Das Altpapier am 28. Mai 2020 Bye-bye Deutungshoheit
Hauptinhalt
28. Mai 2020, 12:11 Uhr
Stefan Niggemeier glaubt, dass die Kampagnenmacht der Bild-Zeitung schwindet. SWR-Intendant Kai Gniffke glaubt, das "Opfernarrativ“ von AfD und Co. "zerstören“ zu können. "Sportschau“-Moderatorin Jessy Wellmer glaubt, dass sie ihre Zuschauer nicht ernst nehmen muss. Ein Altpapier von René Martens.
Inhalt des Artikels:
- Julian Reichelts verbissener Trotz
- Gniffke und sein Feierabendbier
- Der NDR "schneidet sich ins eigene Fleisch“
- Jessy Wellmers Leckerli
- Angst in Göttingen und Braunschweig
- Altpapierkorb (Beim Lisa-Fitz-Sender SWR ist der "Lackschrank“ offen; niedersächsische Statistiken zur "Clan-Kriminalität“ sind dubios; das Bedürfnis nach Berichten über "linke Meinungsdiktatur“ ist groß; Hinz & Kunzt druckt wieder; 112 australische Zeitungen drucken nie wieder)
Julian Reichelts verbissener Trotz
Ist "die versuchte Vernichtung“ Christian Drostens (um Michael Hanfeld zu zitieren), "nach hinten losgegangen“, wie Sascha Lobo in seiner Spiegel-Kolumne schreibt? Das ist eine der zentralen Fragen im Medienkritiker-Milieu derzeit (siehe auch Altpapier von Dienstag). Lobo meint:
"Man muss feststellen, dass Julian Reichelt die sicher geglaubte Deutungshoheit der 'Bild‘-Zeitung über das politische und gesellschaftliche Geschehen in Deutschland entgleitet, vielleicht längst entglitten ist. Wenn ein Chefredakteur derart strategielos in sozialen Medien agiert und vor allem unsouverän reagiert, ist das ein Warnsignal der Schwäche (…) Viel wurstiger, fahriger und unsouveräner kann man eine Person des öffentlichen Lebens kaum angreifen, und der verbissene Trotz von Reichelt und seinen Like-Boys hat den Eindruck eines öffentlichen Großfehlschlags noch verstärkt.“
Worauf sich auch Stefan Niggemeier bezieht:
"Wenn man einige besonders wild um sich schlagende 'Bild’-Redakteure liest, könnte man (…) zu dem Schluss kommen, dass sie es sind, die gerade furchtbar untergehen“,
schreibt er bei Übermedien (€). Sein Fazit:
"Wenn sich bewahrheitet, was sich gerade abzeichnet, nämlich dass die Kampagnenmacht von 'Bild‘“ schwindet, dann ist das nicht nur eine Niederlage für 'Bild‘, sondern ein Gewinn für uns alle."
Ich bin da nicht so optimistisch. Bei den "meisten Multiplikatoren, Journalisten sowie (in) der Politik“, also in dem "Resonanzraum, in dem auch 'Bild’ stattfinden muss, um noch einigermaßen wirksam sein zu können“ (um nun wieder Lobo zu zitieren), wird man die Drosten-Sache möglicherweise als Niederlage für Reichelt und seine Wackeldackel betrachten. Der ganz normale Propagandamärchenfan sieht’s aber vermutlich anders.
Eine Frage, die Schriftsteller und Satiriker Benjamin Weissinger in einem Facebok-Post aufwirft, scheint mir noch wichtig zu sein. Haben wir es im aktuellen Fall mit der "Grenzüberschreitung“ zu tun? Unterscheiden sich die Angriffe auf Drosten von anderen Vernichtungsversuchen?
"Dass Reichelt und einige ihm hörige, ganz seltsame Redakteure jetzt (…) ziemlich ordentlich eingeschenkt bekommen, hängt, glaube ich, vor allem damit zusammen, dass hier kein Ausländer (ich muss immer wieder an den jüngsten Fall Jatta denken, in dem die BILD eigentlich noch viel heftiger durchdrehte als jetzt, und das ist sicher nur eines von vielen Beispielen), ein missliebiger Promi, irgendein Linker, eine Frau oder oder oder zu den Angegriffenen gehört, sondern ein durch und durch integrer, gut protegierter weißer Mann und Wissenschaftler.“
Von der Reichelt-vs-Drosten-Sache vermutlich eher unbeeindruckt: Georg Diez. Jedenfalls lässt sich seine aktuelle Kolumne für die taz so deuten. Er schreibt:
"Das reduktionistische Weltbild eines The-Winner-takes-it-all-Kapitalismus hat viel zu lange das Denken und Handeln geprägt (…) Diese Krise sollte dazu führen, dass wir den weiteren Horizont unserer Handlungen begreifen. Die Zusammenhänge sind klar, sie sollten auch medial konstant und vor allem konstruktiv benannt und diskutiert werden.“
Was aber nicht passiere, so Diez, weil "diese Krise“ eben "auch eine Medienkrise“ sei. Im Detail kritisiert er:
"(T)atsächlich geht es nicht darum, ob ein Ministerpräsident nun dies tut oder das oder ob ein Virologe recht hat oder nicht. Sich darauf zu fokussieren, ist eben genau die Reduktion auf ein gedankliches Minimum, die die Diskussion über die notwendigen Veränderungen verhindert. In vielem scheinen diese Art von medial aufgebauschten Geschichten genau dieses Ziel zu verfolgen – zu verhindern, dass die Menschen nachdenken und Dinge anders machen könnten.“
Während Diez also einen Klein-Klein-Journalismus kritisiert, der das große Ganze nicht sehen will, benennt Gustav Seibt im SZ-Feuilleton (€) begriffliche Unschärfen in der Berichterstattung:
"Die Übertragung des politischen Meinungsbegriffs auf die Wissenschaft (verfehlt) den entscheidenden Unterschied. Was wir landläufig 'Meinungen‘ nennen, sind gesellschaftliche Standorte, Sichtweisen, die mit Erfahrungen und Interessen, mit kulturellen oder religiösen Vorentscheidungen verbunden sind. Über sie kann man tatsächlich verhandeln und sogar abstimmen (…) Wenn jetzt gesagt wird, die Lockerer der Corona-Maßnahmen seien 'rechts‘, die Strengen aber 'links‘, dann mag das unterschiedliche mögliche Folgerungen aus wissenschaftlichen Expertisen beschreiben - mit der innerwissenschaftlichen Meinungsbildung allerdings sollte es nichts zu tun haben. Denn wissenschaftliche Kontroversen verlaufen nach strengen Regeln in eingeübten Prozeduren, die auf maximale Nachprüfbarkeit, also systematisierten Zweifel abgestellt sind. Dieser Zweifel ist keine unbestimmte 'Skepsis‘ (‚der eine sieht es so, der andere so‘), die eine 'politische‘ Wahl offenlässt, sondern ein Erkenntnisinstrument. Institutionalisiert ist es beispielsweise im Gutachterwesen der Peer-Reviews.“
Wer etwas wissenschaftlich Falsches behauptet, vertritt also keineswegs eine legitime "Meinung“.
Gniffke und sein Feierabendbier
"Kai Gniffke begeht mal wieder eine Eselei“, lautete neulich ein Satz in einem Altpapier-Vorspann, und an Eseleien mangelt es auch nicht in dem Interview, das Kontext mit ihm geführt hat. Die AfD sei "kein monolithisch rechtsextremer Block“, doziert er dort unter anderem.
Es geht, wie in dem gerade zitierten Altpapier, ums Reden mit den Rechten, das Gniffke nicht unterlassen will. "Sie machen den Rechten die Tür zum Salon auf“, kritisiert Interviewer Josef-Otto Freudenreich. Gniffke dazu:
"Im Gegenteil. Sie leben doch im Glauben, als Parias betrachtet und von den Öffentlich-Rechtlichen schlecht behandelt zu werden. Wenn da einer kommt und zivilisiert mit ihnen redet, bröckelt das Bild, die Entrechteten der Erde zu sein. Damit zerstöre ich ihr Opfernarrativ.“
Dieses Opfernarrativ ist allerdings ein Geschäftsmodell, und von dem werden sich die Rechten nicht verabschieden. Die Idee, man müsse sich gegenüber ihnen auf eine bestimmte Weise verhalten, und dann würden sie ihr Verhalten ändern - die ist hochgradig naiv, vor allem, wenn man bedenkt, welche Position Gniffke inne hat. Ein weiterer Kritikpunkt Freudenreichs:
"Bei der AfD in Dresden haben Sie coram publico gesagt, ich zitiere: 'Verdammt nochmal, ich zahle die 17,50 Euro auch nicht besonders gerne‘. Und das gegenüber Leuten, die die 'Zwangsgebühren‘ gänzlich abschaffen wollen.“
Gniffke hat in dem beschriebenen Fall also zu einem rhetorischen Mittel gegriffen, das bei jener Zielgruppe schlechterdings nicht funktionieren konnte. Dazu sagt er:
"Okay, ich räume ein, dass das nicht sehr geschickt formuliert war. Heute würde ich sagen, dass unabhängiger Rundfunk der Gesellschaft so viel wert sein sollte. Aber seien wir doch ehrlich: Wäre uns der Gedanke, das Geld lieber in ein Feierabend-Bier zu investieren, so fremd?“
Er scheint einen Fehler einzuräumen, um einen Satz später gleich wieder zu einer rhetorischen Volte anzusetzen, von der unklar ist, was er damit erreichen will. Glaubt Gniffke, dass er mit dieser ungefähr gerhardschröderschen Jovialität bei den Lesern einer linksalternativen Wochenzeitung ankommt?
Künftig wird Kai Gniffke für sein Feierabendbier möglicherweise 86 Cent weniger zur Verfügung haben. Wer dies nicht will: der sachsen-anhaltinische CDU-Politiker Rainer Haseloff. Für die Medienkorrespondenz schreibt Volker Nünning:
"Um diese Beitragserhöhung durch den Landtag zu bekommen, will Haseloff letztlich von den Anstalten gewisse Zugeständnisse erhalten, damit er dadurch widerborstige CDU-Abgeordnete (und gewissermaßen auch sich selbst) noch überzeugen kann, der Beitragsanhebung doch zuzustimmen. Allerdings ist Haseloffs Agieren verfassungsrechtlich problematisch, weil er de facto seine Zustimmung zu der Beitragserhöhung, also seine Unterzeichnung der Staatsvertragsnovelle, insbesondere an Einsparzusagen der Sender knüpft. Ein solches Junktim ließe sich als Einmischung in die verfassungsrechtlich abgesicherte Programmautonomie der Anstalten werten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem zweiten Gebührenurteil (2007) bekräftigt: "Die Festsetzung der Rundfunkgebühr muss frei von medienpolitischen Zwecksetzungen erfolgen.’“
Der NDR "schneidet sich ins eigene Fleisch“
Das Radio kommt in dieser Kolumne manchmal zu kurz, aktuell aber bietet es sich an, gleich auf zwei unterschiedliche Beiträge zum Thema einzugehen. Radioszene hat mit dem Musiksendungsmacher Arnd Zeigler (Radio Bremen) gesprochen. Der sagt im Interview:
"Radio ist für mich das Sinnlichste aller Medien. Es kann bodenständiger und gehaltvoller als Fernsehen sein, es ist entspannter und im Idealfall detailverliebter als andere Medien (…) Ich bin fasziniert von dem, was in den Sechzigern und Siebzigern in der Radiolandschaft passiert ist: Piratensender, intelligente, geschmackssichere und witzige DJs, die mehr Gespür für gute Songs hatten als alle anderen lebenden Menschen, eine klare Haltung, ständige Innovationen, mutige Programmchefs, die Visionen hatten und Programme, in denen man nie genau wusste, was als nächstes passiert. Heute sehe ich oft nur noch Zynismus, Austauschbarkeit und Kleinmut bei denen, die Programm verantworten. Das hat oft mehr den Anschein des puren Abwickelns eines Produktes, das irgendwie wie Radio klingen soll, aber keinen Wert mehr auf Charme, Persönlichkeit und Ideen legt. Viele aktuelle Programme hätte man vor 20 Jahren als düstere, bizarre Radioprogrammparodie empfunden. Ich habe bei vielen Programmen heute das Gefühl, dass die Hörer nicht mehr wirklich ernstgenommen werden.“
Zeigler war kürzlich selbst von solchen Entwicklungen der betroffen (Altpapier). Um eine aktuelle Hörfunk-Reform geht es in einem Beitrag Imre Grimms für RND:
"Der NDR will das Radioprogramm NDR Info schrittweise zum 24/7-Nachrichtenkanal umbauen“.
Diese Idee wirkt wie aus der Zeit gefallen, wie ein Relikt aus der prä-digitalen Zeit. Denn: Sollte ein Informationsprogramm im Radio nicht etwas anderes sein als ein "24/7-Nachrichtenkanal“? Schließlich bekommt man Nachrichten ja jederzeit überall.
Ein Teil des Umbaus (und Hauptthema in Grimms Text): Der NDR will künftig keine 145.000 Euro mehr zahlen, um die vom WDR produzierte und redaktionell verantwortete Geschichtssendung "Zeitzeichen“ zu übernehmen. Grimm dazu:
"Das 'Zeitzeichen‘ passt formidabel ins Profil eines öffentlich-rechtlichen Senders. Es beleuchtet Staatengründer und Aschenputtel, Kriegstreiber und Friedensengel mit einer tiefen Liebe zum Detail und erstaunlichem Variantenreichtum, wenn es darum geht, einen mittelalterlichen Medicus zu rühmen, zu dem es kaum mehr Informationen gibt als den Namen und das ungefähre Todesjahrzehnt (…) Mit dem Verzicht auf das 'Zeitzeichen‘ (…) schneidet sich der NDR ins eigene Fleisch“.
Jessy Wellmers Leckerli
Im Geisterfußball-Geschäft gibt es gerade eine sog. englische Woche, und unter anderem deshalb lohnt es sich, auf die Eindrücke einzugehen, die Torsten Körner (Medienkorrespondenz) beim Zuschauen am Bildschirm gewonnen hat:
"Die Stimmen der Fernsehkommentatoren, die immer auch Show machen, klangen (…) noch gemachter als sonst, die Dramatik, die sie sangen, klang wie Zucker, irgendwie ging es um nichts. Jedem Spieler, so befreit sie auch jubelten, haftete schon ein Vergängliches an, etwas Blindes, Leeres, Unerfülltes, ein Ascheflug der Katastrophe, eine Ahnung, dass sie selbst gleich zu Staub zerfallen, so als hätte Marvel-Superbösewicht Thanos bereits seinen Zerstörungsatem in die Stadien geschickt.“
Körner stellt, wie kürzlich in einem Artikel für epd medien (siehe Altpapier), auch in diesem Text wieder die Frage in den Raum, ob der Fußball gerade Selbstmord aus Angst vor dem Tod begeht. Die Frage lässt sich naturgemäß noch nicht beantworten. Dass es sich beim Geisterfußball um eine "zynische Karikatur“ bzw. "lausiges Methadon“ handelt (11 Freunde in der Juni-Ausgabe) - darüber aber dürfte unter Fußballfans weitgehend Einigkeit bestehen. Die "Sportschau“-Moderatorin Jessy Wellmer sieht das offenbar anders. Am Dienstagabend sagte sie:
"So süß kann eine englische Woche schmecken! Ein wahres Leckerli am späten Dienstagabend haben wir jetzt nämlich für Sie: Borussia Dortmund gegen den FC Bayern München. Ja, hallo! Wer bekommt da keinen Appetit!? Die hier, die Stars des FCB und des BVB, die dürften jedenfalls ’nen Bärenhunger haben, auf den Liga-Gipfel nämlich. Sie auch, liebe Zuschauer?“
Dass diese Passage - die einem, um die oben zitierte Äußerung Arnd Zeiglers leicht abzuwandeln, das Gefühl gibt, dass die Zuschauer nicht ernstgenommen werden - für die Nachwelt festgehalten wurde, verdanken wir wiederum der Medienkorrespondenz. "Leckerli“ anpreisen kann Wellmer ja gern, wenn sie mit ihrer Katze redet. Aber Fußball ist kein Katzenfutter. Und dann hält Wellmer ihr kulinarisches Quatschbild nicht einmal durch: Vom "Appetit“ der Zuschauer kommt sie auf den "Hunger“ der Stars. Konsequent wäre es gewesen, die "Stars“ als Köche zu bezeichnen.
Und dann sagte Wellmer noch:
"Der Spitzenreiter und seine Verfolger, die spielen gerade so gnadenlos gut und effektiv, als hätte es Corona und die Pause nie gegeben.“
Bei einem Bild-Zeitungskommentar hätte mich eine derartige Überaffirmation des Geisterfußballs nicht gewundert. Von einer öffentlich-rechtlichen Journalistin erwarte ich ein bisschen was anderes. Zumal ich Wellmer als Moderatorin des "Mittagsmagazins“ der ARD eigentlich recht gut finde.
Angst in Göttingen und Braunschweig
Der Angriff zweier Nazis auf Göttinger Journalisten im thüringischen Fretterode Ende April 2018, der oft Thema war im Altpapier (zuletzt vor vier Wochen), zieht weitere Berichterstattung nach sich - aktuell in der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen:
"Einer der Fotografen, die bei dem Überfall schwer verletzt wurden, hat bei der Stadt Göttingen die Einrichtung einer Auskunftssperre im Melderegister beantragt. Damit will er verhindern, dass seine beim Einwohnermeldeamt gespeicherten Daten auf Anfrage an Dritte weitergegeben werden und seine Anschrift bekannt werden könnte. Da die Stadt seinen Antrag ablehnte, zog der Fotograf vor Gericht – und bekam in erster Instanz Recht: Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Göttingen hat der Kläger Anspruch auf Eintragung einer Auskunftssperre, da er konkret gefährdet sei.“
Die Angst des Fotografen wird durch die gerichtliche Entscheidung aber nur geringfügig gemindert, denn die Stadt Göttingen hat Berufung eingelegt, wie die HNA berichtet.
Um Angst geht es auch in einem Beitrag von "Panorama 3“ im NDR Fernsehen. "Fast wöchentlich“ bekomme der Braunschweiger Journalist und Aktivist Journalist David Janzen Drohungen aus der örtlichen Nazi-Szene, berichtet das Magazin. In der jüngeren Vergangenheit bekam er unter anderem den abgetrennten Kopf eines Ferkels zugeschickt. Hervorhebenswert: In dem Beitrag und in der Anmoderation werden Nazis Nazis genannt - das ist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sonst ja leider eher unüblich. Die Attacken gegen Janzen waren bereits im vergangenen Jahr Thema bei "Panorama 3“ (siehe auch Altpapier, Altpapier).
Altpapierkorb (Beim Lisa-Fitz-Sender SWR ist der "Lackschrank“ offen; niedersächsische Statistiken zur "Clan-Kriminalität“ sind dubios; das Bedürfnis nach Berichten über "linke Meinungsdiktatur“ ist groß; Hinz & Kunzt druckt wieder; 112 australische Zeitungen drucken nie wieder)
+++ Worüber sich SWR-Intendant Kai Gniffke (siehe oben) auch mal Gedanken machen könnte: Ob es seinem Sender gut zu Gesicht steht, weiterhin auf die sich im rechtsesoterischen und verschwörungsgläubigen Milieu wohl fühlende Lisa Fitz (Stichwort: Schrang TV, siehe unter anderem Zeit Online) zu setzen - und darüber, wer eigentlich die Textarbeiter ausgebildet hat, die die Beiträge der Kabarettistin in der Mediathek und im YouTube-Kanal des Senders anteasern. Der Blog "Erinnerung! – Gegen politische Verwahrlosung“ schreibt in diesem Zusammenhang: "In einem Beitrag für das Kabarettprogramm 'Spätschicht‘, der in der SWR-Mediathek unter dem reißerischen Titel 'Profiteure der Angst‘ zu finden ist – und bei dem SWR-eigenen Youtube-Auftritt unter dem nicht weniger Aufmerksamkeit von Aluhüten heischenden Titel 'Profiteure der Corona-Angst‘ und 'Fitz über Gates‘ eingestellt wurde, darf Fitz (…) anlässlich der Corona-Pandemie ein antisemitisch konnotiertes Klagelied anstimmen (…) Beschrieben wurde das Video vom SWR beim Youtube-Auftritt übrigens mit: 'Lisa Fitz bleibt auch in trüben Zeiten gewohnt kritisch. Wer profitiert und verdient eigentlich von der Corona-Krise? Dazu macht sich Fitz exklusiv in der Spätschicht einige Gedanken.’“ Fazit des Blogs: "Im SWR steht der Lackschrank also weit offen, dafür exklusiv.“ Der "Spätschicht“-Beitrag vom13. Mai, um den es geht, findet sich hier.
+++ Sind die "reißerischen Meldungen“, die "einige Medien“ doch recht regelmäßig über die sog. Clan-Kriminalität in die Welt pusten, "verhältnismäßig“? Das hat sich Mohamed Amjahid (Zeit Online) gefragt. Er schreibt: "Interne Dokumente der Sicherheitsbehörden in Niedersachsen (…) beschreiben eine fragwürdige Datenerhebung im Zusammenhang mit der 'Clan-Kriminalität‘“. Inwiefern? "In einer Tabelle werden 46 Nachnamen von mutmaßlichen Familienclans ausgeführt. Rechnet man die verschiedenen Schreibweisen einzelner Nachnamen heraus, bleiben nur noch elf Clans übrig. In einer zweiten Tabelle werden zusätzlich 66 – teilweise ähnlich buchstabierte – Familiennamen aufgelistet. Dazu heißt es in einer Erläuterung: 'Bei diesen ergänzenden Namen sind die Verfahren nicht zwangsläufig clankriminellen Strukturen zuzurechnen.‘ Es bleibt also fraglich, warum diese Namen im Zusammenhang mit der Clan-Statistik überhaupt fallen.“
+++ "Weil das Bedürfnis nach Berichten über linke Meinungsdiktatur so groß, die realen Fälle aber fast inexistent sind, greift man bereitwillig nach jedem Strohhalm, der eine Bestätigung des vorgefertigten Weltbildes verspricht. Wenn es dann aber nicht einmal einen solchen Strohhalm gibt, denkt man sich die Fälle kurzerhand aus. Dies geschieht in Sara Rukajs Darstellung der Diskussion um Cornelia Koppetschs 'Gesellschaft des Zorns.‘“ Das schreibt Floris Biskamp im Tagesspiegel, und er bezieht sich dabei auf einen auch im Altpapier kritisch eingeordneten FAZ-Text Rukajs.
+++ Altpapier-Autor Christian Bartels ordnet in seiner Medienkorrespondenz-Kolumne den Podcast-Boom ein. Dieser bringe neben vielem anderen mit sich, dass "auch eine Prägnanz der Sprache und ein Purismus der Formen wieder Räume (erhalten), die in Formatradios, Fernseh-Talksendungen und anderen redeorientierten Formen des klassischen Rundfunks geschwunden“ seien. Und er empfiehlt auch einige Angebote: Zum Beispiel den Podcast "Frauen reden über Fußball“, "dessen Titel durchaus prägnant umreißt, worum es geht. Allerdings wird in ganz anderen Ligen über Fußball geredet als in klassischen Rundfunkmedien“. Man könnte an dieser Stelle aktuell ergänzen: Hier wird auf eine Weise über Fußball geredet, die wir angesichts dessen, wie Jessy Wellmer über Spitzen-Geisterspiele redet (siehe oben), sehr gut gebrauchen können.
+++ Das Hamburger Obdachlosenmagazin Hinz & Kunzt gibt es nach zwei Digital-only-Ausgaben wieder gedruckt, was für die Verkäufer auf der Straße auch deshalb wichtig ist, weil viele von ihnen "nicht so viele Menschen (haben), mit denen sie sich austauschen können, oft sind das vor allem die Kunden“. Das sagt Chefredakteurin Birgit Müller im taz-Interview mit Peter Weissenberger. Ihr Fazit: "Ehrlich gesagt gibt es noch keine gangbare Lösung für eine voll digitale Straßenzeitung. Denn Magazin und Verkäufer sind unzertrennlich. Jede Lösung, ob digital oder sonstwie, muss über den Verkäufer laufen, und über den persönlichen Kontakt. Solange es eine solche Lösung nicht gibt, gibt es keine Alternative zum gedruckten Magazin.“
+++ Gar nicht mehr gedruckt werden dagegen künftig 112 (!) australische Lokal- und Regionalzeitungen aus dem Hause Rupert Murdoch. Das berichtet der Guardian. 76 davon sollen online weiter existieren.
Neues Altpapier gibt es wieder am Freitag.
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/86ea5d00-b75f-4ed4-a992-55a81be7d001 was not found on this server.