Das Altpapier am 28. März 2018 Schlag den Raab
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Brainpool-Geschäftsführer Jörg Grabosch soll abgesägt werden, aber gibt noch nicht auf. Er bricht nun mit Stefan Raab. Die Chefs von Bertelsmann und Burda verraten, wie sie zum Facebook-Konzern stehen. Und die Portabilitätsverordnung tritt inkraft – oder anders formuliert: endlich auch im Ausland Bundesliga gucken. Ein Altpapier von Klaus Raab.
Beginnen wir heute mal mit gestern, weil es da um morgen ging: Hans Hoff hat am Dienstag in der Süddeutschen Zeitung über die Produktionsfirma Brainpool geschrieben, an diesem Donnerstag stehe eine Gesellschafterversammlung an:
"'Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags von Herr Jörg Grabosch' steht auf der Tagesordnung. Auch sein Geschäftsführungskollege Andreas Scheuermann soll nach dem Willen des französischen Medienkonzerns Banijay gehen, der die Mehrheit an Brainpool hält, seit Raab kürzlich seinen 12,5-Prozent-Anteil verkaufte."
Grabosch ist der Gründer von Brainpool, und mit Raab ist Stefan gemeint, wer sonst, einer der Stars der Brainpool-Geschichte. Dessen Verhältnis zu Grabosch erscheine nun "abgekühlt", schrieb Hoff. Ob letzterer allerdings gestern schon mehr wusste? Sein Artikel vom Dienstag endete so:
"Grabosch wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Wer seine Stehaufmännchen-Geschichte jedoch ein bisschen kennt, der kann sich gut vorstellen, dass für ihn das letzte Brainpool-Kapitel noch nicht geschrieben ist."
Schon heute nun ist es so weit: Das letzte Kapitel wird von Grabosch gerade noch einmal grundsätzlich lektoriert.
Bei DWDL.de, wo man die Entwicklungen schon eine Weile auf dem Radar hat, heißt es, Grabosch wehre sich mit einer einstweiligen Verfügung gegen seine offenbar geplante Entmachtung. DWDL zitiert Graboschs Anwälte, es handle sich bei dem Vorhaben um den Versuch, "handstreichartig und unter Missachtung aller hergebrachten Grundsätze des deutschen GmbH-Konzernrechts die Kontrolle (über Brainpool) zu übernehmen".
Damit dürfte der Donnerstag als Tag der Entscheidung hinfällig sein. Weder kann wohl Raabs Anteilsverkauf noch die Installation einer neuen Geschäftsführung so einfach beschlossen werden. Hans Hoff schreibt heute in der SZ: "Die Angelegenheit ist so brisant, weil Grabosch fast zwei Jahrzehnte lang der Mann war, der Raab den Rücken freihielt und im Hintergrund fast alle organisatorischen Fäden zog."
Etwas unglücklich ist das Timing freilich für die FAZ mit ihrem, wenn wir recht informiert sind, recht frühen Redaktionsschluss. Sie meldet im Wirtschaftsteil quasi schon Vollzug der Banijay/Raab-Pläne ("So sieht es der Plan für die Gesellschafterversammlung an diesem Donnerstag vor"). Allerdings werden FAZ-Leserinnen und -Leser gewiss noch informiert werden. Der heutige Printtext endet jedenfalls mit dem wissenden Satz: "Fortsetzung folgt."
Und wie wir nun wissen, folgt der Fortsetzung die Fortsetzung.
Die Dynamik rund um den Facebook-Konzern
Es gibt auch wieder News rund um den "Facebook-Konzern", wie ihn Marietta Slomka im "heute-journal" analog zu "Bild-Zeitung" nennt: Facebook-Konzern-Chef Mark Zuckerberg soll, voraussichtlich am 12. April, vor einem Ausschuss des US-Repräsentantenhauses erscheinen.
Insgesamt gab es aber rund um die laufende Facebook-Dynamik in den deutschen Medien schon aufregendere Tage als den heutigen.
Auch die Debatte erreicht heute keinen neuen Höhepunkt. Die Wochenzeitung Die Zeit, die wegen Ostern einen Tag früher als üblich erscheint, begnügt sich in dieser Woche zum Beispiel mit einer Josef-Joffe-Kolumne und ein paar kleinen Runden ums Thema "Soll ich mich bei Facebook abmelden?" – Das ist das Thema eines Pro & Contra von Lisa Nienhaus und Heinrich Wefing im Wirtschaftsteil, in dem Die Zeit häufig ihre sporadisch eingestreuten Themen mit Medienbezug unterbringt. Aber mit dieser Pro-Contra-Abwägung sind gewisse andere natürlich auch schon befasst gewesen.
Allerdings gibt es zu Facebook taufrische Meinungen von deutschen Medienmanagern. Etwa bei der Bilanz-PK des Bertelsmann-Konzerns, bei der Unternehmenschef Thomas Rabe sagte: "Wir zahlen selbstverständlich in all den Ländern, in denen wir tätig sind, die Steuern, die dort anfallen – auf die Gewinne, die wir dort erwirtschaften. Das machen andere nicht. Das verzerrt den Wettbewerb massiv. Das alleine ist ein Nachteil. Uns geht es um eine angemessene und moderne Regulierung. Und da gibt es ein großes Betätigungsfeld."
Und Regulierung, das ist nun ja keine neue Idee, aber die Frage ist ja immer auch, wer davon redet.
Auch im FAZ-Wirtschaftsteil (€) ist Facebook ein Thema – in einem im angelsächsischen Stil als Fließtext notierten Interview mit Paul-Bernhard Kallen, dem "Vorstandschef der Hubert Burda Media SE ('Focus', 'Bunte', 'Holidaycheck')". Dessen Aussagen sind, sagen wir mal so, analytisch eher zurückhaltend ("Das, was im Internet passiert, sehen die Menschen gar nicht. Das, was das Netz ausmacht, ist hinter dem Bildschirm. Wir werden alle manipuliert").
Was man aber natürlich erfährt, ist, wie der Burda-Chef zum Facebook-Konzern steht. Er nennt ihn ein Medienunternehmen. Er fordert ebenfalls eine politische Regulierung – ein Aspekt, der von Burdas Focus Online via dpa auch als Nachricht zitiert wird ("Richtig wäre es, wenn alle Unternehmen, die persönliche Daten sammeln oder personenbezogene Daten erstellen, diese nach 90 Tagen löschen müssen – so wie bei der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung der Deutschen Telekom"). Und Kallen sieht zudem in Facebook, aber natürlich auch in Google, "übermächtige Gegner" (FAZ).
Und diese Zeitung wäre nicht diese Zeitung, wenn just dieses Stichwort nicht die Überleitung zum Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk bilden würde:
"Überhaupt kein Verständnis hat Kallen dafür, dass ARD und ZDF ernsthaft eine höhere Rundfunkgebühr fordern und eigene Kostensteigerungen mit einer 'fernsehspezifischen Inflationsrate' zu rechtfertigen suchen."
Um als Beitrag zu der von FAZ-Medienredakteur Michael Hanfeld eingeläuteten Debatte über die Sparabsichten und Sparpotenziale der Öffentlich-Rechtlichen (Altpapier vom Montag) zu gelten, ist das vielleicht zu unkonkret. Aber lauwarm bleibt das Thema so auf jeden Fall.
Frieden, Freiheit, Netflix
Jetzt aber endlich mal zu Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die Sie zurecht wissen wollen, was der ganze Medienmetakram hier immerzu für Sie konkret bedeutet: Es gibt alltagsrelevante News für die nächsten Ferien. Vom 1. April an gilt die sogenannte Portabilitätsverordnung. Die SZ schlägt als eingängigeren Namen Urlaubs-Streaming-Verordnung vor.
"Online-Dienste wie Netflix und Sky Go müssen ab dem ersten April in allen EU-Ländern verfügbar sein. Auf Reisen innerhalb der EU könnten Abonnenten von Online-Diensten bald 'unter denselben Bedingungen wie in ihrem Heimatland und ohne Zusatzkosten' diese Dienste nutzen", heißt es via afp bei der Frankfurter Rundschau online. Man hat also im Urlaub das von zu Hause gewohnte Netflix- und SkyGo-Programm – in Spanien "Stromberg". Und in Italien die Bundesliga.
Was Verbraucherschützern laut FR nicht so taugt: Die Verordnung gilt nicht für werbefinanzierte und öffentlich-rechtliche Mediatheken. Die SZ wird genauer:
"Für unentgeltliche Anbieter, worunter das Erste und das ZDF mit ihren Mediatheken fallen, ist aber eine Opt-in-Möglichkeit vorgesehen. Das heißt, sie könnten sich dafür entscheiden, ihren Nutzern ebenfalls das Portabilitäts-Angebot zu machen, ohne dass die Rechteinhaber der einzelnen Sendungen dem widersprechen könnten. Sowohl das Erste als auch das ZDF teilen auf Nachfrage jedoch mit, dass sie diese Möglichkeit nicht nutzen werden."
Weil: teure Infrastruktur: Allerdings, heißt es von der ARD, sei "schon jetzt ein erheblicher Teil der Mediathek ungeblockt im EU-Ausland zugänglich".
Wenn man jedenfalls mal wieder jemandem erklären soll, warum die Europäische Union unter dem Strich eine gute Erfindung ist: Es gibt mit der Portabilitätsverordnung ein neues Argument. Nicht mehr nur Frieden, Freiheit und keine Roaminggebühren mehr, nein, jetzt gibt es auch überall das eigene Fernsehprogramm. Politik kann so einfach sein.
Altpapierkorb ("Die Freibadclique", "Avenidas"-Diskussion, In-Image-Ad-Fauxpas)
+++ Auf den Medienseiten der Zeitungen bekommt die Rezension der ARD-Literaturverfilmung "Die Freibadclique" nach dem Roman von Oliver Storz den meisten Raum. Die FAZ: "Vom chronistischen Kriegsdrama in hellem, überdeutlichen Licht wird es vorwiegend regnerisch obskur und dunkel wie im Film noir, und sachlich-melodramatisch wie in Raymond-Chandler-Verfilmungen." In der SZ heißt es: "Friedemann Fromm (Buch und Regie) und Anton Klima (Bildgestaltung) feiern in ihrer Verfilmung die jungen Leiber, die so bald schon vom Krieg versehrt sein werden." Und im Tagesspiegel: "Das Coming-of-Age- und Antikriegsdrama verwandelt sich in ein liebevoll inszeniertes Kino-Zitat – die Figuren aber wirken plötzlich wie im falschen Film."
+++ Die taz, bislang sehr kritisch gegenüber dem Kolumnisten und ehemaligen Bundesrichter Thomas Fischer, verteidigt ihn im Nachgang zu seiner hierdurch verursachten Trennung von der Zeit: "Man konnte sich an den intellektuell herausfordernden und stilistisch herausragenden Kolumnen erfreuen – oder aber sich über eine Handvoll misslicher Zitate in der Diskussion über die Verschärfung des Sexualstrafrechts aufregen." Jörg Wimalasena schlägt ersteres vor.
+++ Zeit Online verkündet eine Kooperation mit Brand eins: Künftig werde auf brandeins.de auf der zeit.de-Seite hingewiesen. "Im Zuge unserer Kooperation wird die Reichweite von brandeins.de ab sofort jener von Zeit Online zugerechnet und über Zeit Online vermarktet." IVW listet also in Zukunft Brand eins nicht mehr separat.
+++ Und damit diese Debatte hier auch zumindest einmal auftaucht: Der Lyriker Eugen Gomringer ist am Montag öffentlich aufgetreten und hat sich im Berliner Max-Liebermann-Haus erstmals zu der Debatte über sein Gedicht "Avenidas" geäußert. Ein Gedicht, das "man nach all den Berichten vermutlich sogar in deutschen Fußgängerzonen abfragen" könnte (Andreas Rosenfelder, Welt). Der Vorgang ist publikumsrelevant genug, dass es sogar eine gekürzte Online-Variante des für den freien Internetgebrauch nicht vorgesehenen Seite-3-Texts aus der Süddeutschen gibt: "Neben Gomringer saßen Bettina Völter, die Prorektorin der Hochschule, sowie die Vorsitzende des Asta auf der Bühne, letztere unter dem Pseudonym 'Frau Roth'. Ihre wahre Identität mochte 'Frau Roth' nicht preisgeben, weil sie in den letzten Wochen viele Hassmails bekommen habe. Was 'Frau Roth' dagegen preisgab, war ihr Verständnis von Kunst und Emanzipation sowie ihre eigene Sprache, bei der es schepperte, als sei die Büchse der Pandora mit Schmackes auf die Avenidas geknallt: 'Die Frage ist, was darf Kunst, meiner Meinung nach im Rahmen des Sagbaren. Parolen sind zu vermeiden, das ist der Rahmen, den das Grundgesetz vorgibt oder so.'"
+++ "Avenidas" ff.: Der Asta-freundlichste Text des Tages erscheint in der FAZ, in der Paul Ingendaay nicht nur durch die Auswahl anderer Zitate ein ganz anderes Bild von "Frau Roth" zeichnet, sondern auch eine Tür zu ihrem Textverständnis öffnet: "Frau Roth, Anfang zwanzig, vertrat ihre Sache gut. 'Wir leben in einer Gesellschaft, die sexistisch ist', sagte sie, 'die diskriminiert. Das sollten wir uns eingestehen.' Ob es nicht legitim sei, dass die Studenten selbst darüber entschieden, was sie jeden Morgen riesig auf der Wand ihrer Hochschule sehen wollten? Sie lese Literatur nun einmal 'aus sozialarbeiterischer Perspektive', und es sei wichtig, 'dass uns diese Lesart nicht abgesprochen wird'. Vielleicht war das der Kern der Debatte.(…) Es geht wirklich nicht darum, was der Dichter gemeint, gesagt oder geschrieben hat, weshalb man mit Deutungsgymnastik auch nicht weiterkommt. Sondern eher darum, was manche Menschen empfinden, wenn sie Gomringers Gedicht 'avenidas' auf der Fassade ihrer Hochschule sehen."
+++ Und bei Übermedien geht es um "In-Image Ads", eine Werbeform, "bei der automatisch eine halbtransparente Anzeige über ein redaktionelles Foto gelegt wird". Anlass: Bei der Sächsischen Zeitung ist der automatische Vorgang recht unglücklich verlaufen. Über einem Foto des Schriftzugs "Arbeit macht frei" über dem Eingang des Konzentrationslagers Auschwitz liegt dort Werbung für eine Penny-Marke ("Jeder Moment ein Genuss").
Frisches Altpapier gibt es am Donnerstag.