Spezialheim für "Schwererziehbare" Jugendwerkhof in der DDR
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04. Juni 2023, 05:00 Uhr
"Jugendknast", "Kindergefängnis" oder "rote Burg" - in der DDR kursieren hinter vorgehaltener Hand zahlreiche Bezeichnungen für Jugendwerkhöfe. Doch obwohl die Gerüchte über die Einrichtungen blühen, ist in der Öffentlichkeit kaum etwas Konkretes bekannt. Erst im Herbst 1989 beginnt langsam die Aufarbeitung dieses Kapitels der Vergangenheit.
Die Geschichte der Jugendwerkhöfe beginnt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. In Erziehungsheimen sollen kriminelle Jugendliche durch Disziplin und Arbeit auf die Rückkehr ins normale Leben vorbereitet werden. Schon bald entwickeln sich aus diesen Heimen die Jugendwerkhöfe der DDR - ein pädagogisches Projekt der besonderen Art. Um die Jugendlichen in die sozialistische Gesellschaft zu integrieren, sollen sie hier umerzogen, zu besseren Menschen gemacht werden.
Erziehung im Jugendwerkhof nach sowjetischem Vorbild
Das Konzept dafür stammt von dem sowjetischen Pädagogen Anton Semjonowitsch Makarenko. Zentrales Element ist dabei die "Kollektiverziehung". Die Jugendlichen sollen demnach nur noch in der Gruppe erzogen werden. Rückzugsmöglichkeiten und private Freiräume sind nicht vorgesehen. Dazu kommen Zwang und Repression: Um Anpassung zu erzwingen gibt es in allen Heimen ein rigides System von Belobigungen und Strafen. Die Instrumente reichen von Strafsport über Urlaubsentzug bis zu Einzelarrest. Auch politisches Abweichen wird nicht geduldet. Gemeinsame Zeitungsschauen und FDJ-Abende sind in allen Einrichtungen Pflicht.
Eingewiesen werden sogenannte schwererziehbare Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren, die sich nicht regelkonform verhalten. Viele haben die Schule geschwänzt oder kleine Diebstähle begangen. Bei den Mädchen reicht oft auch die Diagnose "sexuell verwahrlost", um in ein Spezialheim zu kommen. Durchschnittlich bleiben die Jugendlichen etwa 18 Monate in der Einrichtung.
Mit gnadenlosem Drill soll der Wille Minderjähriger gebrochen werden
Knapp 30 Jugendwerkhöfe mit insgesamt etwa 3.000 Plätzen gibt es in der DDR. Der härteste von ihnen ist der "Geschlossene Jugendwerkhof Torgau". Hinter hohen Mauern und unbemerkt von der Öffentlichkeit herrscht dort gnadenloser Drill. Mithilfe von Essensentzug, Dunkelzellen und exzessivem Sport soll der Wille der Minderjährigen gebrochen werden. Wer über seine Erlebnisse in dem Heim spricht, wird den Jugendlichen bei der Entlassung angedroht, kommt zurück nach Torgau. Ein Tabu, das lange fortwirkt.
Nach 1989 kommt ans Licht, was in Torgau jahrzehntelang an der Tagesordnung stand: brutale körperliche Übergriffe, Dunkelarrest und nicht zuletzt sexuelle Misshandlungen der minderjährigen Insassen durch die Erzieher. Erst in den vergangenen Jahren haben ehemalige Insassen begonnen, das Tabu von Torgau zu brechen.
Der Artikel erschien erstmals 2012.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise | 04. Juni 2023 | 22:00 Uhr