Das Altpapier am 24. September 2019 Historische Sitzung 188
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24. September 2019, 10:32 Uhr
Nur wenige Sonnenumrundungen hat es gedauert – und schon tagt der MDR-Rundfunkrat öffentlich. Zwei FDP-Landesverbände schlagen mal wieder eine Funktionsaufteilung von ARD und ZDF vor. Der BDZV benennt sich um – in BDZV. Und: Was der Baufacharbeiter Erich Klein zu Sigmund Jähns Weltraumflug sagte. Ein Altpapier von Klaus Raab.
Mit einigem Stolz können wir vom Blog “Altpapier“, das auf den Seiten des wundervollen MDR erscheint, vermelden, dass am Montag die erste öffentliche Rundfunkratssitzung unserer schönen Anstalt stattgefunden hat. Nicht am Dienstag, nicht am Mittwoch, nein: am Montag. Also relativ früh.
Gerade mal 187 Sitzungen hatte das Gremium zuvor absolviert, und kaum ein halbes Dutzend Sonnenumrundungen ist es her, dass die “Transparenz“ in den im Bundestag gehaltenen Reden auf ihrem vorläufigen Höhepunkt gewesen ist – da war es schon so weit. flurfunk-dresden.de lobt völlig zu Recht: “Die Entscheidung, die Sitzungen öffentlich zu machen, hat nur knappe fünf Jahre gedauert“.
Gut, öffentlich jetzt natürlich nicht im Sinn von Livestream. Übertreiben sollte man es ja nicht gleich. Aber eben doch öffentlich im Sinn von: Wenn man nicht gerade woanders gewesen wäre, hätte man schon hingehen können.
Wenn auch, diese kleine Einschränkung muss erlaubt sein, nicht ausgerechnet mit Kamera und Aufnahmegerät. Aber das ist ja eh klar; Bild- oder Tonaufnahmen waren während der Sitzung selbstredend nicht gestattet. Braucht man aber auch nicht. Journalisten haben Hände zum Schreiben, also müssen sie nichts aufzeichnen. Das Prinzip kennen alle, die beim Rundfunk arbeiten. Schreiben genügt völlig. Wofür gibt es denn sonst Papier?
Und Papier gab es. Haufenweise Papier. Oh, und was für schönes Papier es gab!
Gut, vielleicht nicht Papier für alle: “Die Vorlagen des Rundfunkrates stehen ausschließlich den Teilnehmer/innen der Sitzung zur Verfügung. Das Gremium bittet Gäste deshalb um Verständnis dafür, dass keine Dokumente verteilt werden können.“ Aber, das muss man schon sagen, es gab de facto keinen Grund, die Abwesenheit von Papier zu beklagen. Wer von den Gästen sein eigenes Papier dabei hatte, konnte zudem auch darauf schreiben. Und das ist ja das Wichtigste. Abgesehen von einem Stift.
Oder beinahe das Wichtigste. Das Allerwichtigste ist, dass wir uns in einem Blog des MDR ein bisschen über den MDR lustig machen dürfen. Und das ist tatsächlich vorgesehen: Es steht schwarz auf Weiß in der Vorlage des Rundfunkrats. Ja, okay, jetzt vielleicht nicht wirklich schwarz auf Weiß, aber… egal.
Worum es im MDR-Rundfunkrat ging (Auswahl)
Wer hatte nun aber was zum Schreiben dabei bei der ersten öffentlichen MDR-Rundfunkratssitzung? Nun, flurfunk-dresden.de, zum Beispiel. Wo es, um den historischen Augenblick zu würdigen, sogar ein Liveblog gab (“11.36 Uhr: Wir stellen fest: Man braucht viel Sitzfleisch in so einer Sitzung“).
Und damit rein ins Sitzungsprogramm. Worum ging es?
a) Es wurde zum Beispiel über die “Veranstaltung am 22.8.2019, die Preview der Chemnitz-Dokumentation“, gesprochen.
Im Rahmen der Preview sollte bekanntlich eine Diskussion stattfinden, zu der auch ein Mann eingeladen war, der sich “verschiedenen Beobachtern zufolge im Umfeld der extremen Rechten“ (Altpapier vom 14. August) bewegt. Die Veranstaltung fand letztlich so nicht statt, die Debatten darüber aber waren stattlich, und in einem späteren Altpapier fragte Christian Bartels: “Brauchen wir einladungspolitische Gesetze?“
Im Rundfunkrat nun gab es in diesem Zusammenhang den interessant klingenden Tagesordnungspunkt “Grundsätze des MDR für Foren und Podiumsdiskussionen bei Off-Air/On-Air-Veranstaltungen“. Und, gibt es welche? Braucht es welche? Was sagte das Gremium dazu? Grummel, grummel: Es delegierte die Diskussion laut Dresdener Flurfunk (12.23 Uhr) “in die Ausschüsse“. Ob es von dort wohl einen Livestream gibt?
Worum ging es noch im MDR-Rundfunkrat?
b) Zum Beispiel um die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen: Intendantin Karola Wille stellte hier, so das Blog (10.24 Uhr), “keinerlei Bewegung“ fest; “da gibt es unterschiedliche Positionen, die Diskussion läuft. Es geht hier um die Diskussion, ob die Beiträge indexiert werden.“ Die Medienkorrespondenz schreibt dazu: “Die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben erneut keine Grundsatzentscheidung darüber getroffen, ob das derzeitige Auftrags- und Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geändert werden soll.“
Neues hat allerdings die Welt, der ein Positionspapier zweier “FDP-Landesverbände in Regierungsverantwortung, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen“, vorliege, die “vor der Berechnung von Beitragshöhen“ über Auftrag und Struktur sprechen wollen:
“Die wichtigste und entsprechend kontroverseste Forderung ist die Funktionsaufteilung zwischen ARD und ZDF. Sowohl beim Fernsehen als auch beim Rundfunk soll es nach der Vorstellung der Medienpolitiker einen nationalen Arm für das gesamte Bundesgebiet und einen regionalen Arm geben.“
Was dem Vorschlag von Sachsen-Anhalts Staatskanzleichef Rainer Robra (CDU) vom vergangenen Oktober (Altpapier 1, 2) ähnelt. Und die Frage aufwirft: Wer wird die Idee, wenn sich die Medienpolitik weiter im Kreis dreht, wohl im Jahr 2020 unterbreiten?
c) Es ging auch um den Medienstaatsvertrag der Länder, der, via dpa, auch bei horizont.net und auf der FAZ-Medienseite Thema ist (“Die Liberalisierung der Werbung sei das letzte strittige Thema“).
d) Oder um die Wiederaufnahme von Kooperationsversuchen des MDR mit Sendern in Polen und Tschechien, die zuletzt “wegen der politischen Entwicklungen“ ins Stocken geraten seien (DWDL).
e) Sowie um den Beitritt des MDR zur Charta der Vielfalt (Blogeintrag von 11.06 Uhr, siehe auch DWDL vom August), den der AfD-Vertreter im Rundfunkrat kritisiert habe, wie es heißt: “Mit dem Beitritt zur Charta der Vielfalt verletze der MDR seine grundgesetzliche Pflicht“. Was, falls das richtig zitiert ist, auf eine interessante Idee von grundgesetzlicher Pflicht hindeutet. Die Vielfalt, die in der Charta angesprochen ist, steht schließlich – und eigentlich ganz gut verständlich – in Artikel 3 eben jenes Grundgesetzes.
f) Und zu erfahren war zudem noch (Blogeintrag von 11.18 Uhr), dass der MDR ein Projekt mit Sigmund Jähn geplant hatte, also mit dem ersten Deutschen im All. Der dieser Tage gestorben ist. Weshalb das Projekt “jetzt nicht mehr realisiert werden könne.“
Archive sind Gold: über Sigmund Jähn 1978
Als Sigmund Jähn 1978 ins All flog, übertrafen sich die Zeitungen der DDR mit Berichten über das historische Ereignis und Belobigungen, die man über das Zeitungsinformationssystem ZEFYS der Berliner Staatsbibliothek (nach Registrierung) lesen kann. Man findet dort, nur zum Beispiel, eine Karikatur aus dem Neuen Deutschland. Oder einen Artikel aus der Berliner Zeitung – Titel: “Hauptstadt im Banne des kosmischen Fluges“ –, in dem es um den gleichzeitig zu Jähns Weltraumflug stattfindenden Sommerball im Palast der Republik geht:
“Auf großen Multivisionswänden wurde um halb acht der Bericht der Aktuellen Kamera vom Start der internationalen Besatzung in Farbe übertragen. Als das Licht wieder anging, erwartete die Ballgäste eine Premiere – die Künstler hatten sich auf das große Ereignis vorbereitet und boten eine 'DDR-Kosmos-Liederparade‘. So sang der Cantus-Chor 'Oben im All‘, Andreas Holm 'Hier ist es so wie im All‘ und die Gruppe 3 'Steigen wie ein Pfeil‘.“
Für die Nachwelt festgehalten ist auch, was “der Baufacharbeiter Erich Klein“ zum Start von Sigmund Jähn ins All sagte: “Das große Ereignis beweist eindrucksvoll die enge, brüderlicher Freundschaft zur Sowjetunion.“ Halten wir fest: Zeitungsarchive sind Gold. Ungefähr so Gold wie Internet.
Der BDVZ benennt sich um
Beides weiß auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Print: gut. Digitalkram: auch okay. Und so hat er am Montag beschlossen, sich umzubenennen. Er heißt nun: BDZV.
“(A)llerdings steht die Abkürzung künftig nicht mehr für Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, sondern für: Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger. Dem Vernehmen nach votierte dafür eine überwältigende Mehrheit der Mitglieder.“
Weiß Horizont. Die Alternativvorschläge, die wir Ulrike Simons Vorberichterstattung entnehmen können – “Pressemedia, eine Wortkombination, die sowohl die (gedruckte) Presse als auch das international wirkende Media vereint“, und “Press.e“ – kamen wohl bei den Verbandsmitgliedern nicht so gut an.
Die Wahl des neuen Namens erscheint nachvollziehbar: Denn erstens, was man hat, hat man. Zweitens, “es gibt in dem Wirtschaftszweig kaum noch Unternehmen, die als lupenreiner Zeitungsverlag unterwegs sind“, wie Meedia schreibt. Und drittens klingt “Digitalpublisher“ wohl einfach ganz generell besser als “Deutsch“.
Einen kleinen Haken hat der neue Name allerdings doch: “Als holperig empfindet Verbandspräsident Mathias Döpfner die Bezeichnung Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger. Nicht selten werden auch die Buchstaben für die Abkürzung BDZV durcheinandergebracht“, heißt es bei Horizont. Und das stimmt. Zwei Dinge hätten tatsächlich nicht einmal alle Medienjournalisten drauf, wenn man sie nachts wecken und an den Laptop setzen würde: Mathias Döpfners Vornamen schreibt man nur mit einem t. Und der BDZV heißt nicht BDVZ.
Wer die Buchstabenkombination bisher durcheinander gebracht hat, dem hilft das Ganze jetzt also auch nicht. Heute wäre allerdings schon die erste Gelegenheit, sie zu üben: Der Zeitungskongress des BVDZ (sorry) findet statt.
Altpapierkorb (Talk am Dienstag, Joachim Knuth über Radio, Le Monde, Emmys)
+++ Was ist heute noch los? Nun, die ARD setzt ihre jüngste Innovation aufs Gleis: “Der 'Talk am Dienstag’ bringt die erfolgreichen Freitagsformate aus den Dritten Programmen fast allesamt ins Erste, am einzigen bislang Talkshow-losen ARD-Tag unter der Woche.“ Schreibt der Tagesspiegel. Man muss Verständnis haben: Was sollte man auch sonst im Hauptprogramm zeigen?
+++Joachim Knuth, der Hörfunkdirektor des NDR, spricht im ausführlichen FAZ-Interview (0,45 € bei Blendle) über den Hörfunk, den Deutschen Radiopreis, der wieder vergeben wird, und Podcasts. Knuth: “Lineares Radio wird noch lange Jahre dominant sein. Aber das sind interessante Dinge, die da jenseits der Linearität passieren.“
+++ Bei der französischen Le Monde gibt es Übernahmekonflikte: Die Redaktion befürchtet, von einem tschechischen Investor übernommen zu werden. Schreibt die SZ.
+++ Und dann hätten wir noch die Emmys. Die sind, glamourös wie sie sind, überall: in der SZ, in der taz, in der FAZ oder im Tagesspiegel.
Neues Altpapier gibt es wieder am MIttwoch.
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