Das Altpapier – Spezial am 5. März zur "No Billag"-Abstimmung Ein wuchtiges Nein gegen den Egoismus
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Hat in der Schweiz eine "Volksuniversität in Sachen Medien" zum klaren Abstimmungsergebnis für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beigetragen? Oder ist es dadurch zu erklären, dass die Gebührengegner politisch zu radikal sind? Was will, was sollte die SRG nun tun? Vor allem: Was bedeutet die Ablehnung von No Billag für die Debatte in Deutschland? Müssen die Öffentlich-Rechtlichen ihren Status als "Gemischtwarenhändler" aufgeben? Ein Altpapier-Spezial von René Martens.
Es hätte "der Tag der rechten Revolution werden sollen", wie Charlotte Theile die Schweiz-Korrespondentin der SZ, meint, doch statt dessen gab es einen "Sieg der Zwangsgebühren", wie die taz einen Text ihres Schweiz-Korrespondenten Andreas Zumach Doofdeutsch-parodistisch bzw. auf tazzige Weise überschreibt.
Noch anders gesagt: Die Schweiz hat sich am Sonntag nicht "abgeschafft", um mal die Frage aufzugreifen, die Gleb Albert, Mitherausgeber des Schweizer Online-Magazins Geschichte der Gegenwart, im aktuellen Freitag aufgeworfen hat.
Nun gibt es sehr viele Unterschiede zwischen dem deutschen und dem Schweizer Mediensystem (siehe dazu auch die aktuelle Medienkolumne von Altpapier-Autor Christian Bartels bei evangelisch.de): Anders als ARD und ZDF, ist die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) "ein privatrechtlicher, in den 1930ern von regionalen Radiosendern gegründeter Verein, dem jeder Bürger beitreten kann" (Gleb Albert/Freitag again). Außerdem verlaufen im Nachbarland die Diskursfronten zwischen öffentlich-rechtlichen und privatmedienwirtschaftlichen Medien anders, weil dort 34 private regionale TV- und Radiosender zu einem maßgeblichen Teil aus dem Gebührentopf finanziert werden.
Weil aber Sender in ganz in Europa und vor allem in Deutschland (siehe zuletzt Altpapier von Freitag) mindestens gespannt auf die im Abstimmungskampf geführten Debatten und auch auf das Ergebnis geblickt haben, und weil die Reformideen, die nun aus aktuellem Anlass in der Schweiz ventiliert werden, zumindest in leicht abgewandelter Form auch hier zu Lande von Belang sind, haben wir uns entschieden, neben einem regulären Altpapier (hier nebenan), heute auch eine Spezial-Ausgabe zu No Billag anzubieten.
Die Lautesten sind nicht die Mehrheit
Bevor wir zu den Debatten darüber kommen, wie öffentlich-rechtliche Angebote künftig aussehen sollten - wobei es darin ja meistens nur ums Fernsehen geht, manchmal noch ums Netz (Textlastigkeit, Digger!), aber sehr selten ums Radio -, beschäftigen wir uns zunächst mit der Frage, warum das Ergebnis so überraschend deutlich ausgefallen ist. 71,6 Prozent haben den den No-Billag-Initiativtext abgeschmettert, dessen entscheidender Satz lautete: "Der Bund oder durch ihn beauftragte Dritte dürfen keine Empfangsgebühren erheben." Claudia Blumer schreibt im Tages-Anzeiger:
"Zunächst sah es gut aus für die Initianten, als im Herbst der Abstimmungskampf begann. Sie schienen einen Nerv zu treffen, die SRG-Kritiker waren zahlreich und laut und wurden immer mehr. Umfragen gingen von einem knappen Ja aus, am Schluss von einem deutlichen Nein. Jetzt wurde das Nein noch deutlicher. Das hat auch mit dem starken Engagement der Gegnerschaft zu tun, die sich (…) relativ spät, dafür wirkungsvoll eingeschaltet hat. Man muss aber auch beachten, dass die Meinungsführer das Volk nicht unbedingt repräsentieren. Diejenigen, die sich öffentlich äussern und sich an Umfragen beteiligen, sind eine Minderheit von politisch Aktiven. Möglicherweise ist ein falsches Bild entstanden von der Stimmung in der Bevölkerung."
Dass die Lautesten nicht die Mehrheit sind, ist eine Erkenntnis, die wir, die wir uns recht häufig in Twitterblasen aufhalten, natürlich grundsätzlich nie aus den Augen verlieren sollten. Nina Fargahi, die Chefredakteurin des Journalistengewerkschaftsmagazins Edito, kommentiert den Ausgang der Abstimmung für die Medienwoche:
"Die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind offensichtlich mehrheitlich keine Protestwähler. Und lassen sich von den europaweiten Attacken gegen die Öffentlich-Rechtlichen nicht beeindrucken."
Rainer Stadler meint in einem Kommentar für die NZZ:
"Für den überwiegenden Teil der Stimmbürger waren die libertären Vorstellungen der Initianten zu radikal."
"Libertär" ist ein Begriff, der in Deutschland weitaus weniger verbreitet ist als in der Schweiz (womit wir wieder bei den Unterschieden zwischen den Ländern sind), es handelt sich um eine Art anarchokapitalistische, radikal-neoliberale Strömung. Der ideologische Background der Inititanten spielte in der Debatte erst seit Anfang des Jahres eine Rolle, die aufschlussreichsten Texte dazu erschienen imho im Schweiz-Teil der Zeit und in der WoZ (die den juristischen Berater der No-Billag-Leute unter anderem mit dem Satz "Selbstjustiz ist zu Unrecht negativ behaftet" zitierte).
Ebd. schreibt Kaspar Surber nun über das Abstimmungsergebnis:
"Die No-Billag-Initiative war im Kern ein hochideologisches Projekt. Die jungen rechtslibertären InitiantInnen wählten die SRG nur als Beispiel, um staatlich finanzierte Institutionen grundsätzlich infrage zu stellen. Sie wurden dabei nicht müde, an den Egoismus zu appellieren: Man zahle doch nicht für etwas, was man nicht selbst konsumiere. Das wuchtige Nein ist eine Absage an diesen schnöden Egoismus."
Fun Fact am Rande: der besonders vorlaute Ja-zu-No-Billag-Rufer Roger "Die vollständige Liquidierung der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten ist in einer Gemeinschaft freier Bürgerinnen und Bürger ein dringendes Gebot der Zeit" Köppel, trifft am morgigen Dienstag in Zürich auf Stephen Bannon. Ein Tête-à-Tête, bei dem der Arsch besser auf den Eimer passt, ist nur schwer vorstellbar.
Aus der Sicht der No-Billag-Gegner lässt sich auch sagen: Es hat sich als Vorteil erwiesen, dass die Debatte ungewöhnlich lange gedauert hat. Normalerweise sind in der Schweiz vier Volksentscheidtermine pro Jahr möglich, die letzte Abstimmung findet jeweils im November statt. 2017 gab es aber nur drei Abstimmungstermine - und keinen im November. So kam es, dass sich der Wahlkampf in Sachen No Billag über ein halbes Jahr erstreckte.
Kaspar Surber schreibt weiter:
"Was an Podien und in Leserbriefen, in Presseberichten und auf Facebook stattfand, war eine Art Volksuniversität in Sachen Medien."
"Die Zeit der Gemischtwarenhändler geht zu Ende"
Was ergibt sich aus dem Ergebnis nun für die SRG? Dazu Patrick Feuz, der Chefredakteur von Der Bund (Tamedia)
"Das Beste (…), was die SRG für ihre Zukunft tun kann: Sie muss ihre Stärken schärfen. Je mehr sie auf hochwertige Information über Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft und Sport fokussiert, umso besser lassen sich die Gebühren auch mittelfristig legitimieren. Seichte Unterhaltung unterspült den Anspruch, Service public zu leisten."
Der Sport taucht in Deutschland in solchen Aufzählungen eher nicht auf. Joachim Huber (Tagesspiegel) meint zum Beispiel mit Blick auf ARD und ZDF:
"Ein Krimi, eine Quizshow, eine Fußballübertragung weniger sind kein Verlust."
Huber merkt dann noch an, dass ARD Alpha pro Jahr so viel koste wie "zwei Länderspiele". Zurück zum Kommentar in Der Bund: Nicht-seichte Unterhaltung könnte demnach durchaus Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags sein. Das sieht wohl auch Rainer Stadler so, der im oben bereits zitierten NZZ-Kommentar schreibt:
"Die Zeit der generalversorgenden Gemischtwarenhändler, die sich aus Gebühren finanzieren, geht zu Ende. Die Bereitstellung von eingekauften Serien oder die Produktion reiner Unterhaltungsshows wird obsolet. Diese Programmsegmente kann man dem freien Markt überlassen."
Unterhaltungsshows, die mehr sind als "reine Unterhaltungsshows", das heißt tendenziell nicht-seicht, müssten demnach nicht dem "freien Markt" überlassen werden.
Matthias Daum, Leiter der Schweiz-Redaktion bei der Zeit, rät in seinem Kommentar dazu, mehr in den Blick zu nehmen als nur die SRG:
"Anstatt die nun losgetretene Debatte weiterzuführen, sich also zu fragen, was die SRG leisten soll und was nicht, was Private besser können, und was sich ohne Gebühren nie finanzieren lässt, anstatt zum Beispiel die taumelnde Nachrichtenagentur SDA in das öffentliche Rundfunkhaus zu integrieren, meinen Politikerinnen und Politiker bereits zu wissen, wie der ideale Service public für die Schweiz aussieht: weniger Geld für die SRG, ein paar zusätzliche Batzen für die Privaten. Das aber reicht nicht. Die Schweiz braucht eine zukunftsfähige Medienpolitik. Eine, welche die neuen Spielregeln des digitalen Zeitalters berücksichtigt – und vor allem die Möglichkeiten der neuen Medienordnung sieht. Eine Medienpolitik, die weder den Lobbyinteressen der Verleger, noch jenen der SRG-Kader gehorcht, sondern die Wünsche und Ansprüche der Leserinnen, Hörer, Zuschauerinnen – kurzum, der Bürger vertritt."
Jacqueline Badran, die für die Schweizer Sozialdemokraten im Nationalrat sitzt, argumentiert bei Infosperber ebenfalls, dass es nicht reiche, isoliert über die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen zu diskutierten:
"Die Debatte rund um die No Billag-Abstimmung offenbarte ein eigenartiges Verständnis der Vierten Gewalt. Sie ortete die Medienkrise bei der SRG, die zu reformieren und zu verkleinern sei, anstatt bei den Printmedien, die einen langsamen Tod sterben. Das muss nach der Abstimmung ändern. Statt zu streiten, wie die SRG zerkleinert werden soll, ist eine ernsthafte Debatte darüber zu führen, wie wir die gesamte Vierte Gewalt – eine vielfältige Qualitätsmedienlandschaft – am Leben erhalten können (…) Jetzt, wo die SRG solide finanziert ist, wäre die logische Konsequenz, dass die Verleger eine ebensolche Finanzierung fordern. #UsToo müsste die Forderung heissen. Die Verleger jedoch stemmen sich (noch) gegen eine öffentliche Finanzierung."
"Ein doppeltes Signal nach Europa"
Wir gleiten jetzt also langsam hinüber in den Bereich der etwas allgemeineren politischen Deutungen. Klaus Bonanomi, aufs Thema Medien spezialisierter Wirtschaftsredakteur beim SRF Radio, meint:
"Das sehr klare Nein setzt auch ein Signal an die Politiker in anderen europäischen Staaten, in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk ebenfalls unter Druck gesetzt wird: Der mediale Service public ist unverzichtbar, er ist in der Bevölkerung verankert und darf nicht einfach aufs Spiel gesetzt werden."
Kaspar Surber schreibt in seinem bereits erwähnten WoZ-Kommentar:
"Kaum eine Abstimmung in der Schweiz fand in den letzten Jahren im Ausland eine so hohe Beachtung wie ‚No Billag‘. Rechtspopulistische Parteien wie die AfD in Deutschland oder die FPÖ in Österreich wollen den öffentlichen Rundfunk beschränken. Das No-Billag-Nein sendet deshalb ein doppeltes Signal nach Europa: Rechten Dummheiten kann man Paroli bieten. Und dem öffentlichen Radio und Fernsehen gehört die Zukunft."
Eine weitere linke Stimme:
"Damit sind die Eidgenossen die erste Bevölkerung in Europa, die trotz des Dauerfeuers der politischen Rechten gegen ‚Zwangsgebühren‘ klarstellen: Bei aller berechtigter Kritik im Detail, ob nun diese Schlagersendung oder jenes Sportevent besser bei den Privaten besser aufgehoben wäre, wollen wir ein Mediensystem, das eben nicht allein einer gewinnorientierten Logik unterworfen ist."
Das schreibt Robert Meyer (Neues Deutschland). Die in den drei letzten bzw. zumindest den beiden letzten Zitaten zum Ausdruck kommende Aufbruchstimmung sehe ich eher skeptisch, zumal sich die No-Billag-Sympathisanten in Deutschland und Österreich für so altertümliche Kategorien wie Fakten (71,6 Prozent) ja eher nicht interessieren.
"Seltsames Demokratieverständnis"
Mindestens ebenso befremdlich wie die euphorischen Reaktionen sind allerdings die Relativierungen des Abstimmungsergebnisses. Die Überschrift des ganz oben schon erwähnten SZ-Textes lautet online - anders als in der Print-Fassung, wo "Über Gebühren" drüber steht - "Zweite Chance für die Öffentlich-Rechtlichen in der Schweiz". Wenn ein Politiker oder eine Partei mit 71,6 Prozent wiedergewählt wird, schreibt danach vermutlich niemand, man habe ihm eine "zweite Chance" gegeben - auch wenn unter den jeweiligen Anhängern vermutlich nicht wenige sind, die meinen, die Gewählten könnten künftig einiges anderes machen als bisher.
Matthias Zehnder hat in seinem Blog einige Schweizer "Ja, aber …"-Reaktionen gesammelt, die sich entweder mit einer Wahrnehmungsstörung erklären lassen oder vielleicht auch damit, dass einige Journalisten ihre Kommentare in der Erwartung eines eher knappen Neins zu No Billag vorformuliert hatten und es dann versäumten, sie an der einen oder andere Stelle dem Ergebnis anzupassen. Zehnder zitiert etwa Peter Wanner, den Verwaltungsratspräsidenten der AZ Medien AG (Aargauer Zeitung), der sagt,
"viele Leute empfänden die SRG zu gross, zu mächtig und zu dominant. Es sei zu hoffen, dass die Privaten mehr Anteil an den Gebühren erhalten und dass mehr Wettbewerb stattfinde. Es müsse nicht alles bei der SRG sein. Sagt Peter Wanner, nachdem das Stimmvolk mit über 70 Prozent Nein-Stimmen der SRG das Vertrauen ausgesprochen hat. Seltsames Demokratieverständnis".
Ankündigungen der SRG, was sie selbst zu ändern gedenkt, gibt es bereits. So will sie ihre TV-Archivinhalte "künftig privaten Journalisten zur Verfügung (stellen). Es handle sich um einen ‚Wendepunkt in der Geschichte‘ des Rundfunks, hieß es von den Sendern" (noch einmal die SZ-Korrespondentin Theile). Hinzu kommt, dass es keine Werbeunterbrechung bei Spielfilmen mehr geben soll (die Zuschauer deutscher Programme nur aus dem Privat-TV kennen). Siehe dazu auch eine Pressemitteilungs-Zusammenfassung bei Radioszene und ein Artikel über "die fünf Versprechen der SRG" in der Boulevardzeitung Blick.
Was lassen sich nun für Schlüsse ziehen für die weitere Diskussion in Deutschland? Vorher machen wir aber kurz noch einen Schritt zurück, also in die Schweiz bzw. zum zweiten Teil einer fünfteiligen Serie, die die Republik anlässlich der No-Billag-Abstimmung veröffentlicht hat. Da heißt es unter anderem:
"Der aktuelle Kampf der Verlage gegen die SRG ist nicht ohne Kenntnis über die lange Tradition der Verleger als staatlich privilegierte Unternehmer zu verstehen. Kaum ist 1848 die Pressefreiheit in der ersten Bundesverfassung verankert, setzen die Verleger die indirekte Presseförderung mittels reduzierter Posttarife durch – und verursachen damit bei der noch jungen Schweizerischen Post Millionendefizite."
Dies sei hier deshalb zitiert, weil medienhistorische Kenntnisse bei der Beurteilung des "aktuellen Kampfs der Verlage" gegen die Öffentlich-Rechtlichen hier zu Lande manchmal zweckdienlich sein können. Weckt etwa die "seltsame Obsession" der Bild-Zeitung für den Kinderkanal - "Seit Jahresanfang sind bereits elf Beiträge erschienen, die dem Kika unpassende Berichterstattung vorwerfen" (meedia.de neulich); siehe auch sehr viele Altpapiere - nicht Erinnerungen an die sehr kämpferische Anti-ARD/ZDF-Propaganda der Zeitung in den 1960er Jahren? Exkurs Ende.
Anlässlich der Abstimmung in der Schweiz sind hier zu Lande zwei repräsentative Umfragen in Auftrag gegeben worden, die am Wochenende zirkulierten: Laut der einen (Auftraggeber: Funke) sind nur 55 Prozent des Bundesbürger gegen eine Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (epd/dpa/FAZ, dpa/Spiegel Online), laut der anderen (Auftraggeber: WDR) halten ihn allerdings 83 Prozent für "nicht verzichtbar" (meedia.de, WDR-Pressemitteilung). Sollte die Wahrheit in der Mitte liegen - bei 69 Prozent - käme man dem aktuellen Schweizer Abstimmungsergebnis ja schon recht nahe.
Stimmen aus Deutschland (von Sendermanagern und Medienpolitikern) hat der Tagesspiegel zusammengestellt. Und Claudia Tieschky kommentiert auf der SZ-Meinungsseite:
"Es wäre unverantwortlich dumm, wenn der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk sich nach dem Schweizer Ergebnis schön sicher fühlen würde."
Denn:
"Einige Bundesländer wollen jede Beitragserhöhung blockieren (…) Das Nein einiger Länder würde das Finanzierungssystem sprengen, es wäre gewissermaßen die deutsche Variante von No Billag."
Zur generellen Lage schreibt sie:
"Verwunderlich ist die Krise der Öffentlich-Rechtlichen nicht. Der gemeinschaftlich finanzierte Rundfunk entstand nach dem Zweiten Weltkrieg als Garant für Demokratie. Seither wurde er nicht mehr infrage gestellt. Doch die Medienwelt hat sich in den letzten Jahrzehnten völlig verändert: durch das Privatfernsehen und dann durch das Internet, in dem von überallher auf der Welt alles zu bekommen ist, was man so will und braucht, auch gutes Fernsehen."
Das ist zwar nicht falsch, aber zu kurz gedacht. Die wesentliche Änderung, mit der sich die Öffentlich-Rechtlichen heute konfrontiert sehen, ist, dass die Demokratie "nach dem Zweiten Weltkrieg" noch nie so stark gefährdet ist wie jetzt und die Antidemokraten konsequenterweise den "Garant für Demokratie" als Abschaffungsobjekt auserkoren haben.
Markus Heidmeier schreibt bei Zeit Online aus aktuellem Anlass:
"Öffentlich-rechtliche Medien sind für unsere Demokratie systemrelevant, sie müssten nur strukturell und angebotsseitig ganz anders aussehen. Dass Veränderungen hier so schwerfällig vonstattengehen, ist das größte Problem der zukunftsträchtigen Neuausrichtung."
Auch das ist natürlich richtig, aber erstens sind jene, die die Angebote machen, nur zu einem, wenn auch nicht kleinzuredenden Teil für diese "Schwerfälligkeit" verantwortlich, und zweitens ist die Crux ja gerade, dass die "Schwerfälligkeit" sich in Zeiten akuter Bedrohung auch als Stärke erweisen kann. Gewiss: Selbst wenn sich noch in dieser Woche ARD und ZDF in einem Anflug von überfallartiger Spontaneität dazu entschließen sollten, One und ZDFneo zu fusionieren (um mal eine recht beliebte, keineswegs unplausible Forderung aufzugreifen) und sämtliche Anstaltsgremien dies in außerordentlichen Sitzungen noch vor Ostern abnicken, kann es einige Jahre dauern, bis der Prozess vollzogen ist, weil sämtliche Länderparlamente der Schaffung oder Abschaffung solcher Nischenkanäle zustimmen müssen. Bei ZDFkultur dauerte der Sterbeprozess letztlich rund dreieinhalb Jahre.
Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eben auch deshalb so kompliziert oder bzw. auf Schwerfälligkeit getrimmt strukturiert worden, damit er nicht infolge kurzfristiger politischer Entwicklungen in Gefahr gerät. Inwiefern er schwarz-braune Contra-Rundfunkstaatsvertragsänderungs-Abstimmungsbündnisse in diesem oder jenem Landtag (auf die Tieschky sich, wenn auch nicht in diesen Worten, bezieht) gut übersteht - das ist, wertfrei gesagt, natürlich dennoch eine interessante Frage.