Das Altpapier am 17. September 2019 Der Hase und der blaue Igel
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17. September 2019, 15:14 Uhr
Interviews sind ein einfaches Spiel. Zwei Personen sitzen vor einer Kamera. Und am Ende gewinnt die AfD. So scheint es zu sein. Aber stimmt das wirklich? Und was macht eigentlich Edward Snowden. Ein Altpapier von Ralf Heimann.
Benjamin Immanuel-Hoff, Chef der Thüringer Staatskanzlei, erkennt im Umgang mit der AfD Parallelen zum Spiel von “Hase und Igel“ oder dem “Zauberlehrling“. Das hat er Helmut Hartung, Chefredakteur des Blogs Medienpolitik.net im Interview für die FAZ (45 Cent bei Blendle) gesagt. Erinnern wir uns kurz. In Goethes Gedicht “Der Zauberlehrling“ versucht der Azubi sich selbst an der Zauberei, als der Chef kurz aus dem Haus ist. Doch das geht kolossal schief. Der Zauber gerät außer Kontrolle. Und als der Lehrling versucht, ihn mit Gewalt zu beenden, macht er alles nur schlimmer.
In der Geschichte vom Hasen und dem Igel macht der Hase sich über die krummen Beine des Igels lustig. Die beiden duellieren sich in einem Wettrennen, das der Hase nach allem, was man über krumme Beine weiß, im Normalfall gewinnen müsste. Doch der Igel tritt einfach auf einem anderen Gebiet gegen den Hasen an, das eher mit Denken als mit Laufen zu tun hat. Und so läuft der Hase viel schneller – und verliert trotzdem.
Damit wären wir schon wieder beim ZDF-Interview mit Björn Höcke, das gestern im Altpapier bereits Thema war. Und um einen Eindruck davon zu bekommen, war das mit dem Hasen und dem Igel zu tun hat, kann man einen Blick auf die Facebook-Seite von Björn Höcke werfen, auf die ich hier nicht verlinke, die man aber, wenn man wirklich möchte, sehr leicht findet.
Höcke hat dort einen eine Minute langen Ausschnitt aus dem Interview veröffentlicht. Und während die einen darin richtig guten Journalismus sehen, erkennen weite Teile des Publikums auf der extrem rechten Seite, und das ist in Höckes Kommentarspalte die klare Mehrheit, einen eindeutigen Punktsieg für ihren politischen Führer. Es ist also alles noch viel komplizierter, als in der Geschichte vom Hasen und vom Igel. Wer gewonnen hat, das hängt auch noch von der Perspektive ab. Aber ist das wirklich so?
Interview mit dem Gegner
Die taz ist skeptisch. Der Titel von Alexander Naberts Kommentar lautet jedenfalls: “Die AfD gewinnt immer.“ Nabert begründet das auch, und zwar wie folgt:
“Wenn Interviews einen Gewinner hätten, dann wäre der demokratischen Öffentlichkeit klar, wer aus der am Sonntag ausgestrahlten Situation siegreich hervorgegangen wäre, der um Aufklärung bemühte Journalist oder der ums in Szene setzen bemühte Politiker. Es gibt dabei nur einen Haken. Björn Höcke ist kein normaler Politiker.“
Der Unterschied sei, so Nabert, dass Höcke, und das kann man auch auf andere AfD-Politiker übertragen, in Reportern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eben keine Journalisten sieht, sondern politische Gegner. Dieses Gefühl formuliert er so auch im Interview.
Und nach dieser Lesart hat er dem Gegner die Stirn geboten, sich nicht auf dessen Bedingungen eingelassen, er hat sich nicht überrumpeln lassen.
“In der Kommentarspalte wird Höcke gefeiert. 'Das Interview bringt nur noch mehr Pluspunkte’, sagt einer. Ein anderer nennt Gebhard 'arglistig‘, mancher fantasiert von Gewalt.“
Objektiv betrachtet können Journalisten in diesem Spiel nicht gewinnen – mögen sie noch so schnell sein und noch so lange Beine haben. Würde es ihm gelingen Höcke zu entlarven, und der würde tatsächlich an einer Stelle sagen: “Von Hitler kann man sehr viel lernen“, wäre zwar klar, dieser Mann ist ein Rechtsextremist, aber das wusste man ja auch vorher schon. Gleichzeitig muss man aber einkalkulieren, dass seine Anhänger das ebenfalls wissen, wahrscheinlich auch gut finden, und sich möglicherweise sogar freuen, wenn er in der Öffentlichkeit mal etwas deutlicher wird. Aber das würde wahrscheinlich nicht passieren, denn Höcke weiß natürlich, wie man scheinbar arglos den nicht ganz neuen Vorwurf, er bediene sich der NS-Rhetorik mit irgendwelchen Sophistereien ins Leere laufen lässt, was in seiner Anhängerschaft dann aber doch immerhin für Erheiterung sorgen dürfte.
Stefan Winterbauer findet den Ansatz des Interviews grundsätzlich nicht schlecht, in der Umsetzung aber misslungen. In seinem Kommentar für Meedia schreibt er:
“Der Clou mit den befragten AfD-Mitgliedern war ein provokanter Einstieg in das Interview, der Höcke entlarven und aus der Reserve locken sollte. Das kann man machen, das hat auch so funktioniert. Höcke versuchte sich zu rechtfertigen, was eher schlecht als recht gelang. Der ZDF-Mann beließ es dabei aber nicht, sondern ritt immer weiter auf dem Punkt 'Ähnlichkeiten zur NS-Sprache’ herum. Gerade so, als ob er Höcke irgendwann 'knacken’ könnte, so dass dieser zusammenbreche und endlich gestehen würde, dass er absichtlich mit NS-Begriffen operiert: Ja, ja, ich gesteh es, ich bin ein Nazi, Sie haben mit enttarnt!“
Vor allem aber kritisiert Winterbauer, wie Höckes Aussagen interpretiert werden.
“Dass zahlreiche Medien und auch der Deutsche Journalisten-Verband die Höcke-Zitate 'massive Konsequenzen‘ und ’wissen nicht, was kommt’ aus dem Zusammenhang reißen und eine diffuse Drohung Höckes gegen das ZDF, den öffentlichen Rundfunk, die Medien, die Demokratie oder was auch immer daraus ableiten, ist aber eben auch nicht fair und Wasser auf die Mühlen jener, die dem Medienbetrieb extrem kritisch gegenüberstehen.“
Einerseits bleibt Höcke zwar vage genug (“wissen nicht, was kommt“), um sich nicht in seinen Aussagen zu verfangen, aber auch der Satz “Wie geht es eigentlich der Familie?“ hat ja in Mafia-Filmen eine andere Bedeutung als bei zufälligen Begegnungen mit alten Bekannten auf einer Geburtstagsparty. Nur hier muss man tatsächlich sagen, Höckes Aussage, er werde ja vielleicht mal eine “interessante persönliche, politische Person in diesem Lande“ klingt vor allem dann bedrohlich, wenn man die Passage vorher nicht erwähnt, in der Höcke relativ eindeutig ankündigt, David Gebhard im Falle eines Abbruchs keine Interviews mehr zu geben. Dass das auch schon Helmut Kohl so gehandhabt hat, jedenfalls mit dem Spiegel und dem Stern, erwähnen Elisa Britzelmeier und Jens Schneider in ihrem Text auf der SZ-Medienseite.
Wobei natürlich die angedeutete Drohung (“wissen nicht, was kommt“) bleibt. Reinhard Müller ist der Meinung, dass Gebhard in seinem Interview einfach die falschen Fragen gestellt hat und damit zu sehr an der sprachlichen Oberfläche geblieben ist, wo die interessanten Antworten in der inhaltlichen Tiefe gelegen hätten.
“Was genau schwebt Höcke für eine Politik vor, wenn er den Begriff des “'Lebensraums‘ verwendet? Was meint er, wenn er in einem Buch von einem 'großangelegten Remigrationsprojekt‘ spricht und sich auf Sloterdijks Wort von der 'wohltemperierten Grausamkeit‘ beruft? Fragen gäbe es viele an Höcke. Völlig unklar, warum sein Pressesprecher den Abbruch des Interviews herbeiführte. Das macht aber Höcke noch nicht zum Faschisten.“
Nein, das stimmt. Das macht Höcke nicht zum Faschisten. Die Belege dafür findet man an anderer Stelle.
Ein kluges Prinzip
Kommen wir zum nächsten Thema. Sprechen wir über Edward Snowden. Der hat Stefan Fries und Stefan Koldehoff für das Deutschlandfunk Medienmagazin “@mediasres“ ein einstündiges Interview gegeben, und das beginnt etwas kurios, nämlich mit Snowdens Feststellung, da sei wohl noch jemand anders in der Video-Konferenz, was sich zunächst als Irrtum herausstellt. Man habe zur Sicherheit noch eine zweite Leitung aufgebaut, erklärt Stefan Koldehoff, um sich kurz darauf zu korrigieren: “Wir haben gerade vom Techniker gehört, dass der zweite Teilnehmer nicht unser Laptop ist.“
Ich gehe davon aus, dass das nicht einfach nur ein dramaturgisches Element war. Aber im Film würde ein Interview mit Edward Snowden natürlich genau so laufen. Die Journalisten stellen die Fragen, und auf dem digitalen Dachboden sitzen die Geheimagenten und hören mit. In diesem Fall ist es aber gar nicht so schlimm, dass sie aus der Leitung geworfen wurden. Der Deutschlandfunk hat die Simultanübersetzung des kompletten Gesprächs auf seiner Website veröffentlicht – und sonst kann man es sich auch einfach als Podcast anhören. Wenn man das macht, erfährt man zum Beispiel von einem klugen Prinzip, das in der deutschen Medienlandschaft noch weitgehend unbekannt zu sein scheint.
Nach seinen Enthüllungen vor sechs Jahren hat Snowden, wie er sagt, ein halbes Jahr lang keine Interviews gegeben, weil er verhindern wollte, dass über ihn gesprochen werde, statt über die Themen.
“Wenn ich jeden Tag in den Nachrichten aufgetaucht wäre, dann wäre es noch einfacher für die Regierungen zu sagen: ‚Wir möchten jetzt nicht über Überwachung, über Menschenrechtsverstöße sprechen, sondern über diese Person.‘“
(Wenn das Björn Höcke hört.)
Dass Snowden nun doch über seine Person spricht, liegt vor allem daran, dass heute sein neues Buch “Permanent Record: Meine Geschichte“ erscheint, das auf Amazon schon um 9:37 Uhr am ersten Verkaufstag die erste Fünf-Sterne-Bewertung hat, in der unter anderem der Satz steht: “Die gut 400 Seiten lesen sich sehr schnell weg.“
In dem Interview spricht Snowden unter anderem über ein Problem, das im Journalismus in vielen Zusammenhängen auftaucht, gestern zum Beispiel noch im Altpapier im Zusammenhang mit Juan Moreno und Claas Relotius. Wie kann es passieren, dass Menschen an etwas glauben, das im Nachhinein so offensichtlich falsch war? Snowden sagt, das sei sehr lange auch sein Problem gewesen.
“Ich würde gerne von mir behaupten, dass ich relativ intelligent bin, aber wir haben alle Emotionen. Wir sind alle Propaganda ausgesetzt. Und für mich war es eine Frage, abzuwägen: Okay, die Menschen sagen, ja, die Iraker haben nichts mit dieser Verschwörung zu tun, es gibt keine Massenvernichtungswaffen. Aber für mich als junger Amerikaner, der in so einer Familie aufgewachsen ist, ich habe mich gefragt: Warum würden sie uns anlügen? Warum würden sie dieses Vertrauen aufopfern, dieses Vertrauen in die Regierung, für ein so kurzfristiges Spiel, für einen Krieg, wenn das anscheinend nicht nötig ist? Ich war aber absolut naiv.“
Vermutlich hat es damit zu tun, dass Überzeugungen großen Einfluss darauf haben, wie Menschen Fakten beurteilen. Die gute Nachricht wäre: Offenbar gibt es in vielen Fällen einen Punkt, an dem diese Einschätzung umschlagen kann. Dann bliebe allerdings eine ganz praktische Frage: Was tun?
Snowden schaut dabei relativ ernüchtert auf sein eigenes Beispiel. Die USA habe ihm lediglich zugesichert, ihn nicht zu foltern, wenn er sich einem Verfahren stellen würde. Die Gründe für sein Handeln dürfte er den Geschworenen in einer Gerichtsverhandlung nicht darlegen. Daraus ergibt sich die nächste Frage:
“Welches Beispiel kann ich mit meiner Geschichte setzen für die Zukunft, für den nächsten Whistleblower?“
Der Anreiz Whistleblower zu werden, dürfte damit noch etwas geringer zu sein, als in diesen Zeiten ein Volontariat bei einer Lokalzeitung zu beginnen. Beides kann einen später in arge Schwierigkeiten bringen, wenn – das muss man natürlich schon sagen – die Schwierigkeiten sehr unterschiedlicher Art sind.
Wer soll Whistleblower sein dürfen?
Welche Schwierigkeiten das als Whistleblower sein können, zeigt unter anderem das Beispiel von Football-Leaks-Informant Rui Pinto, der in Portugal in Untersuchungshaft sitzt, weil ihm Cyberkriminalität und Erpressung vorgeworfen werden. Ein großes Problem ist schon mal, dass er sich gar nicht äußern darf. Man habe die Justiz mehrfach gebeten, ihn interviewen zu dürfen. Die Gesuche seien jedoch abgelehnt worden. Deswegen haben Rafael Buschmann und Christoph Winterbach mit seinem Anwalt William Bourdon gesprochen, der schon die Inhaftierung nicht so richtig versteht. Er sagt:
“Man könnte ihn (Rui Pinto, Anm. Altpapier) verpflichten, Portugal nicht zu verlassen und dem Richter zur Verfügung zu stehen. Es besteht absolut kein Risiko, dass Pinto Personen einschüchtert oder die Ermittlungen gefährdet, wie das bei anderen Verdächtigen der Fall ist. In Deutschland, Frankreich, England oder Italien wäre Pinto auf Basis dieser Vorwürfe niemals ins Gefängnis gekommen.“
Das zeigt: Man sollte sich designierter Whistleblower schon vorher darüber Gedanken machen, in welchem Land man in die Pfeife bläst. Und dann spielt ein noch etwas größeres Problem eine Rolle, denn es muss die Frage geklärt werden, ob jemand als Whistleblower gilt – ob sich unterschiedliche Taten vermischen, und wie man das insgesamt juristisch bewertet. In Rui Pintos Fall ist die Frage unter anderem, wie er die Daten bekommen hat. Sein Anwalt sagt:
“(…) Natürlich könnte eine Anklage oder strafrechtliche Verfolgung wegen Hackings ein Hindernis sein, um als Whistleblower eingestuft zu werden. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass diese rechtlichen Fragen neu sind und gerade erst definiert werden. Ein Beispiel: Antoine Deltour, der Informant hinter Luxleaks, wurde zweimal wegen illegalen Zugangs zu einem Computersystem angeklagt und sogar verurteilt. Am Ende wurde er freigesprochen, weil der Luxemburger Richter der Ansicht war, dass Deltour die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geforderten Bedingungen erfüllt, um als Whistleblower eingestuft zu werden.“
Am Ende geht es also anscheinend immer auch darum, ob jemand als Whistleblower gelten soll. Und wie auch immer man das nun bewertet, relativ sicher lässt sich sagen: Für Whistleblower sind das keine guten Bedingungen.
Altpapierkorb (Weltspiegel, Sorgen bei Springer, neue Bücher, Oliver Schröm, Fox-News-Serie)
+++ ARD-Programmdirektor Volker Herres hat sich im Streit um den Sendeplatz für das Auslandsmagazin “Weltspiegel“ in einer Pressemeldung geäußert. Das Portal Digitalfernsehen.de meldet mithilfe von dpa-Material: “Die ARD hat den Streit um das Auslandsmagazin 'Weltspiegel‘ beendet.“ Joachim Huber formuliert für den Tagesspiegel etwas vorsichtiger: “Der ARD-Streit um das ARD-Auslandsmagazin scheint beendet.“ Die FAZ hat die epd-Meldung etwas bearbeitet und fasst das auf ihrer Medienseite mit dem Titel zusammen: “Streit um Sendeplatz des 'Weltspiegels‘ geht weiter“ (45 Cent bei Blendle). Tatsächlich hat Herres gesagt, der Sendeplatz 18.30 Uhr komme für ihn nicht in Frage. Allerdings hat er nicht zugesichert, dass es bei dem alten Sendeplatz bleibt. Die ARD-Intendanten tagen bis heute in Stuttgart.
+++ Auf der SZ-Medienseite berichten Caspar Busse und Laura Hertreiter im Nachgang zu ihrem Interview am Montag (Altpapier gestern) an, dass Mathias Döpfer mit seinen Sparankündigungen reichlich Unruhe ins Unternehmen gebracht habe. Gregory Lipinski berichtet für Meedia “Gerüchte“, nach denen 1000 bis 2000 Jobs bei Springer gestrichen werden könnten. Und in einem gestern in der Geburtstagsbeilage der Hamburger Morgenpost erschienenen Geburtstagsbeilage gibt der ehemalige Mopo-Chefredakteur Döpfner zu, mit Entlassungen damals einen Fehler gemacht zu haben – und kokettiert damit, überhaupt eine Fehlbesetzung gewesen zu sein. Meedia dokumentiert den Beitrag.
+++ Nicht nur Edward Snowden veröffentlicht in dieser Woche ein Buch, es erscheinen auch noch einige andere, die irgendwie mit Journalismus zu tun haben. Über Juan Moreno Aufarbeitung des Relotius-Falls, die unter dem Titel “Tausend Zeilen Lüge“ erscheint, ging es hier gestern im Altpapier schon kurz. Michael Hanfeld bespricht das Buch heute in der FAZ (45 Cent bei Blendle) und ist, um ein bisschen zu untertreiben, völlig aus dem Häuschen: “Der Reporter Juan Moreno hat den ‚Spiegel‘ gerettet. Redaktion und Verlag sollten ihm ein Denkmal setzen. Juan Moreno ist ein Held – ein echter, der Hell- von Mittel- und Dunkelgrau unterscheidet. So einen hätte sich Claas Relotius nie ausgedacht.“ Auch Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann schreibt ein paar Sätze über das Buch. Moreno habe Wort gehalten, das Buch keine Abrechnung geworden sei. Ob man sich beim Spiegel über das Buch geärgert hat, wie Moreno es im Buch ankündigt, schreibt Klusmann allerdings nicht.
+++ Ebenfalls in der FAZ widmet Andreas Rödder dem neuen Buch des Historikers Peter Hoeres fast eine ganze Seite (45 Cent bei Blendle), und das ist keine so große Überraschung, der Titel lautet: “Zeitung für Deutschland. Die Geschichte der F.A.Z.“. Entsprechend freundlich fällt auch die Kritik aus: “Hinter dieser ebenso facetten- wie gedankenreichen und in vieler Hinsicht höchst lesenswerten Geschichte steckt offenkundig ein kluger Kopf. Statt einer Prognose ruft er daher die historische Erfahrung in Erinnerung, dass ältere Medien mit dem Aufkommen neuer Medien nicht einfach verschwinden, sondern sich in Gestalt und Nutzung verändern. Nachdem Hoeres freilich besonders die über 70 Jahre währenden Konstanten herausgestellt hat, verheißt der digitale Umbruch für die F.A.Z. tatsächlich revolutionäre Veränderungen. Und mit der Zeitung auch für Deutschland.“
+++ Seit gestern steht auch das letzte Buch von Michael Jürgs in den Buchhandlungen, das er zwei Wochen vor seinen Tod beendet hat. Der Titel lautet: “Post mortem: Was ich nach meinem Tod erlebte und wen ich im Jenseits traf“, womit der Inhalt auch schon grob umrissen ist. Hannes Hintermeier hat das Buch für die FAZ gelesen. Ihm ist aufgefallen, dass Jürgs gar nicht so viele Ratschläge an Journalisten gibt, wie man es in einem letzten Buch vielleicht vermuten würde, einen aber doch: “Glaubhaft Anmutendes muss in Journalisten grundsätzlich Zweifel wecken.“ Das hätte so auch über dem Moreno-Text stehen können.
+++ Altpapier-Kollege Christian Bartels schreibt fürs epd-Medien-Tagebuch über die Mediengeschichte-Abteilung im Mannheimer Technoseum.
+++ Eine Personalie: Correctiv-Chefredakteur Oliver Schröm wechselt zum NDR und wird dort vor allem für die Politikmagazine arbeiten, berichtet Marc Bartl für Kress.
+++ Wer zwischendurch das Gefühl hat, im Fernsehen schon alles gesehen zu haben, liegt wahrscheinlich nicht vollkommen falsch. Aber live hat man vieles tatsächlich noch nicht gesehen, und das will Kabel eins jetzt ändern. Der Sender überträgt zwei Stunden lang live einen Polizeieinsatz, berichtet unter anderem Uwe Mantel für DWDL. Kann natürlich sein, dass dabei herauskommt, dass viele Berufe doch nicht so spannend sind, wie es im Fernsehen aussieht. Aber wenn sich das herumgesprochen hat, wäre endlich der Boden bereitet für weitere Experimente der gleichen Art. Zum Beispiel: zwei Stunden live unterwegs mit dem Briefträger. Oder: zwei Stunden live in der Buchhaltung. Na ja, noch lachen wir. Aber in zwei Jahren…
+++ Großes Serien-Thema heute: die neue Sky-Serie “The Loudest Voice“ über Fox-Gründer Roger Ailes, in dessen dicken Körper Russell Crowe für sieben Folgen geschlüpft ist. Nina Rehfeld schreibt auf der FAZ-Medienseite (45 Cent bei Blendle): “’The Loudest Voice’ vermag auch dank Russell Crowes Spiel zu fesseln. Und doch wirkt die Miniserie heute, da auf Twitter, Facebook und Instagram Themen gesetzt und Menschen in dauernder Erregung gehalten werden, seltsam antiquiert. Man fragt sich, was die Serienmacher über die Charakterisierung der Hauptfigur hinaus zu sagen haben. Es fehlt die Einordnung, (…)“ Auch Jens Müller ist angetan, vor allem von Russell Crowe. Er schreibt für die taz. Torsten Zarges kritisiert für DWDL: “Doch allen Mühen zum Trotz funktioniert "The Loudest Voice" lediglich als aufwändig nachgespieltes Doku-Drama, nicht als emotionale fiktionale Reise.“ Und Jan Freitag schreibt schreibt für den Tagesspiegel: “Ailes vereint alles, was an Männern mit Macht verachtenswert ist. Umso dankenswerter ist es von der Serie, ihn nicht (nur) als Monster zu zeigen.“
Neues Altpapier gibt’s wieder am Mittwoch.
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