Landtagswahl in Sachsen-Anhalt Verein organisiert eine eigene Wahl für Migranten
Hauptinhalt
01. Februar 2016, 08:23 Uhr
Wer keine deutsche Staatsbürgerschaft hat, darf nicht wählen – das gilt für Landtags- und Bundestagswahlen. Das heißt, im März sind zur Wahl in Sachsen-Anhalt rund 60.000 Menschen nicht zugelassen. Flüchtlinge und auch Migranten, die schon länger im Land leben. Teil einer Gesellschaft zu sein, dazu gehört auch das Wahlrecht, finden die Migrantenverbände in Sachsen-Anhalt. Deshalb starten sie parallel zur Landtagswahl ein eigenes Wahlprojekt.
Csaba Döme vertritt in mehreren Vereinen die Interessen von Migranten. Beruflich veranstaltet er Projekte mit Schülern, in denen es um den Austausch zwischen den Kulturen geht. Außerdem ist er im Magdeburger Integrationsbeirat aktiv. Csaba Döme ist also ein politischer Mensch. Aber bei den kommenden Landtagswahlen darf er nicht wählen: "Mir stellt sich die Frage, warum Menschen, die hier leben und auch weiterhin leben werden, sich nicht beteiligen können und dürfen, obwohl sie hier auch arbeiten und Steuern zahlen usw."
Politische Bildung fördern
Der 43-Jährige lebt seit 2002 in Sachsen-Anhalt, hat hier auch studiert. Da er bereits zwei Staatsbürgerschaften hat – die serbische und die ungarische – hat er sich bisher nicht in Deutschland einbürgern lassen. Wie er leben in Sachsen-Anhalt insgesamt 22.000 Menschen ohne deutschen Pass. Für sie fordert das "Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt" (LAMSA) das Wahlrecht. Es gebe viele Hindernisse für eine Einbürgerung, meint LAMSA-Geschäftsführer Mamad Mohamad – aber wer hier dauerhaft lebt, solle sich politisch einbringen können. Vorerst lädt der Verein zu einer eigenen Landtagswahl ein. Sie findet am 11. März, zwei Tage vor der regulären, statt. Mamad Mohamad sagt: "Das wird ein Wahltag sein, von 9 bis 18 Uhr haben sie die Möglichkeit, in ein Wahllokal zu kommen und ihre Stimme abzugeben oder über Briefwahl."
Klar, das Ergebnis wird eher symbolisch sein – aber es geht auch um politische Bildung. Für die Sonderwahl werden die Programme der Parteien in zehn Sprachen übersetzt. Dieses Projekt ist nämlich auch für Flüchtlinge gedacht. 36.000 Asylbewerber kamen allein 2015 nach Sachsen-Anhalt. Sie sollen über mehrsprachige Plakate und Flyer, auch in den Flüchtlingsunterkünften, vom Wahlprojekt erfahren. LAMSA-Geschäftsführer Mamad Mohamad hofft, damit mehr über die Demokratie zu vermitteln: "Für viele Menschen, die eine Fluchterfahrung gemacht haben, aus diktatorischen Ländern kommen, ist es ein entscheidender Faktor, die erste demokratische Wahl in Deutschland miterleben und mitgestalten zu können."
Extra-Wahl für Migranten und Asylbewerber
Rund 60.000 Migranten und Asylbewerber in Sachsen-Anhalt sind also zu ihrer eigenen Wahl aufgerufen. Für Csaba Döme aus Magdeburg ist das eine gute Idee. Wie es mit der Wahlbeteiligung aussehen wird, da ist er vorsichtig: "Wenn man jahrelang daran gewöhnt ist und sich nicht zu beteiligen braucht, kann es sein, dass viele sagen: Was soll das jetzt?"
Was Csaba Döme hier mit einem verlegenen Lachen vorbringt, hat einen ernsten Hintergrund: Wenn die kommunalen Integrationsbeiräte gewählt werden, beteiligen sich rund zehn Prozent der Migranten. Das Wahlrecht würde die politische Teilhabe stärken, ist Mamad Mohamad vom Verein LAMSA überzeugt. Das Projekt soll Interesse bei den Migranten wecken – aber auch ein Signal an die Politik sein. Mamad Mohamad sagt: "Es ist auch unsere Aufgabe, auf das Wählerpotenzial hinzuweisen, auf die Themen, die die Menschen beschäftigen, und auch, welche Programme der Parteien für Menschen mit Migrationshintergrund verständlich, klar und umsetzbar sind." Nicht zuletzt sei politische Teilhabe ein wichtiger Baustein, wenn es um Integration geht.