Das Altpapier am 22. März 2019 Better Together

ARD und ZDF sollen ihre Online-Auftritte zusammenzuschmeißen, meinen die Ministerpräsidenten. Die Koppelung des Rundfunkbeitrags an einen Index wird derweil geprüft. Die EU-Urheberrechtsreform nimmt diesen jungen Menschen ihr politisches Interesse. Eine Influencerin ist niemals privat. Was Facebook schon wieder alles falsch gemacht hat. Ein Altpapier von Juliane Wiedemeier.

Index kann sein. Sparen muss sein. Und bei der Kommission mit der schönen Aufgabe, den Finanzbedarf (oder, wie man bei faz.net sagt: “sogenannten Finanzbedarf“) der Rundfunkanstalten zu ermitteln (kurz KEF), muss sich niemand Sorgen um den Job machen. Das ist das Ergebnis, zu dem die Ministerpräsidenten gestern bei ihrer Konferenz zum Themenkomplex Zukunft der Rundfunkbeitragshöhenbestimmung gekommen sind (Altpapier).

Was bedeutet das konkret? Erstmal die Gründung eines Arbeitskreises, wie “@mediasres“ im Deutschlandfunk die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Rundfunkkommission, Malu Dreyer, in einem O-Ton zitiert:

“Es wird eine Arbeitstagung, Workshop geben der Rundfunkreferenten, die in Zukunft dann nochmal Vorschläge macht. Und zwar bestenfalls bis zum Juni für die Ministerpräsidentenkonferenz.“

Offene Fragen, auf die es Antworten zu finden gelte, gebe es genug, erklärt Christoph Sterz im gleichen Beitrag im Gespräch mit Michael Borgers. Nämlich folgende:

  • Ein Indexmodell, welches die Erhöhung des Rundfunkbeitrags wie diskutiert ab 2023 an die Inflationsrate koppelte, bräuchte einen Ausgangswert. Die aktuellen 17,50 Euro? Über 19 Euro, die die KEF für realistisch zu halten scheint? Nicht mehr als 18 Euro, wie Bayerns Markus Söder fordert?
  • Was macht die KEF im Index-Fall in Zukunft?
  • Ist ein Index-Modell verfassungskonform?
  • Sollte man bei der Gelegenheit nicht lieber erst nochmal über den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sprechen?

Eine Tendenz gab Dreyer bereits recht deutlich vor (Quelle: Deutschlandfunk):

“Nach Einschätzung von Dreyer wird die KEF auch weiterhin eine Rolle spielen. Das werde ein wesentlicher Punkt in der Ausgestaltung des Modells sein, betonte die SPD-Politikerin. Der Rundfunkbeitrag werde auch in Zukunft niemals politisch festgelegt werden.“

#KEFbleibt, wie die Berliner sagen würden. Sie könnte den Sendern eine Art Bundesrechnungshof, also externe Finanzkontrolle geben.

Eine weitere Tendenz hat Claudia Tieschky für die “SZ-Medienseite“ herausinterpretiert:

“Manchmal kann man den Ausgang einer Sache schon daran ermessen, wie oft bestimmte Worte fallen. (…) Malu Dreyer sprach sehr oft von der Kef (…). Das Wort 'Indexmodell’ kam nicht so oft vor.“

Allerdings schreibt sie auch, die “Nicht-Entscheidung der Ministerpräsidenten macht es keinesfalls unwahrscheinlicher, dass es doch noch zu einem indexbasierten Modell kommt“ und zitiert Dreyers mit den Worten “Es gibt eine große Offenheit dem gegenüber“.

Und noch mehr kann sich die Politik vorstellen: Nämlich, dass die öffentlich-rechtlichen Sender mehr sparen, als sie es derzeit tun. Als konkrete Möglichkeit vorgeschlagen wurde eine gemeinsame Plattformstrategie, Gremlindeutsch für ein vereintes Online-Angebot von ARD und ZDF. Als Beispiel dafür nennt Dreyer im Interview mit Steffen Grimberg und Daniel Bouhs (veröffentlicht im Blog von Bouhs) das im Februar gestartete Angebot ZDFKultur (Altpapier), wo Inhalte aus dem ZDF-Universum mit denen von insgesamt 35 Kulturinstitutionen gebündelt werden. Dreyer:

“Das ist ganz klar unsere Auffassung, dass es an der Zeit ist, dass sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten auch in dieser Frage stärker zusammentun (…). Das wäre ganz und gar in unserem Interesse, aber wir denken, das ist vor allem im Interesse der Zeit, weil man einfach sehen muss, dass in der Moderne, in der neuen Welt, es auch darum gehen wird, wie findet man eigentlich zukünftig die Angebote des Öffentlich-Rechtlichen. Und da macht es einfach nur Sinn, dass es am Ende eine gemeinsame Plattform gibt.“

Darüber hinaus gebe es noch weiteres Sparpotential, etwa durch Synergien bei der Produktion, so Dreyer. Womit zu diesem Themenkomplex nur noch eine Stimme aus dem Senderkosmos fehlt, die erklärt, warum mehr Sparen ganz und gar nicht geht.

Klaus Sondergeld, Vorsitzender des Rundfunkrats von Radio Bremen, übernimmt den Job in der aktuellen Ausgabe epd medien (derzeit nicht online). Im Interview mit Diemut Roether erklärt er:

“Wenn es keine angemessene Erhöhung des Beitrags gibt und keine angemessene Fortführung des Finanzausgleichs, geht es bei Radio Bremen richtig ans Programm. An dem Knochen ist kein Fleisch mehr. Dann können wir uns überlegen, machen wir erst Bremen Eins zu und zwei Jahre später Bremen Vier oder machen wir gleich Bremen Zwei zu.“

Oder: Wir erinnern uns an Frage vier für den schönen, neuen Arbeitskreis und diskutieren im Sinne von Auftragshinterfragung und Effizienzsteigerung, ob nicht gleich ganz Radio Bremen zugemacht gehört?

EU-Urheberrecht, The Final Countdown

Um tief im Tal der für ihre trockene Sprödheit ganz schön emotional diskutierten Themenfelder zu bleiben: Die Reform des Urheberrechts innerhalb der EU soll am Dienstag verabschiedet werden.

Leser der FAZ ist sie als total knorke Sache bekannt, wie sich auch heute wieder auf der Medienseite in einem Interview nachlesen lässt, das Michael Hanfeld mit Axel Sikorski, dem Präsidenten des Deutschen Musikverleger-Verbands, geführt hat:

“Die Urheber und ihre Verleger leben von der Nutzung ihrer Musik. Es sollen auch nicht die Nutzer zur Kasse gebeten werden, sondern die großen Internetkonzerne wie Youtube, die mit Musik Millionen verdienen, aber nicht bereit sind, hierfür angemessene Lizenzen zu zahlen.

Dies bedeutet, dass wir auch nicht wünschen, dass der Einsatz von Uploadfiltern – die, nebenbei gesagt, sowieso schon lange von den Plattformen eingesetzt werden – die Musiknutzung unterbindet.“

So einfach kann man es auch sehen bzw. aussehen lassen, und zwar gleich mehrfach, wie Stefan Niggemeier bei Twitter vermerkt:

“Mit nicht weniger als vier Artikeln kämpft die FAZ morgen für #Uploadfilter und #Leistungschutzrecht. Sie nennt Kritiker 'nützliche Idioten’ der Internetkonzerne, deren Ziel 'die Zerstörung der Demokratie’ sei und die mit einer 'kriminellen Maschinerie’ gegen die Reform kämpften.“

Dass die Stimmberechtigten diese Argumentation für überzeugender halten werden als alle vorgebrachte Kritik, hat EU-Parlamentarier und Reform-Vorkämpfer Axel Voss im Gefühl, wie Stefan Krempl bei Heise Online notiert:

“Er habe 'nicht so massenhafte Signale’ bekommen, 'das wird nix’, erklärte der CDU-Politiker am Dienstag im Europäischen Haus in Berlin. Er sei daher 'hoffnungsvoll, was die Mehrheit betrifft’.“

Egal, ob die Sache mit den Uploadfiltern und dem Leistungsschutzrecht am Dienstag nun kommt oder nicht: Schaden angerichtet hätten Voss und Konsorten schon jetzt definitiv. Meint zumindest Brüssel-Korrespondent Samuel Jackisch in einem Kommentar für tagesschau.de:

“Besonders enttäuschend aber ist die Ignoranz, mit der ihre Autoren die Urheberrechtsreform selbst wohlmeinend formulierter Kritik zum Trotz vorantreiben. Nach dem Motto: ,Wir sind die einzigen Erwachsenen im Raum und alle Kritiker nur zornige Kinder aus dem Internet, auf die zu hören töricht wäre.’ Wenn man Politikverdrossenheit züchten möchte, dann so.

Kurz vor der Europawahl vergrault die Mehrheit des Europäischen Parlaments eine überwiegend junge pro-europäische Wählergruppe. Ihr bleibt der Eindruck, dass andere über Gesetze von für sie zentraler Bedeutung entscheiden: nämlich lobbygelenkte Schreibtischtäter mit Faxgeräten im Büro und einer eigenen Referentin für den Twitter-Account.“

Wer sich nicht verdrießen lassen möchte und morgen noch nichts vorhat, kann vielerorts noch fürs Dagegen-Sein auf die Straße gehen. (Wo genau, steht hier.)

Eine Influencerin trägt nichts privat

Wenn die “Tagesschau“ um 20 Uhr von einer Dame namens Pamela Reif berichtet, können wir dazu nicht schweigen. Auch wenn das Thema leider beinhaltet, sich sehr, sehr alt zu fühlen, denn: Pamela Wer?!

Über vier Millionen Abonnenten kennen die Dame von Instagram, können aber aufgrund ihres meist noch jungen Alters nicht erkennen, wann diese für von ihr auf dem Kanal empfohlenen Produkte Cash kassiert. Das hat gestern das Landgericht Karlsruhe entschieden und damit einen weiteren Baustein zur Debatte um die richtige Anzeigen-Kennzeichung für Influencer geliefert (Hintergründe bietet der Altpapier-Jahresrückblick von Kollege Klaus Raab).

Im konkreten Fall ging es um die direkte Verlinkung zu Online-Shops, an denen Reif gar nichts verdiente. Aber, aber, so Frank Bräutigam bei tagesschau.de:

“Wenn der Nutzer mit nur zwei Klicks vom Foto auf die Seite des Herstellers kommt, werde dessen Image und Absatz gefördert. Dann sei auch egal, ob Reif für den Post Geld bekomme oder nicht.

Richter Wesche lässt auch das Argument nicht gelten, zumindest manche Posts seien doch rein privat. Es sei das 'Wesen der Influencer-Werbung’, dass der Influencer immer zugleich an seinem Image arbeitet, dazu die die (sic!) passenden Artikel bewirbt und die Follower Teil der Community 'ihres’ Influencers sein möchten. Insofern fördere Reif durch ihre Posts stets auch ihre eigenen geschäftlichen Aktivitäten. Das bedeutet: Eine Trennlinie zwischen privaten Leben und Werbung kann man aus Sicht des Gerichts nicht ziehen.“

So sehr sich Reif auch bemühen mag: eine Advertising-Life-Balance ist bei ihrer Berufswahl einfach nicht drin, meint also das Gericht. Sie selbst will gegen die Entscheidung in Berufung gehen (dpa/Horizont).


Altpapierkorb (Facebook-Skandale, FAZ-Herausgeber, UKW-Geburtstag)

+++ Unser täglich Facebook-Skandal gib uns heute: Das Netzwerk hat Passwörter jahrelang unverschlüsselt gespeichert (sueddeutsche.de) und wusste schon viel früher von den Machenschaften von Cambridge Analytica, als bisher bekannt (Guardian). Dort lässt sich zudem nachlesen, dass das Live-Streaming der Taten des Attentäters von Christchurch schneller von der Plattform hätten verschwinden können, wenn jemand dieses als ein Video eines Selbstmordes markiert hätte.

+++ Kai Gniffke hat bei ARD aktuell das Budget umgeschichtet und in diesem Zug die “Tagesschau“-Ausgabe gegen  4.40 Uhr gekillt, was Mitarbeiter empört, schreibt Kai-Hinrich Renner in seiner Funke-Medienkolumne (u.a. Berliner Morgenpost).

+++ Viele Details zum geschassten FAZ-Herausgeber Holger Steltzner (Altpapier) (“kontrolliert offenbar gerne“, “unkooperativ“, “von den Mit-Herausgebern offenbar als unkollegial empfundene(s) Verhalten“) sowie drei Kandidaten für die Nachfolge (Heike Göbel, Gerald Braunberger, Carsten Knop) hat Ulrike Simon bei Spiegel+ zusammengetragen.

+++ Nur weil deutsche Verlage Google scheiße finden, hält es sie noch lange nicht davon ab, vom Unternehmen Geld zu nehmen, meldet Meedia als Vierjahres-Bilanz der Digital News Initiative.

+++ Die analoge Ultrakurzwelle (Freunde dürfen UKW sagen) feiert 70. Geburtstag und wird trotz Bedrängung durch Digital-Nachfolger DAB+ und Streaming-Anbieter wie Spotify wohl auch den 80. noch bei guter Gesundheit erleben, kolumniert Altpapier-Kollege Christian Bartels bei evangelisch.de.

+++ “Brecht“ zum ersten (von zwei Teilen eines Doku-Dramas von Heinrich Breloer) läuft heute Abend bei Arte, und Peter von Becker ist im Tagesspiegel von Ausstattung und Schauspielleistung begeistert, aber von Anderem nicht: “Dennoch fehlt diesem ganzen Annäherungsversuch an den Kosmos Brecht ein Kernmotiv – über die reichlich ausgewalzte amouröse Unzuverlässigkeit des Titelhelden hinaus. (…) Breloer schafft nicht die existenzielle Verbindung von Poesie und Politik.“ Für Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau ist es hingegen der “seltene Fall einer unaufgeregten Annäherung, die trotzdem nicht langweilt und die auch nicht penetrant belehrt“.

+++ “Mario Barth deckt auf“ bleibt miserables und journalistisch sehr fragwürdiges Fernsehen, hält Thomas Lückerath am Beispiel einer Episode zu den Grenzwerten für Diesel-Fahrzeuge für DWDL fest.

Frisches Altpapier gibt es am Montag. Ein erholsames Wochenende!