknick ein. Die Geburten gingen zurück. Trotzdem lag in der DDR das Geburtenniveau Ende der 1970er- und in den 1980er-Jahren deutlich über dem westdeutschen Niveau. Nach der Wiedervereinigung kam es zu einem massiven Geburtenrückgang.
BRD-Bürger lebten länger
Da die DDR ideologisch und ökonomisch einen ganz anderen Weg als die BRD ging, sind während der Zeit des geteilten Deutschlands Unterschiede im Bereich der Lebenserwartung auszumachen. Im Schnitt lebten DDR-Bürger drei Jahre kürzer als in der BRD. Doch laut Pavel Grigoriev fing eine Verbesserung der Lebensumstände schon zehn Jahre vor der Wende an. Der plausibelste Grund dafür liege in einem gesünderen Lebensstil, den die DDR-Bürger seit den 1980er-Jahren pflegten. Das wiederum könne durch den Aufschwung der wirtschaftlichen und finanziellen Lebensbedingungen begründet werden.
Versorgungslage gut, Lebensgefühl eher nicht
Auf der einen Seite haben sich die äußeren Umstände - Wohnbedingungen, Konsumangebot, Versorgungssystem - für ältere Menschen verbessert. Aber die Aspekte der Sicherheit, familiäre Geborgenheit oder Veränderung im Wertesystem wirken sich eher negativ auf das Lebensgefühl von Senioren aus. Pfarrer Alfred Bock meint, die alten Menschen heute fühlen sich eher einsam. "Viele Menschen wurden in der DDR noch zu Hause betreut im Kreise der Familie", so Bock. "Gerade auf dem Land." Doch heute würde alles anonymer und unpersönlicher werden.
Lebenserwartung Ost und West Seit der Wende nähern sich Ost und West in der Lebensweise der Menschen, dem Niveau der medizinischen Versorgung, Löhnen und Renten an. Lag die Lebenserwartung der Männer und Frauen in Ostdeutschland im Schnitt bis zu drei Jahren unter der Lebenserwartung der westdeutschen Bevölkerung, liegt sie bei den ostdeutscher Frauen mit 81,8 Jahren nur noch 0,3 Jahre, die Lebenserwartung der Männer mit 75,5 Jahren nur noch 1,3 Jahre unterhalb des westdeutschen Niveaus.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 20. Mai 2019 | 21:45 Uhr