Finanzierung Von Dresden bis Leipzig: Sächsische Kabaretts sorgen sich um die Zukunft
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12. Februar 2025, 04:02 Uhr
Ist Kabarett noch bezahlbar? Die Kabarettbefragung von MDR KULTUR zeigt, dass vor allem die Häuser in Sachsen mit Geldproblemen zu kämpfen haben. Sie finanzieren sich fast ausschließlich über den Eintritt. Doch das Publikum wählt mittlerweile sehr genau aus, was es sich noch leisten möchte. Dazu kommen wie überall höhere Kosten. An staatlicher Unterstützung mangelt es. Das alles bringt die Kabaretts an ihre Grenzen. Wir haben zwei von ihnen besucht und mit den Betreibern gesprochen.
- Kabaretts in Sachsen leiden unter steigenden Kosten und schwankenden staatlichen Förderungen.
- Sie reagieren darauf unterschiedlich – manche erhöhen die Preise, andere dünnen das Programm aus.
- Außerdem versuchen die Kabaretts mit unterschiedlichem Erfolg junge Zielgruppen zu erreichen.
Die sächsischen Kabaretts sorgen sich um ihre Zukunft. Das geht aus der MDR KULTUR Kabarettbefragung hervor, die in Zusammenarbeit mit MDR fragt, dem Meinungsbarometer für Mitteldeutschland, entstanden ist. Vier von sechs befragten Kabaretts in Sachsen sagen demnach, dass die finanzielle Situation im Vergleich zum Jahr 2000 schlechter geworden ist. In Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Situation der Kabaretts laut der Befragung weniger angespannt. An der Befragung haben sich 15 der 16 festen Kabaretts mit eigenem Ensemble in Mitteldeutschland beteiligt.
Höhere Kosten bei weniger Förderung
Wie fast alle Branchen kämpfen auch die Kabaretts mit gestiegenen Kosten für Lohn, Energie und Miete. Dörte Waurick, Geschäftsführerin des Kabaretts Academixer in Leipzig, sagte MDR KULTUR, man sei "vor zehn Jahren mit wesentlich geringerem Umsatz gut klar gekommen". Seit Corona habe sich die Lage jedoch verschärft.
Diesen Eindruck bestätigt auch Jens Fritzsche. Er ist beim Dresdner Kabarett Herkuleskeule für das Marketing zuständig. Durch die Pandemie seien auch die Streamingdienste stärker geworden, die man als Konkurrenz betrachte, so Fritzsche bei MDR KULTUR. Doch er gibt gleichzeitig etwas Entwarnung: "Es ist nicht so, dass wir finanziell auf Rosen gebettet sind, aber wir denken auch nicht darüber nach, hier morgen die Tür zuzumachen."
Es ist so, dass man vor zehn Jahren mit wesentlich geringerem Umsatz gut klar gekommen ist als Unternehmen.
Mit Sorge blicken er und viele andere Kollegen jedoch auf das Thema Förderung. Nur 4 von 15 Kabaretts in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erhalten staatliche Unterstützung. Die Herkuleskeule in Dresden beispielsweise finanziert sich zu rund 90 Prozent aus den Ticketverkäufen, benötige aber auch Förderung von der Stadt – und das in einer Zeit, in der Kommunen wie Dresden knapp bei Kasse sind. Wenn der Staat sich da zurückziehe, werde es schwieriger, die Fixkosten wie zum Beispiel Miete zu decken, sagt Fritzsche: "Das ist eine Herausforderung, das muss man so deutlich sagen."
Schon die freie Musik- und Theaterszene in Sachsen zeigte sich zuletzt besorgt angesichts der unklaren Fördersituation. Zwar haben sich auf Landesebene CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag zur Kultur bekannt, gerade bei den Kabaretts kommt es aber vor allem auf kommunale Förderung an. Und den Kommunen fehlt es an Geld.
Preise erhöhen, um Förderung kämpfen
Wie gehen die Kabaretts in Sachsen mit dem Finanzdruck um? Man hoffe, sagt Jens Fritzsche, dass Unterstützung von der Stadt komme. Trotzdem fokussiere sich die Herkuleskeule auf das, was sie selbst in der Hand habe: "Wir müssen Tickets, Tickets, Tickets verkaufen!" Angesichts gestiegener Kosten werde man den Preis der Tickets noch in diesem Jahr um zwei Euro anheben, kündigt er an.
Auch im Kabarett Academixer in Leipzig hofft man in diesem Jahr noch auf eine Förderung. Eins der Bühnenstücke hat es auf die Förderliste der Stadt geschafft und könnte mit 16.000 Euro unterstützt werden, wenn der Haushalt verabschiedet wird.
Wir müssen Tickets, Tickets, Tickets verkaufen!
Im Jahr 2023 habe die ausbleibende staatliche Unterstützung bei den Academixern fast zur Insolvenz geführt, berichtet Dörte Waurick. Das habe bis heute Auswirkungen: Bis vor kurzem wurde auf der Bühne jeden Tag gespielt. Um Kosten zu senken, gibt es jetzt nur noch an sechs Tagen Programm – perspektivisch sollen es nur noch fünf sein. Das bedeutet auch, dass Arbeitsplätze wegfallen.
Während in der Dresdner Herkuleskeule das Publikum recht durchmischt ist – jung und alt, Touristen und Einheimische – leben die Academixer eher von ihrem Stammpublikum. Das sei im Durchschnitt 60 Jahre alt, bestehe überwiegend aus Frauen aus Leipzig und Umgebung, erklärt Dörte Waurick.
Kabaretts wollen junges Publikum anlocken
Bei der MDR KULTUR Kabarettbefragung gaben alle teilnehmenden Kabaretts an, auch junges Publikum erreichen zu wollen – zum Beispiel über veränderte Programme und Präsenz in den sozialen Medien. Dörte Waurick und ihr Academixer-Team haben es darüber hinaus schon mit Kabarett-Schulprojekten versucht. Doch sie ist skeptisch, den Altersdurchschnitt im Publikum zu senken: "Kabarett ist kein Thema für junge Menschen. Da ist eine gewisse Reife erforderlich, um das einordnen zu können."
Vor zwei Jahren hatten bereits ihre Kollegen vom Leipziger Kabarett "Die Funzel" geschlossen. Direktor Thorsten Wolf sagte MDR KULTUR damals zur Begründung, dass man "Kabarett neu denken" müsse. Das sei aber schwierig, wenn das Ensemble selbst schon älter sei: "Wir sterben mit unserem Publikum aus."
Wir sterben mit unserem Publikum aus.
Das sieht Jens Fritzsche von der Herkuleskeule in Dresden ganz anders. Es komme auf die Themen an. Ein neues Programm des Hauses spiele zum Beispiel in einer verstrittenen Zweck-WG: "Ich glaube, Kabarett kann jung sein!" Die Herkuleskeule versuche außerdem, mit neuen Veranstaltungen zu punkten – beispielsweise ist eine Matinee mit Ex-Fußballstar Ulf Kirsten geplant.
In einem Punkt sind sich Dörte Waurick und Jens Fritzsche einig: Es braucht weiterhin Kabarett. Die oft beschworene Politikverdrossenheit "weicht dem Interesse, sich auch mit Dingen auseinandersetzen zu wollen", sagt Fritzsche. Das wiederum sei nicht so gut "digital erlebbar", sagt Dörte Waurick. Im Kabarett zu sitzen und sich voll darauf einzulassen sei "ein anderes Erlebnis".
Quelle: MDR KULTUR (Philipp Lakomy), MDRfragt
Redaktionelle Bearbeitung: bh
Hinweise zur Kabarettbefragung 2025
MDR KULTUR hat in Zusammenarbeit mit MDRfragt, dem Meinungsbarometer für Mitteldeutschland, die 16 festen Kabaretthäuser mit eigenem Ensemble in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen befragt. 15 von ihnen haben an der Befragung teilgenommen. Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Die Befragung der MDRfragt-Gemeinschaft fand vom 14. bis 17. Januar 2025 statt.
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.
Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 12.197 Menschen online mit ihrer Meinung eingebracht.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.
MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie unter dieser Erklärungsbox.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 14. Februar 2025 | 08:10 Uhr