Das Altpapier am 04.03.2019 Die große Substantivierung


Indexierung, Budgetierung, Inflationsausgleich, Programm, Qualität, Leistungsstand, Teuerungsrate, Rundfunkbeitrag, Verbraucherpreisindex, Abwicklung: Im März geht es in der Medienpolitik wieder ums Geld. Ein Altpapier von Klaus Raab.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, CSU, hat einen Vorschlag für das nächste Jugendwort des Jahres eingereicht. Im Interview, das er dem Spiegel gegeben hat, geht es unter anderem um ein “Akzeptanzproblem“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, und Söder, der bei “Fastnacht in Franken“ (Bayerischer Rundfunk) in diesem Jahr nicht als Shrek, nicht als Punk und nicht als Edmund Stoiber, sondern albernerweise als seriöser Ministerpräsident ging, sagt darin:

“Das Programm wendet sich zu wenig an jüngere Leute. Wenn das so weitergeht wie jetzt, dann klinken sich ganze Generationen aus. Unter Schülern sagen manche: 'Das ist voll ZDF‘, wenn sie etwas nicht total aufregend finden. Das muss sich ändern.“

Das Interview mit Markus Söder hat freilich einen Anlass, der fetter ist als die krassen Zungenspleens der Insassen unserer gammligen Pennen: Es geht um die  Finanzierung unseres gemeinsamen Rundfunks. Die Details dieser Frage sind einer Leserschaft, die diese Kolumne nicht liest, allerdings wohl kaum zu vermitteln, deswegen beginnt das Spiegel-Interview sicherheitshalber mit dem superurinösen Framing-Manual der ARD, dem wohl bekanntesten Inhalt der Öffentlich-Rechtlichen seit “Wetten, dass..?“ (tädää-tädää!) “Ein Rundfunk sollte durch Programm und Qualität und nicht durch Marketing überzeugen“, sagt Söder jedenfalls, was natürlich schon richtig ist, aber originell klingt, wenn es aus einer kruzifixbehangenen Staatskanzlei kommt.

Mehr Framing-Texte

Das Framing-Manual, um das an dieser passenden Stelle kurz einzuschieben, ist derweil immer noch aufmacherfähig. Bei Zeit Online etwa hat man die Gelegenheit, dass Framing gerade in aller Munde ist, nochmal zum Samstagsaufmacher (€) genutzt – nicht ohne Framing im Teaser klicksinnigerweise als “Manipulationstechnik“ zu framen…

Da es auch Wochen nach Beginn dieser mir mittlerweile – Achtung, Framing! – oberschimmlig vorkommenden Debatte noch stimmt, dass man nicht nicht framen kann, ist Framing selbst natürlich per se keine Manipulationstechnik. Denn was würde denn da manipuliert? “Die Wahrheit“? Die dann gleich nochmal wer gepachtet hat? Doch wohl niemand, der manipulativerweise alle anderen implizit der Lüge zeihen möchte?

Die Süddeutsche Zeitung, die – bei diesem Thema – durch eine relative Bandbreite an Positionen auffällt, hat sich in Gestalt ihres Wochenendkolumnisten Norbert Frei des Themas auch nochmal angenommen. Er schreibt, bitter an der “Affäre“ (nein, nicht “Causa“) sei das durch sie

“sichtbar gewordene Ausmaß an Verwirrung und Verzagtheit, das bei den Öffentlich-Rechtlichen zu herrschen scheint. Wie kann es sein, dass ausgerechnet ein journalistisches Großsystem namens ARD in jener Wirklichkeit, die sie uns doch möglichst differenziert und unverstellt nahebringen soll, nicht mehr ohne manipulative 'Rahmung‘ seines Tuns und Lassens glaubt auskommen zu können?“

Wobei es zum Zusammenhang mit dem ARD-Journalismus zu sagen gäbe, dass es um Sprachregelungen für, zum Beispiel, die “Tagesthemen“, um das Reden über die besagte “Wirklichkeit“ außerhalb der ARD, dabei nie ging. Sondern immer um das Sprechen über die ARD, also im Kern um medienpolitisches Lobbying in eigener Sache. Was Kritik verdient. Zumal das Papier mit dem außenwirkungstechnisch dümmstmöglichen Titel versehen ist – “Manual“ eben. Was aber schon etwas erheblich anderes ist als redaktionelles Sprechen. (Der Hinweis, dass diese Kolumne auf den Seiten des MDR erscheint, der das Framing-Coaching seinerzeit angeleiert hat, ist an dieser Stelle natürlich angebracht.)

Handeln, nicht labern

Interessanter finde ich eh, was SZ-Kolumnist Norbert Frei, bei dem es ein wenig vom Hölzchen aufs Stöckchen geht (aber immerhin immer um den gleichen Rohstoff), sonst noch an Kritik anzubringen hat:

“Wieso verzichten die beitragsfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen nicht auf ihr ohnehin eng limitiertes Werbefernsehen und entziehen ihren privaten Konkurrenten damit nicht das Hauptmotiv ihrer rufschädigenden Dauerkritik?“

Er schlägt also vor, lieber zu handeln als in eigener Sache zu reden. Was sich natürlich nicht ausschließen müsste. Aber da hat er dann auf jeden Fall valide und diskutierenswerte Punkte.

“Aus Angst, Zuschauer zu verlieren, wurde demokratiepolitisch Wichtiges und kulturell Bedeutsames in Spartenkanäle (Phoenix, 3sat, Arte) abgeschoben, das Niveau der Unterhaltung in den Hauptsendern nach unten nivelliert. Im Bieterwettbewerb mit den Privaten flossen und fließen astronomische Summen für die Übertragungsrechte von Sportveranstaltungen und 'Mega-Events‘. während in den 'wortlastigen‘ Hörfunkprogrammen ein notorisch gewordenes Spardiktat herrscht. Der Weg, den ARD und ZDF eingeschlagen haben, führt eigentlich für jeden erkennbar nicht aus dem Abstieg und der Defensive heraus. Man fragt sich, warum er trotzdem weiter beschritten wird.“

Hmja, fragt man sich manchmal wirklich. Könnte mit der historischen Erfahrung zu tun haben, dass es für ARD und ZDF in den Neunzigern auch nur bedingt funktioniert hat, nicht wie die Privaten zu sein. Andererseits: Aus Erfahrungen kann man lernen. Es gäbe einen Weg zwischen Klughuberei und Herzkino.

Nur so eine Idee: Fünf oder zehn Prozent des Werbebudgets, das für “Babylon Berlin“ oder “Charité“ aufgewandt wurde, hätte man auch in Werbung für Dokumentarfilme wie “Kulenkampffs Schuhe“ stecken können. Dann würden die sicher nicht nur zufällig mal ein überraschend großes Publikum ansprechen, das so überraschend dann womöglich gar nicht wäre. Man könnte damit am Ende sogar angeben! Man hätte es auch, um ein weniger bekanntes Beispiel zu nehmen, 2018 in Reklame für den MDR-Film “Bischofferode – Das Treuhand-Trauma“ stecken können, der vom Hungerstreik im Kali-Bergwerk in Thüringen 1993 handelt und der den Abgehängtseinsdiskurs beiläufig auch für Westdeutsche und Nachgeborene nachvollziehbar und konkret macht…

Die Reformvorschläge

Nun aber husch husch zurück zum Thema Rundfunkfinanzierung, um die es in den kommenden Wochen wohl verstärkt gehen wird, weil am 20. und 21. März die Ministerpräsidentinnen und -en entscheiden wollen, ob der Rundfunkbeitrag bald per Index erhöht wird, wie es die Rundfunkkommission der Länder vorschlägt. (Selbstredend über den Sachstand komplett im Bilde: Volker Nünning in der Medienkorrespondenz). Bayerns Ministerpräsident Söder, CSU, spricht sich im oben schon verlinkten Spiegel-Interview unter anderem für eine solche Indexierung aus:

“Für unsere Demokratie ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk natürlich systemrelevant. Das ganze bisherige Verfahren ist allerdings nicht mehr zeitgemäß. Und wenn man den Rundfunk kraftvoll erhalten will, dann muss man seine Finanzierung reformieren. Das muss an zwei Punkten ansetzen: Wir brauchen eine Budgetierung und eine Indexierung des Beitrags.“

Wobei Budgetierung die Schaffung eines Budgets meinen würde, “über das sie wie Unternehmen eigenverantwortlich entscheiden können“. Der Sockelbetrag für die Indexierung indes solle, so Söder, unter 18 Euro liegen, weil es für mehr “keine Mehrheit unter den Ländern“ gebe.

Den Stand der Dinge ergänzt neben der besagten Medienkorrespondenz (ausführlich) auch diese Meldung (kurz): “Nach SZ-Informationen sieht ein aktuelles Szenario vor, dass der Beitrag zum ersten Mal 2023 per Index angepasst wird; 2021 dagegen würde noch einmal die unabhängige Kommission KEF die Beitragshöhe nach dem Bedarf der Anstalten ermitteln – und damit auch den Ausgangswert für den Index.“

Was Ulrich Wilhelm nochmal gesagt hat

Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, der derzeitige Große ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm, der einigen der in den Ländern regierenden Herrschaften auch schon als Regierungssprecher begegnet sein dürfte, hat sich ebenfalls geäußert, diesmal gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe, deren Vertreter vom Framing-Manual ebenfalls noch angefixt sind. Irgendwie wirkt es ein bisschen, als ob der Medienjournalismus mit diesem Manual einen Hebel gefunden hat, über Medienpolitik zu schreiben, aber trotzdem ein Publikum anzusprechen. “ARD-Chef verteidigt umstrittenes 'Framing-Manual'“, titelt etwa das Hamburger Abendblatt online (mit Anmeldung) was zwar eine klassische Hund-beißt-Mann-Meldung ist, aber wohl immer noch klickträchtiger als dieser ganze Rundfunkänderungsstaatsvertragsnovellen-Slang, mit dem man alternativ aufwarten müsste.

Was sagt Wilhelm? Das:

“Wenn wir den heutigen Leistungsstand mit qualitätsvollen Programmen in den Jahren 2021 bis 2024 halten wollen, brauchen wir dann einen Ausgleich der Teuerung – orientiert am Verbraucherpreisindex.“

Das ist nicht neu, auch wenn es hier und da als neu dargestellt wird. Die Meldung, die am Wochenende Verbreitung fand, dass sich Wilhelm “nun“ für einen Inflationsausgleich beim Rundfunkbeitrag ausspricht, kommt eigentlich aus dem Januar 2018. Neu ist nun aber immerhin, dass er sie noch einmal wiederholt hat.


Altpapierkorb (Nachrichtensprache, DuMont, Werner Schneyder, AfD-Forderungen)

+++ Medienpolitik, lies diesen Text (bitte): Froben Homburger von der Deutschen Presse-Agentur, deren Zulieferungen von vielen Medien für ihre eigenen Veröffentlichungen genutzt werden, formuliert bei Übermedien einige Hilfestellungen, wie Nachrichtentexte so verfasst werden können, dass bei Leserinnen und Lesern eine Steigerung des Verständnisses – verglichen mit der Nutzung von Substantivierungen und komplizierten Nebensatzkonstruktionen – eintreten kann. Oder mal verwegen gesagt: Er rät zu einfachen Sätzen. Schachtelsätze sind ihm zufolge weniger gut.

+++ Über einen möglichen Plan B von DuMont für den Fall, dass der Verlag seine Zeitungen nicht verkaufen kann, spekuliert Kai-Hinrich Renner in der Morgenpost.

+++ Mehr zu DuMont von Horizont-Chef (und Ex-Berliner-Zeitungs-Chefredakteur) Uwe Vorkötter im Radio-Interview – das Transkript steht bei wwwagner.tv. Und im Tagesspiegel-Interview mit Michael Haller.

+++ Ebenfalls zu den medien-, allerdings zumindest derzeit nicht zu den realpolitisch relevanten Texten des Wochenendes gehört der Tagesspiegel-Gastbeitrag des medienpolitischen Sprechers der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Ronald Gläser, der durch blitzsauberes Faktenmanagement besticht (“Die Einseitigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender ist eine Tatsache“). Ums Geld geht es natürlich in diesen Tagen auch bei ihm; er fordert eine Gesundschrumpfung inklusive optionaler “Abwicklung des ZDF“.

+++ Markus Brauck kommentiert im Spiegel (€) die Lage des Journalismus und glaubt, “dass jede Redaktion eine Frage sehr genau beantworten können muss: was sie dem Leser bringt, was andere nicht bringen.“

+++ Werner Schneyder ist gestorben. Nebenbei über Sport berichten, das konnte er. Zum Beispiel. Nachrufe gibt es etwa im Tagesspiegel, bei faz.net und Spiegel Online.

+++ Um die Berliner Demonstrationen gegen die EU-Urheberrechtsreform geht es im Tagesspiegel, um den “Angriff auf die Novelle des Urheberrechts“ bei YouTube in der FAZ.

+++ Heribert Prantl macht bei der Süddeutschen nur noch als Autor weiter. Leo Fischer schreibt in der taz den Abschiedsbrief, den Prantl so nicht geschrieben hat: “Wenn das Schiff des Journalismus heute zwischen der Skylla einer obrigkeitsstaatlichen Informationspolitik und der Charybdis vulgären Blog-Geschreibsels navigieren muss, dann muss es das ab heute ohne den Lotsen, vulgo mich, tun, der gleichwohl nicht, wie seinerzeit Bismarck, ganz das Ruder aus der Hand gibt, sondern gelegentlich noch feinjustiert“.

+++ Endlich eine öffentlich-rechtliche Trödelshow: der Tagesspiegel und die SZ über die neue des RBB.


Neues Altpapier gibt es wieder am Dienstag.