MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (FOLGE 81) Die Remmos und die Juwelen – der Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe

Audiotranskription

30. Juni 2023, 11:38 Uhr

Wer sind die Täter des spektakulären Juwelendiebstahls aus dem Grünen Gewölbe in Dresden? Warum tauchte die Beute wieder auf? Und welche Folgen hatte der Deal zwischen Staatsanwaltschaft und Angeklagten? Heike Römer-Menschel hat für den MDR den Prozess gegen die sechs Angeklagten aus dem spektakulären Juwelendiebstahl vom November 2019 beobachtet. Zudem gelang es ihr und ihrem Team als einzige Journalisten, mit Anwälten eines Angeklagten über den sogenannten Deal zu sprechen.

Also einmal schön. Die Preziosen sind wieder da, aber sie waren zerschlagen, zerschunden, zerrissen, zerbeult...

Butz Petersen (Prozessbeobachter) Exakt die Story | "Der Deal mit den Remmos"

Ich habe ja immer ganz, ganz fest daran geglaubt und ist auch immer öffentlich gesagt, dass ich davon ausgehe, dass hier noch irgendwo sind und auch zurückkehren werden. Aber es ist dann doch, wenn man diese Nachricht erfährt. Wieso ein Weihnachtswunder? Man kann es kaum glauben, und es ist eine riesige Freude.

Marion Ackermann am 17.12.2022 | Direktorin Staatliche Kunstsammlungen Dresden Exakt die Story | "Der Deal mit den Remmos"

Wir haben relativ genau vorher definieren können, welche Stücke können zurückgegeben werden? Welche liegen noch im Machtbereich unserer Mandanten?

Verteidiger von Rabieh Remo Exakt die Story | "Der Deal mit den Remmos"

Es ist doch wunderbar für die Menschen, die Kultur lieben, vor allem die Touristen. Da. Der größte Teil der Beute ist wieder da, und ich meine ohne den Deal. Da zweifelt keiner daran, wer die Beute halt nicht zurückgekommen.

Butz Petersen (Prozessbeobachter) Exakt die Story | "Der Deal mit den Remmos"

Moderation Secilia Kloppmann (SK)

Es war einer der spektakulärsten Kunstdiebstähle der letzten Jahrzehnte - der Einbruch in die Schatzkammer des Grünen Gewölbes in Dresden im November. 2019. Insgesamt 4300 Diamanten und Brillanten wurden gestohlen. Gesamtwert über 116 Millionen Euro. Die mittlerweile verurteilten und teilweise geständigen Täter sind Mitglieder des Berliner Remmo-Clans, einer in Teilen kriminellen Großfamilie. Um die wertvollen Stücke zurückzubekommen, ging die Staatsanwaltschaft einen Deal ein. Um einen Prozess voller Überraschungen und den Deal soll es in dieser Podcast-Folge gehen, zu der ich Sie herzlich begrüße. Ich bin Secilia Kloppmann und arbeite für die politischen Magazine des Mitteldeutschen Rundfunks. Im Podcast MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche sprechen wir mit Kolleginnen und Kollegen über ihre Recherchen und Hintergründe zum Thema. Alle zwei Wochen, immer freitags, gibt es in der ARD Audiothek und da, wo sie uns gerade hören, eine neue Folge. Zugeschaltet aus dem MDR-Landesfunkhaus in Dresden ist meine Kollegin Heike Römer- Menschel, die den Prozess von Anbeginn verfolgt hat. Fünf lange Filme sind über den Fall entstanden. Heike hat auch laufend über den Prozess und den Juwelendiebstahl berichtet, und sie und ihr Team sind die einzigen Journalisten überhaupt, denen es gelang, ein Interview mit Anwälten eines Angeklagten zu führen, die den spektakulären Rückgabe.Deal eingefädelt haben. Hallo Heike!

SK

Heike, du wohnst schon sehr lange in Dresden. Du arbeitest auch schon sehr lange am Landesfunkhaus in Dresden. Das Grüne Gewölbe, darauf ist doch jede Dresdnerin/ jeder Dresdener stolz. Es ist weltberühmt. Als dieser Einbruch bekannt wurde, im November 2019 - was war da los in der Stadt?

Heike Römer-Menschel (HRM)

Na ja, das war schon ein Schock für viele Leute. Es herrschte eigentlich vor allem Fassungslosigkeit, und es gab ganz viele offene Fragen. Mittags gab es dann bereits eine Pressekonferenz von Polizei und den Staatlichen Kunstsammlungen. Die sind ja quasi der Eigentümer dieses Schatzes. Und auf dieser Pressekonferenz war wirklich Ungläubigkeit zu spüren, auch ein bisschen Konfusion. Man fragte sich zum Beispiel, was ist überhaupt weg? Das war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, weil der Tatort ja gesperrt war. Also nicht mal die Verantwortlichen der Staatlichen Kunstsammlung, der SKD, durften rein und gucken, was ist nun eigentlich wirklich geklaut worden? Am zweiten Tag, also am 26. November, gab es eine zweite PK, speziell von den Vertretern der Staatlichen Kunstsammlungen. Und da gab es dann so eine leichte Entwarnung. Also es ist wohl doch weniger gestohlen worden als befürchtet, verkündete man dann dort ja. Und relativ schnell fragten sich natürlich die Menschen in Dresden, in Sachsen, ja vielleicht auch in ganz Deutschland und natürlich auch die Medien: Wie konnte das passieren? Weil die Verantwortlichen für das Grüne Gewölbe/ für das Residenzschloss Dresden, die hatten ja als das 2006 eröffnet wurde, verkündet,das Grüne Gewölbe ist so gut gesichert wie Fort Knox, das Golddepot der USA. Damit hat man sich doch schon ein bisschen gebrüstet sozusagen. Es gab sogar eine MDR-Sendung, wo das tolle Sicherheitssystem am Residenzschloss vorgestellt worden ist. Und da haben sich die Verantwortlichen ein bisschen damit geschmückt. Und eigentlich so richtig begriffen, wie emotional das für viele Dresdner ist, hat man dann im Mai 2020 gesehen. Da ist das Grüne Gewölbe dann wieder eröffnet worden mit einer leeren Vitrine, also die Vitrine, die angegriffen worden war, die war leer. Und da standen wirklich weinende Menschen davor.

SK

Der ehemalige Direktor des Grünen Gewölbes, der hat nach dem Diebstahl auch gesagt, also so ein Diebstahl, den hätte man sich gar nicht vorstellen können. Heike, war man da zu leichtsinnig oder salopp gesagt, davon ausgegangen, dass doch das quasi niemand wagen würde, diese schönen Juwelen zu stehlen...

HRM

Also, man glaubte sich relativ sicher ja. Und es war so ein bisschen Naivität dabei, dass man sagt ja, wie du schon das beschrieben hast, also das Grüne Gewölbe, das wird doch hier niemand angreifen, attackieren, versuchen, da einzudringen. Das ist ja auch mitten in der Stadt, in der City. Und man glaubte sich da sicher und hat sich natürlich auch ein bisschen ausgeruht. Also, ich denke, 2006 war dieses Sicherheitssystem möglicherweise tatsächlich gut, vielleicht auch auf dem Stand der Zeit. Aber natürlich entwickelt sich Sicherheitstechnik weiter, und auch die Diebe schlafen ja nicht. Diese hochprofessionellen Kriminellen, die entwickeln sich ja weiter. Die nutzen da neue Techniken. Ein Beispiel nur: Die Täter im Grünen Gewölbe, die haben ja diese hydraulischen Geräte genutzt. Das sind Rettungsgeräte, die normalerweise Feuerwehr oder Polizei nutzen, bei Unfällen auf der Autobahn, um da Leute aus verkeilten Autos, rauszuschneiden oder Dinge aufzustemmen. Und diese Sachen sind erst später auf den Markt gekommen. Also die waren zu dem Zeitpunkt 2006 zumindest mit Akkubetrieb noch nicht vorhanden. Und so was hätte man einfach verfolgen müssen im Grünen Gewölbe und dann auch nachjustieren. Und das ist komplett nicht erfolgt. Also, man hat sich wirklich ausgeruht, hat gesagt das ist top, was wir haben und hat eigentlich auch nicht nachgerüstet. Also das wurde wirklich auch im Prozess klar, dass man eigentlich nichts verbessert hat/ erneuert hat. Die Kameras zum Beispiel, das war schon im Ende 2018 klar, auch den Verantwortlichen, waren eben veraltet. Die sollten ausgetauscht werden, aber das ist eben nicht erfolgt vor dem Einbruch. Etwas, was auch immer wieder kam, pö a pö ans Licht kam, war dieses Einstiegsfenster. Da wurde ja auch mit Nebelkerzen geworfen. Also man hat natürlich da ganz wenig Informationen rausgegeben. Wie sah dieses Sicherheits-System wirklich aus? Wo waren vielleicht auch Mängel? Logischerweise wollte man das nicht unbedingt an die Öffentlichkeit bringen, aber im Prozess musste ja dann dazu ausgesagt werden, und da wurde dann klar, dieses Einstiegsfenster war von Anfang an schlecht gesichert. Es lag in einem toten Winkel, das wussten auch die Verantwortlichen. Es wurde von Scannern und Kameras nicht abgedeckt, und zwar nicht nur ein kleiner Fleck, sondern richtig große Stellen. Und das war genau die Stelle, wo dann die Täter eingedrungen sind.

SK

Es hat ja im Prinzip genau ein Jahr gedauert, bis man dann Verdächtige gefasst hat. Es stellte sich raus, es sind Mitglieder der arabischstämmigen Großfamilie Remmo aus Berlin. In Berlin sind die schon lange bei der Justiz bekannt und durchaus auch über Berlin hinaus. Wer stand da alles vor Gericht?

HRM

Rabieh Remmo im Gerichtssaal
Rabieh Remo Bildrechte: imago/Olaf Wagner

Das waren sechs junge Männer aus dieser Polizei und Justiz bekannten Großfamilie Remmo, ein Clan in Berlin, der in den 80er-Jahren aus dem Libanon nach Berlin gekommen ist. Interessanterweise sind die damals über die DDR eingereist. Das war nämlich einfach. Man konnte über den Flughafen Schönefeld ja erstmal hierherkommen und dann dort ein Tagesvisum oder ein Touristenvisum bekommen, und ist dann einfach damit nach West-Berlin eingereist. Aus dieser Familie kommen die sechs jungen Männer. Einer der bekanntesten ist sicher Wissam Remmo. Der saß schon mal in einem spektakulären Prozess vor Gericht. Da ging es um den Diebstahl der Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum, die sogenannte Big Maple Leaf. Und da ist der Wissam auch verurteilt worden. Und im Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe wurde deutlich, dass er quasi parallel zu diesem Prozess die neue Tat vorbereitet hat. Also der war hier mehrfach in der Stadt, in Dresden und hat sich das Schloss angeguckt, war auch hinter der Mauer, war auch im Grünen Gewölbe und hat einfach geguckt, wo sind hier Kameras? Was ist das für Vitrinenglas? Das hat er zugegeben. Ein zweiter junger Mann, das ist der Ahmed Remmo. Der saß auch in Berlin in dem Goldmünzen-Prozess vor Gericht, ist auch dort verurteilt worden. Hier in Dresden gab es für ihn aber einen Freispruch. Dann saßen zwei Zwillingsbrüder von Ahmed mit auf der Anklagebank. Das sind die jüngsten von den Angeklagten. Sie waren zur Tatzeit, in Dresden noch Heranwachsende. Darum ist bei ihnen das Jugendstrafrecht angewendet worden. Das ist ja milder als das Erwachsenenstrafrecht. Der fünfte Mann, der hier mit angeklagt war, war Bashir Remmo. Das ist ein Cousin von den bisher genannten, der ist aber offensichtlich erst später in die Tatplanung hier in Dresden eingestiegen und war wohl eher eine Randfigur. Er war beim Einbruch dabei und hat dort einen anderen Mann ersetzt. Wen genau, weiß man nicht. Ja, und der letzte, der dann noch vor Gericht stand, war Rabieh Remo, und der hat eine wichtige Rolle gespielt, sowohl beim Einbruch als dann auch im Prozess. Er hat nämlich das am weitesten gehende Geständnis abgelegt. Er hat also eingestanden, dass er sehr lange bei den Vorbereitungen hier in Dresden mit dabei war, dass er in das Gebäude, also in das Grüne Gewölbe eingedrungen ist. Er ist einer der Männer, die auf die Vitrine dort eingeschlagen haben. Und er hat sogar zugegeben, eines der Tatfahrzeuge in einer der Tiefgaragen angezündet zu haben. Ja, also, das sind diese sechs Angeklagten, die da in Dresden vor Gericht standen.

SK

Und damit wir noch einen Eindruck bekommen, wie die Justiz die Großfamilie Remmo sieht, lassen wir doch mal Thomas Schulz-Spirohn zu Wort kommen. Der ist Staatsanwalt in Berlin, war beim erwähnten Goldmünzen-Prozess auch der Staatsanwalt und Heike, Du hast ihn getroffen für einen der Filme und zu Straftätern aus Clans wie den Remmos, sagt Thomas Schulz-Spirohn.

O- Ton Thomas Schulz-Spirohn, Staatsanwalt Berlin

Das fängt auch mit den Kindern schon an. Die sind schon mit 10 auffällig, da können die nicht verfolgt werden. Aber da haben wir Dokumente aus den Schulen, aus der Jugendfürsorge, dass die halt schon als Kinder Mitschüler terrorisieren, sich mit Einbrüchen und auch mit Drogenhandel schon im Kindesalter beschäftigen. Man ist geschäftstüchtig im kriminellen Sinn, und man muss sich ja auch mit keinen großen anderen Dingen ablenken. Man kann sich ja auch twentyfourseven darum kümmern. Wo gibt es was zu holen?

SK

Heike, Du hast viele der Prozesstage im Gericht in Dresden beobachtet, wenn du nicht da warst, dann war deine Kollegin Ina Klempnow vor Ort. Welchen Eindruck haben die Angeklagten auf euch gemacht?

HRM

Wayci Remmo und Ahmed Remmo
Ahmed Remmo Bildrechte: IMAGO / Olaf Wagner

Naja, ich muss schon sagen, bis auf den einen Zwilling wirkten die anderen in der Regel sehr ruhig, abgeklärt, cool. Sie traten dort sehr gelassen auf. Sie gaben sich so ein bisschen den Anschein, dass sie die netten Jungs von nebenan sind, die eigentlich keiner Fliege etwas zuleide tun können. Sie kamen immer sehr gut frisiert, nett gekleidet, teilweise in extrem teuren Markenklamotten, und sie folgten dem Prozess mehr oder weniger interessiert. Zum Beispiel wurden ja dann auch viele Überwachungsvideos im Prozess gezeigt, also zum einen das Überwachungsvideo von innen, wo man sieht, wo auf die Vitrina eingeschlagen wird. Aber es gab ja auch Überwachungsvideos von draußen, wo man sieht, wie Gestalten über die Mauer klettern. Auch aus Vorgänger-Nächten gibt es solche Überwachungsvideos. Sie saßen, während diese Überwachungsvideos gezeigt wurden, wirklich sehr gelassen dort und guckten fast gar nicht hin. Sie zeigten null Reaktionen. Sie hatten ihre Pokerfaces aufgesetzt und haben diese Rolle des Unbeteiligten sehr gut gespielt, sehr überzeugend gespielt. Einer der Zwillinge ergriff mehrmals selbst das Wort. Es ist eher ungewöhnlich gewesen, denn die anderen haben ja im Grunde genommen fast nie selbst etwas gesagt. Die haben also immer ihre Anwälte für sich sprechen lassen. Und als dieser Zwilling dann das Wort ergriff, da war er schon sehr emotional. Da stotterte er teilweise. Dann nuschelte er, da verhaspelte er sich: Und immer wenn er das Wort ergriff, ging es darum, dass ein Mitgefangener von ihm aus der Justizvollzugsanstalt ihn bezichtigte, davon berichtete, dass er sich mit diesem Zwilling unterhalten habe und in diesen Gesprächen der Zwilling belastende Aussagen ihm gegenüber gemacht haben soll. Er soll zum Beispiel zugegeben haben, dass er bei der Brandstiftung in der Tiefgarage, wo ja ein Fluchtfahrzeug, ein Tatfahrzeug, angesteckt worden ist, dabei gewesen sei. Also da war der junge Mann dann wirklich sehr, sehr emotional. Ein zweiter Angeklagter hat sich auch selbst geäußert. Das war Rabieh Remo. Das ist der, den ich am Anfang als einen der ja wichtigsten Protagonisten bezeichnet habe. Der hat ja diese sehr weitgehenden Angaben im Geständnis gemacht. Und dieses Geständnis las er selber vor. Und da war er sehr aufgeregt, als er dieses Geständnis ablegte, und gar nicht mehr cool. Es ging auch um viel für ihn an der Stelle wie im Prozess klar geworden ist. Rabieh Remo ist der älteste von den Angeklagten. Er ist schon 29 Jahre alt. Er ist Vater von zwei Kindern. Das letzte Kind, sein jüngstes Kind, ist während seiner Haftzeit geboren worden. Und im Prozess behauptete er, dass er das noch nie gesehen hätte. Also er war ja wirklich der treibende Keil wohl - glaube ich - bei dem Deal. Und hat eben auch diese weitgehenden Angaben gemacht, weil für ihn viel auf dem Spiel stand. Er wollte also tatsächlich, dass dieser Deal funktioniert, dass er eben so schnell wie möglich aus der U-Haft entlassen wird und eben auch am Ende eine möglichst kurze Strafe bekommt. Aus diesen familiären, aus diesen persönlichen Gründen, würde ich denken.

SK

Eine große Rolle, wenn Angeklagte vor Gericht stehen, spielen ja auch oft die Leute, die noch so im Gerichtssaal sind. Also die als Unterstützung gekommen sind. In der letzten Folge von unserem Podcast mit einer Kollegin und einem Kollegen ging es um den Prozess gegen Lina E. Da spielten die Unterstützer eine ganz große Rolle. Wie war das hier bei diesem Prozess? Waren da auch erkennbar Mitglieder der Familie da, als Unterstützung?

HRM

Wissam Remmo
Wissam Remmo Bildrechte: imago images/Olaf Wagner

Da war ich eigentlich eher ein bisschen überrascht. Ich hatte erwartet, dass dort mehr Familienmitglieder auftauchen. Aus Gesprächen mit Berliner Juristen wusste ich, dass das eigentlich in Berlin teilweise sehr massiv ist, dass da auch richtig viele sind. Das war hier in Dresden nicht der Fall. Wahrscheinlich einfach durch die Entfernung, aber es waren immer Verwandte mit im Saal, mindestens zwei bis zu zehn junge Männer. Es waren immer junge Männer, es waren keine Eltern oder so da, obwohl ja auch sehr junge Angeklagte mit auf der Anklagebank saßen. Außerdem waren fast immer zwei Frauen da. Das waren, wie sich dann herausstellte, Partnerin beziehungsweise die Ex-Partnerin von zwei Angeklagten. Eine davon trat sogar als Zeugin auf. Sie bestätigte das Alibi ihres Ex-Freundes, das Alibi von Ahmed Remmo, das war ein ganz wichtiger Punkt, weshalb er dann am Ende auch freigesprochen wurde. Bei der anderen jungen Frau und einem jungen Mann ging es am Anfang des Prozesses auch darum, ob sie überhaupt als Zuschauer dableiben dürfen also, ob sie im Gerichtssaal anwesend sein dürfen. Denn bei beiden stand im Raum, dass sie möglicherweise noch als Zeugen auftreten sollen. Und wenn du Zeuge bist, darfst du ja nicht den Prozess verfolgen, weil es deine Zeugenaussage ja beeinflussen könnte. Aber am Ende hat man entschieden, sie dürfen bleiben, weil beide würden eh keine Zeugenaussage machen. Also dieser junge Mann, den ich erwähnte, der ist dann später tatsächlich am Rande des Prozesses auch verhaftet worden. Man hatte ihn eben dort und hat es dann gleich genutzt, um ihn festzunehmen. Er wurde verdächtigt und wird nach wie vor verdächtigt, den Tätern bei der Tat geholfen zu haben. Er ist dann aber relativ schnell wieder aus der Haft entlassen worden. Weil man eben keine Fluchtgefahr bei ihm sah und keiner andere keinen anderen Grund, warum er U-Haft anordnen kann. Aber gegen ihn wird nach wie vor ermittelt. Und zwischen diesen Familienangehörigen, Freunden und den Angeklagten gab es dann auch non-verbale Kommunikation. Also man hat sich zugenickt, man hat sich zugelächelt, man hat einander gewunken. Und am letzten Tag war dann alles anders, als die Urteile verkündet wurden. Da kam wirklich ganz, ganz viele Familienangehörige aus Berlin. Die sind angereist mit vielen verschiedenen Autos, mit großen SUVs und waren dann vor Ort. Die kamen nicht unbedingt in den Gerichtssaal rein, sondern standen vor dem Gerichtsgebäude. Das waren vor allem junge Männer. Und da gab es dann auch Konflikte mit der Polizei. Unserem Kamerateam zum Beispiel wurde der Stinkefinger gezeigt, eine Journalistenkollegin wurde beleidigt. Also da war richtig was los. Und da war auch dieses hohe Sicherheitsaufgebot für den Prozess, war da durchaus auch mal berechtigt.

SK

Welche konkreten Strafen sind denn jetzt verhängt worden?

HRM

Es sind fünf Urteile gefällt worden, zwei nach Jugendstrafrecht, drei nach Erwachsenenstrafrecht. Die geringste Strafe, die verhängt wurde, sind vier Jahre und vier Monate für einen Angeklagten, der nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde. Die längste Strafe sind sechs Jahre und drei Monate. Drei der Verurteilten sind inzwischen aus der U-Haft entlassen worden, also direkt nach dem Urteil sind die quasi aus dem Gericht als freie Männer erstmal rausgegangen und müssen ihre Restschuld erst später antreten. Zwei der Verurteilten sitzen noch im Gefängnis. Der eine ist Wissam Remmo, der ja wegen des Goldmünzen-Urteils sowieso in Haft ist. Und der zweite ist eben dieser Zwilling, bei dem man Fluchtgefahr sah. Darum hat man den nicht entlassen. Also das sind die Urteile, die jetzt erstmal hier gefällt worden sind.

SK

Wir reden ja in dieser Folge vor allem über den Prozess und den Deal, der die Juwelen zurückbrachte. Wer noch einmal genau nachhören möchte, wie der Einbruch vonstatten ging, was alles beschädigt wurde und so weiter - dem sei der Podcast „Spur der Täter - Der Remmo-Clan und die Juwelen aus dem Grünen Gewölbe“ empfohlen. Heike, der Prozess, der hatte ja als Indizienprozess begonnen. Dann gab es DNA-Spuren von vier der sechs Angeklagten, und – und das ist absolut außergewöhnlich! vor allen Dingen bei Clankriminalität! - vier der sechs Angeklagten haben ausgesagt, richtig?

HRM

Das stimmt, das war wirklich ein Knaller. Ein Clou, das hat keiner erwartet, weil normalerweise Mitglieder von Clans im speziellen auch der Familie Remmo eben nicht mit Polizei oder Justiz zusammenarbeiten. Es hatte eigentlich noch nie eine Aussage gegeben, und insofern war das wirklich eine kleine Sensation.

Ein Polizeifahrzeug steht vor dem Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe
Ein Polizeifahrzeug steht vor dem Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Also man muss sagen, am Anfang des Prozesses ging man davon aus, es wird sich keiner von den Angeklagten einlassen. Das wird ein reiner Indizienprozess, und die Verteidiger haben auch in ihren Open Statements - das sind so Eröffnungsplädoyers - betont, wie dünn die Beweislage sei. Und einer der Angeklagten behauptete am Anfang des Prozesses auch über seine Anwälte, dass er komplett unschuldig sei. Der ist inzwischen verurteilt, hat inzwischen ein Geständnis abgelegt, man weiß also, er war dabei. Und dann folgte eine lange, detaillierte Beweisaufnahme. Und dann zeigte sich eigentlich so im Laufe der Zeit, so dünn ist die Beweislage gar nicht. Und es gab dann zwei wirkliche Meilensteine im Prozess. Im Mai sagte zum ersten Mal ein DNA-Gutachter vom LKA Sachsen aus, dass von vier der Angeklagten DNA-Spuren an der Schlossmauer gefunden wurden und sogar noch eine DNA-Spur von einem weiteren Angeklagten, die man eben aber nicht hundertprozentig zuordnen kann. Also vier DNA-Spuren mit Beweiskraft. Das war natürlich wirklich ein ganz wichtiger Punkt für die Staatsanwaltschaft, für die Anklage. Und es ist eben im Prozess dann den Angeklagten und ihren Verteidigern auch nicht gelungen, plausibel zu erklären, wie diese DNA-Spuren an die Mauer gekommen sind. Junge Männer, die eigentlich in Berlin leben, die eigentlich nie in Dresden sind. Wie kommt deren DNA an die Schlossmauer? Das deutete eben schon ganz, ganz stark darauf hin, dass sie in diesen Einbruch verwickelt gewesen sind. Außerdem gab es dann auch DNA-Spuren von Angeklagten in einem der Tatfahrzeuge, insgesamt, von vier Angeklagten sogar, und von zweien mit Beweiskraft. In diesem Tatfahrzeug, das war der Mercedes, der in Berlin gefunden wurde, waren sogar Glassplitter von den Vitrinen aus dem Juwelen- Zimmer. Das waren alles solche objektiven Beweise, die dann ans Licht kamen. Und der zweite wirkliche Meilenstein war die Bewertung des Brandes in der Tiefgarage. Da war ja dann irgendwann klar, es gab diese zwei Brände, die parallel zum Einbruch in Dresden stattfanden. Einmal in einem sogenannten Pegelhaus. Das ist ein historisches Gebäude, wo Stromverteilerkästen drin sind. Und da haben die Täter den Stromverteilerkasten angezündet, der die Stromversorgung, das Straßenlicht, ums Residenzschloss absicherte. Und die zweite Brandstiftung passierte in einer Tiefgarage, in einem Wohnkomplex. Das war eine Tiefgarage unter Mietwohnungen, wo ganz viele Leute in dieser Nacht ahnungslos über dieser Tiefgarage schliefen. Und die Täter haben dort eines ihrer Fluchtfahrzeuge, den Audi, angezündet. Es kam zu einer extremen Feuerentwicklung, und das wurde dann im Prozess als eine Verdeckungsbrandstiftung bewertet. Außerdem kam bei den Zeugenbefragungen heraus, dass durch diese Brandstiftung in der Tiefgarage eben auch Menschenleben gefährdet worden sind. Es war zum Beispiel eine Frau in der Tiefgarage. Die war auf dem Weg zu ihrer Arbeit, als sich dieses Feuer entwickelte. Sie hörte Explosionen, es brannte plötzlich, Rauch kam, und sie verließ quasi fluchtartig diese Tiefgarage. Außerdem erlitt ein Ehepaar eine Rauchgasvergiftung durch diesen Brand in der Tiefgarage. Und damit war das eine besonders schwere Brandstiftung. Und da ist der Strafrahmen bis zu 15 Jahre. Und ich glaube, das hat die Angeklagten und ihre Verteidiger dann doch beeindruckt und hat offensichtlich zu einem Umdenken bei ihnen geführt. Und ja, im Herbst 2022, das hab ich so empfunden, aber auch die anderen Journalistenkollegen, wurde eine Verurteilung immer wahrscheinlicher - zumindest von vier oder fünf der Angeklagten. Und ich glaube, das war der Beweggrund für die Angeklagten, mit der Staatsanwaltschaft, mit dem Gericht zu kooperieren und die Beute zurück zu geben. Wir waren ja die Einzigen, die mit den Verteidigern, die den Deal maßgeblich mit eingefädelt haben, wirklich Interviews führen konnten. Also die haben wir exklusiv befragen können. Und die haben erzählt, es gab eigentlich fast von Anfang an, aber dann auch verstärkt ab Herbst 2022, Signale von der Staatsanwaltschaft, dass man hier eine Prozess-Verständigung, also einen sogenannten Deal eingehen würde und das es erheblichen Strafrabatt oder Strafnachlass geben würde, wenn Teile der Beute oder die gesamte Beute wieder auftauchen würden.

SK

Und genau das ist ja tatsächlich dann passiert. Die Nachricht kam im Dezember 2022 und schlug ein wie eine Bombe. Da hieß es, die gestohlenen Juwelen, die kehren zurück nach Dresden. Heike, was hast du in dem Moment gedacht? Als Du dieses Nachricht gehört hast?

HRM

Also für mich war das auch ein Knaller. Also, ich habe das auch in keiner Weise erwartet. Das hat eigentlich niemand vorhergesehen zu diesem Zeitpunkt, selbst die Soko Epaulette nicht mehr also. Die haben zwar im Vorfeld immer gesagt ja, wir arbeiten daran, dass die Stücke wieder zurückkommen. Aber an dem Tag in der Pressekonferenz haben sie zugegeben, dass sie selbst nicht mehr daran geglaubt haben. Und bei mir war das so, das war der 17.12. nachmittags, ein Sonnabend, ich war gerade auf dem Weg mit meinem Sohn zum Weihnachtsmarkt und da erreichte mich die Nachricht „die Beute ist zurück“. Also einen Telefonanruf von meinem Chef vom Dienst, vom Sachsenspiegel. Die Information kam von der Polizei und der Staatsanwaltschaft an die Öffentlichkeit. Und da brach natürlich erst mal eine große Freude los bei den Dresdnern und auch bei den Verantwortlichen. Aber natürlich auch Stress. Wir haben dann ganz schnell ein Beitrag im Sachsenspiegel gemacht. Ich bin dann abends noch ins Studio gegangen. Und an dem Tag gab es dann eben auch eine Pressekonferenz von der Staatsanwaltschaft und der Polizei. Und da haben die dann eben mitgeteilt, ein Teil der Beute ist wieder da, und zwar 31 Einzelstücke. Am Ende wurde dann klar, es sind Einzelstücke von 15 gestohlenen Schmuckstücken. Die sind ja zurückgegeben worden in Einzelteilen. Die sind bei diesem Diebstahl zerrissen. Man hatte sie ja mit roher Gewalt aus diesen Vitrinen rausreißen müssen, weil sie ja mit so Angelschnur befestigt waren. Und dabei sind diese Schmuckstücke kaputt gegangen. Ein Hutschmuck zum Beispiel ist in vier Teile zerrissen. Der Degen ist in neun Teile kaputtgegangen. Die Polizei informierte dann am 17.12. darüber, dass jetzt 31 dieser Einzelteile wieder da sind, auch eigentlich der Großteil der Beute, so hat man es damals formuliert. Das war der Ausgangspunkt für den Deal. Der Deal ist eigentlich richtig formell geschlossen worden, erst nach der Rückgabe. Das war dann im Januar, als der Prozess weiterging. Da hat dann der Richter im Gericht ganz ausführlich und detailliert über diesen Deal, und wie es dazu kam und über die Rückgabe informiert. Dass ist in Deutschland vorgeschrieben, dass ist anders als zum Beispiel in den USA. Da bleiben solche Deals oft im Hinterzimmer des Gerichts. Bei uns ist vorgeschrieben, dass darüber informiert werden muss in der Verhandlung. Das hat der Richter dann im Januar auch gemacht. Und dann wird auf der Grundlage noch mal das Strafrahmen besprochen. Und dann stimmen am Ende ganz offiziell Staatsanwaltschaft, Angeklagte und Verteidigung diesem Deal zu. Und dann erst ist der rechtskräftig und gilt. Und das passierte im Januar erst nach der Rückgabe. Also einer der Verteidiger, Thoralf Noeding, der sagte, sie sind ein Stück weit, auch ein Risiko eingegangen als Verteidigung, weil es eben noch nicht diese sichere Absprache des Deals offiziell gab. Sie sind quasi in Vorleistung gegangen und haben die Beute zurückgegeben. Und das kann ja der Dieb, der Täter, dann auch nicht mehr rückgängig machen.

SK

Am Ende ging es ja um einen Strafnachlass. Kannst du noch mal ganz kurz zusammenfassen, wie der aussah? Worum es da ging?

HRM

Ja. Die Absprache war folgende: Es gibt einen Strafnachlass, einen Strafrabatt, gegen einen Teil der Beute. Außerdem müssen von den Angeklagten nachvollziehbare, glaubhafte Geständnisse abgelegt werden, und danach müssen auch Fragen beantwortet werden. Zum letzten Punkt gab es dann auch noch Unstimmigkeiten im Gericht. Es war nämlich so, dass das Gericht und Staatsanwaltschaft, also Richter und Staatsanwälte, davon ausgegangen waren, wenn Fragen beantwortet werden, dann erfolgt das mündlich, quasi adhoc in der Gerichtsverhandlung. Aber das hat man im Deal nicht so formuliert und festgeschrieben. Und im Prozess wurde dann deutlich, dass die Angeklagten und die Verteidiger das komplett anders sehen. Die sagten, wir werden hier nicht auf mündliche Fragen antworten, sondern wir fordern einen schriftlichen Fragenkatalog. Den werden wir dann besprechen und schriftlich antworten. Das lehnte das Gericht / die Kammer dann aber ab. Und man fand dann einen für den Betrachter merkwürdigen Kompromiss. Und zwar hat man dann festgelegt, es werden eine Anzahl von Fragen mündlich im Prozess gestellt durch die Richter und durch die Staatsanwälte. Dann gibt es eine Auszeit, zum Beispiel 30 Minuten, manchmal bis zu einer Stunde. In dieser Zeit beraten Verteidiger und Angeklagte die Fragen, und im Anschluss werden die Fragen oder die Antworten dann von den Verteidigern vorgelesen. Die Staatsanwaltschaft hat dieses Prozedere stark kritisiert. Sie sagte, so kann man eigentlich keine glaubhaften Antworten bekommen. Man kann nicht wirklich erfühlen, spüren, nachprüfen, ob das jetzt wirklich der Wahrheit entspricht. Aber hier konnte sich die Staatsanwaltschaft am Ende nicht durchsetzen. Diese Pille musste sie schlucken.

SK

Du hattest das ja auch gerade schon mal kurz angesprochen. Ihr konntet mit den Anwälten der Angeklagten sprechen, und zwar als einziges Fernsehteam. Wie wie ist Dir das gelungen? Und hast du rausfinden können, was die Motivation der Anwälte war, sich vor der Kamera zu äußern?

HRM

Also, es waren speziell zwei Anwälte – die von Rabieh Remo. Die haben wir interviewen können, die anderen nicht. Also es war ja ganz schwierig, überhaupt irgendwie O-Töne von Prozessbeteiligten zu bekommen. Die Staatsanwaltschaft haben wir natürlich auch immer wieder angefragt. Von denen haben wir bis jetzt kein Interview zu diesem konkreten Fall bekommen. Es wird immer gesagt, der Fall ist ja noch nicht hundertprozentig abgeschlossen, es gibt noch keine rechtskräftigen Urteile, deshalb können wir uns jetzt dazu noch nicht äußern. Diese beiden Verteidiger, das sind Kai Kempgens und Thoralf Nöding. Die haben sich am Ende zu einem Interview bereit gefunden,

Und in dieses Interview hören wir nochmal rein:

Kai Kempgens, Verteidiger

Wir haben relativ genau vorher definieren können, welche Stücke können zurückgegeben werden, welche liegen noch im Machtbereich unserer Mandanten und in welchem Zustand der nie auch zurückgegeben? Und dann gab es, muss man sagen einen Tag X. Selbstverständlich kann man als Verteidiger die Sachen hier nicht aufbewahren, allein aus Sicherheitsgründen aus strafrechtlichen Gründen. Und selbstverständlich haben wir sofort, als es hier vorlag. Die Staatsanwaltschaft informiert, was letztendlich auch der Grund war Iso, der der entsprechende anruft, an den Dresden um 22:30 Uhr oder 23 Uhr erst

O-TOn Thoralf Nöding, Verteidiger

Na ja, das ist natürlich aufregend für alle Beteiligten. Ja, also ich Apps und Zeugen noch nie live gesehen? Ja, das war schon irgendwo. Beeindruckend ist man natürlich voll mit Adrenalin und man freut sich zum einen, dass es offensichtlich geklappt hat. Wir wussten, dass es im Moment auch nicht, ob das jetzt wirklich funktioniert oder nicht.

HRM

Andreas Ziegel (3.v.l.), Vorsitzender Richter am Landgericht Dresden, sitzt beim Prozess um den Juwelenraub im Grünen Gewölbe im Verhandlungssaal im Landgericht auf seinem Platz.
Prozess in Dresden Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Pool | Sebastian Kahnert

Wir haben natürlich über Monate immer wieder mündlich, schriftlich … den Verteidigern die Bude eingerannt und immer wieder nach Interviews gefragt. Und am Ende haben die beiden dann eben zugestimmt. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht so richtig, warum sie das gemacht haben. Ich denke, sie wollten auch ihre Sicht auf diesen Prozess, auf diesen Deal, einfach mal öffentlich machen, ihre Position darstellen. Vielleicht wollten sie auch ihren Erfolg -so sehen sie das sicherlich - ihren Erfolg feiern. Also, das könnte ich mir vorstellen, dass das für die beiden der Beweggrund war. Aber es war tatsächlich auch eine spannende Situation für mich, da in diese Kanzlei reinzugehen. Es war auch eine Anspannung - sowohl bei mir, als auch bei den Verteidigern. Also einer der beiden hat wirklich teilweise eine halbe Minute bis eine Minute überlegt, bevor er antwortete auf meine Frage, weil er das so genau durchdenken wollte, dass er da nichts Falsches sagt. Und manche Fragen wurden eben auch nicht beantwortet. Aber ja, wir waren die einzigen, nicht nur das einzige Fernsehteam, sondern tatsächlich die einzigen Journalisten, die mit den beiden sprechen konnten.

SK

Und nach dem Film, habt ihr von denen noch mal was gehört? Gab es Feedback?

HRM

Nein, also wir hatten mit ihnen verabredet - das muss ich hier wirklich sagen - dass wir ihnen ihre Passagen im Vorfeld zeigen müssen, beziehungsweise auch den Text. Ohne dieses Agreement hätten wir die Interviews nicht bekommen. Und danach gab es, als wir das übermittelt hatten, gab es von ihnen grünes Licht, das Okay. Aber als der Film dann ausgestrahlt war, diesen Gesamtfilm haben Sie natürlich nicht gesehen, also die anderen Interviewpartner und so weiter, dass kannte ja keiner, nur ihre Passagen, habe ich nichts mehr von ihnen gehört. Also ich weiß es nicht, wie sie es auf genommen haben. Ich denke, wenn sie jetzt riesen Bauchschmerzen damit gehabt hätten, hätten sie vielleicht auch irgendetwas unternommen.

SK

Ja, sind ja Anwälte. Und zwar sind es Top-Anwälte, wie man weiß. Die vermutlich auch sehr viel geld kosten. Von dne Angeklagten ist bekannt, dass sie keiner geregelten Arbeit nachgehen oder nachgingen. Man weiß vermutlich nicht, woher das Geld kommt, mit dem die Anwälte beazhlt werdne, oder?

HRM

Es ist in Deutschland halt nicht vorgeschrieben, dass Verteidiger sozusagen wirklich nachprüfen müssen, zB. über Einkommensbelege oder andere Belege. Wo kommt dieses Geld her? Also das ist in Deutschland einfach nicht geregelt, und darum müssen das dann Verteidiger auch nicht machen. Fakt ist, dass die jungen Männer, die hier vor Gericht standen, alle sechs die fünf verurteilten, im Grunde genommen als mittellos gelten, also sie sind. Sie sind eigentlich alle keiner wirklichen Arbeit nachgegangen. Sie lebten im Grunde genommen von Sozialleistungen offiziell, und sie haben also kein Vermögen. Aber wie gesagt, in Deutschland müssen Verteidiger nicht nachfragen, wo das Geld herkommt, mit dem sie bezahlt werden.

SK

Um das nochmal klarzustellen: Das bedeutet nicht, dass hier im vorliegenden Fall, das Geld mit dem die Verteidiger der Remmos bezahlt wurden, aus illegalen Quellen stammt. Darüber wissen wir einfach nichts.

Noch mal zum Deal. Heike solche Deals, die die Staatsanwaltschaft da gemacht hat, mit Straftätern, ist das eigentlich normal? ist das üblich?

HRM:

Das ist ein ganz normales prozessuales Mittel inzwischen, ja. Ich habe von Juristen gehört, dass das schon seit Jahrzehnten praktiziert wird in deutschen Gerichten und seit 2009 ist es in der Straf-Prozessordnung auch festgeschrieben und geregelt. Und das ist ein Rechtsmittel, das für alle angewendet werden muss. Auch das hat der Richter zum Beispiel in seiner Urteilsbegründung auch betont, es gibt dieses Rechtsmittel. Und dann kann er das nicht für bestimmte Leute nicht anwenden, nur, weil sie jetzt in Anführungszeichen den Nachnamen Remmo haben. Hier war es so, dass der Deal vor allem der Schadenswiedergutmachung diente. Und der Richter hat in dieser Urteilsbegründung auch gesagt, dass die zurückgegebenen Schmuckstücke, die jetzt wieder hier in Dresden sind, immerhin 60 Millionen Euro wert haben. Das beruht auf einer Schätzung von den Staatlichen Kunstsammlungen. Und außerdem führte der Deal - das muss man auch sagen - eben auch zur Aufklärung über viele unbekannte Details, zum Beispiel über die Tatbeteiligung der einzelnen Leute. Da wusste man ja bis zu den Geständnissen eigentlich gar nichts. Wer hat was genau gemacht? Und das ist jetzt natürlich schon viel klarer. Und ich muss sagen, ich verstehe dann eigentlich auch, warum auf den Deal eingegangen worden ist vom Gericht und von der Staatsanwaltschaft, denn es gab nun mal dieses Rückgabeangebot. Und was hätte es für einen Aufschrei gegeben, wenn man darauf nicht eingegangen wäre? Das muss man sich mal vorstellen. Es gab ja im Nachhinein viel Kritik, wie konnte man diesen Deal nur eingehen? Aber wenn man es nicht gemacht hätte und das wäre ans Licht gekommen, dass es dieses Rückgabeangebot gab und man das eben nicht genutzt hat, da hätten sich natürlich Medien und Öffentlichkeit und die Menschen auch extrem drüber geärgert und hätten das sicherlich sehr, sehr, sehr kritisch gesehen.

SK

Was hat es denn jetzt eigentlich den Angeklagten am Ende gebracht?

HRM

Na gebracht hat es ihnen einigeas, sage ich mal. Also die Haftstrafen waren natürlich schon sehr glimpflich. Die geringste Strafe waren vier Jahre und vier Monate, die höchste waren sechs Jahre und drei Monate. Das wäre ohne den Deal natürlich viel länger gewesen. Außerdem sind ja drei der Verurteilten inzwischen auf freiem Fuß. Das wurde auch im Deal festgeschrieben, dass sie eben bei Urteilsverkündung aus der U-Haft entlassen werden können, wenn keine anderen Gründe dagegen sprechen. Also ich denke, das hat sich schon sehr gelohnt. Was ich als sehr problematisch empfinde, ist tatsächlich diese Haft-Verschonung, die ich erwähnt habe, dass also die 3 Verurteilten jetzt auf freiem Fuß sind, aus der U-Haft entlassen wurden. Der von uns ja schon, zitierte Staatsanwalt Schulz-Spirohn, der hat gesagt: Symbole sind sehr, sehr wichtig in diesem Clan-Milieu. Und diese Botschaft, die hiervon ausgeht, dass die jetzt eben frei sind, die ist natürlich schon verheerend. Man könnte es ja jetzt so übersetzen, dass man sagt, drei von uns haben zwar mitgemacht bei dieser schon ziemlich dreisten, skrupellosen Tat, aber sie sind trotzdem frei.

SK

Es stand ja relativ schnell auch die Vermutung im Raum - auch, weil diese gestohlenen Stückes so besonders sind - dass die nur zurück geben wurden, weil sie auf dem Schwarzmarkt eh nicht verkauft werden konnten. Und dieser Vermutung bist du auch in deinem Film nachgegangen, und du hast einen prominenten niederländischen Kunsttipp getroffen Oktave Durham, und der erklärte damals

O-TON:

O-Ton Octave Durham:

Ich denke, die wussten nicht, was der Unterschied ist zwischen Diamanten von heute und damals. Der Schliff ist anders.

Ein alter Diamant ist so … flach. der so genannte Tisch.

Der Tisch ist dick, fast rund, das sieht wie ein Fake aus. Der glitzert nicht so wie die von heute, weil die viel mehr Facetten habe und wenn da Licht reinfällt, funkelt das in alle Richtungen.“

SK

Dieser Kunstdieb ging sogar davon aus, dass die Diebe gar nicht wussten, was sie da stahlen. Heike, siehst du das auch so?

HRM

Also ich halte es durchaus für denkbar. Die Diebe sind aus meiner Sicht hochprofessionelle Einbrecher. Aber was die Beute anbelangt, haben Sie sich hier möglicherweise nicht ganz so gut informiert und haben sich ein Stück weit verspekuliert? Solche historischen Juwelen, die haben ja einen Schliff, der eben nicht so attraktiv ist. Und die sind eben auf dem Schwarzmarkt auch extrem schwer zu verkaufen. Und ich glaube, das haben die Täter möglicherweise ein Stück weit unterschätzt. Aber man muss ja auch sagen, es sind ja immer noch drei der prominentesten, der wichtigsten, Stücke nicht da. Also zum Beispiel die Epaulette, die Große Brustschleife, das Diamantcollier der Königin. Und möglicherweise ist ja hier gelungen, was bei den anderen Stücken nicht geklappt hat, das man eben doch die Steine umgeschliffen hat, herausgebrochen hat und dann auf dem Schwarzmarkt zu Geld gemacht hat. Das hätte sich bei diesen Steinen auch besonders gut machen lassen. Also die Vermutung liegt nahe, dass es hier doch zu einem Verkauf gekommen ist und das die tatsächlich jetzt vielleicht für immer verschwunden sind.

SK

Zum Abschluss: Obwohl es vergleichsweise milde Strafen gab, haben die Verurteilten allesamt Revision eingelegt. Warum?

HRM

Das hat mir einer der Verteidiger erklärt. Das scheint Usus zu sein, das scheint man immer so zu machen. Es ist eben so, dass man für so eine Revision eine Woche Zeit hat und zu diesem Zeitpunkt liegt die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vor. Und num da die Tür noch offen zu halten, da eventuell Fehler zu entdecken oder Dinge, wo man doch noch mal nachhaken kann, wird eigentlich immer Revision eingelegt. So hat er das zumindest mir gegenüber erklärt. Außerdem könnte noch ein anderer Aspekt eine Rolle spielen. So eine Revision verzögert natürlich rechtskräftige Urteile. Also durch eine Revision dauert so etwas einfach länger, bis dann die Urteile in Kraft treten, das kann Monate dauern, das kann aber auch Jahre dauern - je nachdem, wie der Bundesgerichtshof, der jetzt über diese Revision entscheiden muss, sich verhält. Und je später die drei Haftverschonten dann rechtskräftige Urteile haben, umso später müssen sie auch in die Haft. Man erkauft sich hier durch so eine Revision möglicherweise auch mehr freie Zeit draußen bei seiner Familie, bei seinen Freunden.

SK

Das heißt aber, es ist schon noch eine nächste Runde in diesem Prozess zu erwarten, das heißt, dich wird das auch noch eine Weile beschäftigen, oder?

HRM

Mich beschäftigt das bestimmt noch eine ganze Weile, weil es gibt ja jetzt auch andere Nachfolgeverfahren. Zum Beispiel hat der Freistaat Sachsen, die Staatliche Kunstsammlung, haben jetzt eine Zivilklage angestrengt gegen die Wachschutzfirma. Man sei der Meinung, die haben sich da nicht richtig verhalten. Die haben dort Fehler gemacht. Bei dem konkreten Grüne-Gewölbe-Prozess, der jetzt hier mit diesen Urteilen erstmal beendet wurde, hängt es wirklich davon ab, wie sich der Bundesgerichtshof verhält. Das kann ja auch sein, der akzeptiert die Urteile. Dann war's das im Grunde genommen. Wenn gesagt wird, nein, hier ist irgendetwas nicht ganz korrekt gelaufen, dann wird das an das Landgericht zurückverwiesen. Und dann muss dort noch einmal verhandelt werden. Also das könnte auch passieren. Das könnte natürlich vor allem passieren bei einem der Zwillinge, der verurteilt wurde, der hatte ja bis zum Schluss behauptet, dass er unschuldig ist. Dass er zwar von der Tat wusste, dass er auch Werkzeuge dafür besorgt hat. Aber dass er beim eigentlichen Einbruch nicht dabei war. Das hat ihm das Gericht nicht geglaubt und hat ihm darum als Mittäter verurteilt - und nicht nur wegen Beihilfe, wie er das wollte. Und bei ihm könnte es natürlich sein, dass der Bundesgerichtshof das anders einschätzt als die Kammer hier in Dresden. Und ja, das bleibt jetzt einfach abzuwarten.

SK

Ja, das warten wir ab. Heike Römer-Menschel. Ich danke dir sehr für dieses Gespräch.

MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche

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