Eine Hand unterschreibt auf einem Blatt
Behördenformulare auszufüllen, stellt viele vor eine Herausforderung. Ehrenamtler helfen Bedürftigen, teils kompliziertes Behördendeutsch zu übersetzen. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Gajus

Hilfe beim Wohngeld Ehrenamtler aus Leipzig ärgert sich über Behörden und befürchtet Imageschaden

16. August 2023, 16:58 Uhr

Bei Behörden und Ämtern stapeln sich aktuell die Anträge für Wohngeld. Ein ehrenamtlicher Helfer aus Leipzig ist frustriert, weil er und eine Geflüchtetenfamilie auf die Antwort auf einen Antrag warten. Dabei ärgert sich der Ehrenamtler nicht das erste Mal über die Verwaltung.

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Mehrere traurige Smileys blicken dicht gedrängt von einer Vorderseite einer christlichen Zeitung. Nur ein einzelner lächelnder Smiley sticht aus der Reihe heraus. Im Artikel darunter geht es darum, dass im Alltag viel über Schlechtes gesprochen wird, aber man selbst Gutes schaffen kann. Willi K., der nicht mit richtigem Namen genannt werden will, sitzt am Wohnzimmertisch und nimmt die Zeitung in die Hand. Er zeigt auf den lächelnden Smiley und sagt: "Wir wollen Hoffnung verbreiten und Gutes fördern." Für den Rentner gehört es einfach dazu, anderen zu helfen.

Seit vielen Jahren hilft Willi K. deutschen wie auch geflüchteten Familien dabei, Anträge etwa für Wohn- oder Fahrtgeld zu stellen. Dabei hat er wiederholt schlechte Erfahrungen mit Behörden und Ämtern gesammelt. Seit mehreren Jahre helfe er beispielsweise einer Geflüchtetenfamilie aus Leipzig, die im gleichen Mietshaus wie er wohnt. Aktuell würde Joe, seine Ehefrau Jasmin (Namen durch Redaktion geändert) und ihre zwei Kinder immer noch auf eine Antwort auf einen Wohngeldantrag warten. "Wir haben den Wohngeldantrag in der ersten Januarhälfte gestellt", sagt Willi K.

Mehr als sechs Monate keine Antwort

Mehr als sechs Monate sind seitdem vergangen. Willi K. schüttelt mit dem Kopf. Denn der habe erst in jüngsten Medienberichten davon gehört, dass über Wohngeldanträge innerhalb von vier Monate entschieden werde. Solche "Falschbehauptungen" würden kein gutes Licht auf Ämter, Behörden und die Medien werfen, meint Willi K. Ein anderer Antragsteller, dem der 67-Jährige ebenfalls beim Wohnantrag geholfen habe, habe erst nach fünf Monaten Antwort durch das Sozialamt erhalten. Doch warum dauert es aktuell bei manchen Anträgen so lange?

Antragswelle im Sozialamt Leipzig

Im Sozialamt Leipzig wie auch anderen Städten in Sachsen stapeln sich die Wohngeldanträge schon seit mehreren Monaten. Wie das Sozialamt auf Anfrage von MDR SACHSEN mitteilt, hat sich die durchschnittliche Bearbeitungszeit für Wohngeldanträge im Juli im Vergleich zu April um 25 Tage auf ungefähr viereinhalb Monate erhöht. "Die lange durchschnittliche Bearbeitungszeit ist im Wesentlichem auf die hohen Antragszahlen im Zeitraum Dezember 2022 bis Februar 2023 zurückzuführen", heißt es aus dem Sozialamt. Vergangenes Jahr seien monatlich rund 1.900 Wohngeldanträge eingereicht worden. Im Dezember seien es 2.400 Anträge, im Januar 5.500 Anträge gewesen.

Die lange durchschnittliche Bearbeitungszeit ist im Wesentlichem auf die hohen Antragszahlen im Zeitraum Dezember 2022 bis Februar 2023 zurückzuführen.

Sozialamt der Stadt Leipzig

Das Mehr an Anträgen begründet das Sozialamt mit dem Wohngeld-Plus-Gesetz, das Anfang 2023 in Kraft getreten ist. Da mehr Menschen durch das Gesetz wohngeldberechtigt sind, wurde laut Behörde auch mehr Wohngeld beantragt. Um die Wohngeldanträge schneller zu bearbeiten, seien 30 zusätzliche Mitarbeitende in Leipzig eingestellt worden. Seitdem seien die Antragsstapel von rund 10.000 Wohngeldanträgen im April auf etwa 8.700 verringert worden. Doch die Antragswelle bleibe. So wurden laut Sozialamt im Juli 1.500 mehr Anträge gestellt als noch im Juni.

Fehlende Unterlagen und Klärungsbedarf verzögern Bearbeitung

Längst nicht jeder Antrag könne in der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer beantwortet werden, heißt es aus dem Sozialamt. "Im Einzelfall kann sich die Bearbeitungszeit verlängern, wenn Unterlagen nachgefordert werden müssen oder zusätzlicher Klärungsbedarf mit der antragstellenden Person oder anderen Behörden besteht."

Falschaussagen von Behördenmitarbeitern

Für Willi K. ist der Vorfall nur ein weiterer in einer Reihe schlechter Erfahrungen mit Behörden und Ämtern. Schon als Joe im Jahr 2015 nach Deutschland kam, habe es Hickhack um die Bewilligung der Fahrtkosten gegeben, damit er zum Deutschkurs fahren kann. Doch Joe, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Helmholtz-Institut arbeitete und seit vergangenem Jahr als Lehrer in einer Schule unterrichtet, habe kein Geld von der Zentralen Ausländerbehörde in Chemnitz erhalten.

Ich sagte dann, dass ich so lange dran bleibe, bis das geklärt ist und wenn ich die Staatsanwaltschaft einschalten muss.

Willi K. hilft Bedürftigen beim Antragstellen bei Behörden und Ämtern

Eine Mitarbeitende habe gegenüber Willi K. behauptet, dass das Geld längst an die Schule überwiesen worden sei. Doch von dem Geld habe es keine Spur gegeben. "Ich sagte dann, dass ich so lange dran bleibe, bis das geklärt ist und wenn ich die Staatsanwaltschaft einschalten muss", erinnert sich Willi K. Erst dann sei die Behördenmitarbeiterin bereit gewesen, den Fall zu prüfen. Am Ende habe sich herausgestellt, dass die Überweisung wohl vergessen worden sei. Dass das Fahrtengeld an die Schule überwiesen werden müsse, war laut Willi K. eine Falschaussage der Mitarbeiterin. Joe habe erst nach mehreren Wochen die Überweisung erhalten.

Wutausbruch auf dem Jugendamt

Anträge jeglicher Art zu stellen, kennt Willi K. durch seine früheren Arbeit bei einem gemeinnützigen Wohlfahrtsverband. Daher hat er auch einige Tricks: Damit bei Joe eigentlich nichts schief gehen konnte, sollte dieser sich von den Ämtern und Behörden bestätigen lassen, dass seine Antragsformulare vollständig sind, sagt Willi K. So auch bei einem Antrag beim Leipziger Jugendamt vor zwei Jahren für einen Kindergartenplatz. Joe habe sich die Vollständigkeit der Formulare von einer Mitarbeiterin bei der Abgabe bestätigen lassen. Später sei ihm vorgeworfen worden, dass "Unterlagen unvollständig, fehlerhaft ausgefüllt seien und deshalb nicht bearbeitet werden könnten", sagt Willi K.

Willi K. sei danach selbst zum Jugendamt gegangen und habe die Quittung vorgezeigt, die die Vollständigkeit der Formulare bestätigt. "Nachdem ich diese Quittung vorweisen konnte und die Mitarbeiterin aufforderte, die fehlenden Unterlagen zu suchen, erntete ich einen ungeheuerlichen Wutausbruch der Bearbeiterin. Aber es waren dann doch alle Unterlagen plötzlich vollständig vorhanden", sagt der Ehrenamtler. "Da haben Sie ja nochmal Glück gehabt", habe die Behördenmitarbeiterin schnippisch Willi K. entgegnet.

Imageschaden für Ehrenamt befürchtet

Willi K. habe sich durch solche Vorfälle nicht davon abbringen lassen, anderen zu helfen. Doch das Verhalten mancher Behördenmitarbeiter kann er bei allem Verständnis für den Stress auf den Ämtern nicht verstehen. "Wenn ich schon helfe, dann möchte ich auch entsprechend behandelt werden", sagt Willi K. Ehrenamtliche Helfer wie er würden den Ämtern schließlich Arbeit abnehmen.

Wenn ich schon helfe, dann möchte ich auch entsprechend behandelt werden.

Willi K. sorgt sich um das ehrenamtliche Engagement

Er befürchtet, dass sich durch das teils ruppige Verhalten von Behördenmitarbeitenden Antragsteller noch weniger trauen, Anträge zu stellen. Außerdem könnten Ehrenamtler von ihrem Engagement abgeschreckt werden. "Dadurch misstraut man öffentlichen Behörden", meint Willi K. Trotz der schlechten Erfahrungen betont der Rentner, dass die Zusammenarbeit mit den Ämtern über weite Strecken auch reibungsfrei laufen könne.

Willi K. sowie Joe und Jasmin hoffen nun, dass die Familie nun doch noch endlich eine Rückmeldung auf ihren Wohngeldantrag bekommt.

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