Das Altpapier am 22. Januar 2019 Schleichwerbung, aber als Werbung

Kurz vor dem Start der neuen "Pastewka"-Staffel sorgt die Bayerische Landeszentrale für neue Medien dafür, dass sie Aufmerksamkeit bekommt. Der Dortmunder Oberbürgermeister ist genervt vom "Tatort". Ein engagierter Fernsehmann ist gestorben. Und eine wieder nicht abschließende Bewertung von Hanns Joachim Friedrichs. Ein Altpapier von Klaus Raab.

Knirsch, knirsch, mahl, mahl, ja, die Mühlen mahlen langsam. Aber sie mahlen. So wissen wir nun, knapp ein Jahr, nachdem erstmals ein Product-Placement- oder Schleichwerbeverdacht gegen eine Ausgabe der achten Staffel von "Pastewka" ausgesprochen worden war, dass er sich bestätigt hat. Folge vier, die den Titel "Das Lied von Hals und Nase" trägt, soll nicht mehr bei Amazon Prime gezeigt werden dürfen.

DWDL schreibt:

"Konkret werfen die Medienhüter Amazon und der zuständigen Produktionsfirma Brainpool Schleichwerbung vor. 'Die gesamte Folge ist – vor allem in Bezug auf die Marke MediaMarkt – von häufigen und intensiven Darstellungen und Erwähnungen geprägt, die nicht programmlich-dramaturgisch begründbar sind', so die Begründung der BLM", also der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien. Was etwas genauer ist als das, was in der Unterzeile der SZ steht: Ihr zufolge hat Bastian Pastewka "das richtige Maß" verloren. Aber um den Komiker Pastewka geht es nicht, sondern um die Produktion "Pastewka".

Die Sache war vor einem Jahr schon Thema auch an dieser Stelle gewesen. Wenn man sich die Texte vom Februar 2018 durchliest, ist nun erst einmal erstaunlich, dass die Prüfung der "Pastewka"-Folge in Bayern stattfand – und nicht in Luxemburg, wie es damals geheißen hatte. Erklären kann das der Tagesspiegel:

"Formal zuständig für die Medienaufsicht ist in Europa immer der Mitgliedstaat, in dem das betroffene Unternehmen seinen Sitz hat. In Luxemburg sind verschiedene Gesellschaften beheimatet, die hinter den Aktivitäten des US-Internetriesen Amazon in Deutschland stehen. Die Alia bezweifelte jedoch ihre eigene Zuständigkeit." Und so komme es, dass die BLM zuständig ist, "weil die deutschen Inhalte für Prime Video von der Gesellschaft Amazon Instant Video Germany mit Sitz in München redaktionell verantwortet werden".

Und nun die Pointe

Gut ist es natürlich zu wissen, worum es eigentlich geht. Bitte sehr: Man kann das Problem in diesem vor einem Jahr veröffentlichten Behind-the-Scenes-Video ab Sekunde 29 ansatzweise erkennen. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht Sekunden lang ist groß das Logo eines Media-Markts im Bild.

Eindeutig Schleichwerbung? "Für die betreffende 'Pastewka'-Staffel hat Media Markt keine Produktplatzierung gebucht", wird eine Sprecherin vom Evangelischen Presse-Dienst zitiert: "Media Markt sei lediglich ein von der Produktionsfirma Brainpool TV angemieteter Drehort." Amazon kann auch noch Rechtsmittel gegen die Untersagung einlegen. Aber falls es stimmt, müssen sich Amazon und Brainpool fragen lassen, ob man das Media-Markt-Logo nicht ein bisschen kürzer bildschirmfüllend hätte zeigen können.

Eine Pointe hat die Sache auch: Die neue, die neunte Staffel von "Pastewka" startet bei Amazon am 25. Januar, in drei Tagen. Man kann sich den Grund für Aufmerksamkeit nicht immer aussuchen, aber dank der zeitlich wirklich ideal terminierten Pressemitteilung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien hat jetzt wirklich jede/r Medieninteressierte und jede Medienredaktion des Landes den Staffelstart auf dem Schirm. (Ich jedenfalls ahne jetzt, was ich am Abend des 25.1. rein privat mache.) Die Werbewirksamkeit von Schleichwerbungsmeldungen darf man nicht unterschätzen.

Weiße wasse bis? Lügen tuse, das bisse!*

Was dagegen wirklich absolut mo’fucking keine Werbung ist: der "Tatort". Findet der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau. Jedenfalls nicht für seine Stadt. Im Gegenteil:

"Das Bild, das am Sonntag über die Orte der Handlung in Dortmund und Marl sowie über die gesamte Region zu bester Sendezeit bundesweit vermittelt wurde, ist an Klischeehaftigkeit nicht mehr zu überbieten. Es ist maximal lächerlich."

Das war jetzt nur ein Absätzchen aus dem ganzen Werk. Der Mann hat sich ganz wunderbar in Rage geredet, und die regionalen Medien (waz.de, pottblog auf Twitter, dortmund24.de usw.) haben seinen "Brandbrief" (Ruhrnachrichten) selbstredend in voller Pracht für die Nachwelt festgehalten. An WDR-Intendant Tom Buhrow persönlich wendet sich Sierau auch noch: "Ich persönlich hätte nichts dagegen, wenn Sie den Dortmund-Tatort einstellen und Kommissar Faber und sein Team in den vorzeitigen Ruhestand schicken würden."

Und tja, was soll man da jetzt sagen? Dass der Film aus NRW außerhalb NRWs, jedenfalls bei der Kritik, gar nicht schlecht ankam? Michael Angele schrieb kürzlich im Freitag über Claas Relotius’ berühmte Fergus-Falls-Reportage: "Reportagen über Kleinstädte, die keine Beschwerden nach sich ziehen, sind meiner Meinung nach das Geld nicht wert." Für Krimis gilt das womöglich schon auch. Aber sollten wir jetzt hier zeigefingerwedelnd mitteilen, dass sich so eine Beschwerde für einen Politiker nicht gehört? Dass ein Fernsehkrimi kein verdammter Tourismusprospekt ist, nicht einmal der "Tatort"? Oder können wir einfach ein bisschen kichern? Vielleicht doch lieber Letzteres.

Wenn wir aber alle schon so schön lustig sind – dann können wir auch gleich noch lesen, was Ullrich Sierau 2010 geschrieben hat. Damals wurde der "Tatort" 40, und der Tagesspiegel hatte fünf Bürgermeister gebeten, ihre Städte als künftige Krimi-Drehorte anzupreisen. Sierau schrieb:

"Ein Fall könnte so aussehen: Junger Wissenschaftler aus der Region schafft über die Hochschule den Aufstieg, gründet ein Start-up-Unternehmen, hat bahnbrechenden Erfolg – und finstere Typen heften sich an seine Fersen."

Stattdessen: Pott-Atmosphäre, Leute in Trainingsanzügen an Tresen. Wir heften die Geschichte mal ab unter dem Stichwort "Suboptimales Erwartungsmanagement".

(* Zwischenüberschrift rauskopiert bei Hatice Akyün.)

Nachrufe auf Horst Stern

Ein Fernsehmann ist 96-jährig gestorben, der "Naturliebhaber Horst Stern" (FAZ), der "neben seiner publizistischen Tätigkeit als Wegbereiter des organisierten Naturschutzes" gilt (Tagesspiegel): "Er war 1975 Mitbegründer des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland, 1982 Mitbegründer der Deutschen Umweltstiftung."

SWR-Intendant Peter Boudgoust ruft ihm nach (dpa, via Zeit Online): "Horst Stern war nicht nur ein herausragender Journalist, sondern auch ein unermüdlicher Kämpfer für Tierethik und ein ökologisches Bewusstsein." Die Nachrufe auf ihn sind darüber hinaus voll von twitterfähigen Sätzen, die ihm zugeschrieben werden: "Man rettet den deutschen Wald ja nicht, indem man 'O Tannenbaum' singt", zum Beispiel. Oder: Er habe den Menschen den Charakter ihrer Gesellschaft vorführen wollen. "Aber man hat mich unterm Strich für einen Tierfilmer gehalten."

Die FAZ schreibt: "'Sterns Stunde' ist Fernsehgeschichte. Ob es Journalismus war, darüber wurde oft gestritten, Neutralität war nicht sein Leitbild. Und dennoch: Kein Journalist vor ihm und die wenigsten nach ihm haben Fernsehen und Radio so überzeugend und politisch für die Sache der Natur eingesetzt wie der gebürtige Stettiner".

Was Hajo Friedrichs noch geschrieben hat

Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen abschließenden Schlenker zu einem anderen engagierten Naturfilmer, Hanns Joachim Friedrichs. Wir wissen, nicht zuletzt aus der auf einer Idee von Harald Schmidt beruhenden SWR-Serie "Labaule & Erben", dass bei Journalistenpreisverleihungen gerne Friedrichs Satz "Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich mit keiner Sache gemein macht, nicht einmal mit einer guten" zitiert wird (Folge 4, Minute 28).

Seit Jahren rankt sich eine eigentlich etwas unnütze Diskussion um die Frage, wie Friedrichs diesen Satz gemeint hat. Man kann es eigentlich nachlesen: Es war kein Satz über Journalisten, sondern nur über die Spezialgruppe der Nachrichtenmoderatoren, nämlich eine Antwort auf die Frage, ob es ihn nicht störe, ständig den Tod präsentieren zu müssen. Der Friedrichs-Satz ging danach auch noch weiter: "… nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, daß die Zuschauer dir vertrauen". Dass Friedrichs selbst Naturfilme mit "grüner Botschaft" drehte, sagte er im selben Spiegel-Interview – er machte sich also selbst gemein.

Kürzlich bezog sich der ORF-Journalist Armin Wolf darauf und schrieb eine Friedrichs-Deutung in sein Blog: "Ich denke also, Journalist*innen sollten sich sehr wohl mit etwas gemein machen: Mit Menschenrechten und Menschenwürde. Mit der Demokratie und ihren Grundregeln. Und damit, dass sinnvoller Diskurs auf Fakten basiert und nicht auf Lügen. Aber: Journalist*innen sollen sich niemals vereinnahmen lassen."

Von einem Leser wurde er dann aber darauf aufmerksam gemacht, dass das besagte Gemein-machen-Zitat eigentlich aus Friedrichs Autobiografie "Journalistenleben" (Altpapier vom 10. Dezember) stamme, die erstmals 1994 erschienen ist – demnach nicht aus dem Spiegel-Interview mit Friedrichs von 1995. Ich konnte das nicht verifizieren. In Ermangelung einer 94er Erstausgabe habe ich mittlerweile eine Ausgabe von 1996 gelesen, und darin steht das berühmte Friedrichs-Zitat zwar – allerdings nur im darin nachgedruckten Spiegel-Interview.

Der Leser deutete zudem an, Friedrichs habe tatsächlich sehr wohl die "Maxime der neutralen Berichterstattung" hochgehalten und zitiert zum Beleg aus "Journalistenleben":

"Aus seiner Abneigung gegen missionierende Journalisten und seinem Faible für die Trennung von Meldung und Meinung machte Friedrichs kein Hehl. So schrieb er über den früheren Rundfunk-Intendanten Edmund Gruber (…): 'Daß in diesem Nachrichtenmonopol der Öffentlich-Rechtlichen eine Verpflichtung steckte, nämlich die, nur nach dem Regelkatalog des publizistischen Handwerks zu arbeiten, wollte (oder konnte) Gruber nicht begreifen. Er holte seine Maßstäbe aus den Tiefen seiner politischen Überzeugung und blieb Ideologe in einem Metier, dessen Aufgabe die Verbreitung von Informationen, nicht aber von Glaubensbekenntnissen ist.'"

Das stimmt so weit. In Friedrichs Buch steht allerdings auch Kritisches über den ehemaligen ZDF-Chefredakteur Reinhard Appel:

"Er war bis zum Schluss ein Prophet der Ausgewogenheit, der brotlosen Kunst, es allen recht zu machen." Wenn "die politische Kontroverse zum Thema der Berichterstattung wird", schrieb Friedrichs, dann "muß der journalistische Beobachter gelegentlich Stellung beziehen, einen Standpunkt vertreten – wenn er einen hat."

Hätten wir das ganze Thema also hiermit endlich ein für alle Mal wieder nicht abschließend geklärt.


Altpapierkorb ("Menschen hautnah", ZIB2, Deutschlandradio, Arte-Hitler-Doku)

+++ Weiter geht es mit den Einlassungen zu der "Menschen hautnah"-Geschichte (Altpapier 1, Altpapier 2). Die FAZ schreibt: "Die 'Süddeutsche Zeitung' zitierte die Filmautorin indirekt mit den Worten, Komparsen in Dokumentationen einzusetzen, sei ein übliches Vorgehen in der Branche. Dieses Zitat sei 'falsch aus dem Zusammenhang gerissen', sagte die Filmemacherin nun im Gespräch mit dieser Zeitung. Das habe sie nie so gesagt. Sie habe nur gesagt, es sei üblich, 'dass viele Fernsehsender und Produktionsunternehmen ihre Protagonisten über das Portal 'komparse.de' suchen’. Will heißen: normale Menschen, nicht Komparsen. (…) Wer auf die Website komparse.de einen Blick wirft, der entdeckt denn auch Anzeigen von Journalisten, die dort nach Protagonisten suchen; auch für WDR-Produktionen. Ganz unüblich sind solche Gesuche also tatsächlich nicht."

+++ Übermedien über eine weitere "Geschichte eines Medienversagens, weil alle auf der Grundlage unvollständiger Informationen in großer Geschwindigkeit eine einseitige Geschichte verbreiten". #Trump

+++ Martin Thür, den neuen Moderator der österreichischen Zeit im Bild 2 am Sonntag, stellt die Süddeutsche vor.

+++ Droht ein Ausfall des Deutschlandradio-Programms in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen? (Meedia)

+++ Oliver Jungen schreibt in der FAZ über die Arte-Doku "Wahre Geschichte: Adolf Hitler, "Größter Feldherr aller Zeiten?" (20.15 Uhr) und wundert sich etwas: "Militärische Genialität schrieb dem Diktator niemand zu. So verwundert es, dass die erste Episode einer Arte-Geschichtsreihe, die 'bis dato gemeinhin angenommene Vorstellungen' hinterfragen will, ausgerechnet die Annahme, Hitler sei ein strategisches Genie gewesen, als verbreitet unterstellt. Einer französischen Produktion mag man es aber nachsehen, wenn sie offene Türen einrennt."

+++ Warum legt sich Lego mit einem Youtuber an? Die SZ.

Das nächste Altpapier erscheint am Mittwoch.