"Bürger-Auftrag" an die neue Landesregierung Waldbesitzer Cornelius Meyer-Stork aus dem Harz: "Wir brauchen mehr Empathie – und Vertrauen"
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26. April 2021, 19:06 Uhr
Am 6. Juni wird gewählt. MDR SACHSEN-ANHALT will von Menschen im Land wissen, welche Erwartungen sie an die künftige Regierung haben. Heute geht es um die Sorgen eines Waldbesitzers und das Baumsterben im Harz. In der Reihe "Bürger-Auftrag" werden die ganze Woche Menschen ausführlich zu Wort kommen.
Wer mit Cornelius Meyer-Stork in Harzer Wäldern unterwegs ist, sieht schreckliche Bilder. Der 57-Jährige hat seinen Geländewagen auf einem Waldweg geparkt und blickt hinunter ins Tal. Vor ihm liegt eine Schneise der Zerstörung. Bis vor kurzem gab es diese Schneise nicht, an ihrer Stelle standen dutzende Fichten. Doch sie alle sind abgestorben, zerfressen vom Borkenkäfer. Die ältesten Bäume waren 170 Jahre alt. Cornelius Meyer-Stork hat sie fällen lassen und das Holz verkauft. "Der Holzmarkt hat sich wieder etwas stabilisiert", erzählt er.
Cornelius Meyer-Stork ist Waldbesitzer. Im Harz gehören ihm rund 260 Hektar – der "Halberstädter Berg" bei Ilsenburg. Es ist nun fast 20 Jahre her, dass der gebürtige Bielefelder das Waldstück kaufte. Davor hatte er schon mehrere Jahre in Magdeburg gearbeitet. Heute lebt der Diplom-Forstwirt in jenem Haus im Harz, in dem einst sein Großvater geboren wurde. "Back to the roots", sagt Meyer-Stork und lacht. Dass ihm danach noch zumute ist, ist beim Anblick des Waldes alles andere als selbstverständlich. Rings um die Schneise stehen hunderte weiterer abgestorbener Bäume, andere kämpfen ums Überleben.
Wo heute die Schneise den Blick ins Tal ermöglicht, führte über viele Jahre ein dunkler Weg durch den Wald. Die Bäume spendeten Schatten, der Weg war wie mit Fichtennadeln gepflastert. "Das war ein richtig weicher Waldboden", blickt Meyer-Stork zurück. Kurz, nach dem er den Wald gekauft hatte, gab es hier schon einmal Probleme mit dem Borkenkäfer. Damals bekamen sie das Problem recht schnell in den Griff. Nach den vergangenen Jahren ist daran heute nicht mehr zu denken. "Die Bäume sind wegen der Trockenheit der vergangenen Jahre im Stress. Dann sind sie viel anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfer", erklärt der Fachmann.
Mehr als 100 Hektar "Schadfläche"
Und das Problem ist keines, das nur an dieser Stelle bestünde. Im Gegenteil. Der Wald von Cornelius Meyer-Stork besteht zu einem beträchtlichen Teil aus Fichten. Von den 260 Hektar in seinem Besitz sind 118 Hektar mit Fichten bewachsen. "107 Hektar davon sind Schadfläche", sagt der 57-Jährige. Was hier recht pragmatisch klingen mag, bedeutet für den Waldbesitzer in Wahrheit einen Millionenschaden.
Zahlen aus dem aktuellen Waldzustandsbericht des Landes Sachsen-Anhalt belegen den Befund. Während Kiefern und Eichen einigermaßen durch die Trockenjahre gekommen sind, zeigt die Statistik bei Buchen leicht höhere Schäden und ein regelrechtes Fichtensterben. In der Industrie ist das Holz von Fichten beliebt, wird gern beim Bau von Häusern genutzt. "Aus dem Stamm kann man eine hohe Ausbeute machen", sagt Fachmann Meyer-Stork.
Wer zuletzt im Harz unterwegs war, weiß, dass das Baumsterben ein flächendeckendes Problem ist, zu sehen auch auf der Fahrt nach Schierke. Das kleine Örtchen am Brocken ist in normalen Zeiten einer der Anziehungspunkte für Touristen. Hier locken die Wanderwege, die Harzer Schmalspurbahnen und eine nagelneue Arena für den Eissport. Rings um Schierke bekommen Touristen wie Einwohner die Bilder abgestorbener und gefällter Bäume aber in einem Ausmaß zu sehen, das vor allem Einheimischen wehtut. Mancher sei sogar schon weggezogen, erzählt Christiane Hopstock, die Ortsbürgermeisterin. "Sie konnten die Bilder einfach nicht mehr ertragen."
Christiane Hopstock spricht von einem "Riesenschlag ins Kontor", dass der Borkenkäfer hier geschlagen hat. "Die Gäste kommen hierher, um in einem intakten Wald wandern oder spazieren zu gehen", sagt sie und blickt aus dem Fenster des Schierker Rathauses. Viele Wanderwege seien aber gar nicht mehr begehbar – wegen der vielen Laster, die die abgestorbenen Bäume aus dem Wald schaffen. Die Ortsbürgermeisterin sorgt sich, dass sich das früher oder später auf die Zahl der Touristen auswirken wird.
Aktuell aber ist von einem Rückgang an Touristen wegen des Baumsterbens noch nichts zu spüren. Das sagt Christiane Hopstock und die Zahlen des Statistischen Landesamtes geben ihr Recht. Die Stadt Wernigerode, zu der Schierke gehört, ist als Ausflugsziel unverändert beliebt – trotz Corona-Pandemie kamen vergangenen Sommer gut 161.000 Gäste.
Wer mit Menschen im Harz über das große Baumsterben spricht, hat ein Thema angefasst, das bei vielen Einheimischen die Emotionen hochkochen lässt. Es geht dann um Vorwürfe, das grün-geführte Umweltministerium habe versagt. Andere sprechen gar von einer "Borkenkäfer-Zucht", die der Nationalpark Harz betreibe. Sabine Bauling lässt das nicht gelten. "Der Borkenkäfer ist natürlicherweise immer mit Fichten verbunden", sagt die stellvertretende Nationalpark-Chefin. "Zu dem riesigen Flächenverlust hat vor allem die Kombination aus Hitze, Trockenheit und Stürmen beigetragen", erzählt Bauling, die unter anderem für "Borkenkäfermanagement" zuständig ist.
Das Credo des Nationalparks ist es, Natur Natur sein zu lassen und nicht in natürliche Prozesse einzugreifen. Genau das sorgt vor Ort immer wieder für Kritik – vor allem, seit das Ausmaß des Baumsterbens seit 2018 regelrecht "eskaliert" ist, wie Sabine Bauling sagt. Sie aber verweist darauf, dass man es mit einem Waldwandel historischen Ausmaßes zu tun habe. Naturnahe Wälder zu schaffen, das ist eines ihrer Ziele im Nationalpark. Deshalb würden zum Beispiel Buchen gepflanzt – an Stellen, wo die Natur einst nicht ausschließlich Fichten ein Zuhause gegeben hat. Sabine Bauling kann die Sorge nach ausbleibenden Touristen nicht ganz nachvollziehen. "Viele Besucher verfolgen den Waldwandel mit Spannung", sagt sie. "Der Harz ist voll von Touristen."
Über die Reihe: Was der "Bürger-Auftrag" zeigen soll
Am 6. Juni ist Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Schon vorher will MDR SACHSEN-ANHALT wissen, was die Menschen im Land bewegt – und was sie von der künftigen Regierung erwarten. Frauen und Männer aus sechs Wahlkreisen formulieren in dieser Reihe ihren Wunsch an die neue Landesregierung – den "Bürger-Auftrag". Die sechsteilige Serie erscheint bis Sonnabend jeden Tag.
Cornelius Meyer-Stork ist mit seinem Geländewagen inzwischen an einer Stelle angekommen, die er "Oase" nennt. Nachdem Orkan Kyrill an dieser Stelle einen Großteil der Fichten zerstört hatte, beschloss Meyer-Stork, an die Zukunft zu denken. Statt nur neue Fichten zu pflanzen, setzte er auf einen Mix aus Buchen, Ahorn, Edelkastanien, Birken, Douglasien und Küstentannen. Dass es auf die richtige Mischung ankommt, davon ist der Waldbesitzer überzeugt. "Man kann nicht in die Zukunft gucken", erklärt er. "Jede Baumart hat irgendwelche Krankheiten und es können neue dazu kommen."
Wer jetzt aber auf einen gemischten Wald setzt, sorgt dafür, dass keine Kahlflächen entstehen, wenn eine oder mehrere Baumarten absterben. Davon ist Cornelius Meyer-Stork überzeugt. "So kann ich den Wald aus sich heraus besser verjüngen."
Mein Bürger-Auftrag
Vor mehr als zehn Jahren hat der Waldbesitzer seine "Oase" neu gestaltet. Wenn bald der Frühling kommt, wird man den Unterschied zu den Kolonien abgestorbener Fichten noch deutlicher sehen als Mitte April. Doch auch jetzt weiß so mancher die Stelle schon zu schätzen. Als Cornelius Meyer-Stork an diesem Vormittag seine "Oase" präsentieren will, rasten gerade zwei Wanderer auf der Bank und genießen den Ausblick ins grün angehauchte Tal.
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MDR/Marc Burgemeister, Manuel Mohr, David Muschenich, Luca Deutschländer
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 26. April 2021 | 19:00 Uhr
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