Ostfrauen: Mythos und Wirklichkeit
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08. Dezember 2021, 16:51 Uhr
Auch knapp drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung lassen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Einstellungen, Wertemustern und Verhaltensweisen von ostdeutschen Frauen, ostdeutschen Männern und westdeutschen Frauen und Männern feststellen.
Obwohl die gesellschaftlichen Umwälzungen der Transformationszeit die üblichen Lebensmodelle ostdeutscher Frauen herausgefordert haben, schlägt sich ihr damaliger 'Gleichstellungsvorsprung' noch in ihren heutigen Ansichten und Verhaltensweisen nieder. Dieser Einfluss ist auch bei den nachfolgenden Generationen festzustellen.
Ostdeutsche Männer haben sich in vielen Werte- und Einstellungsfragen stärker an den Westen angenähert als ostdeutsche Frauen. Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Lage, der Gerechtigkeitsempfindung, der Einschätzung der Zukunft und Fragen der politischen Repräsentation und Partizipation lässt sich eine geringere Annäherung zwischen ostdeutschen Frauen und Westdeutschen feststellen als zwischen ostdeutschen Männern und Westdeutschen. Auch bei dem Themenkomplex gesellschaftliches Miteinander und bei Fragen des Erwerbslebens fällt die Angleichung zwischen ostdeutschen Frauen und Westdeutschen schwächer aus.
Unzufriedenheit mit der Gerechtigkeit in Deutschland
Ostdeutsche Frauen sind heute mit ihrer Lebenssituation zufriedener denn je. Dennoch sind sie mehrheitlich mit der Gerechtigkeit in Deutschland unzufrieden und messen sozialpolitischen Forderungen einen größeren Stellenwert bei. Sie fühlen sich politisch schlecht repräsentiert, bezeichnen sich seltener als politisch interessiert, beurteilen die Wirksamkeit des eigenen politischen Handelns zurückhaltend und finden die Demokratie in Deutschland nicht zufriedenstellend.
Noch nie stimmte ein so großer Anteil ostdeutscher Frauen der Aussage zu, dass die Wiedervereinigung mehr Vorteile als Nachteile für Westdeutschland gebracht hat, wie heute. Ostfrauen sind ihren Mitmenschen gegenüber vorsichtiger eingestellt.
Vertrauen, subjektive Gerechtigkeit und Zufriedenheit
Ostfrauen sind ihren Mitmenschen gegenüber vorsichtiger eingestellt. Das Vertrauen der Ostfrauen in politische Institutionen, in die Medien und Wissenschaft ist vergleichsweise niedrig, nimmt aber insgesamt zu.
Bei der subjektiven Lebenszufriedenheit und der eigenen Schichteinstufung haben sich die Angaben ostdeutscher Frauen stärker als die der ostdeutschen Männer an die der Westdeutschen angenähert. Obwohl die tatsächliche soziale Lage vieler ostdeutscher Frauen noch immer prekär ist, wird das Gefühl sich persönlich in existentieller Not zu befinden seltener. Die Einschätzung von Arbeitsplatzverlust bedroht zu sein spielt nur noch bei einer Minderheit eine Rolle. Die Bildungssituation ostdeutscher Frauen verbesserte sich zwar in den letzten Jahrzehnten, höhere Bildungsabschlüsse sind dennoch weiterhin unter Westdeutschen verbreiteter.
Weniger Ressentiments gegen Zuwanderer
Unter ostdeutschen Frauen sind Ressentiments gegen Zuwanderer etwas seltener verbreitet als unter ostdeutschen Männern, doch sind auch sie Zuwanderung gegenüber deutlich kritischer eingestellt als Westdeutsche.
Erhebung im Rahmen des Projekts "Ostfrauen" des Rundfunk Berlin Brandenburg und des Mitteldeutschen Rundfunks in Zusammenarbeit mit Hoferichter & Jacobs und der Universität Leipzig.
Über dieses Thema berichtet der MDR im TV: "Ostfrauen - Wege zum Glück" | 08.03.2019 | 20:15 Uhr