Flughafenausbau DHL-Blockade: Demonstranten werfen Leipziger Polizei Schikane vor

14. Juli 2021, 19:24 Uhr

Gegen die Ausbaupläne des Flughafens Leipzig/Halle formiert sich weiter Widerstand. Klimaaktivisten und Bürgerinitiativen wollen diese Woche erneut demonstrieren. Nach der Blockade des DHL-Drehkreuzes am vergangenen Freitag erneuerten die Demonstranten ihre Kritik am Vorgehen der Polizei und werfen den Beamten Schikane vor. Zudem fordern sie Ministerpräsident Michael Kretschmer auf, sich für seine Äußerungen öffentlich zu entschuldigen.

Der Protest gegen die Ausbaupläne des Frachtdrehkreuzes am Flughafen Leipzig/Halle reißt nicht ab. Am Mittwoch kündigten verschiedene Gruppen von Klimaaktivisten und Bürgerinitiativen für Freitag eine große Demonstration in Leipzig an. Bei der digitalen Pressekonferenz wurde auch noch einmal Kritik an dem Vorgehen der Polizei und den Zuständen in der über 30 Stunden andauernden Gewahrsamnahme erneuert.

Kein Essen und wüste Beschimpfungen

Leah Baum ist eine der Demonstrantinnen gewesen, die am vergangenen Freitag bei der Blockade von DHL dabei war. Über 30 Stunden war sie in Polizeigewahrsam. Essen habe sie erst am Sonntag erhalten und das auch nur in Form einer Fünf-Minuten-Terrine, erzählt die 26-Jährige am Mittwoch bei der Online-Pressekonferenz. Auch zu Trinken habe es wenig gegeben. Polizeisprecher Olaf Hoppe hatte das in dieser Woche mit logistischen Schwierigkeiten begründet.

Leah Baum berichtet weiter, dass sie sich bis auf die Unterwäsche habe ausziehen müssen. Decken, um sich zu wärmen, habe es nur wenige gegeben. Auch verbalen Schikanen sei sie ausgesetzt gewesen.

Es fielen da Begriffe wie die linken Zeckenschweine, die hier untergekommen sind. Es fielen oft sexistische Kommentare gegenüber weibliche Personen.

Leah Baum Demonstrantin

Blutabnahme wegen Nötigung?

Um 3 Uhr in der Nacht seien dann Beamte in ihre Zelle gekommen, um ihr mitzuteilen, dass ein richterlicher Beschluss vorliege, um ihr Blut abzunehmen, erzählt Baum weiter. Gesehen habe sie diese Anordnung nie, da diese nur mündlich vorgelegen hätte. Genau dieses Vorgehen findet Jürgen Kasek, Leipziger Grünen-Stadtrat und Anwalt mehr als fragwürdig. "Unter dem psychisch vermittelten Eindruck, dass jetzt mit körperlicher Gewalt reagiert werden soll", hätte die in Gewahrsamgenommene dieser Untersuchungen zugestimmt, erklärt Kasek.

Das ist ein Vorgehen, was in einem Rechtsstaat immer befremdlich aufstoßen muss.

Jürgen Kasek Rechtsanwalt

Begründet wurde die Blutabnahme mit der verweigerten Preisgabe der Personalien und mit dem Straftatverdacht der Nötigung.

Widersprüchliche Angaben zu DHL-Schaden

Noch während der Blockade hatte das Logistikunternehmen DHL von einem Schaden von 1,5 Millionen Euro gesprochen. Bereits drei Tage später ruderte DHL zurück. "Die nächtliche Sperrung der Zufahrt zum DHL Express Drehkreuz hat zu Verzögerungen im Betriebsablauf mit lokal überschaubaren Auswirkungen geführt. Der entstandene Schaden und mögliche Effekte auf das weltweite Netzwerk lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht genau benennen", hieß es in einer Mitteilung von Montag.

Inzwischen erklärte ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage von MDR SACHSEN, bei der erstgenannten Summe handele es sich um eine von der Polizeibehörde angefragte Schätzung. Und auch die Behauptung, dass durch die Blockade Impfstoffe nicht angeliefert werden konnte, ist plötzlich vom Tisch.

Ausgeschlossen werden kann allerdings, dass Impfstofflieferungen von Verzögerungen betroffen waren.

Bürgerinitiative fordert Richtigstellung von Kretschmer

Ganz besonders stößt den Klimaaktivisten auf, dass der Protest durch die Aussagen von Polizei und Politik kriminalisiert worden sei. Dass die Angaben der DHL ungeprüft übernommen worden seien - auch von den Medien - habe zu zahlreichen Anfeindungen in den sozialen Netzwerken geführt.

Peter Richter von der Bürgerinitiative IG Nachtflugverbot findet vor allem das Vorgehen von Ministerpräsident Michael Kretschmer skandalös. Der Regierungschef habe am Sonntagmorgen diese Behauptungen ohne Prüfung weiterverbreitet. Das sei Verleumdung, so Richter.

Wir werden mit einem offenen Brief an die Staatsminister sowie an der Ministerpräsidenten darauf dringen, dass das an gleicher Stelle zurückgenommen wird und diese Geschichte aus der Welt geräumt wird. Dass es sich hier um keine gewaltsame Aktion gehandelt hat.

Peter Richter Bürgerinitiative IG Nachtflugverbot

Michael Kretschmer hatte auf Anfrage der LVZ erklärt, hier seien Grenzen überschritten worden. Dafür habe der Rechtsstaat vernünftige Instrumente und Schritte, die jetzt auch angewandt werden sollten. Sachsens Wirtschaftsminister und Noch-SPD-Chef Martin Dulig twitterte ebenfalls am Sonntag sein Unverständnis über die Aktion.

Die Blockade und die Folgen werden nun auch Thema im Sächsischen Landtag sein. Der Linken-Angeordnete Marco Böhme hat eine Kleine Anfrage eingereicht, die unter anderem klären soll, woher die von der Polizei verbreiteten Informationen stammten.

Quelle: MDR/bb/syst

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Im Regionalreport aus dem Studio Leipzig | 14. Juli 2021 | 16:30 Uhr

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