Teasergrafik Altpapier vom 3. September 2021: Porträt Autor Ralf Heimann
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Das Altpapier am 3. September 2021 Die Karambolage am Morgen

03. September 2021, 12:22 Uhr

RTL Aktuell wollte einen Unfall verhindern und hat damit einen weiteren verursacht. Die WDR-Wissenschaftsredaktion steht in der Kritik. Und in Afghanistan stellen sich weiter die Fragen: Was kann man den Taliban glauben? Und welche Risiken können Medien eingehen? Ein Altpapier von Ralf Heimann.

Unfall verhindert Unfall

Es ist wieder mal etwas schief gegangen, diesmal bei RTL Aktuell, und das hätte fast eine kuriose folge gehabt, wie Aurelie von Blazekovic auf der SZ-Medienseite erklärt: "Um ein Haar wäre der Kanal der Nachrichtensendung RTL Aktuell einen Tag von der CDU-Pressestelle gesteuert worden", schreibt sie. Der Sender hatte den beiden Betreiberinnen des Instagram-Kanals @insta.politik, Janina Klose und Lara Urbaniak, zu einem sogenannten Takeover eingeladen. Sie hätten einen Tag lang die Inhalte liefern sollen. Das hatten sie auf ihrem eigenen Kanal bereits angekündigt. Allerdings war den Menschen, die den Auftrag gaben, offenbar nicht klar, dass beide im Hauptberuf für die CDU arbeiten – oder man hielt es für nicht so wichtig. 

Die Chefredaktion sei wohl erst durch die Empörung auf Twitter auf die Sache aufmerksam geworden, schreibt von Blazekovic. Der Sender zog in letzter Minute die Reißleine. Die Chefetage verhinderte dadurch einen Unfall, verursachte aber gleichzeitig eine Karambolage. Die Schuld schob RTL Aktuell auf die ausführende Einheit. Es handle sich um einen Fehler im Social-Media-Team, hieß es. "Es gibt grundsätzlich keine Übernahme unserer journalistischen Kanäle!", so steht es in einem Tweet, sogar mit Rufzeichen. Doch wenn das so wäre, würde das bedeuten: Die Chefredaktion hat in den vergangenen Wochen nicht viel davon mitbekommen, was das Social-Media-Team so treibt. Daniel Bröckerhoff schreibt bei Twitter

"Aha. Ich hatte am 10.8.21 eine Anfrage per DM vom Instagram-Account 'RTL Aktuell', ob ich im September für einen Tag ihren Kanal übernehmen möchte. Das scheint ja ein länger geplanter Fehler in der Social Media-Redaktion zu sein."

Es ist in jedem Fall unglücklich, die Schuld auf dem eigenen Team abzuladen, statt sich schützend davor zu stellen. Das ist unsouverän, es ist schlechter Stil, und es mag intern von Bedeutung sein, aber von außen spielt es keine Rolle. Die Verantwortung liegt bei der Chefredaktion. Der Medienjournalist Andrej Reisin kommentiert bei Twitter süffisant: 

"Wir alle, die haupt- oder nebenberuflich journalistische Social-Media-Kanäle managen, lieben (…) es immer sehr, wenn Medienhäuser im Zweifel die Verantwortung auf 'das Social Team' abschieben. Augenauf bei Arbeit-/Auftraggeber-Wahl."

Janina Klose und Lara Urbaniak haben gestern angekündigt, die Inhalte, die sie bei RTL Aktuell gezeigt hätten, auf ihrem eigenen Kanal zu veröffentlichen. Damit haben sie nun begonnen, und wenn es erste Posting einen richtigen Eindruck von ihren Plänen vermittelt, hätte man den Beiträgen nicht angemerkt, dass sie von der CDU kommen. Allerdings bekommt man in den Kommentaren schon einen Eindruck davon, was RTL Aktuell sich mit dem Takeover eingehandelt hätte. Der Ton in den Kommentaren ist recht rau. 

Darf die FDP nicht gewinnen?

Die WDR-Wissenschaftsredaktion hat sich mit einem Beitrag über die Klimapläne der Parteien keine Freunde bei denen gemacht, die ohnehin schon keine Freunde waren. Die Redaktion hat die Parteiprogramme mit Blick auf die Klimaziele verglichen und am Ende ein Ranking erstellt. Auf Platz eins landete überraschenderweise die FDP. Das ließ man aber im Ergebnis so nicht stehen. Die Redaktion korrigierte die Reihenfolge, denn der von der FDP vorgeschlagene CO2-Preis für alles sei die einzige Maßnahme im Programm. Und: 

"Wir bezweifeln, dass sie (die FDP, Anm. Altpapier) das auch so tun würde, denn auch die FDP will wahrscheinlich nicht, dass Deutschland ein Stromversorgungsproblem bekommt. Damit bewegt sich die FDP wohl eigentlich eher auf dem vorletzten Platz." 

Ulf Poschardt ist schon wieder auf Hundertachtzig. Wie das wohl weitergeht, wenn nach der Wahl das Tempolimit kommen sollte. 

Bei Twitter schreibt Poschardt: 

"der ÖRR ist in dieser form nicht mehr tragbar. die klügeren kolleg:innen dort wissen oder ahnen das. es wird grotesk."

Dabei erklärt die Welt das Ganze in dem Beitrag, den Poschardt verlinkt, eigentlich ganz nüchtern. Auch der WDR kommt darin zu Wort, mit dem in etwa gleichen Statement, das die Redaktion auch bei Twitter veröffentlicht hat. Dort schreibt sie: 

"Ja, unser Fazit am Ende wirkt wie die persönliche Einschätzung unserer Presenter:innen – basiert aber auf Studien und der Einschätzung von Expert:innen. Dass wir das nicht eindeutig genug kenntlich gemacht haben, bedauern wir sehr."

Andrej Reisin kritisiert bei Twitter, dass offenbar niemand in der Redaktion auf die Idee gekommen ist, dass der unter Linksgrün-Verdacht stehende öffentlich-rechtliche Rundfunk Kritik abbekommen könnte, wenn er das Ranking am Ende so zurechtrückt, wie es die Reichelts und Poschardts des Landes erwarten würden. Reisin schreibt: 

"Mich überraschen daran weder Machart noch Ergebnis, sondern die völlig fehlende Antizipation, was das an medienpolitischer Debatte lostritt. Auch bei Corona-Prognosen lag der cocksure Wissenschaftsjournalismus von @quarkswdr tw komplett daneben – ohne erkennbare Reflektion."

Die Frage, warum die Redaktion nicht kenntlich gemacht hat, dass es sich hier um ihre eigene Einschätzung handelt, sondern um die von Fachleuten, würde sich allerdings auch dann stellen, wenn niemand den Ausgang des Ergebnisses kritisiert hätte. 

Frauen verschwinden aus der Medienlandschaft

Seit ihrer Machtübernahme Mitte August versuchen die Taliban, glaubhaft zu machen, dass man vor ihnen keine Angst mehr haben müsse. Sie wollten keine  Rache nehmen, das haben sie beteuert. Sie respektierten die Pressefreiheit, auch Frauen könnten weiter ihren Berufen nachgehen. So war es zu hören. Doch die Frage ist weiterhin, welche Motive hinter den Ankündigungen stehen, und wie viel man davon glauben kann (Altpapier)

Michael Borgers hat für das Deutschlandfunk-Medienmagazin @mediasres mit Anne Renzenbrink von Reporter ohne Grenzen darüber gesprochen, und zwar speziell über die Situation der Frauen. Renzenbrink sagt: "In der Hauptstadt verschwinden Journalistinnen aus der Medienlandschaft."

Von den 510 Frauen in Kabul, die vor der Machtübernahme für die acht großen Medienunternehmen gearbeitet hätten, seien nur noch 76 übrig, 39 von ihnen seien journalistisch tätig. So eine Entwicklung sei auch auf dem Land zu beobachten. In den Provinzen Kabul, Herat und Balkh könnten ebenfalls viele Frauen nicht mehr ihrem Beruf nachgehen. Die Medienlandschaft sei vorher sehr lebendig gewesen. Das habe sich geändert. Besonders betroffen sei etwa der Sender Zan TV (Frau TV). Es seien auch Frauen bei ihrer journalistischen Arbeit angegriffen worden. 

"Die Taliban haben behauptet, dass sie die Pressefreiheit respektieren, aber wir können ihnen das einfach nicht glauben", sagt Anne Renzenbrink. Es sei zu befürchten, dass es weitere Folgen für die Menschen vor Ort haben werde, wenn die Aufmerksamkeit nachlasse. 

Prominente Journalistin ist geflüchtet

In die gleiche Richtung geht das, was Michael Hanfeld auf der FAZ-Medienseite schreibt (€). Die Journalistin Beheshta Arghand, die Mitte August das Interview mit dem Taliban-Führer führte, das später um die Welt ging, ist inzwischen aus dem Land geflohen. Und während mit diesem Interview in der Öffentlichkeit das Bild entstand, Interviews mit Frauen seien für die neuen Taliban kein Problem mehr, ergab sich hinter den Kulissen offenbar ein anderer Eindruck. Beheshta Arghand sagt laut Hanfeld, sie habe zum Zeitpunkt des Interviews gerade seit einen Monat und 20 Tage bei dem Sender gearbeitet. Als die Taliban kamen, sei sie schockiert gewesen. An einen Sinneswandel glaube sie nicht. 

Hanfeld nennt die gleichen Zahlen, auf die auch Anne Renzenbrink sich bezieht. Als Quelle gibt er das Zentrum für den Schutz afghanischer Journalistinnen (CPAWJ) an. Und Hanfeld nennt noch eine weitere Zahl. Beim staatlichen Sender Radion Television Afghanistan (RTA) seien Frauen angewiesen worden, "ein paar Tage zu Hause zu bleiben". Vor der Machtübernahme der Taliban hätten 140 Frauen für den Sender gearbeitet. Keine von ihnen traue sich mehr dorthin.

Fürsorge nur für die eigenen Leute?

Dass Frauen weiterhin arbeiten können, war ein Versprechen der Taliban, aber da waren ja auch noch die anderen, unter anderem eben die Ankündigung, dass niemand sich Sorgen um sein Leben machen müsse. Das glaubt aber anscheinend zu gut wie niemand.

Journalistinnen oder Journalisten der öffentlich rechtlichen Sender sind laut NDR weiterhin nicht vor Ort. Das dokumentiert Daniel Bouhs in einem Tweet. "Bild"-Vizechef Paul Ronzheimer schreibt dazu ebenfalls bei Twitter, er kenne Reporterinnen und Reporter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die unbedingt nach Afghanistan wollten, aber nicht gelassen worden seien. "Es liegt also nicht an den Journalisten", schreibt er. 

Um die Frage, warum die Sender ihre Leute nicht ins Land lassen, geht es unter anderem in einer halbstündigen Sonderausgabe des NDR-Medienmagazins "Zapp" (ab 9.40 min), die in der Nacht zu Freitag erschienen ist. Adrian Feuerbacher, NDR-Hörfunkchefredakteur, bestätigt hier ebenfalls, dass seine Korrespondentinnen und Korrespondeten nach Afghanistan wollten, aber gegenwärtig niemand vor Ort sei. Die Reporterinnen und Reporter hielten sich zurzeit in Delhi auf. "Ich will, dass wir sobald wieder aus Afghanistan berichten können, aber ich will auch, dass sie heil zurückkommen", sagt Feuerbacher. Aber es stelle sich auch die Frage, ob es Exit-Lösungen gebe, also Wege, die Menschen wieder aus dem Land zu holen. Und da seien noch nicht alle Voraussetzungen erfüllt.

Volkmar Kabisch aus dem Ressort Investigation des Norddeutschen Rundfunks sagt, er könne die Sorge verstehen, aber es sei trotzdem traurig, dass die ARD gerade nicht im Land sei. Vor allem jetzt sei es wichtig, zu berichten und zu überprüfen, wie viel von den Ankündigungen der Taliban wirklich wahr sei. "Jetzt ist der Moment, wo man da sein sollte", sagt Kabisch.

Zeit-Reporter Wolfgang Bauer, der aus Doha ins Studio zugeschaltet ist, hat versucht, ins Land zu kommen, ist aber am Flughafen gescheitert, nachdem ihm von einem deutschen Diplomaten zugesichert worden sei, dass er den Flughafen in Richtung Kabul verlassen dürfe, so erzählt er. Das alles verlief offenbar nicht harmonisch. Die Bundeswehr behauptet, zwischen den deutschen Reportern und den Soldaten habe es keinen Kontakt gegeben. Bauer sagt dazu: "Das ist einfach falsch." Im Behördenspiegel, einer Zeitung für den öffentlichen Dienst in Deutschland, steht, wie Moderatorin Anne Leiterer zitiert, das Verhalten der deutschen Reporter am Flughafen habe dazu geführt, dass man deutsche Staatsbürger nicht habe evakuieren können. Das weist Wolfgang Bauer zurück. "Das ist ein völlig absurder Vorwurf, der auf die Behörden selber zurückfällt", sagt er. Man habe in keinster Weise Ressourcen der deutschen Evakuierungsmaschine blockiert. Wie die Bürokratie dann über ihre eigene Beine gestolpert sei, das könne er nicht beurteilen. 

Der Ton der Übertragung ist schlecht und brüchig. Es ist nicht alles von dem zu verstehen, was Bauer sagt. Aber es wird deutlich, dass seine Einschätzung der Lage anders ausfällt als die von Feuerbacher. "Im Moment gehen fast alle internationalen Sendeanstalten über die Grenze", sagt Bauer. 

Adrian Feuerbacher greift das auf und merkt an, dass "alleine vor Ort sein ja nicht zwangsläufig eine tiefgründige, akkurate Berichterstattung bedeutet, sondern dazu bedarf es Wissen, Erfahrung, Kontakt, Verbindungen, Informationen, Quellen". Und all das hätten die Kolleginnen und Kollegen, die vom Studio Delhi aus berichten. Eine Korrespondentin, Silke Dietrich, sei noch vor wenigen Wochen in Afghanistan gewesen, in Masar-e Scharif, auch als die Bundeswehr dort schon abgezogen sei. Doch da seien einige Voraussetzungen noch erfüllt gewesen, die er gegenwärtig nicht erfüllt sehe. Welche Voraussetzungen das neben der Bedingung sind, dass es im Notfall auch einen Weg aus dem Land heraus geben muss, sagt Feuerbacher an dieser Stelle nicht. 

Volkmar Kabisch kritisiert an der gegenwärtigen Situation, dass die ARD zwar kein eigenes Personal ins Land lässt, aber auf deutsche Korrespondenten zurückgreift, die frei arbeiten und sich im Land befinden. Er finde das "nicht konsequent", sagte er, denn wenn man die Eindrücke und Informationen dieser Menschen vor Ort nutze, dann haben wir nicht "die gleiche Fürsorge wie für unsere eigenen Leute". Und eben damit begründet Feuerbacher seine Entscheidung. "Ich habe eine große Verantwortung für die Korrespondentinnen und Korrespondenten, und die nehme ich wahr", sagt er kurz zuvor in dem Gespräch. Kabisch wendet ein, durch den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender und die Bezahlung entstehe eben auch eine Abhängigkeit – und damit, das ist jetzt meine Ergänzung, eine Verantwortung.

"Er macht sich selber zum Ereignis"

"Bild"-Reporter Paul Ronzheimer ist über die afghanische Grenze ins Land gekommen, nachdem es vorher über den Flughafen nicht geklappt hatte. Im Bild-Fernsehstudio klingt das natürlich noch etwas besser: "Paul Ronzheimer ist jetzt in der Taliban-Hölle angekommen", heißt es dort.

Ronzheimer hat die einzelnen Stationen seiner fast 30-stündigen Reise live via Social Media dokumentiert. Annette Leiterer fragt Wolfgang Bauer in der "Zapp"-Sondersendung, was davon zu halten sei. Bauer sagt: "Er macht sich halt selber zum Ereignis, aber aus Sicherheitsgründen hätte ich davon abgeraten, dass er quasi in Echtzeit seine Zugangswege in die Welt hinausposaunt."

Andere Menschen bringe Ronzheimer dadurch zwar nicht in Gefahr, sagt Bauer, aber doch sich selber. In so einer Situation schnell in ein Gebiet zu fahren, das sehr dynamisch sei, in dem die Machtverhältnisse noch nicht ganz klar seien, das sei "die gefährlichste Lage, in die man sich überhaupt begeben kann". Und wenn man sich die Geschichte der Reporterinnen oder Reporter anschaue, die bei der Arbeit verletzt oder getötet wurden, dann seien das eben oft genau solche Situationen gewesen. 

Die gute Miene der Taliban

Am Donnerstagabend äußerte Paul Ronzheimer sich selbst in einer Diskussion bei Twitter Spaces (leider nicht nachhörbar), also dem Clubhouse-Klon von Twitter. Angezettelt hatte das Gespräch Martin Kaul vom WDR. Unter anderem mit dabei war auch Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen. 

Ronzheimer beschrieb dort die Details der Reise auf dem Landweg  ("natürlich wurden wir ab und zu mal angehalten"). Er sei aber doch recht freundlich behandelt worden. "Ich muss sagen, ich hatte bislang keinerlei Probleme", sagte Ronzheimer. Er habe auch keinen aggressive Stimmung der Taliban erlebt. Er habe das Gefühl, dass die "Message Control" der Taliban sehr gut funktioniere", sagte Ronzheimer. Das Mantra aus den Pressekonferenzen, dass niemand Angst haben müsse, werde von allen Taliban "mantramäßig wiederholt", die an den Checkpoints stehen, "also die haben das denen richtig eingebläut". 

Gleichzeitig berichtete Ronzheimer von Gesprächen mit Menschen vor Ort, die sagten: "Wir glauben nicht an diese Worte" – die Angst hätten. Man habe ein bisschen das Gefühl, es herrsche eine "Ruhe vor dem Sturm", dass also die Taliban, wie auch Anne Renzenbrink von Reporter ohne Grenzen es beschrieb, dass die großen Veränderungen erst nach und nach kommen, möglicherweise sehr viel später. Die Frage wäre, wie die Situation sich dann für die ausländischen Reporterinnen und Reporter verändert. 

Im Moment habe er das Gefühl, dass die Taliban Interesse an einer Berichterstattung hätten, sagte Ronzheimer – dass sie den ausländischen Medien nicht feindlich gegenüberstehen. Aber in der Bevölkerung ergebe sich ein anderes Bild. Er habe nun schon drei Mal beobachtet, dass die Taliban Menschen in der Öffentlichkeit verprügelt hätten. Er habe das Gefühl, dass sie gegenüber den Medien im Moment "gute Miene machen" wollten. Und er habe auch weniger Frauen auf den Straßen gesehen, allerdings doch viele, die nicht vollständig verschleiert gewesen seien. Da hätten die Taliban wohl noch nicht hart durchgegriffen. 

Christian Mihr sprach von der "größten Rettungsaktion in unserer Organisationsgeschichte". So viele Anfragen wie jetzt habe es noch nie vorher gegeben. An den Spitzentagen seien es insgesamt 2.000 gewesen. Die Zahl der Menschen, die man aus dem Land habe bringen können, sei allerdings relativ gering, das seien bislang nur etwa knapp 20 Menschen gewesen. 

Ein großes Problem in diesen Fällen sei, herauszufinden, ob die Menschen, die um Hilfe bitten, als politisch bedroht anerkannt seien. Wen das Auswärtige Amt als schutz- und damit hilfebedürftig akzeptiert, das hängt laut Mihr von dieser Beurteilung ab. Im Weg stünden dabei die "Spielchen" zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Auswärtigem Amt. Vor allem das Ministerium von Heiko Maas sei seinem Eindruck nach in denen vergangenen Wochen überfordert gewesen. Dabei sei alles sehr dringend. "Wir bekommen Hilferufe von Menschen, die wirklich um ihr Leben fürchten", sagte Mihr. Nun bleibe nur noch wenig Zeit. In der nächsten Woche sei im Bundestag noch eine Sitzungswoche, dann sei eine politische Diskussion möglich. Danach schließe sich das Zeitfenster, in drei Wochen sei Bundestagswahl. 

Und damit zum…


Altpapierkorb (Wahl-o-Mat, Mensch draußen im Lande, Intendantenwahl, Podcast zu Desinformation)

+++ Etwa drei Wochen vor der Bundestagswahl ist der Wahl-o-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung nun endlich verfügbar, in etwas überarbeiteter Form. Man kann seine Urteile inzwischen auch in Abstufungen vornehmen. Das macht das Ergebnis etwas genauer. Stefan Fries hat sich die Online-Entscheidungshilfe für das Deutschlandfunk-Medienmagazin @mediasres angesehen. Und er nennt auch die vielen Alternativen, die es inzwischen gibt. 

+++ Nils Minkmar schreibt für Übermedien (€) über ein Wesen, das viele Parteien im Wahlkampf für sich entdeckt haben: den "Menschen draußen im Lande". Minkmar: "Die Transformation der Wählerinnen und Wähler, Bürgerinnen und Bürger zu 'den Menschen' geht einher mit einem veränderten Rollenverständnis der gewählten Amts- und Mandatsträger: Sie vertreten nach diesem Verständnis nicht mehr spezifische Interessen oder fechten Kämpfe aus, sondern sind für totale Humanität zuständig. Die 'Menschen' haben keine gegensätzlichen Interessen mehr, die man ausgleichen müsste, für die man Kompromisse suchen sollte, sondern sind existentiell verloren und bedürfen der Politik, um klar zu kommen."

+++ Weil die Gewerkschaft der Lokführer streikt, muss Deutschlandradion-Intendant Stefan Raue noch einige Wochen auf seine Vertragsverlängerung warten. Das Deutschlandradio die Intendantenwahl auf Dezember, meldet die dpa, hier zu lesen bei der Süddeutschen. Der Grund ist: Bei der Wahl gilt Präsenzpflicht. Falls  es im Dezember wieder aus einem anderen Grund scheitern sollte, ist es auch nicht so schlimm. Raues Vertrag läuft noch ein knappes Jahr.

+++ Nach dem Sommerhit "Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?" hat das Team um Khesrau Behroz einen neuen Podcast veröffentlicht, diesmal ohne öffentlich-rechtliche Unterstützung. Der Podcast heißt "Noise", es geht um Fake News und Desinformation. Das Thema der ersten Episode ist Bild-TV. Stefan Fischer schreibt auf der SZ-Medienseite: "Noise nimmt Bild-TV ernst, mit Verweis auf die zersetzende Kraft des US-Senders Fox News. Ohne selbst alarmistisch zu sein, weder inhaltlich noch im Tonfall. Auch Noise kann, wenn die weiteren Episoden das Niveau der Pilotfolge halten, wie Cui Bono zur medialen Aufklärung beitragen. Auch wenn der neue Podcast weniger außergewöhnlich ist."

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. 

Neues Altpapier gibt es am Montag. 

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