Das Altpapier am 19. Juli 2019 Transfermarktgeflüster
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Die Luft für Netflix wird dünner. Es gibt immer mehr Streaming-Angebote. Das bringt ein neues Phänomen mit sich – auch beim Sport-Streaming. Mit einer ähnlichen Geschwindigkeit wächst die Zahl der Morning-Briefings. Ein Altpapier von Ralf Heimann.
Eines der beliebtesten Zitate von Netflix-Gründer Reed Hastings ist, dass der größte Konkurrent seines Streamingdienstes der Schlaf sei. Heute steht es zum Beispiel in einem Porträt, das Andrian Kreye für die Meinungsseite der SZ geschrieben hat, und das dort einen Platz bekam, weil die Netflix-Aktie nach Veröffentlichung der Nutzerzahlen etwas den Halt verlor. Jürgen Schmieder analysiert das auf der SZ-Medienseite. Auch er erwähnt natürlich das Zitat, wobei es in seinem Text vor allem darum geht, dass es so nicht mehr ganz stimmt.
Mittlerweile ist das drängendste Problem für Netflix, dass die Konkurrenz gerade nicht schläft. In den USA hat der Pay-TV-Sender HBO soeben sein neues Portal HBO Max vorgestellt. Und die immer größer werdende Liga der Streamingdienste bringt ein neues Phänomen mit sich: den Serientransfermarkt.
Soeben hat etwa die "Kultserie" Friends den Rechtebesitzer gewechselt. Sie ist von Netflix zum neuen Dienst HBO Max gewandert, was in den USA auch aufgenommen worden sei "wie der Transfer eines Sportstars", schreibt Jürgen Schmieder. Erstaunlich ist das, weil die Serie ihre Karriere längst beendet hat. Die jüngste Folge ist 15 Jahre alt. Trotzdem sind die Rechte für den US-Markt in diesem Jahr immerhin noch 80 Millionen Dollar wert.
Friends gehört zu den fünf erfolgreichsten Netflix-Serien der vergangenen Jahre. Die übrigen sind: The Office, Grey’s Anatomy, Navy CIS und Criminal Minds. Und das macht ein anderes Problem deutlich. Denn die Abonnenten verbringen "zwei Drittel ihrer Zeit mit Inhalten, die Netflix gar nicht selbst produziert hat".
Hinzukommt: Eigentlich hatte Netflix im vergangenen Jahr mit einem Zuwachs von knapp fünf Millionen Abonnenten gerechnet. Letztlich waren es nur 2,83 Millionen weltweit – und das, obwohl viele neue Konkurrenten noch gar nicht mitspielen.
Unter anderem Disney, Apple, WarnerMedia und NBCU planen eigene Streaming-Angebote. Das bedeutet für Netflix: neue Probleme.
"Die finanziell jeweils erfolgreichsten drei Kinofilme der vergangenen drei Jahre sind allesamt von Disney. Die Filme aus 2017 und 2018 sind derzeit bei Netflix zu sehen, das dafür 150 Millionen Dollar im Jahr bezahlt. Vom kommenden Jahr an werden sie dort allerdings fehlen. Weil sie dann bei Disneys Portal landen",
schreibt Jürgen Schmieder. Dass die Freizeit nicht proportional zur Anzahl der Streamingdienste wächst, ist gleich in mehrfacher Hinsicht ärgerlich, nicht nur für Netflix, und es ist dazu noch einer von mehreren Faktoren, die das Geschäft zusätzlich erschweren. Das reißt Andrian Kreye in seinem Porträt an. Reed Hastings hat sein altes Zitat, das mit dem Schlaf, mittlerweile nämlich bereits selbst korrigiert und laut Kreye eingeräumt, dass
"der eigentliche Konkurrent (…) das Onlinespiel Fortnite (sei). Und als nun die Aktie seines Unternehmens am Mittwoch mehr als elf Prozent an Wert verlor, nannte er Googles Videoplattform Youtube".
Dass auch Youtube in seiner Entwicklung nicht stehenbleibt, ist Thema einer Analyse, die Alexander Demling und Hannah Steinharter für das Handelsblatt geschrieben haben (€, kurze Zusammenfassung bei Turi2).
Welche Rolle das klassische Fernsehen einnimmt, jedenfalls in Deutschland, verdeutlicht unter anderem eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom, die Thorsten Mumme sich für seinen Beitrag über den Streaming-Markt im Tagesspiegel angesehen hat.
Danach "schauen fast zwei Drittel der Befragten zumindest hin und wieder Fernsehsendungen, die bereits im TV liefen, in der jeweiligen Mediathek. On-Demand-Portale wie Netflix nutzen demnach nur 42 Prozent."
Und noch gar nicht erwähnt ist hier all das, was Menschen sonst so in ihrer Freizeit treiben und was die zur Verfügung stehende Zeit noch knapper werden lässt. Bislang zum Beispiel: Streiten darüber, welche Serie man gemeinsam schaut. In Zukunft möglicherweise auch noch: Streiten darüber, auf welchem Streaming-Dienst man diese Serie sucht.
Eurosport gibt auf
Auch die noch gar nicht erwähnten Sport-Streamingportale konkurrieren natürlich um dieselbe Freizeit. Und dazu kommen wir jetzt, denn der Streamingdienst Dazn (gesprochen: "Da Zone") hat etwas überraschend Eurosport die Übertragungsrechte für unter anderem 40 Bundesliga-Spiele abgekauft, was Caspar Busse und Clara Lipkowski für die SZ hier im Detail erklären. Das sieht nun erst mal nach einer ziemlich deutlichen Niederlage für Eurosport aus.
So deutet es zum Beispiel Alexander Krei in seinem Kommentar für DWDL. Er glaubt, dass der Discovery-Konzern, zu dem Eurosport gehört, sich einfach verspekuliert hat.
"Lange hatte Discovery mit Sky verhandelt, um für das vermeintliche Fußball-Schmankerl bessere Konditionen bei der Verbreitung seines Pay-TV-Kanals Eurosport 2, auf dem die Bundesliga ursprünglich laufen sollte, herauszuholen. Doch Sky stellte sich stur – auch weil man in Unterföhring ahnte, dass das Bundesliga-Paket längst nicht so attraktiv war wie Discovery glaubte. Zu verzichtbar schienen die oft wenig glanzvollen Freitagsspiele, zu unwichtig die vereinzelten Partien am Sonntagmittag oder Montagabend."
Manuel Weis deutet den Rechteverkauf in seinem Kommentar für Quotenmeter ebenfalls als Beleg fürs Scheitern von Eurosport, und sei auch als Zeichen zu verstehen.
"Die Eurosport-Entscheidung, auf halber Strecke aufzugeben, hat Signalwirkung – weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Auch in Italien, Frankreich, Spanien und (ein Stück weit auch) in England ächzen die TV-Stationen inzwischen unter den riesigen Summen, die sie an die Ligen und Vereine zahlen müssen, um das begehrte Gut Live-Fußball übertragen zu dürfen."
Der verfrühte Verkauf der Rechte habe eines deutlich gezeigt:
"Wer neu ist im Karussell der Live-Rechte-Anbieter der Bundesliga, verdient selbst dann kein Geld, wenn sich die Unkosten noch im Rahmen halten. Für mögliche Investoren sind die TV-Rechte seit Mittwoch noch ein Stück uninteressanter geworden als sie es vielleicht eh schon waren."
Keineswegs als Niederlage verstanden wissen will das natürlich Discovery-Chefin Susanne Aigner-Drews, die im DWDL-Interview mit Timo Niemeier (Überschrift: "Wir sind nicht gescheitert") sagt:
"Nein, ein Scheitern ist das bestimmt nicht. Wir haben immer gesagt, dass wir offen sind für Partnerschaften. Noch einmal: Der Deal betrifft nicht nur Deutschland, sondern auch die anderen, bereits genannten Länder. DAZN ist für uns künftig ein sehr wichtiger Distributionspartner."
Die FAZ-Redakteure Michael Ashelm und Henning Peitsmeier haben ebenfalls mit dem Unternehmen gesprochen. Und auch der stellvertretende Discovery-Chef Alberto Horta will in der Entscheidung erwartungsgemäß nicht das Eingeständnis sehen, dass man sich nicht durchgesetzt habe.
Er "verwies auf die weiteren Vereinbarungen für wichtige Sportrechte der beiden Unternehmen (Discovery und Dazn, Anm. Altpapier): Die Sender Eurosport 1 (frei empfangbar) und Eurosport 2 (Pay-TV) sollen künftig in Deutschland, Österreich, Italien und Spanien auch auf der Dazn-Plattform verfügbar sein. Zu den Programminhalten gehören unter anderem die Grand-Slam-Turniere im Tennis, große Radrennen, der Ski-Weltcup und Olympia."
Ob das Geschäft allerdings wirklich so stattfinden wird, steht noch gar nicht fest. Darüber muss das Bundeskartellamt noch entscheiden. Ein Sprecher der Behörde hat der FAZ immerhin schon bestätigt, "dass es die Möglichkeit einer Sublizensierung gebe". Und sehr lange wird es wohl nicht mehr dauern, bis eine Entscheidung fällt. Das erste Spiel, den Supercup zwischen Bayern München und Borussia Dortmund, will Dazn schon am 3. August übertragen.
Die mediale Morgenroutine
Wo wir gerade bei Zeitfressern sind, sprechen wir doch auch noch kurz über Morning Briefings, die den Streaming-Diensten vermutlich keine Konkurrenz machen, deren Anzahl aber ebenfalls stetig wächst – und mit denen man im Grunde auch den ganzen Tag verbringen könnte. Altpapier-Kollege Christian Bartels hat sich diesem Angebot in seiner Medien-Kolumne bei Evangelisch.de gewidmet. Und nur, um einen Eindruck davon zu vermitteln, welche Ausmaße dieser Trend mittlerweile angenommen hat.
"Insgesamt bietet die 'FAZ' 20 E-Mail-Newsletter an und übertrumpft damit knapp den alten Rivalen 'Süddeutsche' (19), liegt jedoch hinter Springers 'Welt' und der Wochenzeitung 'Die Zeit' (jeweils 25). Zurückhaltend ist 'taz' mit nur zwei oder drei Newsletter. (…) Womit noch längst nicht alle Newsletter genannt sind. "
Das Gute daran ist, dass mit dieser neuen Gattung auch journalistisch interessante Formate entstanden sind, die man anderswo nicht findet. Christian Bartels empfiehlt zum Beispiel Gabor Steingarts Morning Briefing, denn es rege "die eigene Meinungsbildung mehr an als es die Nachrichtenportale tun, die meist das melden, was alle anderen auch melden". In den wöchentlichen Tagesspiegel-Newslettern für die zwölf Berliner Bezirke sieht er ein "gelungenes Beispiel für das besonders schwierige Feld des Lokaljournalismus".
Und mit dem hier am Mittwoch schon im Altpapier erschienenen Hinweis auf die Kolumne aus der vergangenen Woche, in der es um "Beitrag und Auftrag" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geht, kriege ich noch so gerade die Kurve zum Aufmacher auf der FAZ-Medienseite heute (45 Cent bei Blendle), in dem es ebenfalls um dieses Thema geht.
Dort schreibt Harald Hartung, Chefredakteur des Blogs Medienpolitik.net, über die bislang unklaren Details der von den Bundesländern beabsichtigen Änderungen bei der Festlegung des Rundfunkbeitrags (im Altpapier zuletzt am Dienstag Thema).
Danach sind sich inzwischen fast alle Länder darüber einig, dass der Beitrag in Zukunft an einen Index gekoppelt werden soll. Uneinigkeit bestehe allerdings darüber, welche Rolle die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) bekommen soll, und wie der Auftrag in Zukunft aussehen soll. Außerdem gehe es um die Fragen, "wie der indexierte Beitrag überprüft wird und welche Konsequenzen diese Überprüfungen haben". Konkret gehe es zum Beispiel um die Frage, hier zitiert Hartung Dirk Schrödter (CDU), den Chef der schleswig-holsteinischen Staatskanzlei,
"ob die Legislative das Ergebnis dieser Überprüfung immer positiv bestätigen muss oder ob ein Nachsteuern durch die Landtage nur erforderlich sein soll, wenn die Kef Handlungsbedarf bei der Beitragshöhe, nach unten oder nach oben, sieht".
Das klingt ein bisschen nach technischen Detailfragen, sei aber keineswegs banal. Hartung: "Die Antwort entscheidet darüber, ob das angepeilte Modell verfassungskonform wird." Ob man sich in diesen Details einig werde, sei zudem auch noch gar nicht klar. Im Oktober werden die Bundesländer wieder darüber sprechen.
Altpapierkorb (Panne bei der Mondlandung, Journalistenwatch, FaceApp-Warnung, Redaktions-WG im Osten, neuer Medien-Ethik-Kurs)
+++ Der @mediasres-Beitrag zur die Mondlandung vor 50 Jahren beginnt mit der Feststellung, dass es heute wohl nicht mehr so schwer wäre, eine stabile Leitung in die USA herzustellen, und gegen Ende muss Moderator Sebastian Wellendorf dann mitteilen: "Und jetzt kommt das Absurde: Wir wollten eigentlich mit Otto Deppe sprechen, der als Journalist damals dabei war. Aber uns gelingt nicht, die Leitung nach Süddeutschland einzustellen." Der Beitrag und die mit Pageflow gebastelte Themenseite zur Mondlandung sind aber – daran ändert diese kleine Panne nichts – sehr gut gelungen.
+++ Der Trägerverein des rechten Blogs Journalistenwatch hat seine Gemeinnützigkeit verloren, berichtet Christian Fuchs für Zeit Online. "Die Vereinsvorsitzende Marilla Slominski dementierte den Verlust der Gemeinnützigkeit nicht, sondern bat auf Anfrage nur darum, ihre Mitarbeiter nicht weiter zu 'belästigen'."
+++ Eine zwei Jahre alte App, die ihre Nutzer alt aussehen lässt, die FaceApp, ist in den vergangenen Tagen etwas verspätet zum viralen Trend geworden. Max Muth weist in der SZ darauf hin, dass nicht so ganz klar sei, was die App, deren Entwickler aus Russland stammen, mit den Bildern macht – ob sie zum Beispiel mit den zu bearbeitenden Bildern noch weitere herunterlädt und auf eigenen Servern speichert. Für Muth käme sein eigener Hinweis allerdings schon zu spät. Seinen Selbstversuch hat er im Artikel mit Bildern dokumentiert.
+++ Funke hat eine personalisierte Zeitung entwickelt. Thomas Nötting berichtet für Werben & Verkaufen. Die Zeitung hat acht Seiten, wird an Werbekunden verschickt, Absender ist die jeweilige Regionalzeitung. Sinn der Sache ist allerdings wohl nicht ganz so sehr, die Leser glücklich zu machen, sondern vor allem, die großen Streuverluste von Zeitungswerbung zu minimieren.
+++ Der Zusammenschnitt dauert nur knapp drei Minuten, aber er ist kaum auszuhalten: die Wetterberichterstattung beim Nachrichtensender Welt, dokumentiert von Übermedien. Wenn Sie es bis zum Ende durchhalten, sind Sie schon besser als ich.
+++ FAZ-Redakteur Hendrik Wieduwilt hat für die FAZ "mal was Neues probiert" – und in einem dreieinhalb Minuten langen Video erklärt, warum die CDU ihr Versprechen zu den Uploadfiltern nicht halten können wird. Rezo gefällt’s. Er kommentiert: "Nices Ding. Freue mich auf mehr :)"
+++ So richtig voran geht es mit dem Breitbandausbau in Deutschland anscheinend nicht. Jörg Breithut hat für Spiegel Online in Erfahrung gebracht, dass die Kommunen auf 124 Millionen Euro an Fördermitteln verzichten, allerdings nicht freiwillig. Schuld sind unter anderem Geschwindigkeits-Grenzwerte, die darüber entscheiden, ob der Breitbandausbau in einer Region gefördert wird oder nicht. Weil Provider ihre Leitungen aufgerüstet haben und die Grenzwerte jetzt vielerorts überschreiten, können bereits zugesicherte Förderungen nicht mehr ausgezahlt werden.
+++ Christian Lindner, Vize-Chef der "Bild am Sonntag", verlässt die Zeitung nach knapp anderthalb Jahren wieder, teilt Lindner bei Twitter mit. Auf eigenen Wunsch, wie Meedia von der Springer-Pressestelle weiß.
+++ Der Psychologe Christian Montag spricht im Zeit-Podcast mit Dirk Peitz über Smartphones, Social Media – und ab wann das alles zum Problem wird.
+++ Wenn mehr Migranten und Arbeiterkinder in den Redaktionen arbeiten sollen, "muss man gezielt, strukturiert und vorurteilsfrei Talente suchen. Und dann muss man sie auch ordentlich bezahlen", schreibt Olivera Stajić in ihrem Kommentar für den Standard.
+++ Friedrich Küppersbusch hat bei einem Empfang zum 60. Geburtstag von Alt-Bundespräsident Christian Wulff, den Festvortrag gehalten. Dort wurde auch das bundesweite Projekt "Demokratie stärken – den gesellschaftlichen Zusammenhalt sichern" der Konrad-Adenauer-Stiftung vorgestellt. Die Medienkorrespondenz dokumentiert den Vortrag, in dem es um das seltsame Verhältnis von Politik und Medien geht.
+++ Die taz eröffnet eine WG in Dresden. Von dort aus werden 30 Redakteurinnen und Redakteure über die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen berichten. Zu finden sein werden die Inhalte auf dieser Seite. Welche Veranstaltungen die Redaktions-WG unter anderem plant, schreibt Jan Feddersen in einem taz-Beitrag in eigener Sache.
+++ Und zum Schluss noch ein Tipp: Die am 9. Juli gestartete Lernplattform OPEN vhb bietet einen neuen Kurs zu medienethischen Fragen an. Der Kurs, wie auch alle übrigen, ist offen und kostenlos.
Neues Altpapier gibt es am Montag.