Ostdeutsche Arbeitnehmer: Auf in den Westen!
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04. Januar 2016, 18:06 Uhr
Seit 1990 verlassen Jahr für Jahr etwa 100.000 Ostdeutsche ihre Heimat und ziehen in den Westen Deutschlands. Sie sind auf der Suche nach Arbeit und besseren Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten.
Es war im Winter 1989, als hier und da Demonstranten auf den Straßen und Plätzen im Osten Deutschlands skandierten, die D-Mark möge schleunigst zu ihnen kommen, andernfalls zögen sie zu ihr. Maßgebliche westdeutsche Politiker nahmen die Drohungen zum willkommenen Anlass, düster zu raunen, dass erhebliche Gefahr bestünde, dass Hunderttausende zornige Ostdeutsche in den Westen strömen und die Sozialkassen plündern würden. Nur eines könne die Gefahr bannen: Die D-Mark müsse tatsächlich in den Osten. Und zwar bald. Eine Idee, die kaum ein Fachmann für grandios hielt. Aber die Politik ließ sich in ihre Pläne nicht dreinreden. Das beispiellose und durchaus historische Projekt sollte auf alle Fälle Realität werden. Und so kam die D-Mark in die DDR und mit ihr die bekannten Folgen: Die ostdeutsche Wirtschaft kollabierte und die Arbeitslosigkeit erreichte in kürzester Zeit schwindelerregende Höhen. Das Gespenst, das die Politik eigentlich hatte bannen wollen, stand nun umso mächtiger auf – obgleich die D-Mark im Osten angekommen war, verließen bis 1994 knapp 1,4 Millionen Ostdeutsche ihre Heimat in Richtung Westen. Sie suchten Arbeit, die es in ihrer Heimat nicht mehr gab.
Auswanderungsland DDR
Dass die Menschen des Ostens ihrer Heimat den Rücken kehrten, war freilich kein ganz neues Phänomen, denn die DDR hatte eigentlich zeitlebens als Auswanderungsland gegolten: Zwischen 1949 und 1989 waren insgesamt 2,7 Millionen DDR-Bürger in den Westen gezogen. Eine erste Auswanderungswelle gab es in den 1950er-Jahren, als jedes Jahr Hunderttausende die DDR verließen. Vor allem waren es junge, gut ausgebildete Menschen, die im Westen mit offenen Armen begrüßt wurden, denn im "Wirtschaftswunderland" herrschte hoher Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften. Und auch das Ende der DDR wurde eingeläutet von einer Abwanderungswelle - knapp 900.000 Menschen flüchteten damals unter teils abenteuerlichen Umständen in den Westen.
Arbeitsmarktunterschiede als "Motor" der Jobkarawane
Mitte der 1990er-Jahre schwächte sich die Abwanderung, die der Osten nach der deutschen Einheit zu verzeichnen hatte, zwar ein wenig ab, doch die Hoffnung, dass sie nun dauerhaft gestoppt sei, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil – eine neue und umso bedrohlichere Abwanderungswelle baute sich Ende des Jahrzehnts auf. Nun zogen vor allem junge und gut ausgebildete Leute in die alten Bundesländer. Die Mehrheit von ihnen waren Frauen. Die Gründe der Abwanderung: eine nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit sowie schlechte Berufs- und Verdienstmöglichkeiten in den ostdeutschen Ländern.
Im Durchschnitt verlor der Osten seit 1990 Jahr für Jahr 45.000 Männer und 51.000 Frauen. Und ein Ende des Bevölkerungsverlustes ist nicht in Sicht, denn der "Motor" der Abwanderungsprozesse sind die Arbeitsmarktunterschiede zwischen Ost und West. Und die sind noch immer gewaltig.