MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche (Folge 90) Gewalttätig und rechts: Wer bewacht die Bewacher?
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Vor Clubs, Behörden und Flüchtlingsheimen: Die Security-Branche in Deutschland boomt. Aber immer wieder gibt es Vorwürfe rassistischer Übergriffe und Gewalt. Das „Bewacherregister“ sollte 2019 deshalb mehr Transparenz in die Branche bringen und verfassungsfeindlich gesinnten Personen den Zugang zu sensiblen Positionen verwehren. Funktioniert das?
Esther Stephan (ES): So ziemlich jede und jeder hat schon mal Kontakt zu dieser Branche gehabt. Sei es an der Clubtür, bei Behörden oder im Stadion. Oder kennt jemanden, der hier arbeitet. Denn das Geschäft von Sicherheitsfirmen, das boomt seit einigen Jahren. Das liegt auch an der gestiegenen Zahl von Unterkünften für Geflüchtete. Die Sicherheitsfirmen sollen diese Unterkünfte bewachen und Konflikte deeskalieren. Statt Deeskalation kommt es aber immer wieder zu Übergriffen durch die Security-Mitarbeiter. Über eine Flüchtlingsunterkunft im thüringischen Suhl berichten zum Beispiel mehrere Menschen von rassistischen Beleidigungen und Bedrohungen. Hat die Branche ein Problem mit rechten, gewalttätigen Sicherheitskräften? Darum geht es heute bei "MDR Investigativ - Hinter der Recherche". Das ist der Podcast, in dem wir mit Journalist*innen über ihre Recherchen sprechen. Darüber, was passiert ist, als die Kamera aus war, wie sie an ihre Informationen gekommen sind und über ihre persönliche Sicht auf die Recherche. Ich bin Esther Stephan, ich arbeite für die politischen Magazine des Mitteldeutschen Rundfunks und ich spreche heute mit Tobias Sylvan und Marcel Siepmann. Hallo Tobias!
Tobias Sylvan (TS): Hi, grüß dich Esther!
ES: Und hallo Marcel!
Marcel Siepmann (MS): Hallo!
ES: Ihr habt ja für euren Film, der heißt "rechts und gewalttätig: Security ohne Kontrolle", das ein Exactly und läuft in der ARD Mediathek, dafür habt ihr lange zu einer Unterkunft für Geflüchtete in Suhl recherchiert. In dieser Unterkunft ist es zu Übergriffen von Security-Mitarbeiter*innen auf Geflüchtete gekommen. Könnt ihr noch mal zusammenfassen was da passiert ist?
TS: Ja, das ist eine relativ lange Geschichte schon. In Suhl befindet sich die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge im Freistaat Thüringen. Also es ist eine zentrale Einrichtung, wo die Menschen zuerst hinkommen, wenn sie quasi nach Deutschland kommen und wo sie dann auf ihre nächsten Schritte im Asylverfahren warten. Und da haben wir schon länger zu recherchiert, waren letztes Jahr auch schon mal dort, haben eine Reportage gemacht zu verschiedenen Problemen in der Flüchtlingsunterbringung. Und das Thema damals, das aufgekommen ist, waren die Securities. Da gab es viele Beschwerden. Wir haben, die gehört von Leuten, die dort gewohnt haben, von ehemaligen Bewohnern und Bewohnerinnen, aber auch von Beratungsstellen aus verschiedenen Richtungen. Und wir sind an dem Thema dran geblieben, haben weiter dazu recherchiert, weil es damals schon Vorwürfe gab gegen einen Mitarbeiter ganz explizit, Benny W., der würde sehr aggressiv auftreten, Leute beleidigen und so weiter. Und das war ein Politikum. Weil rausgekommen war, dass dieser mit Security-Mitarbeiter auf Facebook Bilder mit rechtsextremen Symbolen auch gepostet hatte. Und dieses Thema hat uns dann länger beschäftigt. Die Frage: Wieso kann so einer in der Flüchtlingsunterkunft arbeiten? Das wurde auch Thema im Thüringer Landtag in Erfurt. Und wir haben einfach dann uns umgehört. Wir wollten wissen: Okay, was ist dort los, was gibt es vor für Vorwürfe gegen ihn, aber auch gegen andere? Und haben dann da ein bisschen genauer draufgeschaut. Aber auch, und das haben wir uns dann zusammen vorgenommen für diese Recherche uns anzuschauen, wie gut ist die Security-Branche eigentlich reguliert und kontrolliert? Was gibt es in dieser Branche allgemein auch für Probleme und Herausforderungen? Und was passiert ganz im Konkreten, in Suhl, in der Erstaufnahmeeinrichtung?
ES: Jetzt habe ich vorhin in der Anmoderation schon mal gesagt, dass das eine Branche ist, die boomt. Und dass dieser Boom auch mit der gestiegenen Zahl von Geflüchtetenunterkünften zusammenhängt, unter anderem. Marcel, kannst du das vielleicht mal ins Verhältnis setzen?
MS: Im Film haben wir eine Zahl, die sehr eindrücklich ist: Dass sich der Umsatz in zehn Jahren fast verdoppelt hat. Also der liegt heute bei knapp über 11 Milliarden Euro im Jahr. Und da ist ein Teil erklärbar mit der Einführung des Mindestlohns, was direkt auch wieder auf ein anderes Problem in der Branche hinweist. Das es ein ziemlicher Niedriglohnsektor ist. Wenn man sich dann aber weitere Zahlen anschaut, sieht man, dass die Branche an sich einfach sehr stark gewachsen ist. Dass die Mitarbeiterzahl um 50 Prozent gestiegen ist, heute bei 270.000 Mitarbeitern liegt und ganz konkrete Unternehmen wie die City Schutz, die das größte ostdeutsche Unternehmen ist und die eben auch diese besagte Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl bewachen. Die haben 2014 noch einen Gewinn von zirka 300.000 Euro gehabt. Der liegt inzwischen fast bei 5 Millionen Euro im Jahr. Also die sind mit diesem Bereich der Bewachung von Unterkünften für Geflüchtete so richtig groß geworden, kann man sagen. Das ist ein personalintensiver Bereich und eben einer, der seit 2015 da stark gewachsen ist.
ES: Und mal abgesehen von Geflüchtetenunterkünften, wo werden denn Secus noch überall eingesetzt? Also ich kenne sie jetzt aus dem Club und von Konzerten, Fußball spielt bei euch noch eine Rolle. Was sind denn so typische Einsatzgebiete?
MS: Das ist sehr, sehr, sehr unterschiedlich. Klassischerweise kennt man das so aus dem Eventbereich, Festivals oder eben Clubs. Was man manchmal nicht so auf dem Schirm hat, ist, dass es auch viel Sicherheitspersonal an der Pforte staatlicher Institutionen gibt. Seien es irgendwelche Ministerien, Behörden, Gerichte, aber eben auch Polizeistationen. Und das sind dann auch Bereiche, die interessant sind. Weil ich ja beispielsweise einen Personalausweis vorlegen muss, manche Polizeistationen von privaten Sicherheitsleuten auch mit Schusswaffen bewacht werden. Andere Bereiche sind auch noch, dass in manchen Städten darüber diskutiert wird, dass von Kaufhäusern oder ganzen Einkaufsmeilen so Satdtbestreifungen organisiert werden. Oder in manchen Parks gibt es das auch. Oder auch von Wohnungsunternehmen Sicherheitsfirmen angestellt werden, um in dem Block, wo das Unternehmen dann viele Wohnungen besitzt oder viele Häuser, dort nach dem Rechten zu schauen. Also es ist so sehr vielfältig, wo das Sicherheitspersonal eingesetzt wird.
ES: Das habe ich auch gerade gedacht. Also wirklich eigentlich überall könnte man auf Securities treffen. Wie wird man denn eigentlich Security-Mitarbeiter*in? Also gibt es da eine ganz formelle Ausbildung?
TS: Tatsächlich ist der Einstieg in den Beruf recht niedrigschwellig. Viele Jobs in der Branche, die Marcel jetzt auch gerade beschrieben hat, kann man eigentlich machen, wenn man nur einen sogenannten Sitzschein hat, also eine Sachkundeunterrichtung heißt das und dieser Schein, der belegt dann, dass man so 40-stündige Unterrichtung mitbekommen hat bei der Industrie und Handelskammer, wo man so Grundlagen bekommt, rechtliches, wie man arbeitet in solchen Situationen, wie man mit bestimmten Fällen umgeht. Da braucht es aber keine Prüfung oder Ähnliches. Damit kann man schon viele Jobs machen in der Branche. Der sogenannte 34A Unterrichtung. Dann gibt es aber auch bestimmte Bereiche, wo es ein bisschen höhere Anforderungen gibt. Und das ist zum Beispiel, wenn man in einer Führungsposition in einer Flüchtlingsunterkunft arbeiten will. Da braucht man eine sogenannte Sachkundeprüfung. Man hat diese Unterrichtung und muss dann auch eine Prüfung ablegen darüber. Und die bestehen, ist ja klar. Das ist die sogenannte 34A Sachkundeprüfung. Das sind eigentlich so die Hauptzugangsvoraussetzungen, was jetzt so eine Ausbildung angeht. Es gibt auch weitere Ausbildungen, Fachkraft, Servicekraft. Man kann sogar einen Meister für Schutz und Sicherheit machen. Aber wie gesagt, für die meisten Jobs sind die Anforderungen recht niedrig. Was auch kritisiert wird von verschiedenen Branchenverbänden und Expertinnen, mit denen wir gesprochen haben.
ES: Marcel hat eben schon gesagt, manchmal sitzen Leute, die in einer Security für eine Polizeiwache zum Beispiel sind, sogar mit Waffen da. Die haben aber ja auf jeden Fall eine totale Macht, selbst wenn sie jetzt nur an einer Clubtür erstmal nur die Leute kontrollieren. Kann das jede und jeder werden? Weil wenn ich jetzt zum Beispiel Polizistin werden möchte, dann muss ich ja eine ganze Menge Voraussetzungen erfüllen und Vorgaben erfüllen. Du hast gerade gesagt, Tobi, bei Secus zum Teil reicht eine Woche, 40 Stunden Ausbildung, zum Teil sogar ohne Prüfung. Gibt es da irgendwelche Vorgaben noch, wer das machen kann?
TS: Also ganz klar, wenn jemand mit einer Waffe irgendwo sitzt, dann gibt es höhere Anforderungen daran. Man braucht natürlich mehr als 40-stündige Unterrichtung, wenn man irgendwo mit einer Pistole sitzt. Da braucht man dann einen Waffenschein und eine Unterrichtung in der Hinsicht. Aber es gibt natürlich darüber hinaus über diese konkrete Ausbildung auch noch bestimmte gesetzliche Vorschriften, die bestimmen, ob man in der Branche zugelassen werden darf oder nicht. Zum Beispiel ist es momentan so, dass, wenn man in den letzten fünf Jahren wegen Verbrechen oder bestimmter Straftaten verurteilt wurde, oder wenn man in den letzten zehn Jahren Mitglied von einem verbotenen Verein oder einer offiziell verfassungswidrigen Partei war, dann darf man auch nicht zugelassen werden. Also es gibt schon gewisse Rahmenbedingungen, die festgelegt wurden, wer in der Branche arbeiten darf oder nicht. Und wir haben uns halt angeschaut, wie genau diese Rahmenbedingungen aussehen, wie genau die greifen können und ob das funktioniert.
ES: Jetzt habt ihr auch mit einer Person gesprochen, den nennt ihr Said, und der hat euch von seinen Erfahrungen mit den Securities in Suhl berichtet. Über diese Vorfälle hatten wir ja ganz am Anfang auch schon mal kurz gesprochen, wie seid ihr mit Said in Kontakt gekommen?
TS: Also im Rahmen dieser Recherche um die Erstaufnahmeeinrichtungen haben wir Kontakt aufgenommen zu verschiedenen Beratungsstellen in Thüringen, die mit geflüchteten Menschen arbeiten, ihnen Rechtsbeistand geben im Asylverfahren oder auch Menschen mit Rassismuserfahrungen unterstützen. Über so eine Beratungsstelle haben wir dann auch Kontakt mit Said bekommen. Und die meinten: Ja hier gibt's wen, der will vielleicht sprechen. Vielleicht könnte man mit dem telefonieren, der war in Suhl in der Erstaufnahmeeinrichtung, kontaktiert den mal. So haben wir den Kontakt bekommen. Er hat perfekt verstanden, was dort gesagt wurde, anders als die meisten anderen. Und genau davon hat er dann im Endeffekt auch berichtet, von alltäglichen rassistischen Sprüchen der Security-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Schikane und einer insgesamt extrem belastenden Erfahrung für ihn.
Was fallen da so für Begriffe?
"Die Kameltreiber." Die Schwarzen werden "Dachpappe" genannt. "Du kannst froh sein, dass wir dich überhaupt annehmen!" Halt ständig nur so etwas abwertendes. Und die wissen halt genau, dass 95 Prozent oder so sehr, sehr wenig Deutsch verstehen. Und genau deswegen nehmen sie sich das Recht raus, so ekelhaft mit den Menschen zu sprechen. Ich war einer der wenigen, die Deutsch sprechen, und ich habe mir alles gemerkt.
ES: Hat er sich mit dieser Erfahrung euch denn auch bereitwillig geöffnet? Das ist ja eine sehr, sehr heikle Situation, ihr beschreibt im Film auch, dass er Sorge hat, dass sich diese Gespräche mit euch zum Beispiel negativ auf seine Duldung auswirken könnten. Aber das sind ja auch einfach sehr sensible Sachen, über die ihr da gesprochen habt, wenn du sagst, er ist zum Beispiel auch in Deutschland aufgewachsen, hat aufgrund von Umständen noch keinen deutschen Pass.
TS: Ja, ich muss sagen, das ist wirklich eine allgemeine Erfahrung, die ich mache, wenn ich zum Thema Asyl oder Erstaufnahmeeinrichtung recherchiere. Das es wirklich häufig extrem schwierig ist, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen oder einen guten Modus zu finden, mit Menschen zu arbeiten. Und bei Said war das auch so. Und deshalb haben wir sehr genau besprochen: Welche Sorgen hast du? Was brauchst du, um dich mit mir zu treffen? Wie soll man sich erkennen oder auch nicht erkennen dürfen? Dann bin ich dahin gefahren, wo er heute wohnt. Wir haben uns in einem Hotelzimmer getroffen, ich war mit Kameramann unterwegs. Wir haben versucht, das einen möglichst sicheren Rahmen, einen möglichst anonym Rahmen zu schaffen, und haben dann mit ihm besprochen, dass wir sein Gesicht unkenntlich machen, seine Stimme nachsprechen und auch seinen Namen ändern. Ja, das war ein ganz schöner Prozess, muss ich sagen. Und wir haben immer zwischendurch telefoniert, geschrieben, uns versucht irgendwie abzusprechen. Das ist in meiner Erfahrung auch wirklich kein Einzelfall. Sondern das hat sich wirklich durch diese Recherche gezogen. Und das hat verschiedene Gründe meiner Meinung nach. Weil erstens sind Leute, die im Asylverfahren sind oder ohne sicheren Aufenthaltstitel in Deutschland sind, oft allgemein einfach unsicher, wollen, nichts falsch machen, auf keinen Fall irgendwie Stress mit irgendwelchen Behörden haben oder irgendwo auch nur auftauchen, das ist echt eine Herausforderung. Und manchmal gibt es da schon die Sorge: Was ist, wenn mein Sachbearbeiter beim Bundesamt für Migration jetzt das sieht, dass ich hier im Fernsehen was erzähle und es nicht gut findet, wie ich über meine Erfahrungen berichte, vielleicht kann das ja sogar schon jetzt negative Auswirkungen haben auf mein Asylverfahren oder so. Oder wenn ich zur Polizei gehe, dort aussage über irgendwas, was mir passiert ist oder auch nur als Zeugin auftrete. Vielleicht kann das ja schon negative Auswirkungen haben, weil dann hab ich dann schon eine Akte bei der Polizei. Es gibt ganz oft diese Unsicherheit, weil Leute in so einer prekären Situation sind. Und ich habe in dem Rahmen der Recherche mit vielen weiteren Menschen gesprochen, die auch in Suhl gelebt haben. Fast niemand wollte mit Gesicht oder Namen dann tatsächlich im Fernsehen auftauchen. Bei Said haben wir ihn so anonymisiert. Und das war so ein bisschen der Prozess, den wir mit dieser Quelle hatten.
ES: In diesem Kontext dieser Geflüchtetenunterkunft Suhl fällt immer wieder der Name Benny W. Über den hast du auch ganz am Anfang, Tobi, schon mal ganz kurz gesprochen. Könnt ihr nochmal sagen, wer das eigentlich ist, was ihm vorgeworfen wird?
TS: Benny W. ist ein Mitarbeiter der Firma City Schutz, die in EAE Suhl als Dienstleister für die Sicherheit zuständig sind. Und Benny W. hat so eine gewisse Öffentlichkeit bekommen, wegen einem Video, das Ende 2021 veröffentlicht wurde. Da gibt es eine Szene an der Eingangspforte der Erstaufnahmeeinrichtung, die so eine Auseinandersetzung zeigt zwischen ihm und einer Gruppe von Migranten, Migrantinnen, die vorm Tor stehen und Teile von dem Video haben wir auch in unserer Reportage, kann man also gerne da noch mal nachschauen. Da hört man Benny W., wie er schreit: "Ich schraub dir den Schädel runter! Willkommen in Deutschland, du Arschloch!"
Willkommen in Deutschland, du Arschloch! Komm her, Opa, komm! Ich schraib dir den Schädel runter!
TS: Dann wurde dieses Video öffentlich. Und dann kamen dann so Infos auf, also er hatte auf Facebook rechtsextreme Inhalte gepostet und war auf einer Wahlliste von dem Rechtsextremisten aus Thüringen Tommy Frenck 2014. Dann wurde das ein Politikum. Das wurde dann auch im Landtag diskutiert. In verschiedenen Gesprächen haben uns dann ehemalige Bewohner und Bewohnerinnen erzählt, dass sie sich gut an aggressives Verhalten von ihm erinnern können, an Beleidigungen, herabwürdigende Sprüche, auch an so Situation, wo sie das Gefühl hatten, er spielt so Spiele mit ihnen. Das hat Said zum Beispiel auch berichtet, wo er gesagt hat: der hat uns irgendwie wie Tiere behandelt. Der hat uns irgendwie so herabwürdigend behandelt. Tatsächlich einige Leute, mit denen wir gesprochen haben, konnten sich sehr gut an Benny W. erinnern, aber auch nicht nur an ihn, sondern auch an einige seiner Kolleg*innen.
ES: Ihr habt auch mit ehemaligen Kollegen von Benny W. gesprochen. Was haben die für den Eindruck auf euch gemacht, Marcel?
MS: Wir haben uns in der Recherche da so ein bisschen aufgeteilt und ich habe dann irgendwann einen Kontakt bekommen zu ehemaligen Mitarbeitern, die uns vieles von dem, was uns vorher auch erzählt wurde, bestätigen konnten und auch noch mal das so ein bisschen plastischer gemacht haben. Mit ganz konkreten Geschichten. Also beispielsweise über Benny W. uns erzählt haben, dass der seinen ersten Arbeitstag angetreten ist mit einem Koffer, in dem er Gegenstände hatte, die für die Arbeit als Sicherheitsperson in so einem Ort überhaupt gar nicht erlaubt seien. So hat uns das der ehemalige Kollege erzählt. Da waren dann Schlagstöcke, Handschellen und verschiedene Sachen drin. Mit der Aussage: "Na, wenn ich jetzt hier in so einem Ort mit den ganzen Asylanten zusammenarbeite, dann brauche ich ja sowas." Der ist dann wohl nach Hause geschickt wurden, oder es wurde gesagt, dass diesen Koffer zuhause lassen soll. Und es gibt dann noch verschiedene andere Geschichten, wo beschrieben wurde, wie er sehr schnell Gewalt angewandt hat, um Menschen auf den Boden zu bringen, was von ehemaligen Kollegen als unverhältnismäßig wahrgenommen wurde und dass jetzt Schimpfwörter regelmäßig gefallen sind, das fanden die gar nicht mehr besonders zu erwähnen. Also dass Menschen als Kanaken bezeichnet wurden oder auch beschimpft wurden, wenn es mal eine Diskussion gab, dass die Leute froh sein sollen, dass sie überhaupt hier aufgenommen werden. Dem wurde kaum noch eine Bedeutung zugemessen. Das war ganz klar für die ehemaligen Kollegen, weil das auch so üblich war und eben auch nicht nur von Benny W., sondern auch von weiteren Kollegen so gemacht wurde.
ES: Ich fand es interessant, dass die beiden, die man im Film sieht, auch anonym auftreten. Warum war das so?
MS: Ich kann leider nicht alles transparent machen, weshalb diese Mitarbeiter unerkannt bleiben wollten, weil das dann wiederum zu viel über deren Hintergrund erzählen würde. Die hatten auf jeden Fall große Angst. Also das ist ja auch aus den Tönen deutlich geworden, die wir im Film haben, dass da massiv mit ja auch unter Druck setzen gearbeitet wurde. Es gab, so erzählen uns das unabhängige Quellen voneinander, eben eine Gruppe. Es gab eben nicht nur diesen Benny W., sondern eine Gruppe von Menschen, die immer wieder durch rassistisches Verhalten aber auch übermäßige Anwendung von Gewalt aufgefallen sind. Was bei den Mitarbeitern teilweise sehr angestoßen ist, also weil sie es nicht gut fanden, das so mit den Menschen umgegangen wird, aber auch, weil sie selber Angst hatten, dass Situationen dadurch eskalieren können. Und die hatten aber teilweise so viel Angst, dass dann zu melden oder zum Thema zu machen, weil die wiederum auch von denen unter Druck gesetzt wurden. Und das ist ein Teil der Antwort. Dass es einfach immer noch Angst gibt, man wollte diese Zeit dann auch hinter sich lassen, dass das dann wieder irgendwie eine Rolle spielt oder man Problem kriegt. Und das andere ist glaube ich, eine grundsätzliche Angst. Dass es vielleicht auch der neue Arbeitgeber nicht gut findet, wenn da jetzt über einen ehemaligen Arbeitgeber schlecht gesprochen wird und man sich damit beruflich irgendetwas verbaut.
ES: Ihr trefft Benny W., im Film sieh man das auch, ihr trefft ihn da vor der Unterkunft in Suhl. Offensichtlich arbeitet er da noch. Er will aber nicht mit euch sprechen. Habt er jetzt nach der Veröffentlichung mitbekommen, wie er auf diesen Film reagiert?
TS: Bisher noch nicht, ne. Wir haben ihm eine E-Mail-Adresse gegeben, dass er sich melden kann, haben auch über seine Firma angefragt, ober nicht mit uns sprechen will. Aber bisher kam da noch nichts zurück.
ES: Aber wenn er dann noch arbeitet, wisst ihr was, was Sicherheitsfirmen unternehmen, dass es eben nicht zu solchen Übergriffen kommt, dass man solche Übergriffe auch verhindert?
MS: Grundsätzlich stellt ja eine Sicherheitsfirma diese Person ein und hat da erstmal die Möglichkeit, auch zu schauen, wen hole ich mir da für welchen Bereich ins Unternehmen? Uns wurde jetzt vom Branchenverband, der größere Unternehmen vertritt, aber gesagt, dass ja dafür eigentlich das Bewacherregister zuständig ist. Was wir auch im Film relativ ausführlich thematisieren.
ES: Darüber sprechen wir gleich auch noch mal, ja.
MS: Genau und so grundsätzlich hätten Unternehmen natürlich die Möglichkeit zu schauen, welche interkulturellen Kompetenzen bringt eine Person mit, die jetzt in einer Unterkunft für Geflüchtete eingesetzt wird und was dann die Möglichkeiten sind, wenn eine Person auffällig geworden ist und es eben vorher nicht aufgefallen ist. Es gibt natürlich die Möglichkeit, Menschen woanders einzusetzen, um aber Leute zu kündigen, gibt es dann natürlich auch Hürden, weil es da ja auch Rechte der Arbeitnehmer gibt, die verhindern, dass man Menschen jetzt einfach entlassen kann.
ES: Das ist ja eine Branche, wo die Leute, die dort arbeiten, ein ordentliches Stück Macht bekommen. Ist es auch eine Branche, wo es vielleicht auch deshalb – das wärefür mich jetzt persönlich naheliegend - auch schon einen Hang zur Gewalt gibt? Oder kann man das so pauschal nicht sagen?
MS: Es ist super schwierig zu sagen, wie weit ist Gewalt in der Branche in der Fläche vertreten, oder wie rechts ist diese Branche, weil es dazu keine Statistiken gibt. Das ist dann ja auch der Versuch gewesen, in dieser Doku uns dem anzunähern, Zahlen zu erfragen. Aber es gibt eine Zahl von Fällen, von denen wir wissen, wo es Übergriffe in Unterkünften für Geflüchtete gab oder auch in anderen Bereichen Dinge passiert sind. Aber was man umgedreht sagen kann, ist natürlich, dass das ein Bereich ist, in dem in bestimmten Fällen dann Gewalt angewandt wird. Die rechtlichen Grundlagen dafür sind auch relativ schwammig, weil es keine besonderen Befugnisse gibt, die das Security-Personal da hat. Aber dadurch, dass man eben diese ausgesprochene Machtposition hat, darüber entscheidet: Wer kommt hier rein, oder auch eingreifen muss, wenn es Konflikte gibt, ist es umgekehrt so wichtig, dass es eben Menschen sind, die einen ruhigen Puls haben, die in angespannten Situationen auch ruhig bleiben und Konflikte lösen können und nicht befeuern.
ES: Wie ist denn das mit rechtem Gedankengut? Kommt das häufig vor in der Branche?
TS: In unseren Recherchen sind wir darauf gestoßen, dass es dazu eigentlich überhaupt keine Zahlen gibt. Es gibt natürlich immer wieder Recherchen, Medienberichte, die auftauchen. Dass zum Beispiel rauskommt: Okay, auf dem CSD in Berlin auf dem Christopher Street Day hat ein Rechtsextremist als Sicherheitsmann gearbeitet oder in bestimmten Städten. Es gab Recherchen zu Cottbus zum Beispiel. Dort gibt es Rechtsextreme in Sicherheitsfirmen, die dort die Branche dominieren. Aber richtige Zahlen gibt es dazu eigentlich nicht. Und ja, das war auch ein bisschen den Anstoß für den Teil unserer Recherche.
MS: Genau in bestimmten Städten – wir waren jetzt beispielsweise in Chemnitz unterwegs - da wurde uns von einem Insider, der schon lange in der Sicherheitsbranche tätig ist und er auch schon in verschiedensten Unternehmen gearbeitet hat, erzählt, dass es ja eigentlich kaum Unternehmen gäbe, die nicht rechtsoffen bis rechtsextremen seien. Und der da so ein sehr dunkles Bild gemalt hat. Aber auch das genau ist schwer jetzt an an Zahlen festzumachen. Es gibt da sicherlich immer wieder Brennpunkte, so wie Tobi das gerade auch gesagt hat, mit Städten, wo das ausgeprägter ist. Und ja, aber eben schwierig so ganz festzumachen. Wir haben das dann auch versucht, mit einer Erhebung herauszufinden: Was gibt es an Erkenntnissen über der Rechtsextremismus in dem Bereich und da versucht eine erste Annäherung zu machen. Was wissen eigentlich die Behörden? Was weiß der Staat darüber, wie verbreitet das Phänomen in dem Bereich ist?
ES: Also ihr erzählt in dem Film, dass es seit 2019 dieses Bewacherregister gibt. Dieser Name fiel gerade auch schon ein paarmal. Vielleicht könnte ihr einfach noch mal sagen, was das genau ist.
MS: Also erstmals ist das Bewacherregister jetzt eigentlich nur ein Tool, das Kommunen nutzen, um Anfragen von Unternehmen zu bearbeiten, die jetzt Mitarbeiter*innen für die Arbeit in der Sicherheitsbranche anmelden wollen. Dafür brauchen die die Anerkennung einer Zuverlässigkeit, worüber das Ordnungsamt entscheidet. Der Staat hat nämlich irgendwann erkannt, dass es eine gewisse Kontrolle braucht. Gerade wenn so viele Personen jetzt in der privaten Sicherheitsbranche arbeiten, die dann Aufträge von staatlichen Institutionen umsetzen. Es gab ein paar Vorfälle von Machtmissbrauch, Gewalt in Unterkünften für Geflüchtete. Da gab es verschiedene Gründe, die dann dafür Anlass waren, eben dieses Bewacherregister einzuführen. Und wenn eben dieser besagte Antrag gestellt wird, ein Mitarbeiter Zuverlässigkeit bekommen soll, wird dann geschaut, ob dieser Mitarbeiter die Voraussetzung erfüllt, seine Zuverlässigkeit zu bekommen. Da spielt mit rein, ob der Vorstrafen hat und beim Einsatz in bestimmten Bereichen eben auch dem Verfassungsschutz Informationen vorliegen, über einen extremistischen Hintergrund. Die Bereiche, in denen das dann nochmal extra geprüft wird, ob ein extremistischer Hintergrund vorliegt, sind die jetzt schon viel besprochenen Unterkünfte für Geflüchtete, aber auch große Events. Wo dann beispielsweise auch Fußballspiele drunterfallen oder kritische Bereiche der Infrastruktur, wo dann ein Atomkraftwerk zum Beispiel darunter fallen würde. In diesen Bereichen kommt dann der Verfassungsschutz ins Spiel und macht noch einmal so einen Hintergrundcheck oder guckt, welche Informationen über Personen vielleicht schon vorliegen, die dann verhindern würden, dass die Person in diesen Bereichen eingesetzt werden könnte oder eben eine Zuverlässigkeit bekommt.
ES: Und ihr habt da auch mal bundesweit einmal abgefragt. Was ist da rausgekommen bei eurer Anfrage?
MS: Erst mal haben wir gemerkt, dass bei den verantwortlichen Ministerien sehr wenig Wissen darüber vorliegt, was in diesem Bereich eigentlich passiert. Viele gar nicht auf dem Schirm hatten, dass ihr Ministerium für das Bewacherregister zuständig ist. Es hat dann alles eine Weile gedauert, bis wir da überhaupt an die Informationen gekommen sind. Wir wollten jetzt vor allen Dingen wissen, wie häufig der Verfassungsschutz Hinweise auf Rechtsextremismus vorliegen hatte und dann in zweiter Instanz, wie häufig das dann auch einen Einfluss auf die Entscheidung hatte. Das Ergebnis war, dass es seit 2019 mindestens 347 Fälle deutschlandweit gab, bei denen der Verfassungsschutz Hinweise auf einen Reichsbürger- oder Rechtsextremismus-Hintergrund hatte. Und das Problematische fängt dann ja jetzt an: Also was hat dann die Behörde draus gemacht? Hätte er auch sein können, dass alle 347 Personen dann eben nicht eingesetzt werden durften. Das ist aber nicht der Fall. Nur 30 Prozent wurden ausgesiebt. Das war dann auch so ein Moment, wo wir ziemlich gestaunt haben und uns gefragt haben: Wie kann es sein, dass nur so ein geringer Teil der abgelehnt wird, obwohl diese Informationen vorliegen? Und das ist dann wiederum aber auch relativ einfach erklärbar. Denn nicht alle Informationen, die der Verfassungsschutz zuliefert führen dann auch gesetzlich zu einer Aberkennung der Zuverlässigkeit.
ES: Was heißt das? Hast du da ein Beispiel für?
MS: Beispielsweise muss eine Person in einer verbotenen Organisation sein oder in einer schon als verfassungswidrig eingestuften Partei. Wenn jetzt der Verfassungsschutz weiß, dass eine Person regelmäßig auf Demonstrationen des dritten Weges, einer als rechtsextremistisch eingestuften Partei, unterwegs ist oder rechtsextremistische Inhalte auf der auf seiner Facebook-Seite postet, dann ist das alles keine Grundlage dafür, dass diese Person abgelehnt werden würde. Da gibt es sehr enge Vorgaben. Und zudem spielt dann auch die Zeit noch eine Rolle, dass viele Sachen dann begrenzt sind. Beispielsweise nur fünf Jahre zurück eine Auswirkungen haben. Wenn ich jetzt vor sechs Jahren Mitglied in einer verbotenen Organisation war, dann hätte das auch wieder keinen Einfluss.
TS: Vielleicht kann ich da kurz einhaken, weil parallel zu dieser deutschlandweiten Recherche lief ja auch unsere Recherche zu der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl und zu Benny W. Und tatsächlich scheint das dort auch genau der Fall gewesen zu sein. Wir haben dann dort Anfragen gestellt, haben versucht, quasi rauszufinden: Okay, dem Verfassungsschutz lagen offensichtlich Informationen über Benny W. vor. Die haben dann auch diese Informationen an die zuständige Behörde weitergeleitet, die verantwortlich ist, dafür zu sagen: okay, der ist jetzt zuverlässig oder nicht. Und dann haben wir die Behörde gefragt: okay, wie sieht es denn aus, was waren das für Infos? Und wieso hat er diese Zuverlässigkeit trotzdem bekommen? Und dann haben sie gesagt: Ja, die Infos, die uns vorlagen, die beziehen sich auf Sachen, die schon länger als fünf Jahre zurückliegen und sind deshalb nicht relevant für diese Zuverlässigkeitsüberprüfung. Und das ist genau so ein Fall gewesen, den wir sehr konkret nachverfolgt haben, wo dem Verfassungsschutz Informationen vorlagen, der die auch weitergeleitet hat und das dann aber im Endeffekt nicht dazu geführt hat, dass gesagt wurde: Okay, die Person die soll jetzt nicht hier oder dort arbeiten.
ES: Es haben euch aber ja gar nicht alle Länder geantwortet. Wie aussagekräftig sind dann die Zahlen, die ihr da bekommen habt?
MS: Was die geringe Zahl der Ablehnungen angeht, trotz dieser Infos des Verfassungsschutzes, waren das für uns sehr spannende und erkenntnisreiche Ergebnisse. Man kann das auch noch mal an einem Beispiel eines Bundeslandes festmachen, beispielsweise Sachsen. Da waren es 139 Mitarbeiter, bei denen Informationen vorlagen, von denen dann 33 nur abgelehnt wurden. Also da können wir auch mit der geringen Anzahl von Bundesländern, die uns da geantwortet haben, schon so eine Idee davon bekommen: Welcher Anteil wird denn dann im Anschluss auch abgelehnt? Oder wie hoch ist der Anteil von Menschen mit einem rechtsextremistischen Hintergrund, die dann trotzdem in diesen sensiblen Bereichen arbeiten dürfen? Was die Dimension extrem rechter Mitarbeiter in der Sicherheitsbranche angeht, da glauben wir aber, dass die Zahl sehr, sehr bedingt aussagekräftig ist. Also ich hatte es ja gesagt, dass 347 Mitarbeiter, bei denen der Verfassungsschutz bedenken, seit 2019, deutschlandweit angemeldet hatte. Aber es gibt jetzt eine lange Liste von Punkten, die darauf hinweisen, dass die Zahl eigentlich viel höher sein müsste. Also erstmal kommt der Verfassungsschutz ja überhaupt nur ins Spiel in diesen als sensibel definierten Bereichen. Das ist auch eng gefasst. Also es gibt Bereiche, wo man sich fragt: Warum findet da keine Überprüfung statt? Da kam es dann beispielsweise mal zu einem skurrilen Vorfall jetzt im vergangenen Jahr, dass auf einmal festgestellt wurde, dass der Verfassungsschutz Sachsen von einem NPD-Politiker bewacht wurde. Als das rauskam, wurde diese Person dann entlassen. Und uns hat denn der Verfassungsschutz Sachsen, der Landesverfassungsschutz hier, mitgeteilt, dass dann in dem Bereich überhaupt keine Überprüfung stattfindet, weil es eben nicht einer von diesen eben genannten Bereichen ist. Ein anderer Punkt ist, dass wir von vielen Bundesländern überhaupt gar keine Antwort bekommen haben, also unter anderem Bayern, was relativ bevölkerungsstark ist, hat uns nicht geantwortet. Insgesamt, wenn man es jetzt auf die Bevölkerungsstärke der Bundesländer runterrechnet, fehlen uns ein Drittel der Zahlen. Und dann, wenn man in die Bundesländer schaut, die uns Antworten geschickt haben, dann sind die zum Teil unvollständig. Thüringen beispielsweise zählt erst seit 2022. Manche Bundesländer haben uns Zahlen mitgeteilt, aber gesagt, dass ihnen manche Behörden keine Antwort geschickt haben oder schicken konnten. Also so gibt es eine ganze Reihe von Punkten, wo wir einfach keine Zahlen bekommen haben. Weshalb wir hier nur eine Zahl haben, die so das untere Minimum ist und so eine erste Idee davon gibt, wie viele Menschen einen rechtsextremistischen oder Reichsbürger-Hintergrund haben, aber eben keine endgültige Auskunft darüber geben, wie hoch dieses Phänomen in dem Bereich ist.
ES: Wenn es da gar nicht so ganz konkrete Zahlen am Ende gibt, würdet ihr sagen, das Bewacherregister bringt was?
MS: Also wie hoch ist der Anteil der Menschen, die dann abgelehnt werden, darüber haben wir Insides und da können wir sagen, dass es sehr begrenzt funktioniert. Aber nicht, weil das Bewacherregister nicht funktioniert oder die Behörden da so schlecht arbeiten - beziehungsweise da weiß man es nicht, wie konsequent die Behörden das dann auch tatsächlich umsetzen, da können wir jetzt nichts darüber sagen - aber allein von den gegebenen Gesetzen ist es aktuell gar nicht gewollt, dass Menschen, die dem Reichsbürgermilieu zugeordnet sind oder die schon mal rechtsextremistische Inhalte gepostet haben, dass die da rausgehalten werden.
TS: Ja und was auch schon kritisiert wird, was wir von Experten gehört haben, aber auch aus der Branche, ist das ja dieser Punkt, wo die Entscheidungen dann darüber fallen, von denen Marcel gerade erzählt hat, also die Entscheidung: darf jetzt jemand in der Branche arbeiten oder nicht? Dass die quasi auf so kommunaler Ebene im Ordnungsamt gefällt werden und diese Ämter vor allem in ländlichen Gegenden häufig personaltechnisch nicht besonders gut aufgestellt sind, wird auf jeden Fall als ein als ein Problem genannt, dass dann die Leute vielleicht gar nicht genau wissen: Was bedeutet denn jetzt hier was? Wie muss sich was einordnen, zum Beispiel im Hinblick auf rechtsextreme Hintergründe oder bestimmte Informationen, die sie bekommen. Und da wurde uns zum Beispiel auch schon gesagt, dass da von einem Experten die Erfahrung gemacht wurde, da können Entscheidungen dann im Endeffekt auch sehr unterschiedlich ausfallen in relativ ähnlichen Falllagen. Also dass dann, jemand hier keine Zuverlässigkeit zugesprochen bekommt und jemand mit einer sehr ähnlichen Situation dann doch eine zugesprochen bekommt, weil es halt einfach eine andere Behörde ist, die da anders entscheidet. Also das ist vielleicht schon so eine Art Nadelöhr und ein Problem mit der Aufstellung von kommunalen Haushalten, von kommunalen Behörden, wie viel Ressourcen da vorhanden sind.
MS: Und trotzdem kann man glaube ich sagen, dass bestimmte Personen, die so ganz klar Organisationen zuzuordnen sind, dass man die schon genau dadurch raushält, zumindest aus diesen sensiblen Bereichen. Und es ist auch mal wichtig zu sagen, dass dieses Bewacherregister auch nur ein Teil dessen sein kann, wie Vorfälle wie in Suhl verhindert werden. Auch so ein Ergebnis unserer Recherche war, dass auf jeden Fall auch die Unternehmen weiterhin in der Verantwortung bleiben, zu schauen wen setzen sie wo ein. Und umgekehrt aber auch der Staat schauen muss: an wen vergibt er Aufträge, an wen wird die Bewachung von einer Unterkunft für Geflüchtete an was für ein Unternehmen vergeben. Da gewinnen bisher immer die die Aufträge, die das wirtschaftlichste Angebot einreichen. Und da müsste man eigentlich schauen, ob man da nicht einen Kriterienkatalog erstellt, der dann dafür sorgt, dass auch Unternehmen dort die Aufträge bekommen, die eine bestimmte Kultur im Unternehmen haben oder auch Wert auf bestimmte Aspekte legen, die dann verhindern, dass solche Vorfälle wie in Suhl passieren.
ES: Tobi, das Innenministerium will da er jetzt noch einmal mit einem Gesetz nachbessern. Was ist da genau geplant?
TS: Tatsächlich, das steht schon relativ lange an. Schon seit der letzten Legislaturperiode soll es ein einheitliches Gesetz für die Sicherheitsbranche geben. Das ist nämlich bisher noch über die Gewerbeordnung und relativ chaotisch organisiert. Diesen Sommer wurde jetzt vom Innenministerium ein Referentenentwurf veröffentlicht. Der wird jetzt gerade debattiert. Ganz viele Verbände haben dazu jetzt Stellungnahmen abgegeben. Also das ist jetzt alles noch kein finaler Gesetzesentwurf. Und es wird voraussichtlich noch Änderungen daran geben. Aber so ein paar Sachen kann man schon absehen. Und eine Sache, die schärfer geregelt werden soll, ist, unter welchen Voraussetzungen jemand als nicht zuverlässig eingestuft werden soll und damit nicht mehr in der Sicherheitsbranche arbeiten darf. Das wurde verschärft insofern dass, wer in den letzten zehn Jahren zu einer Haftstrafe von über einem Jahr verurteilt wurde, der bekommt diese Zuverlässigkeit jetzt nicht. Bisher waren da nur bestimmte Straftaten relevant, und jetzt sind es einfach alle, bei denen das Strafmaß bei über einem Jahr liegt. Vorher war das nur ein Zeitraum von fünf Jahren, indem man dann gesperrt war für die Arbeit als Sicherheitsmitarbeiter, Mitarbeiterin. Und jetzt sind es zehn Jahre. Also da gibt es schon Verschärfungen. Aber was das Gesetz wird auch kritisiert, weil zum Beispiel diese Vergaberichtlinien, die Marcel auch gerade angesprochen hat, dass immer nur der günstigste Anbieter den Zuschlag bekommt, das ist zwar angekündigt, dass das irgendwie verändert werden soll, aber das ist alles noch sehr schwammig. Und wie genau das aussehen wird, ist auch weiterhin unklar. Und es wird auf jeden Fall auch kritisiert, dass da einige Themen wie zum Beispiel auch Ausbildungsstandards noch bisher keine besonders große Rolle gefunden haben, in diesem Gesetzesentwurf. Final kann man das erst sagen, wenn diese Verhandlung vorbei sind.
ES: Der Jörg Zitzmann, der Geschäftsführer der Akademie für Sicherheit, der ist ja auch überhaupt nicht begeistert von diesen Änderungen, die du gerade angesprochen hast. Du hast gesagt, es gibt sehr viel Kritik. Lasst uns da noch mal ganz kurz nur euren Film reinhören.
Man hat den Gesetzentwurf wieder ein "soll" eingeführt, was jetzt drinsteht, ist eben wieder ein Spielraum, und damit wird wieder die Behörde A so entscheiden und die Behörde B anders entscheiden. Und das ist aus meiner Sicht unglücklich.
ES: Wie genau könnte denn eigentlich eine Lösung aussehen? Also was wären Änderungen, die da wirklich gut was bringen würden?
MS: Ich glaube, man müsste dann verschiedenen Bereichen ansetzen, einerseits das, was Herr Zitzmann jetzt hier kritisiert, wäre eben eine Formulierung im Gesetz zu finden, die ganz klar sagt: okay, wenn diese Voraussetzung erfüllt sind oder wenn eben diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, dann kann diese Person keine Zuverlässigkeit bekommen. Mit der Formulierung eines "in der Regel" in dem Gesetz bleibt eben das nicht gegeben. Das könnte man ändern. Es gibt aber auch viele andere Punkte, in denen man Veränderungen vornehmen könnte, beispielsweise im kommunalen Bereich, mehr Mitarbeiter für die Sicherheitsbranche abzustellen. Das würde dann ermöglichen, dass man auch mehr kontrolliert in dem Bereich, weil es ist ja das eine, dass es dieses Bewacherregister gibt und dass jedes Unternehmen jetzt auch seine Mitarbeiter in das Bewacherregister eintragen muss. Wenn das aber nicht passiert, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass es gar nicht rauskommt. Weil es eben so wenig Kontrollen gibt. Möglicherweise kommt erst mal einfach gar nicht raus, dass in einem Unternehmen Menschen ohne Zuverlässigkeit arbeiten, weil das Ordnungsamt da gar nicht so einen großen Fokus hat, das dann auch zu kontrollieren. Andere Punkte sind schon von Tobi angesprochen wurden, da könnte man sich strengere oder andere Regeln dafür geben, welche Aufträge vergeben werden. Also gibt es eigentlich so eine ganze Palette von Möglichkeiten und auch verschiedenen Zuständigkeitsbereichen auf Bundes-, kommunaler und Landesebene, wo man sich diesem Thema annehmen könnte. Unser Eindruck war aber auch, dass das ein Thema ist, was jetzt nicht mit allerhöchster Priorität eigentlich in allen diesen Verantwortungsbereichen behandelt wird.
ES: Lasst uns noch mal zum Schluss auch vielleicht in die Security-Branche reinschauen. Was ist in allen Gesprächen vielleicht hängen geblieben? Also, was haben die Leute aus der Security-Branche euch erzählt, was sich aus deren Perspektive vielleicht auch verbessern sollte?
TS: Tatsächlich ist es ganz spannend, weil wir natürlich für den Film jetzt in der Recherche mit Menschen in der Sicherheitsbranche gesprochen haben, aber sich jetzt auch nach der Veröffentlichung in den Kommentaren auf YouTube auch so eine Debatte entspinnt. Da werden verschiedene Sachen, verschiedene Erfahrungen geteilt, auch von Menschen, die in der Branche gearbeitet haben. Und ein Thema, das da natürlich immer wieder aufkommt und was auch ja sich einfach durch die Branche zieht, was Marcel ja schon erwähnt hat, sind die Arbeitsbedingungen, das ist ein Niedriglohnsektor. Und das ist auch was, was in Suhl natürlich eine Rolle spielt. Das sind lange Schichten, Tagschichten, Nachtschichten. Und ja, das ist durchaus auch ein sehr herausfordernder Job, kann auch sogar ein gefährlicher Job sein, in einem Ort wie eine Erstaufnahmeeinrichtung, über tausend Leute auf engem Raum. Teilweise sind die Leute traumatisiert, frustriert, sprechen zig verschiedene Sprachen haben irgendwie Sorgen. Da kann es durchaus auch Streits geben zwischen den Leuten und den Securities. Da muss man vielleicht dazwischen gehen. Das ist auf jeden Fall ein herausfordernder Job. Und da stellt sich natürlich auch die Frage, ob das angemessen vergütet wird. Der Tariflohn in der Sicherheitsbranche liegt in Thüringen für Flüchtlingsunterkünfte bei 13 Euro pro Stunde, also ganz knapp über dem Mindestlohn. Und häufig lohnt es sich auch für Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen nicht, haben wir so gehört, sich fortzubilden oder sich besser auszubilden, weil sie gar nicht dementsprechend bezahlt würden. Und das ist natürlich wieder verbunden mit den Vergaberichtlinien. Weil zum Beispiel auch in Thüringen, in Suhl, da der günstigste Anbieter, die günstigste Firma, den Zuschlag bekommt und die zahlen dann natürlich auch ihren Angestellten nicht so viel mehr.
ES: Tobias Sylvan und Marcel Siegmann, danke dass ihr euch die Zeit genommen habt.
MS: Vielen lieben Dank!
ES: Das war der Podcast "MDR Investigativ - Hinter der Recherche". Den Film über rechte Securities finden Sie in der ARD Mediathek und auf YouTube in der Reihe Exactly. In zwei Wochen hören Sie dann an dieser Stelle wieder meine Kollegin Secilia Kloppmann. Und am Ende dieser Folge habe ich natürlich wie immer noch einen Podcasttipp für Sie.
In der App der ARD Audiothek finden Sie nämlich noch viele weitere tolle Podcasts zum Beispiel "Springerstiefel - Fascho oder Punk". Die fünfteilige Doku führt zurück ins Ostdeutschland der 90er-Jahre, wo Jugendliche in Springerstiefeln die Straßen dominieren. Wer nicht in ihr rechtsextremes Weltbild passt, der wird zur Zielscheibe der Gewalt. Die Horst Hendrik Bolz und Don Pablo Mulemba gehen der Frage nach, wie rechte Gewalt zu einem ganz normalen Teil des Alltags werden konnte und welche Folgen das bis heute für die Menschen hat, die Die Betroffene dieser Gewalt wurden. Alle Folgen, die finden Sie in der App der ARD Audiothek.
Und wenn Ihnen "MDR Investigativ - Hinter der Recherche" gefällt, dann können Sie uns einfach in der ARD Audiothek bei Spotify, Deezer oder Apple Podcast folgen. Da können Sie dann noch eine Bewertung da lassen in Form von Sternen oder Kommentaren. Und das würde dazu beitragen, dass noch mehr Menschen diesen Podcast finden. Ich bin dann wieder in einem Monat hier zu hören. Machen Sie es bis dahin gut.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exactly | 16. Oktober 2023 | 08:00 Uhr