MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (FOLGE 66) Was tun gegen völkische Siedler im Dorf?
Hauptinhalt
Audiotranskription
02. Dezember 2022, 10:32 Uhr
Folge 66:
In dem 900-Einwohner-Ort Wienrode im Harz baut die Gruppe Weda Elysia den alten Gasthof aus. Nach außen präsentieren sie sich als naturverbundene Selbstversorger und zupackende Hausbauer. Doch sie haben Verbindungen in die rechtsextreme Szene und beziehen sich auf Bücher der sogenannten Anastasia-Reihe - eine Art Fantasy-Naturkult, durchsetzt mit antisemitischen Stereotypen.
Tim Schulz und Jana Merkel: „Anastasia-Siedler mit rechtsextremen Kontakten – ein Dorf verstummt“.
INTRO O-Töne aus Film
Wir beschäftigen uns mit weder Weda Elysia .. oh, Sie stöhnen. Sie klingen jetzt nicht so, als wären Sie so ganz begeistert von den neuen Nachbarn.. Wenn wir die Kamera ausmachen. Und ich Sie mal wirklich im Vertrauen frage? Das ist echt auffällig, dass in Wienrode so gar keiner ein Wort über Weda Elysia verliert.
Moderation Secilia Kloppmann (SK)
In einem kleinen Dorf im Harz kaufen völkische Siedler den verfallenen Gasthof. Sie sind mit Rechtsextremen vernetzt, berufen sich auf antisemitische Bücher. Kaum jemand im Dorf will offen darüber sprechen.
Völkische Siedler in einem kleinen Ort im Harz. Was steckt hinter dieser Gruppe? Welche Ziele haben sie und wie sehen das die Leute vor Ort? Darum soll es in dieser Podcast-Folge gehen und herzlich willkommen zur "MDR INVESTIGATIV - hinter der Recherche". Ich bin Secilia Kloppmann und arbeite für die politischen Magazine des Mitteldeutschen Rundfunks. In diesem Podcast sprechen wir mit Autorinnen und Autoren über ihre Recherchen und Erlebnisse während der Dreharbeiten. Zum Einstieg gehört haben sie bereits meine Kollegin Jana Merkel. Jana ist diesmal zu Gast im Podcast
Hallo Jana Hallo Secilia!
Außerdem mit dabei ist ihr Kollege Tim Schulz
Hallo Tim, Hallo
SK
Ihr beide habt einen Film gemacht, der heißt "Anastasia-Siedler mit rechtsextremen Kontakten - Ein Dorf verstummt". Den kann man sehen auf YouTube als MDR exactly. Beschreibt doch bitte mal ganz kurz, worum es in dem Film geht?
Jana Merkel (JM)
Wir sind auf diese Geschichte gestoßen, weil wir uns im Großen und Ganzen mit dem Zusammenhang zwischen Rechtsextremismus und ökologischen Themen im weitesten Sinne beschäftigt haben. Und es geht im Film um den Ort Wienrode im Harz. Das ist ein Ortsteil von Blankenburg, wo sich eine Gruppe namens Weda Elysia niedergelassen hat. Die besteht im Prinzip aus drei verschiedenen Vereinen. Und diese Gruppe wird von der Landesregierung oder vom Innenministerium unter dem Label "völkische Siedlungs-Bestrebungen" aufgeführt. Die haben dort den ehemaligen, völlig verfallenen Gasthof mitten im Zentrum des Ortes gekauft, vor ein paar Jahren und betreiben verschiedene Webseiten und einen Internetshop. Und die beziehen sich auf die sogenannten Anastasia-Bücher. Wenn man sich diese Anastasia-Bücher näher anschaut, dann stellt man fest, dass da durchaus neben ganz viel mystischen Dingen und Fantasy-Elementen und naturreligiösen Geschichten und Autarkie und Selbstversorgertum eben auch problematische Sachen drin stehen, wie Antisemitismus und so weiter. Und uns hat einfach interessiert, wer ist diese Gruppe? Was machen die genau? Warum beziehen die sich speziell auf diese Bücher? Und was macht das mit so einem kleinen Ort? Wenn solche völkischen Siedler sich da niederlassen?
SK
Wir haben dich am Anfang auch schon gehört, zum Einstieg, Jana. Da hast du versucht, mit den Leuten vor Ort in Kontakt zu kommen, mit denen über diese Gruppe zu sprechen. Was war das für der für eine Atmosphäre dort in diesem Ort?
JM
Es ist natürlich in einem kleinen Ort, der nicht mal 900 Einwohner hat wie Wienrode erst einmal grundsätzlich schwierig, Leute zu treffen auf der Straße. Wenn man da zwei Tage unterwegs ist, trifft man natürlich nicht alle 900 Einwohner. Aber es war wahnsinnig schwierig, jemanden zu finden, der überhaupt vor der Kamera mit uns über die Gruppe Weda Elysia reden wollte. Also es war genau eine Frau, die vor der Kamera uns ein bisschen was erzählt hat, darüber, wie sie die so findet. Und ansonsten haben alle anderen Leute, die wir angesprochen haben, da spontan vor Ort gesagt, Nein, möchte ich auf keinen Fall was dazu sagen. Tun Sie die Kamera weg. Es war sehr auffällig, dass sozusagen wirklich niemand auch nur ein Wort über diese Gruppe verlieren wollte. Das merkt man schon, dass das so eine Art Tabu ist.
SK
Tim, gibt es denn eigentlich auch konkrete Gründe, weshalb man Angst haben sollte oder warum die Leute Angst haben könnten, in diesem Ort vor dieser Gruppe?
Tim Schulz (TS)
Konkret ist ein schwieriges Wort in diesem Zusammenhang. Ich glaube, da sind sehr viele diffusere Wahrnehmungen da. Ich glaube, vieles rührt daher, dass die Menschen im Ort sozusagen Angst haben, als Nestbeschmutzer zu gelten. Es gab aber auch sozusagen bei Kritikern, die auch anfangs sich öffentlich dagegen geäußert haben, also gegen diese Siedlungs-Bestrebungen dann zum Beispiel Sachbeschädigungen. Da wurden Fahrzeuge beschädigt, Reifen zerstochen. Der Hintergrund von diesen Taten ist total unklar. Also die Polizei konnte nie wirklich ermitteln, wer dahinter steht. Aber die Wahrnehmung bei den Menschen ist auf jeden Fall da. Das es sozusagen einen Zusammenhang gibt zwischen ihrer Kritik, die sie geäußert haben, und diesen Aktionen. Ansonsten haben wir auch oft sozusagen die Argumentation gehört, Nein, ich muss hier noch leben. Ich muss mit denen im Zweifelsfall auch sozusagen umgehen. Ich will hier hier im Ort auch mein Geschäft zum Beispiel erhalten. Ich will jetzt sozusagen nicht hier zum Außenseiter gemacht werden, wenn ich mich öffentlich hinstelle und ein Problem benenne. Also so richtig konkret waren die Gründe teilweise nicht. Aber es ist ja trotzdem ein schwieriges Klima im Ort, auf jeden Fall.
JM
Ich würde gerne anschließend an Tim noch eine Sache ergänzen. Also wir haben im Prinzip kann man sagen, drei verschiedene Gruppen von Menschen getroffenen. Die einen, die Weda Elysia absolut kritisch sehen, die aber von sich sagen, ich traue mich das nicht offen zu sagen, weil ich Angst habe vor dem Echo im Ort. Das sind Leute, die haben nicht mal explizit Angst vor Weda Elysia, sondern die haben Angst davor, dass sie im Ort dafür in irgendeiner Form sozial geächtet werden. Dann gibt es Leute, denen ist egal, sie sagen, es geht mich nichts an, interessiert mich nicht, ist mir wurscht. Und dann gibt es Leute, die das gut finden, also und die deshalb nicht kritisch über Weda Elysia reden wollen, weil sie es nicht kritisch sehen. Und das ist ein ganz breites Spektrum, warum die Leute nicht darüber sprechen wollen. Unterm Strich steht aber, es will im Prinzip niemand darüber reden. Und das macht was mit diesem Ort und mit den Menschen, die da wohnen.
SK
Es gab ja schon mehrere Berichte über diese Gruppe. Nehmen die das denn eigentlich einfach so hin, dass über sie berichtet wird, Jana?
JM
Nein. Also es gab einen Bericht von einem Privatmediun, da wurde der Reporter angezeigt. Also da hat die Gruppe, den Reporter tatsächlich bei der Polizei angezeigt, bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, wohl wegen Verleumdung. Und auch eine kritische Stadträtin aus Wernigerode, die heißt Ruth Fiedler, sitzt für die Linke im Stadtrat in Wernigerode, ist so 20 Kilometer entfernt von Wienrode, die hat sich auch immer wieder öffentlich kritisch über die Gruppe geäußert. Die engagiert sich grundsätzlich gegen Rechtsextremismus in der Region und ist dafür auch ein bekanntes Gesicht. Sozusagen im Kampf gegen Rechtsextremismus. Und auch diese Frau, Ruth Fiedler, wurde von der Gruppe angezeigt wegen Verleumdung. Das ist eingestellt worden das Verfahren, also der Vorwurf konnte nicht nachgewiesen werden, konnte keine Straftat nachgewiesen werden. Aber das ist tatsächlich etwas, was passiert. Und es ist auch uns passiert. Also auf unsere schriftliche Nachfrage bei der Gruppe, wo wir sie mit bestimmten Recherche-Erkenntnissen konfrontiert haben, wo wir bestimmte Dinge nachgefragt haben, weil sie uns ja kein Interview geben wollten. Da macht man das eben so journalistisch, man schickt man die Fragen eben schriftlich, kam eine lange Liste von Gegenfragen zurück, und darunter stand dann eben einen Satz sinngemäß, wir weisen Sie darauf hin, dass wir Sie gegebenenfalls wegen aller in Frage kommenden Straftatbestände anzeigen und auch Sie privat in Haftung nehmen und Schadenersatz fordern.
SK
Die nennen sich Weda Elysia. Weiß man, was das für eine Bedeutung hat? Wo kommt das her? Tim ...
TS
Das ist eine Zusammensetzung. Einerseits das Wort Weda kommt - das ist die Eigendarstellung der Leute von Weda Elysia - das käme aus dem indischen Kulturraum. Das ist ein Begriff, der für Weisheit oder Wissen steht. Und Elysium ist, glaube ich, ein Begriff aus der griechischen Mythologie, der so eine Art Nachwelt oder eine Art Ort beschreibt, in dem die Guten und die Gerechten hinkommen. Also der Name zusammengesetzt ist offenbar so eine Art Heilsversprechung würde ich sagen. Das Weda deutet auch auf einen Zusammenhang mit der Anastasia-Bewegung hin, weil auch in der Anastasia-Buchreihe dieser Begriff, der Wed-Russen oder Weden als ein mystisches Volk, das mal existiert habe, immer wieder vorkommt. Das ist halt eine Erfindung dieses Buchautors, aber immer wieder so ein Punkt, auf den, die zu sprechen kommen. Also es hat verschiedene Bedeutungen. Es ist eine positive Vision, glaube ich, die die damit äußern wollen.
SK
Tim, du hast es gerade schon anklingen lassen, dass dieser Begriff, der Weden in der Anastasia-Buchreihe erwähnt wird. Also ich habe noch nicht so viel gehört, bevor ich Euren im Film gesehen habe, von der Anastasia-Buchreihe, was ist das?
TS
Die Anastasia-Buchreihe heißt eigentlich "Die klingenden Zedern Russlands". Das ist eine Buchreihe, die aus Russland - wenig überraschend - stammt. Die ersten Bücher sind in den 90er-Jahren rausgekommen und wurden geschrieben von dem Autor Wladimir Megre. Die Bücher sind eine Mischung aus Fantasy-Roman, teilweise auch mit politischen Abhandlungen. In den Büchern findet man eine teilweise wilde Mischung aus esoterischen Themen aus, aus mystischen und teilweise auch religiösen Elementen. Auch da werden auch politische Sachen angesprochen, und im Zentrum dieser Buchreihe steht Anastasia. Das ist eine fiktive Figur. Eine Frau mit übersinnlichen Fähigkeiten, die alleine im Wald in der Taiga lebt und dort auf diesen Buchautor trifft, der dann diese Lehren weitergibt, die Anastasia im sozusagen gepredigt haben soll.
SK
Anastasija oder Anastasia? Gibt es da jetzt eigentlich ein Unterschied?
TS
Also wir haben uns bei der Aussprache immer so ein ein bisschen daran gehalten, wie die Anhänger der Bewegung das selber aussprechen. Und die sagen meistens Anastasia ( Betonung auf dem letzten i). Ich weiß nicht, ob es da eine richtige oder falsche Ausspracheweise gibt. Aber in einer Szene selber sagt man Anastasia.
SK
Also diese Bücher, wenn ich das richtig verstanden habe, bilden die Grundlage auch für eine Bewegung, in der sich Menschen organisieren. Sehe ich das richtig? Jana
JM
Ja: In den Büchern wird sozusagen dazu aufgerufen, oder da wird eine Art von Gegenentwurf zur aktuellen Gesellschaft aufgemacht. Quasi, wie sollte man leben, so ein Stück zurück zur Natur, und da wird dann eben dazu aufgerufen, sogenannte Familienlandsitze zu gründen. Also in der Regel geht es da um einen Hektar unser Land, zu kaufen oder sich auf dem Land niederlassen und sich da selbst versorgen und möglichst naturnah leben. Und das ist natürlich in einer Welt, die unglaublich komplex ist und die von Krisen geprägt ist und so weiter, für viele Leute sehr attraktiv, sich eben mit solchen alternativen Szenarien auseinanderzusetzen. Da ist auch grundsätzlich erst mal überhaupt nichts Problematisches dran.
SK
Ich habe tatsächlich bei Weda Elysia auf die Webseite geguckt. Und da gibt es auch ein Video, da stellen die sich vor. Und da hören wir doch ganz kurz in eine Passage aus dem Film"„Herzkraft" von Weda Elysia auch mal rein. Wie das klingt ...
O-Töne von Webseite
Ich möchte ein friedliches sinnerfülltes und naturverbundenes Leben führen. Mit meiner Familie, in Harmonie mit meinem Mitmenschen und im Einklang mit der natürlichen Schöpfung. XXX Die Tiere sind unsere Freunde. Wir ermöglichen ihnen ein gutes Leben. Wir nutzen ihre Produkte, die sie uns schenken, seien es Eier, sei es der Honig und für mich bedeutet das zum Beispiel in der Bienenhaltung, dass ich wesensgemäß imkere.XXX Ich erschaffe eine Welt, in der meine Kinder sich frei, individuell und gesund im Einklang mit der Natur entfalten können.
SK
... für unsere Zuhörer, die es jetzt nur hören, um das mal kurz zu beschreiben: Also man sieht da ganz viel Natur, man sieht bärtige Männer mit langen Haaren und Karohemden, die alle irgendetwas zimmern oder eben imkern oder Frauen mit langen Kleidern, die irgendwas Handwerkliches machen, die Spinnen … Thema Selbstversorger und Konsumkritik das ist ja auch tatsächlich gerade im Moment, habe ich das Gefühl, für viele Menschen ein Thema. Warum sind die problematisch?
JM
Ich sage es mal so. Wer will das nicht? Wer will nicht in einer gesunden Umwelt leben? Wer will nicht, dass seine Kinder in einer gesunden Natur aufwachsen? Das sind alles Dinge, die glaube ich, sehr anschlussfähig sind und sehr nachvollziehbar. Problematisch wird es halt bei den Anastasia-Büchern, auf die sich die Gruppe Weda Elysia auch explizit beruft, laut eigenen Aussagen auf der Webseite. Weil in diesen Anastasia-Büchern es eben nicht nur um Selbstversorgertum und Fantasy-Elemente geht, sondern weil da eben auch politisch-ideologische Inhalte drinstehen, die problematisch sind, die nicht so wahnsinnig viel dann mit freiheitlich demokratische Grundordnung zu tun haben. Weil da beispielsweise antisemitische Verschwörungserzählungen enthalten sind.
SK
Kannst du das konkret machen?
JM
Na, wir haben zum Beispiel im Film eine neuralgische Stelle vorgelesen, die sehr ausführlich ist. Da geht es darum, dass die Juden Schuld auf sich geladen hätten, das sozusagen die Tatsache, dass die Juden seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden gar verfolgt werden, eben sozusagen dadurch zu begründen sei, dass die Juden Schuld auf sich geladen hätten. Sie würden, sie seien betrügerisch, sie würden Geld anhäufen, sie könnten Macht auf die Regierung, Einfluss auf die Regierung, ausüben. Also dieses Jahrhunderte alte antisemitische Klischee vom Mächtigen und geldgierigen Juden, das wird da sehr stark bedient zum Beispiel an dieser speziellen Stelle. Tim hat noch viel ausführlicher recherchiert, hat viele andere Zitate aus den Büchern auch zusammengestellt. Also ich habe sie nur grob quergelesen. Tim hat sich sehr intensiv damit beschäftigt und hat ja auch noch andere problematische Stellen gefunden.
TS
Besonders präsent ist mir geblieben, dass an einer Buchstelle, ich glaube im sechsten oder siebten Band, ist die Rede davon, dass die Juden Zitat "codiert sind", also programmiert sind, kann man sagen, von dunklen Hohepriestern oder Leviten, wie der Autor der Buchreihe das nennt. Damit kommt so ein bisschen zum Ausdruck, dass die Juden demnach ja sozusagen Werkzeuge einer bösen, dunklen Macht sind. Sie seien "codiert und programmiert", das Geldsystem aufrechtzuerhalten. Also auch da sehen wir diesen Zusammenhang zwischen einerseits den Juden als geschlossene Gruppe und dem Finanzkapital auf der anderen Seite. Also auch ein antisemitisches Stereotyp, das deutlich älter ist als die Buchreihe. Und immer wieder kommt dann zum Tragen, dass sozusagen die Juden hinter diesen Geldsystem stehen. Dass der Autor das Grundübel identifiziert in der modernen Welt.
JM
Und es sind ja auch nicht nur antisemitische Verschwörungserzählungen drin, sondern da ist auch zum Beispiel die Rede von einer Art von Rassenlehre, auf die sich auch die Nationalsozialisten berufen haben, Telegonie heißt die ...
SK
Das ist ganz was besonders Absurdes. Davon hat Tim mir im Vorgespräch erzählt, von dieserTelegonie ...
TS
.. mit Telegonie ist eine Theorie oder eine Erzählung gemeint, nach der der erste Sexualkontakt einer Frau ihr einen Stempel aufdrückt. Also im Prinzip, der erste Geschlechtspartner einer Frau hinterlasse eine Spur, die dann auch bei späteren Kindern, vielleicht auch mit anderen Männern, irgendwie hervortrete. Das ist natürlich alles wissenschaftlich vollkommener Unsinn. Aber findet sich in den Büchern auf jeden Fall wieder.
JM
Unterm Strich heißt das ,und das ist auch eines der Beispiele in dem Buch, wenn eine weiße Frau mit einem Schwarzen den ersten Sexualkontakt hat, dann könne es sein, dass das Kind, was sie später von einem anderen Mann bekommt, von einem weißen Mann, trotzdem schwarz ist. Das ist sozusagen das, was da so mit erzählt wird. Also es ist abstrus, es ist wissenschaftlich widerlegt, und es ist rassistisch.
SK
Inwieweit kann man das jetzt auch wirklich tatsächlich sehen, das zum Beispiel diese Gruppe Weda Elysia - es gibt ja auch noch andere völkische Siedler in Deutschland, die sich zum Beispiel auch auf diese Anastasia-Bücher beziehen - dass die wirklich tatsächlich danach leben. Und wie muss ich mir das vorstellen? Ist das für die wie so eine Art Bibel? Ist es so eine Art Religion auch?
TS
Ich glaube, das ist schwer, das so pauschal zu einzuschätzen, weil die Bewegung in sich sehr heterogen ist. Anderen Veröffentlichungen nach gibt es durchaus Menschen, die sich sehr streng daran halten, an die Bücher, die das als eine Art geschlossene Lehre sehen. Andere sind da wahrscheinlich ein bisschen weniger dogmatisch. Es gibt aber durchaus Experten, die das als zumindest in Teilen religiöse Bewegung ansehen. Zum Beispiel die Beratungsstelle infoSekta aus der Schweiz. Die bezeichnete die Anastasia-Bewegung als eine sogenannte neureligiöse Bewegung.
SK
Der Film heißt "Anastasia-Siedler mit rechtsextremen Kontakten". Woran kann man jetzt genau diese Kontakte konkret im Falle von Weda Elysia fest machen? Tim
TS
Nur ein Beispiel ist eine Theateraufführung im Jahr 2018 in Bischofswerda in Sachsen. Da haben unter anderem Herr Schulz teilgenommen, also der Anführer und Vereins-Vorsitzende der Weda Elysia Vereine. Das war nicht nur irgendeine Theatervorführung, sondern die wurde organisiert von einer Gruppe aus verschiedenen rechtsextremen Milieus. Also das ist eine Theatergruppe, die aus Jugendlichen und Erwachsenen aus der rechtsextremen Szene besteht. Und auch bei den Aufführungen selber waren die Gäste größtenteils aus der rechtsextremen Szene. Also da waren zum Beispiel Personen aus dem Umfeld der NPD oder aus völkischen Jugend, Verbindungen und Jugendbünden. Und inmitten dieser Mischung haben wir dann zum Beispiel auf Videoaufnahmen auch Herrn Schulz gesehen.
JM
Genau. Also wir haben insgesamt mehrere Beispiele recherchiert, Belege recherchiert für rechtsextreme Verbindungen. Bischofswerda ist eins davon. Wir haben außerdem im Internet gefunden ein Video von einer Corona-Demo 2020 im Sommer in Berlin. Da sieht man zwischen den Demonstranten so eine Gruppe von Menschen beim Volkstanz. Da sind mehrere Mitglieder von Weda Elysia dabei. Also die haben wir identifizieren können anhand der Fotos, die sie von sich selbst auch auf der Webseite von Weda Elysia veröffentlichen. Und die tanzen da auf dieser Corona-Demo gemeinsam mit Nikolai Nerling. Nikolai Nerling ist bekannt als rechtsextremistischer Videoblogger, und der ist auch verurteilt wegen Volksverhetzung. Und das ist jemand, der wirklich sehr klar und eindeutig dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen ist. Das wird er auch von den Behörden. Und ein weiteres Beispiel ist wir haben uns den Webshop von Weda Elysia mal angeguckt...
SK
… richtig, es reicht ja eigentlich den Blick auf deren Webshop, da sieht man schon genügend zweifelhafte Produkte...
JM
Ja, also ein Beispiel in diesem Webshop ist, dass sie neben den Anastasia Büchern, über die wir ja schon gesprochen haben, auch noch CDs verkaufen, Musik-CDs und darunter zum Beispiel eine von einem Duo. Das nennt sich Weißdorn und der männliche Part dieses Duos, der heißt Axel Schlimper und Axel Schlimper, taucht in Verfassungsschutzberichten auf und tritt so ziemlich bei jeder rechtsextremistischen und neonazistischen Organisation bei Konzerten auf. Als rechtsextremistischer Liedermacher, also von der extrem rechten neonazistischen Partei "Die Rechte" bis hin zur NPD ist da im Prinzip alles dabei, auch einschlägige so Rechtsruck und Neonazi-Veranstaltungen
SK
Jetzt haben wir die ganze Zeit über diese Gruppe geredet. Habt ihr denn eigentlich mit denen reden können? Also wenn man sagt, Ihr bezieht euch auf Bücher, die antisemitische Inhalte haben und so weiter... Dann kann man ja vielleicht auch die Frage stellen, sehen die das genauso? Ist euch das gelungen? Habt ihr mit denen gesprochen?
JM
Haben wir versucht. Ich habe einmal angerufen und hatte auch Herrn Schulz am Telefon, also den Vorsitzenden, den Vorstandsvorsitzenden von Weda Elysia. Und habe ihn gefragt und habe gesagt, wir beschäftigen uns mit der Anastasia Bewegung und würden gerne fragen, warum sich die Gruppe speziell auf diese Anastasia-Bücher beruft, obwohl ja nachweislich dort diese antisemitischen Stellen drin sind. Ein solches Interview hat er abgelehnt und hat am Telefon gesagt, dass er nicht glaube, dass wir uns mit den Büchern beschäftigt hätten, dass wir sie nicht gelesen hätten. Oder wenn wir sie gelesen haben, hätten wir sie nicht verstanden. Das sei Quatsch, und sie hätten auch schon mehrfach versucht, mit Journalistinnen und Journalisten zu reden, sie seien immer aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die Dinge seien verzerrt und falsch dargestellt worden, und sie haben da kein Interesse daran. Und dann hat er auch aufgelegt. Also da war kein Rankommen. Wir haben es dann noch einmal probiert. Hartnäckigkeit gehört ja zum Berufsbild. Wir haben dann in Wienrode, als wir vor Ort waren, noch einmal am Haus vorbei geguckt, da stand er dann auch zufällig gerade in der Tür da auf der Baustelle. Und dann habe ich noch einmal gefragt, ob er sich noch einmal überlegt hat, ob wir vielleicht doch sprechen wollen. Das hat er auch verneint. Also haben wir unsere Fragen dann schriftlich gestellt, per E-Mail ..
SK
… und habt ihr eine Antwort bekommen? ..
JM
Ja … also Nein … ja, wie man es nimmt. Wir haben eine E-Mail bekommen. Nicht von Herrn Schulz, sondern von seiner Frau, die auch im Vorstand von Weda Elysia ist. Und die hat uns im Prinzip keine der Fragen beantwortet, die wie geschickt haben. Also wir haben unter anderem gefragt nach diesen antisemitischen Stellen. Wir haben gefragt, warum die Gruppe zum Beispiel Musik von Axel Schlimper auf ihrer Webseite verkauft. Wir wollten wissen, was sie nach Bischofswerda verschlagen hat, ob ihnen bewusst ist, wer Nikolai Nerling ist, mit dem sie da getanzt haben. Das alles haben wir gefragt. Das und noch mehr. Wir wollten auch wissen, wie viele Grundstücke zum Beispiel zum Verein gehören. Und es kamen nur Gegenfragen. Tatsächlich eine Liste von Gegenfragen. Unter anderem wollte Frau Schulz dann von uns wissen, ob wir Immobilien besitzen, wieviel wir verdienen, wie unser Kontostand aussieht und ob wir jemals in unserem Leben schon mal was Vernünftiges gearbeitet hätten. Das waren so die Gegenfragen, und unten drunter stand dann eben der Hinweis, dass sie uns anzeigen oder gegebenenfalls auch Schadenersatz einklagen würden infolge unserer Berichterstattung.
SK
Wie groß ist denn eigentlich diese Gruppe dort? Und was machen die eigentlich da konkret vor Ort in Wienrode?
TS
Also, wie groß die Gruppe genau ist, kann man nicht sagen. In den Vereinsakten der verschiedenen Vereine sind immer wieder die gleichen Namen aufgetaucht, die anscheinend die Vereine betreiben. Die Gruppe an sich ist wahrscheinlich deutlich größer, weil auch immer wieder Helfer von außerhalb eingeworben werden über die Website. Es gibt da sogenannte Helfer-Tage, bei denen dann Leute von auswärts kommen und die bei ihren Aktivitäten unterstützen. Momentan war unser Eindruck, dass die vor allem mit dem Ausbau des Gasthofes im Ortskern von Wienrode beschäftigt sind und die alten Gebäude renovieren. Wir wissen aber von Menschen vor Ort, die das beobachten auch, dass die durchaus auch in einem Kleingartenverein aktiv sind in Wienrode und da Gärten übernommen haben. Und dass es auch Grundstückskäufe gab, das weiß man aus anderen Veröffentlichungen,
JM
Das hat uns auch der Bürgermeister bestätigt, dass die Grundstücke kaufen - in und um Wienrode.
SM
Und in diesem Gasthof, wollen die dann da wohnen? Wird das ein Wohnprojekt oder wofür ist das gedacht?
TS
Eigenen Aussagen zufolge wollen die daraus so ein kulturelles Zentrum im Ort machen. Ob die da drin wohnen, das wissen wir auch nicht. Zumindest selber sagen sie nicht, dass sie dort einziehen wollen, sondern dass es eher ein Treff-Ort für den Ort und für Gleichgesinnte sein soll.
SK
Aber kulturelles Zentrum, dass heißt ja schon auch, dass es darauf abzielt, dass die Einwohner von Wienrode zu ihnen kommen, Jana – sehe ich das richtig?
JM
Ja, genau. Also das scheint erklärte Strategie zu sein. So sind unserer Ansicht nach auch die Flyer zu verstehen. Sie rufen ja auch zu Spenden auf, um diesen Gasthof umzubauen. Sie nennen das dann Haus "Lindenquell", so haben sie ihn getauft. Und da fallen so Schlagwörter wie Vereinshaus, Treffpunkt, Volkstanz, Saal ... also sie wollen da wirklich so sozusagen diesen Gasthof zum Zentrum im Ort machen, zum Begegnungsort, zum Ort für Austausch. Und Kritiker haben eben den Eindruck, dass das so eine Art raumgreifende Landnahme-Strategie ist und dass es eben auch darum geht, ihre eigene Denke unter die Leute zu bringen. Das hat uns jemand aus Wienrode gesagt, der nicht erkannt werden möchte. Eine Person, mit der wir anonym gesprochen haben. Das haben uns aber auch in Vorgesprächen mehrere Menschen erzählt.
SK
Im Film sieht man auch Ausschnitte von einem Beitrag von Kollegen von Kontraste (rbb) aus dem Jahr 2019. Da kommt der damalige Ortsbürgermeister von Wienrode zu Wort. Der ist nicht mehr Ortsbürgermeister. Und ihr wolltet eigentlich auch von dem wissen, wie er das heute sieht, aber ihr habt ihn leider nicht erreichen können für ein Interview, Aber 2019 da äußert der sich ja erst mal auch sehr aufgeschlossen gegenüber dieser Gruppe. Denn das kann ja auf den ersten Blick gerade für so kleine Orte in Sachsen-Anhalt auch erst mal wie eine Chance anfühlen, dass sich da endlich wieder was tut ..
JM
Also wenn man sich das anschaut, wenn man sich damit intensiver auseinandersetzt, dann ist Weda Elysia ja nicht das einzige Beispiel dafür, das extrem Rechte Land, Gebäude, Leerstand, Immobilien kaufen und sich da niederlassen. Es gibt Gruppierungen, die wollen dann da ihr eigenes Ding machen. Es gibt aber auch Gruppierungen, die tun das, um sozusagen ihre eigenen Leute da anzusiedeln, sich zu vergrößern, weitere Leute dazu zuholen und auch so ihre Denke eben unters Volk zu bringen. Und der Eindruck, der in Wienrode entsteht, bei vielen, die das kritisch sehen, ist das genau das passieren soll in Wienrode. Dass die Gruppe sich ausbreitet, zum Beispiel über Grundstückskäufe und dass sie eben versuchen anzudocken an die Dorfgemeinschaft. Der Vorstandsvorsitzende von Weda Elysia, Michael Schulz beispielsweise, hat auch schon mal für die Ortschaftsratswahl kandidiert. Also die versuchen schon sehr intensiv, sich einzubringen. Und da gibt es eben Leute, die das mit großer Besorgnis sehen, weil sie sagen, so sickert eben rechtsextreme Ideologie in die Köpfe ein und wird so normalisiert. Der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent spricht davon, einer Normalisierungsstrategie
SK
Und das, was Matthias Quent im Film sagt, das hören wir uns jetzt auch gleich noch mal an.
Wenn etwas nicht problematisiert wird, dann wird es zum Teil der Normalität. So wird Normalität hergestellt. Das ist letztlich die wichtigste Waffe der Rechtsextremen, dass niemand sich dagegen wehrt. Es gibt in Westdeutschland ganz ähnliche Dynamiken. Auch dort passiert das, aber nicht in diesem starken Ausmaß, in diesem zahlenmäßigen Ausmaß wie hier in Ostdeutschland. Das hat auch verschiedene Gründe, die an einerseits den strukturellen Brüchen und der Strukturschwäche ländlicher Regionen in Ostdeutschland liegen, aber auch an der Bevölkerungsstruktur, dass gerade junge Menschen fehlen. Das hat aber auch etwas damit zu tun, dass es in manchen Regionen Westdeutschlands doch durchaus ein höheres zivilgesellschaftliches Commitment gibt, zu sagen, nein, wir lassen das nicht zu. Dass dort auch die CDU in der ersten Reihe steht, wenn es darum geht, gegen rechtsextreme Umtriebe vor Ort vorzugehen. Dass man diese Dinge unterbindet, die hier - und das ist ja leider nichts Neues, sondern seit den 1990er-Jahren immer wieder wachsen gelassen worden - dass man es duldet und damit ein Stück weit auch bestärkt.
SK
Jana, du recherchierst ja schon sehr lange zu rechten Strukturen, beschäftigst dich zum Beispiel von Anbeginn mit der AfD und mit den extrem rechten Rändern als Autorin hier im Sendegebiet. Stimmst Du Professor Quent da zu? Was sind deine Erfahrungen eigentlich auch in Bezug auf Ostdeutschland? Was solche Strukturen angeht?
JM
Also es ist so, dass hat jetzt gar nichts mit meiner privaten Meinung zu tun, sondern das ist eine Analyse aus den Recherchen der letzten Jahre. Auch ich habe mich ja viel mit Studienlage und so weiter beschäftigt. Das ist so, dass solche Raumnahme Strategien von Rechtsaußen im Osten häufiger stattfinden oder in einem größeren Ausmaß stattfinden. Also das ist schon hier doch zu beobachten. Und dass die Gegenwehr hier im Osten häufig geringer ausfällt, das beobachten wir immer wieder. Darüber berichten wir ja auch immer wieder, das es eben extrem rechte Akteure hier manchmal leichter haben. Das hat verschiedene Gründe. Das hat damit zu tun, dass Menschen hier auch andere Sachen zu tun haben und zusehen müssen, wie sie ihren Alltag auf die Reihe kriegen. Wie die Energiepreise – die betreffen die Leute hier im Osten natürlich (mehr). Diese Preissteigerungen betreffen Menschen, die ärmer sind, die weniger Geld haben, stärker, als es jetzt in Teilen des Westens oder der westdeutschen Bundesländer der Fall ist. Und es ist es gibt einfach in Ostdeutschland weniger Tradition in Sachen Zivilgesellschaft. Also das ist eben hier nicht so stark ausgeprägt wie in Teilen Westdeutschlands. Da gibt es ganz viele Studien dazu, die das belegen, dass es einfach rechtsextreme Akteure im Osten leichter haben als im Westen. Wir sehen ja zum Beispiel auch, das so zentrale Akteure der Neonazi-Szene, die früher in Dortmund unterwegs waren, jetzt zum Beispiel nach Sachsen gezogen sind und dann vor allen Dingen in Chemnitz zum Beispiel auftauchen. Wir sehen das mit Götz Kubitschek, einer der Köpfe der sogenannten neuen Rechten, einer Strömung des Rechtsextremismus, die eher so intellektuell auftritt, der ursprünglich aus Baden-Württemberg stammt, den der Sitz in Schnellroda in Sachsen-Anhalt und hat da sein Institut aufgemacht und seinen Verlag. Also das gibt es. Man muss da immer sehr aufpassen, dass das nicht verrutscht. Es ist nicht so, es gibt den braunen Osten und den Westen, indem das kein Problem ist, sondern es passiert häufiger, es passiert in einer größeren Ausprägung und mit weniger Gegenwehr aus der Zivilgesellschaft.
SK
Dieser kleine Ort Wienrode, 900 Einwohner, plötzlich tauchen da diese Leute auf, breiten sich da aus. Was passiert da eigentlich von seiten der Kommunalpolitiker? Tim
TS
Wenn ich den Menschen Glauben schenken darf, über die ich Kontakt in Wienrode hatte, die auch das Ganze kritisch sehen, also die Sicht von Weda Elysia, dann macht die Lokalpolitik deutlich zu wenig. Die haben immer wieder Kritik geäußert, dass sie nicht das Gefühl haben, dass zum Beispiel der Bürgermeister oder die anderen Lokalpolitiker ihnen den Rücken stärken. Das auch keine konkreten Maßnahmen gegen diese Ansiedlung von Weda Elysia unternommen werden. Das hat irgendwann dazu geführt, dass die Menschen, die ursprünglich sich dagegen noch engagiert haben, irgendwann sehr resigniert, sich dazu geäußert haben. Wir reden über einen Zeitraum von zwei Jahren, in dem ich mit den Menschen in Kontakt war. Und das war ein sehr ernüchterndes Echo bezüglich der Lokalpolitik.
SK
Ihr habt für den Film mit Heiko Breithaupt gesprochen, der ist Bürgermeister in Blankenburg. Dazu gehört Wienrode, der ja im Interview mit Euch doch sehr klar ist..
Ich sehe das deshalb sehr kritisch, weil aus meiner Sicht einfach ein, ja ich sage mal, ein Deckmantel der Heimatverbundenheit genutzt wird, um Interessen durchzusetzen, die nach meiner Auffassung nicht unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung entsprechen. Sondern man will ganz konkret die staatliche Ordnung, nach meiner Einschätzung ja auch zerstören, und will eigene neue Formen aufbauen. Und dem gilt es entgegenzutreten.
SK
Später im Interview kündigt der dann auch noch mal eine neue Informationsveranstaltung an. Ist es denn das was, was reicht?
JM
Na ja, also was Heiko Breithaupt mir im Interview gesagt hat, ist erst mal das er eine sehr klare politische Einschätzung zu dieser Gruppe hat, das haben wir ja gerade gehört. Und es gab 2019 schon mal eine Informationsveranstaltung, die von seiten der Stadt auch organisiert worden war. Da hatte er sich auch darum bemüht, und da hat er auch einen Experten eingeladen, der die Leute über Weda Elysia und die Anastasia-Bewegung aufgeklärt hat. Und was die Stadt Blankenburg, namentlich auch der Bürgermeister, gemacht haben, ist, dass sie gesagt haben, es gibt keine Kooperation der Stadt mit diesem Verein. Also der Verein darf keine städtischen Räumlichkeiten nutzen, beispielsweise. Oder wird auch nicht zu städtischen Veranstaltungen eingeladen. Anders als Feuerwehr oder Sportvereine oder dergleichen. Das ist das, was die Stadt tut, auf die Frage hin, was sie also eher. Er sieht da durchaus ein Problem. Er hat mir auch davon erzählt, dass es diese Grundstückskäufe gibt, dass die Stadt davon aber eben erst im Nachgang erfährt, weil das private Grundstückskäufe sind und weil die Flächen eben vergleichsweise klein sind. Und deswegen ist das eben nicht genehmigungspflichtig oder dergleichen, so hat er das erklärt. Das beschäftigt ihn schon sehr. Er sieht aber vor allen Dingen eben die Menschen da vor Ort auch selbst in der Pflicht zu entscheiden wollen wir Leute wie wieder Elysia eben in unserem Kleingartenverein?, will ich mein Grundstück wirklich an diese Gruppe verkaufen? Da sieht er schon die Leute selbst vor Ort, erst mal in der Pflicht, sich zu überlegen. Möchte ich das oder möchte ich das nicht? Nimmt die schon da auch in die Verantwortung. Auf die Kritik, mit der ich Ihnen ja konfrontiert habe, die ja die Leute uns gegenüber geäußert haben, wie Tim gerade beschrieben hat, da sagt er, ja, er weiß schon auch, dass die Stadt den Leuten auch den Rücken stärken muss. Und das will er tun in Form von einer weiteren Informationsveranstaltung, die er jetzt angekündigt hat, wahrscheinlich im Frühjahr. Aber er sagt, der Stadt sind eben zum großen Teil die Hände gebunden. Und er hat den Wunsch geäußert oder die Forderung aufgemacht viel mehr, an das Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt, weil er der Meinung ist, da müsste vielleicht auch ein Verbot des Vereins Weda Elysia oder der Vereine in dem Fall sind es drei, geprüft werden vom Innenministerium.
SK
... da habe ich mich gefragt, ist das denn überhaupt so einfach? ...
JM
Ein Vereinsverbot ist grundsätzlich nie einfach. Da sind hohe rechtliche Hürden davor. Wir haben auch nachgefragt beim Innenministerium. Und wir haben genau einen Satz als Antwort bekommen, nämlich dass das Ministerium zu vereinsrechtlichen Prüfverfahren grundsätzlich keine Auskunft gibt. Das heißt also, wir erfahren nicht, wird so ein Vereinsverbot geprüft oder wird es nicht geprüft? Ist das in der Debatte ist es nicht? Ist es vielleicht sogar schon im Fluss? Das wissen wir alles nicht. Das hat sicherlich strategische Gründe, weil ein Ministerium das natürlich rechtssicher, wenn es so was macht, rechtssicher auf die Füße stellen will und dann eben erst darüber berichtet, wenn es beschlossene Sache ist. Aber ob es überhaupt so ist, das wissen wir nicht. Und es steht ja auch noch die die Frage im Raum, was macht eigentlich der Verfassungsschutz? Wird es eventuell zu einer Beobachtung der Anastasia-Bewegung kommen? Da gibt es bisher Anzeichen dafür, dass das möglicherweise ins Haus steht. Das ist aber alles nicht beschlossene Sache und auch völlig offen und unklar. Da sind wir gespannt, was die nächsten Monate bringen.
SK
Zum Schluss noch mal die Frage, die hast du auch im Film gestellt, der ist ja auf YouTube, da gibt es eine Community, nämlich die Frage, was kann man jetzt eigentlich konkret machen, wenn man an so einem Ort lebt und merkt da ziehen völkische Siedler ein? Wenn die anfangen zu bauen und das schon verkauft ist, da ist es ja eigentlich auch schon zu spät. Oder?
JM
Ja, also ich glaube, das eine ist die Frage, was können Kommunen tun? Das andere ist die Frage, was können die Leute vor Ort tun? Und das dritte ist die Frage, was bringt das am Ende tatsächlich? Denn selbst wenn man sozusagen an einen Punkt kommt, wo man denen das Leben so unangenehm macht im Sinne von - das ist ganz wichtig, das ist kein Aufruf zu Gewalt! oder zu irgendwelchen anderen, irgendwie illegalen Aktionen oder dergleichen - sondern es geht um die Frage, können Kommunen zum Beispiel über die Durchsetzung von baurechtlichen Vorschriften oder über Vorkaufsrechte über steuerliche Fragen rechtsextremen Projekten begegnen. Das hat Matthias Quent alles aufgezählt im Interview. Und dafür sorgen, dass die sich eben nicht weiter ausbreiten können, also diese Ausbreitung sozusagen zu zu bremsen. Das ist das eine. Was der Rechtsextremismusforscher im Film auch erklärt: Der hat auch in Kommunen in Thüringen beispielsweise geforscht, und da ist es eben teilweise auch gelungen, dass zum Beispiel ein Bau, ein Gebäude. .. da war ein Gebäude gekauft worden von der rechtsextremen Gruppierung. Die haben das umgebaut und saniert und haben dabei einen tragenden Balken angesägt. Und dann kam die Stadt und hat gesagt oh, jetzt ist das hier nicht mehr sicher. Die Statik ist nicht mehr gewährleistet. Jetzt müsst ihr leider das Haus verlassen. Also ich verkürze das sehr stark. Aber das sind sozusagen Dinge, wo der Rechtsextremismusforscher sagt, wenn eine Kommune einen politischen Willen hat und sich diese Dinge auch wirklich ernsthaft anschaut, dann gibt es möglicherweise Hebel, solche Projekte auch einzudämmen. Aber du hast natürlich Recht, wenn ein Gasthof verkauft ist wie in diesem Fall, as war ja auch ein privater Verkauf, dann sind sie halt da.
SK
Tim, nach zwei Jahren Recherche an dieser Geschichte: Was ist dein Fazit? Was kann man überhaupt tun gegen diese völkischen Siedler?
TS
Ein ganz knappes Fazit wäre, dass man alleine gar nicht so viel tun kann, sondern sich eigentlich mit Menschen zusammenschließen muss. Und das glaube ich, das schon einen großen Beitrag dazu leistet, so einem Projekt oder so eine Gruppierung zu begegnen. Ich habe von dem als Echo, von den Wienrödern, die sich damit kritisch auseinandersetzen, immer wieder gehört, dass sie sich alleine fühlen und dass sie sich deswegen nicht trauen, sich öffentlich hinzustellen und zu sagen, dass das ein Problem ist. Und ich glaube, dass wenn eben da nicht nur die Politik sich dahinter stellt, sondern auch sozusagen Menschen aus dem Ort sich zusammenschließen und eben sozusagen sich gegenseitig bestärken, dass das deutlich mehr Chancen auf eine positive Veränderung hat, als als wenn sie sozusagen viele einzelne das Gefühl haben, dass sie eigentlich die einzigen sind, die sich die dagegen sind und die große Mehrheit sozusagen auf der Seite, der auf der Gegenseite steht.
Das sieht man auch wirklich eindrücklich in eurem Film. Den empfehle ich an dieser Stelle noch einmal zu sehen auf YouTube als MDR exactly. Ich danke euch beiden sehr herzlich für den Film und führt dieses Gespräch. Jana Merkel Dankeschön und Tim Schulz
MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche