Ein Arzttermin
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Terminservice- und Versorgungsgesetz Schnellere Arzttermine, mehr Sprechstunden

16. Juli 2019, 16:43 Uhr

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) tritt in Kraft. Gesetzlich Krankenversicherte sollen damit schneller Arzttermine bekommen, Wartezeiten sollen sich so reduzieren. Gleichzeitig erhöhen sich Mindestsprechstunden von Arztpraxen. Millionen Patienten könnten davon profitieren. Mediziner kritisieren aber Teile des neuen Gesetzes, Patientenschützer befürchten Tücken. Ein Überblick.

Ein Termin beim Facharzt ist erst in ein paar Monaten frei, Privatpatienten kommen nächste Woche dran. Für viele gesetzlich Versicherte sind solche langen Wartezeiten bei Arztterminen ein Aufregthema. Die große Koalition will dem mit konkreten Maßnahmen entgegensteuern: Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). Gesetzlich Krankenversicherte sollen so genauso schnell einen Arzttermin bekommen wie Privatversicherte.

Was ändert sich bei der Terminvergabe?

Kern des neuen Gesetzes ist der Ausbau der Terminservicestellen. Sie sollen zur zentrale Anlaufstelle für Patienten werden. Telefonisch lassen sich so Arzttermine vereinbaren. Die Wartezeit auf einen Facharzttermin soll bei maximal vier Wochen liegen.

Terminservicestellen gibt es schon seit 2016. Bisher sind die aber je nach Bundesland unter unterschiedliche Telefonnummern erreichbar an unterschiedlichen Tagen und zu verschiedenen Zeiten. Das soll sich vereinfachen. Ab 1. Januar 2020 sollen die Terminservicestellen jeden Tag rund um die Uhr erreichbar sein - unter der bundesweiten Telefonnummer 116 117, auch online und per Handy-App.

Kürze Wartezeiten über die Servicestellen seien das eine, sagt Roland Stahl von der kassenärztlichen Bundesvereinigung. "Allerdings haben Patienten dann auch keinen Anspruch auf Termine bei ihren Wunschärzten. Die freie Arztwahl in Deutschland ist aber ein nicht zu unterschätzendes Gut."

Was ändert sich in den Praxen?

Kassenärzte müssen künftig 25 statt 30 Stunden in der Woche für gesetzlich Versicherte da sein. Ärzte argumentieren, dass sie die künftig geltenden Mindestsprechstunden schon jetzt einhielten oder sogar noch mehr arbeiten würden. Roland Stahl kann das bestätigen: "Die durchschnittliche Arbeitszeit von niedergelassenen Ärzten liegt ohnehin schon bei 50 Stunden und mehr. Platt gesagt: Da fragt man sich schon, was das neue Gesetz bringen soll."
Bei Augen-, Frauen- und HNO-Ärzten muss es mit dem neuen Gesetz künftig fünf Stunden pro Woche an offenen Sprechzeiten geben. So soll es Patienten möglich sein, auch spontan einen Arztbesuch wahrnehmen zu können. Kritiker warnen vor überfüllten Wartezimmern. Auch Roland Stahl ist skeptisch: "Wenn eine Praxis voll ist, dann ist sie voll. Da nützen auch fünf zusätzliche Sprechstunden nichts."

Was ändert sich für Ärzte?

Ärzte sollen mit finanziellen Anreizen angespornt werden. So soll es beispielsweise 10 Euro extra geben, wenn ein Hausarzt bei einer Überweisung gleich dafür sorgt, dass Patienten einen dringenden Termin bei einem Facharzt bekommen. Für Ärzte auf dem Land soll es auch Zuschläge geben. Extra honoriert werden soll auch, wenn Ärzte neue Patienten in der Praxis aufnehmen. Kritiker warnen, dass sich Ärzte künftig mehr auf Neupatienten konzentrieren könnten und chronisch Kranke und ältere Menschen, die häufiger einen Arzt bräuchten, hintenanstünden.

Was tut sich bei der Digitalisierung?

Geht es nach Jens Spahn, soll ärztliche Versorgung digitaler werden. Dafür müsse die digitale Patientenakte Alltag werden. Mit dem neuen Gesetz müssen Krankenkassen bis spätestens 2021 ihren Versicherten digitale Patientenakten anbieten. Auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - der "gelbe Schein" - soll es ab 2021 in digitaler Form geben.

Was kostet das neue Gesetz?

Auf die gesetzlichen Krankenkassen dürften bisher Mehrausgaben von bis zu 800 Millionen Euro zukommen. Die bisherigen Ausgaben für Arzt-Honorare liegen bei 40 Milliarden Euro. "Wer mehr behandelt, soll auch entsprechend besser vergütet werden", so Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und verweist auf das dicke Finanzpolster vieler Kassen. Grüne und Linke halten dagegen, dass die Ausgaben zu teuer seien und damit Klientelpolitik für Mediziner betrieben werde.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 30. April 2019 | 17:30 Uhr