Das Altpapier am 14. März 2018 Im Elfenbeinturm

Heute gibt’s die unbequeme, anstrengende und nichtsdestotrotz wichtige Frage: Was haben Sparkassenformulare mit Frauen und deren Sichtbarkeit in Medien zu tun? Dazu gibt‘s eine Zusammenschreibe zum Fall Kuciak in der Slowakei und was sich durch die Ermordung des Journalisten verändert hat. Weiter geht’s mit der Frage, ob neue Journalismus-Modelle Traumtänzerei sind oder im Alltag was taugen. Und zum Schluss schauen wir noch, was der MDR im Hühnerstall darf. Ein Altpapier von Nora Frerichmann.

Beim Schreiben des heutigen Altpapiers drängt sich der Gedanke an Naomi Alderman in ihrem Roman "The Power" oder "Die Gabe" auf (kein literarisches Meisterwerk, aber ein spannendes Gedankenexperiment, in dem Frauen die Weltherrschaft übernehmen, weil sie auf einmal körperlich eine bedrohlichere Kraft besitzen als Männer). Eine solche Realität wäre wohl der absolute, wenn auch nicht per se bessere Gegenpol zur aktuellen Situation, in der Frauen sich doch bitte noch immer unter männlicher Ansprache mitangesprochen fühlen sollen, weil das halt die vergangenen 2.000 Jahre immer schon so gemacht wurde.

Ja genau, im Hinterkopf habe ich dabei den Bundesgerichtshof, der gestern eine Klage der Rentnerin Marlies Krämer abgewiesen hat. Die 80-Jährige wollte durchsetzen, dass auf Sparkassenformularen neben einer männlichen Anrede (Kunde, Kontoinhaber, etc.) auch eine weibliche Ansprache vorkommt.

Nun mögen einige Leser und vielleicht auch Innen denken: Was will die denn jetzt auch noch hier im Altpapier mit diesem ganzen Kampfgegendere? Ist doch alles Quatsch. Kann sie das nicht einfach mal akzeptieren? Denn um kaum ein Thema wird aktuell wohl mit so viel Bluthochdruck gestritten, wie um gendersensible Sprache. In diesem Fall gibt es neben Unterstützung für die saarländische Feministin Krämer in den sozialen (?) Medien auch ganz viel "hat die Olle nix zu tun" oder "die Richter haben doch besseres zu tun, als sich mit so einer Verrückten rumzuschlagen", "Verschwendung von Steuergeldern" und "es gibt doch Wichtigeres, zum Beispiel hungernde Kinder in Afrika".

Melden, wer beim Wort "Bankdirektor" an eine Frau denkt

Reflexartig wird die Diskussion über gendersensible Sprache häufig abgelehnt und ins Lächerliche gezogen oder einfach ignoriert. Aber dabei wird oft übersehen, dass es dabei nicht um Kleinkariertheit und ein paar Formulare geht, nicht nur um die persönliche Ebene (dass sich einzelne Frauen von einzelnen Formularen nicht angesprochen fühlen), sondern um eine gesellschaftliche Ebene, um die generelle Sichtbarkeit von Frauen und anderen nicht-männlichen Menschen, die eben zum großen Teil an Sprache hängt.

"Es waren immer die vermeintlich kleinlichen Forderungen, die Frauen dorthin gebracht haben, wo sie heute stehen. Deshalb werden sie in vielen Ländern als Wählerinnen, Studentinnen, Amtsträgerinnen, Ärztinnen, Arbeiterinnen und Mütter mitgemeint. Es ist daher richtig, jedes Mal auf die Ungleichheiten hinzuweisen und darüber zu streiten – auch wenn es nur ein Sparkassenformular ist. Am Ende geht es nämlich um nichts weniger als eine Gesellschaft, in der alle Geschlechter gleichwertig sind, gleichwertig abgebildet werden und gleichermaßen Zugang zu Macht und sozialer und kultureller Teilhabe haben",

schreibt Vannessa Vu heute in einem Kommentar bei Zeit Online. Zwar sei das Ganze eine juristische Niederlage, aber, dass überhaupt darüber gestritten werden könne, sei ein symbolischer Fortschritt. Und in der Süddeutschen schreiben Wolfgang Janisch und Helena Ott:

"Auch der Deutsche Juristinnenbund hatte übrigens schon anlässlich der BGH-Verhandlung im Februar darauf hingewiesen, dass Sprache ein Ausdruck althergebrachter Hierarchien sei. Wenn Frauen in der Sprache nicht vorkämen, würden Realitäten geschaffen oder zementiert, sagte die Präsidentin Maria Wersig. Bei der Bezeichnung 'Bankdirektor' denke sicher niemand an eine Frau."

Und damit sind wir auch ganz schnell (genau, hier kommt der Schlenker zur eigentlichen Altpapier-Kompetenz) bei Medien angelangt. Denn das täglich Brot von uns Medienmenschen ist schließlich Sprache und auch wir verwenden häufig einfach nur eine männliche Form, ich auch. Einfach aus Routine, aus Zeitmangel, um der Einfachheit willen, wegen scheinbar fehlender praktikabler Alternativen (zu lang, zu umständlich, verwirrend, und fühlen sich unsere Leserinnen und Leser dann nicht bevormundet?).

Klar, das Nachdenken und Diskutieren über Alternativen ist anstrengend. Aber das ist wohl vor allem der Fall, weil die Debatte häufig so verbissen und manchmal so von oben herab geführt wird und weil jeder die richtige Antwort zu haben glaubt. Warum entspannen wir uns nicht einfach mal ein bisschen und gehen offen, positiv und mit Neugier an die Sache ran? Denn ein universelles Richtig, mit dem alle zufriedengestellt werden, gibt es bei dem Thema sowieso nicht. Dafür aber meiner Meinung nach viele Varianten, die besser sind, als alles wie immer zu machen, weil das halt auch immer so war. Das wird im FAZ-Feuilleton (Seite 11) anders gesehen:

"Das Deutsche verfügt nun mal über grammatisch männliche Endungen, die aber, nochmal sei es hier gepredigt, NICHTS mit dem biologischen Geschlecht zu tun haben. Es ist diesbezüglich auch leistungsfähiger, indem es, wenn es darauf ankommt, sehr wohl eine 'Freundin' bilden kann, während es im Englischen nur den girlfriend gibt. Ob das irgendwann wohl noch begriffen wird? Hoffen wir’s."

Aber zum Glück ist Sprache ja fluide und entwickelt sich immer weiter, je nachdem wie sie jeden Tag verwendet wird (der Duden nimmt mittlerweile Anglizismen auf, das hätte vor fünfzig Jahren wohl auch niemand gedacht). Auch wenn es einige Linguisten gibt, die in ihrem Elfenbeinturm fest darauf beharren, dass eine männliche Anrede auch Frauen mitmeint und z.B. in der Doppelform Bäcker und Bäckerinnen Frauen sogar doppelt angesprochen werden, weil im "neutralen" Maskulinum ja schon mitgemeint. Das mag für eine Wissenschaftlerin im Elfenbeinturm so sein, für viele Menschen hier unten im Staub des Alltags aber eben nicht.

Wir sollten uns schlicht und einfach mal gestatten, Gebräuchlichkeiten und deren Wurzeln kritisch zu hinterfragen. Gemeinsam. Deshalb: Lasst uns mehr wagen, mehr experimentieren und diskutieren, uns nicht von Details wie Binnen-I, Genderstern oder Unterstrich abschrecken lassen, sondern immer wieder überlegen was in Text, Radio und TV sinnvoll sein könnte. Einen guten Ansatz hat meiner Meinung nach die Zeit mit ihrer "Guerilla-Taktik" gefunden. Wenn Sie anderer Meinung sind oder Ideen teilen wollen: Lassen Sie’s unten in den Kommentaren raus!

#AllForJan

So, bevor ich mich hier jetzt aber weiter auslasse, hard cut und weiter zur Slowakei. Nach dem Mord an dem 27-Jährigen Investigativ-Journalisten Ján Kuciak und seiner Freundin vor gut zwei Wochen (siehe Altpapier x, y und z) gibt es nämlich neue Entwicklungen. Nun wurden laut Bild.de 17 Personen festgenommen (der Journalist arbeitete ja bei der akutality.sk, die zu Ringier Axel Springer gehört):

"Bei den Tatverdächtigen handelt es sich auch um viele Männer, über die Kuciak in seinem letzten Artikel über Verbindungen zwischen der slowakischen Regierungspartei und der italienischen Mafia recherchiert hatte. Darunter sollen auch weitere Mitglieder des Netzwerks um den slowakischen Mafia-Paten Antonino Vadala sein."

Mehr Details gibt es bisher (Stand 9 Uhr) noch nicht. Und eine Quelle nennt Bild leider keine. Bleibt zu hoffen, dass nicht die Titanic dahinter steckt. Um aber unserem Anspruch als "Gedächtnis des Medienjournalismus" hier beim Altpapier annähernd gerecht zu werden, hier nochmal die Zusammenschreibe einiger zerstreuter Fakten der Entwicklungen aus den vergangenen Tagen:

Schon einige Tage nach dem Mord wurden ja bereits sieben Verdächtige festgenommen ("italienische Spur"). Ähnlich wie nach dem Mord an der Maltesischen Investigativreporterin Daphne Caruana Galizia (Erinnerungsstütze z.B. in diesem Altpapier) gerät nun auch in der Slowakei die Politik immer mehr unter Druck. Nach der Abberufung von Innenminister Robert Kalinak (Details auch bei Zeit Online) müsse sich nun die Koalition um Ministerpräsident Robert Fico einem Misstrauensvotum stellen, berichtet DW. Den Antrag dazu habe die liberale Partei Freiheit und Solidarität (SaS) eingebracht. Der Forderung nach Neuwahlen habe sich am Montag überraschend auch die Ungarnpartei Most-Hid angeschlossen.

"Aus Sicht von Experten hat Fico zu lange mit der Abberufung des umstrittenen Innenministers Robert Kalinak gezögert. 'Unter diesen Umständen ist es für die Partei Most-Hid zunehmend inakzeptabel geworden, die Regierungskoalition fortzusetzen', sagte der Politologe Juraj Marusiak der Agentur TASR. Fico hat Neuwahlen, die frühestens im Juni stattfinden könnten, bislang ausdrücklich ausgeschlossen. Im Gespräch ist daher in Bratislava auch eine Übergangsregierung aus Beamten."

Dabei stellt sich wohl auch die Frage: Wie groß ist eigentlich der politische Drang, die Mörder und vor allem die Verantwortlichen zu finden? Immerhin ist es der zweite Journalistenmord in der EU innerhalb eines halben Jahres, und das nach 26 Jahren für Journalisten mehr oder weniger friedlichen Jahren, jedenfalls 26 Jahren ohne Presse-Mord.

Die EU will den Druck wohl verstärken. Am Wochenende reiste eine Sonderdelegation der EU in die Slowakei, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Das Urteil der niederländischen, liberalen Europaabgeordneten Sophie In't Veld:

"'Die Vorwürfe fliegen nur so durch die Gegend. Politiker greifen Journalisten an, Staatsanwälte attackieren die Politiker und umgekehrt. In einer Demokratie sollten sich die Leute aber auf die Spitzen des Staates verlassen können', sagt Sophie In't Veld. Sie sieht das größte Problem bei der Schwäche der Justiz, ihrer mangelnden Unabhängigkeit und Politisierung. 'Von den Gesetzen her ist in der Slowakei alles vorhanden, aber in der Praxis sieht es völlig anders aus.'" 

Auch die Slowakinnen und Slowaken sehen bei ihrer Regierung wohl nicht die allergrößte Aufklärungswut: Am Wochenende gab es schließlich die größte Demonstration gegen sie, die das Land bis dahin erlebt hatte. Der Vorwurf ist vor allem, genau, Korruption.

Bei all dem Schock und der Ungläubigkeit, dass sowas in der EU heute noch passieren kann: Positiv ist jedenfalls, dass die Menschen ihre freie Presse verteidigen wollen. Ein Journalist der aktuality.sk, Kuciaks Zeitung, sagt DW dann noch sichtlich betroffen:

"Ich glaube, es hat verändert, wie man seine Arbeit und Journalismus in der Slowakei betrachtet."

Und in dem gestern im Korb bereits kurz erwähnten Interview mit Matúš Kostolný, Chefredakteur der slowakischen Zeitung Denník N, bei FAZ.net (€) heißt es dann noch:

"Wenn jemand Ján Kuciak zum Schweigen bringen wollte, dann hatte er jedenfalls keinen Erfolg. Der Artikel aus seiner letzten Recherche war wahrscheinlich der meistgelesene in der slowakischen Geschichte."

Traumtänzer und politische Korrektheit in Medienrealität

Alternativen Ansätzen des Journalismus haftet ja in der öffentlichen Meinung häufig etwas Esoterisches, Naives oder Träumerisches an. Im Interview mit dem österreichischen Standard versucht David Boardman, Vorsitzender des Solutions Journalism Network, dem entgegenzutreten, jedenfalls was den lösungsorientierten Journalismus angeht:

"Das sind weder Happy News noch Good News, es ist auch weder Heldenverehrung noch anwaltschaftlicher Journalismus."

Lösungsorientierter Journalismus sei stattdessen "nächste Entwicklungsstufe des investigativen Journalismus. Ich war selbst lange investigativer Journalist, als Reporter und Redakteur. Die Theorie des investigativen Journalismus ist, ein Problem zu beleuchten, die Öffentlichkeit wird aufmerksam, die Menschen fordern Veränderung, und der Missstand wird behoben", sagt Boardman.

Nice Theorie, aber ganz so einfach ist das wohl nicht. Das räumt Boardman, Dekan am Klein College of Media and Communication der Temple University in Philadelphia und ehemaliger Chefred der Seattle Times, später auch noch ein. Ein solcher Journalismus versuche aber erstmal, nicht am Problem hängenzubleiben. "Wir brauchen mehr investigativen Forscherdrang, wie man diese Missstände beseitigen oder lösen könnte. Es gibt viele Menschen, die das in aller Welt versuchen – aber wir erfahren kaum davon."

Vor allem in Zeiten von Ökonomisierung und Rationalisierung im Medienbereich stellt sich natürlich auch die Frage, wie umsetzbar so etwas ist. Boardman weiter:

"Das ist ein Investment, aber eines, das sich lohnt. Leser, Zuschauer, Hörer reagieren extrem positiv auf diese Art von Berichterstattung. Solche Storys werden in sozialen Medien viel länger verbreitet als traditionelle, negative Nachrichten. Die werden sehr schnell sehr oft geteilt – aber nur sehr kurzfristig. Diese Art von Journalismus bindet das Publikum länger und lässt es wiederkommen."

Und:

"Natürlich kann und soll nicht jede Story eine lösungsorientierte sein. Und natürlich geht es in vielen Fällen erst einmal darum, das Problem zu identifizieren und zu benennen. Es funktioniert auch nicht für jedes Medium. Ich sehe wenig Interesse daran bei sensationsgierigen Boulevardblättern. Das ist schon okay. Die Menschen sollen nur wissen, was sie wo bekommen. Und ich glaube daran, dass viele, viele Bürger Qualität wählen, wenn sie die Wahl haben."

Womit wir bei dem ehemaligen Chefredakteur verschiedener Tageszeitungen und nun Journalismus-Sachbuchautoren Paul-Josef Raue wären, der sich bei kress.de das Modell der Genossenschaften im Medienbereich anschaut. Das Modell sei generell keine "verklärte Gefühlsduselei eines Weltverbesserers":

"Die Gesellschaft des Teilens, die 'sharing economy', funktionierte, und sie funktioniert noch heute. Genossenschaften mit 22 Millionen Mitgliedern in Deutschland sorgen dafür, dass Eigentum breit gestreut wird, Konkurrenten sich als Partner begegnen und die regelmäßige, verbindliche Kontrolle eine Pleite fast unmöglich macht."

So weit, so verlockend. Als Positivbeispiel hebt Raue die Schweizer Republik hervor (einige dazu auch hier in verschiedenen Altpapieren). In Deutschland hat das Ganze bei den Krautreportern ja bekanntlich nach ziemlich großer Anfangseuphorie nicht so grandios geklappt. Mittlerweile seien nur noch 400 Menschen Mitglieder.

Am Ende bleibt die Frage, ob eine Genossenschaft tatsächlich auch eine Zeitung finanzieren könnte. Die eindeutig nicht eindeutige Antwort: Vielleicht.

Was aber nicht nur vielleicht so ist, sondern sich aktuell an einigen Beispielen erkennen lässt: Selbstkritik scheint immer hipper zu werden in unserer Medienbubble. Nachdem die New York Times vergangene Woche zum Weltfrauentag verkündete, das Wirken von Frauen sei in der Geschichte des Blattes nicht so gewürdigt worden wie das von (weißen) Männern, kündigte die gar nicht mehr so alt und grau wirkende Lady an, nun nachträglich Nachrufe auf Frauen zu veröffentlichen, die sie in der Vergangenheit nicht gewürdigt habe. Unter dem Titel "Overlooked" hieß es:

"Charlotte Brontë wrote 'Jane Eyre'; Emily Warren Roebling oversaw construction of the Brooklyn Bridge when her husband fell ill; Madhubala transfixed Bollywood; Ida B. Wells campaigned against lynching. Yet all of their deaths went unremarked in our pages, until now."

Und nun springt auch die National Geographic auf den Selbstrevisionszug auf und widmet sich dem Thema Rassismus im eigenen Blatt. Für das April-Heft des Magazins wurde nämlich ein Historiker (John Edwin Mason, University of Virginia) engagiert, um bisher erschienene Ausgaben auf rassistische Berichterstattung zu prüfen. Ergebnis:

"It ignored non-white Americans and showed different groups as exotic or savage, propagating 'every type of cliché', editor Susan Goldberg said. (…) Ms Goldberg said some of the magazine's archive material left her 'speechless', including a 1916 photo of Australian Aborigines with the caption 'South Australian Blackfellows: These savages rank lowest in intelligence of all human beings'",

heißt es bei bbc.com. Klar, das Magazin ist schon 129 Jahre alt. Wer aber nun ansetzt, und sagen möchte, das war halt damals so, das sei nicht rassistisch gewesen, sondern einfach die landläufige Meinung, die so eben auch in den Medien vermittelt wurde, dem hat der britische Guardian etwas entgegenzusetzen:

"The magazine’s coverage reinforced colonialist attitudes, rather than challenging them. And it tended to present race hierarchically, with white westerners at the top."

Die Reporter scheinen nicht nur herrschende Verhältnisse nicht kritisch hinterfragt zu haben, was man wohl als eine der Hauptaufgaben von Journalisten bezeichnen darf. Laut Mason haben sie – anders als z.B. das Life-Magazin – quasi die Augen bewusst vor Problemen verschlossen:

"National Geographic’s story barely mentions any problems," Mason said. "There are no voices of black South Africans. That absence is as important as what is in there. The only black people are doing exotic dances … servants or workers. It’s bizarre, actually, to consider what the editors, writers, and photographers had to consciously not see."

Goldberg selbst schreibt schließlich in einem Editor's Letter bei nationalgeographic.com:

"In two years, for the first time in U.S. history, less than half the children in the nation will be white. So let’s talk about what’s working when it comes to race, and what isn’t. Let’s examine why we continue to segregate along racial lines and how we can build inclusive communities. Let’s confront today’s shameful use of racism as a political strategy and prove we are better than this."

Solch ein Standing würde auch deutschen Traditionsmedien (FAZ vielleicht? Spontan fiele mir da die Dr.-Mbongo-Karikatur ein) gut stehen. Und ganz nebenbei ist das auch noch gute PR für zukünftige Leserinnen und Leser.

Altpapierkorb (Armin Wolf, Meinungsmacht im Netz)

+++ Der Streit in Österreich zwischen ORF-Journalist Armin Wolf und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (rechtsrandige FPÖ) wird nun wohl doch außergerichtlich geschlichtet. Nach einem Facebook-Post, in dem Strache Wolf und das ORF der Lüge bezichtigte und das er mit dem Hinweis "Satire" legitimieren wollte, hatte Wolf wegen Kreditschädigung, Ehrenbeleidigung und übler Nachrede (siehe dieses Altpapier) geklagt. Laut standard.at haben sich die Parteien nun auf einen Vergleich geeinigt. Details und die Entschuldigung Straches gibt’s auf Wolfs Blog.

+++ Das Gutachten "Meinungsmacht im Internet und die Digitalstrategien von Medienunternehmen" bringt nicht unbedingt Überraschungen, belegt aber nun, es gebe eine "wesentliche Verschiebung der Meinungsmacht von den klassischen Medien hin zu Facebook & Co". "Kommt eine Frage auf: Wie kann das Medienkonzentrationsrecht reformiert werden, damit es die (Internet-)Player angemessen berücksichtigt?", schreibt Joachim Huber beim Tagesspiegel.

+++ Der MDR, also unser Host hier, muss sich aktuell mir der Klage des Erzeugerzusammenschlusses Fürstenhof aus Mecklenburg-Vorpommern auseinandersetzen. Grund: Er sei im Hühnerstall gewesen und habe dort gefilmt, um auf Misstände hinzuweisen, heißt es auf der FAZ-Medienseite. Der Bundesgerichtshof müsse nun abwägen, was wichtiger sei: Das öffentliche Informationsinteresse oder das Recht des Betriebs. Ein Interview zum Thema gab‘s auch bei Deutschlandfunks @mediasres. Ein Urteil wird am 10. April erwartet.

+++ Die argentinische Tageszeitung Página 12 wird verklagt, kurioser Weise von einer der polnischen Regierung nahestehenden Organisation. Auslöser sei ein Artikel über das Pogrom von Jedwabne mit dem Titel "Rostros Familiares", also "Vertraute Gesichter". Details hat ebenfalls @mediasres.

+++ Die Pakistanische Regierung will einen neuen Ansatz ausprobieren, um gegen Hassrede im Netz vorzugehen. Dafür hat sie laut futurezone.at eine App gestartet, in der Bürger kritische Posts melden können. Ob der Ansatz wirklich was bringt, oder das Ganze eher eine "Hey, wir tun was"-Aktion für die Öffentlichkeit ist, könnte beobachtenswert sein.

+++ #MeToo ist in der Schweiz zum Wort des Jahres gewählt worden. Infos gibt’s bei der NZZ.

+++ Die Zeit steht ja eh schon verhältnismäßig gut dar, was ihre Digital-Aktivitäten betrifft. Nun baut Zeit Online den Bereich neuer journalistischer Formate noch etwas weiter aus und holt den mehrfach ausgezeichneten Julius Tröger als Chef für Visual Journalism (also neue Storytelling-Formate mit Grafiken und so visuellem Gedöns), berichtet Horizont.net.

+++ Nun ein Blick ins Zeitschriftenregal: Gibt’s neuerdings eine Apothekenumschau für die Instagram-Zielgruppe? Michalis Pantelouris schreibt bei Übermedien über das neue, junge Healthmagazin Feelgood. Das Heft an sich findet er zwar nicht so dolle ("bunt gemischt wie ein Yellow, ein blubberndes Potpourri aus zwanghaft guter Laune und Matcha-Tee"). Auch die Idee eines jungen Gesundheitsmagazins erscheint  ihm erstmal "intuitiv falsch", aber: "man darf nie vergessen, dass die Zielgruppe von Magazinen sehr oft nicht die Menschen sind, die sind wie die, die im Heft angeblich angesprochen werden, sondern solche, die nur so sein wollen. Mein viel zu oft genutzter Standardsatz dazu ist: Der "Playboy" wird nicht für Playboys gemacht. Playboys haben nämlich keine Baubuden, in denen sie die Poster aufhängen können."+++ Jeder Deutsche kauft übrigens im Jahr durchschnittlich 20 Zeitungen, schreibt Kurt Sagatz bei tagesspiegel.de. Über mangelndes Leserinteresse könnten sich die Verlage also nicht beschweren. Allerdings sind wohl eher andere Themenfelder gefragt als eine junge Apothekenumschau, nämlich Philosophie und E-Bikes.

+++ Wer was zum neuen Netflix-Film "Auslöschung" wissen will, Zeit Online hat da was.

+++ "Game of Thrones"-Nerd, anyone? Nach dem Ende der Erfolgsserie soll’s mehrere Spin-Offs geben, berichtet futurezone.at: "Es wäre wie ein Dienstvergehen, wenn wir es nicht fortsetzen würden", wird Francesca Orsi, Leiterin der Drama-Abteilung bei HBO, zitiert. Die achte GoT-Staffel wird 2019 ausgestrahlt. Der genaue Zeitpunkt ist noch nicht bekannt.

+++ Die "Mordkommission Istanbul" zieht um nach Thailand. Liegt, genau, an der gerade für Journalisten und Medienmenschen nicht so tollen Situation in der Türkei. Sollte sich die Gesamtlage wieder bessern, werde die Reihe nach dem Zweiteiler in Thailand auch wieder in die Türkei zurückkehren, heißt es in einer dpa-Meldung beim Hamburger Abendblatt.

+++ Irgendwie scheint es ja aktuell ziemlich hip zu sein, dass obskure Organisationen nicht mehr über die klassischen Medien kommunizieren, sondern selbst zum Medienproduzenten werden (siehe AfD-Newsroom in diesem Altpapier). Da reiht sich nun auch Scientology ein. Die Sekte (Selbstbezeichnung: Kirche) will laut standard.at einen eigenen TV-Sender launchen – eventuell, um damit auf wiederholte Missbrauchsvorwürfe reagieren und eine "eigene Version" der Dinge unter die Leute zu bringen. Himmel, äh, Medienkompetenz hilf. Mehr dazu auch bei digitalfernsehen.de.

Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.