Volontäre als Wahlreporter Sachsen-Anhalt von oben nach unten
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14. März 2016, 16:58 Uhr
Die Landtagswahl ist Geschichte - und die Volontäre des MDR haben den Wahltag auf ganz eigene Art begleitet. Sie fuhren in die entlegensten Winkel Sachsen-Anhalts, sprachen mit den Menschen an den Wahlurnen und den Politikern auf den Wahlpartys. Das ist ihre - nicht ganz ernst gemeinte - Bilanz.
Man hat nicht wirklich viel erkennen können. Schnee und Nebel bildeten eine weiße Wand, die auch die graue Straße etwa fünf Meter vor unserer Stoßstange verschluckte. Sollte es hier oben auf dem Brocken irgendwelche Wähler geben, so erschien die Wahrscheinlichkeit größer, sie ausversehen zu überfahren, statt wie geplant zu befragen.
Die Sternfahrt nach Magdeburg, auf der wir MDR-Volontäre die Stimmung am Wahltag einfangen sollten, begann für mich und meinen Mit-Volo Rafael mit einer Fahrt auf den höchsten Punkt Sachsen-Anhalts. Um zehn Uhr sollte unser Blog starten, das Vorstellungsvideo war bereits im Kasten und musste nur noch abgeschickt werden, und auch der Schnee in meinen Schuhen begann langsam zu schmelzen. Hochmotiviert erreichten wir das Brockenhotel. Wie würde das Wahlvolk hier oben abstimmen?
Vom Volontär zum Wahlhelfer
Die Angestellten erzählten uns, dass es für sie sehr schwierig sei zu wählen. Die Fahrt vom Arbeitsplatz zur nächsten Wahlkabine sei lang, der Arbeitstag noch länger. Manche waren schon wählen, andere wollten noch und viele gingen einfach nicht. Daher beschlossen wir kurzerhand selbst ein Wahlbüro zu eröffnen. Das höchste in Sachsen-Anhalt.
Als offizieller Wahlzettel wurde ein Bierdeckel requiriert und dann ging es auf die Suche nach dem Wahlvolk. Nach einer guten Stunde stand das Ergebnis fest: Die Linke und die SPD mit jeweils vier Stimmen stärkste Kraft, gefolgt von CDU und Grüne mit jeweils drei. Die Wahlbeteiligung lag aber nur bei erschreckenden 30 Prozent. Skandal! Immerhin hat sich die Sonne inzwischen durchgekämpft und wir verließen den Brocken Richtung Halberstadt.
Wahlaufruf im Abstiegskampf
Auf dem Weg ins Flachland kamen wir an unzähligen Wahlplakaten vorbei und diskutierten darüber, wie sich die Plakate im letzten Jahrhundert verändert haben. Früher, so unsere fachkundige Einschätzung, waren die Plakate viel emotional aufgeladener und der Wahlgegner wurde regelrecht diffamiert. Wenig political correct. Als Beispiel fiel uns ein NSDAP-Plakat ein, in dem ein Arm mit Hakenkreuz-Binde eine Schlange erwürgt. Ein Motiv, das uns heute nochmal begegnen sollte.
Erstmal ging es aber nach Hasserode. Bei einem kleinen Abstecher zu einem Wahllokal erfuhren wir, dass die Wahlbeteiligung wohl recht hoch ausfallen würde. Sehr gut! Nach einem kurzen Plausch mit einer Erstwählerin, die vor ihrer Wahl doch etwas aufgeregt war, ging es weiter zum Spiel von Germania Halberstadt. Wir kamen zu spät, um deren Niederlage im Abstiegskampf mitzubekommen, die Gesichter im Vereinsheim waren bei unserer Ankunft immer noch recht lang. Maulfaul waren die Kicker aber nicht. Zwar durften einige überhaupt nicht wählen, weil sie keinen deutschen Pass hatten, die Wahl war aber trotzdem in der Mannschaft Thema. Stürmer Florian Beil durfte wählen, und startete vor unserer Kamera noch mal einen Appell an alle Sachsen-Anhalter, wählen zu gehen.
AfD-Party und Schlangenbeschwörer
Aus dem inzwischen leeren Friedensstadion ging es dann zu unserem Höhepunkt des Tages. Alle Volos gingen zu verschiedenen Wahlpartys, Rafael und ich durften zum voraussichtlichen Sieger: der Alternative für Deutschland. Die Eingangskontrollen waren streng: Alle wurden akkreditiert, Rucksäcke untersucht, Polizei wartete in Mannschaftswagen vor der Haustür.
Wir hatten aus Versehen den Hintereingang genommen. Gut, dass wir Journalisten und keine linken Krawallmacher sind. Auf der Party waren dann weit mehr Journalisten, und Kameramänner als AfDler – das neurechte Compact-Magazin war sogar in Redaktionsstärke mit diversen PCs, Kamera-Technik und eigenem Wachdienst vor Ort.
Dann kam der erste große Auftritt: Björn Hoecke. Der Thüringer AfD-Chef wurde mit „Hoecke! Hoecke! Hoecke!“ auf die Bühne gerufen. Seine Rede war vorhersehbar, nur ein Satz ist bei Rafael und mir hängengeblieben. „Ihr habt gekämpft wie die Löwen, und die alten Kräfte haben wie die Schlangen gegen euch gekämpft!“ Schlangen? Hey, da war doch was!
Der Posterboy der AfD musste seine Rede nur manchmal wegen der vielen „Merkel raus!“-Rufe aus dem Publikum unterbrechen. Die Menge hatte er aber stets im Griff. Fast hätte sein Auftritt den des eigentlichen Siegers überstrahlt. André Poggenburg kam spät von der Elefantenrunde und wurde gefeiert, wie es jemand wohl verdient, der aus dem Stand fast 25 Prozent geholt.
Die Stimmung der Wahlsieger war gut. Nur als wir nachfragen wollten, was es mit der umgestalteten Nazi-Flagge am Haus auf sich hatte, die zwischenzeitlich von den oberen Stockwerken wehte, brüllte uns ein dicker Herr mit hochrotem Kopf nieder, niemand werde sich dazu äußern.
Daher waren wir dann auch nicht traurig, dass die Presse gegen zehn zum Gehen aufgefordert wurde und wir trafen uns mit den anderen Volos in einer Kneipe. Gemeinsam lasen wir die ersten offiziellen Ergebnisse und bedauerten tatsächlich, dass die FDP knapp am Einzug in den Landtag scheiterte. Wie sich die Zeiten doch ändern.