MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (FOLGE 72) Verfassungs(un)treu? - Radikale Staatsdiener in der AfD
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22. Februar 2023, 17:09 Uhr
Richter, Staatsanwälte, Polizisten, Bundeswehrsoldaten oder verbeamtete Lehrer - sie alle haben Verfassungstreue gelobt und deshalb gilt für sie das sogenannte Mäßigungsgebot.
Doch manche Staatsdiener, die als AfD-Mandatsträger in Parlamenten sitzen, provozieren immer wieder mit Tabubrüchen, Regelverletzungen, rassistischen Äußerungen, Hetze und Umsturzgedanken. Tom Fugmann und Knud Vetten sprechen im Podcast über ihren Film "Radikale Staatsdiener in der AfD"
Moderation: Secilia Kloppmann
Wer in diesen Zeiten nicht als Rechtsextremist diffamiert wird, der macht irgendwas verkehrt.
Wir haben jetzt 70 Jahre lang Mahnmale gebaut. Es ist hohe Zeit, dass wir endlich wieder Denkmäler erreichten.
Ich persönlich leiste parlamentarischen Widerstand, und ich leiste Widerstand, indem ich auf der Straße meine Meinung frei kundtue und die Leute Aufbau fordere, auch den Druck von der Straße hochzuhalten beziehungsweise noch zu erhöhen.
Moderation, Secilia Kloppmann (SK)
Das waren Jens Maier - Richter, Björn Höcke - Lehrer und Karsten Hilse - Polizist. Alle drei saßen oder sitzen als Parlamentarier, also Volksvertreter, im Bundestag oder im Landtag, alle drei für die AfD. Sie sind nicht die einzigen Staatsdiener, die für die AfD in Parlamenten sitzen und deren öffentliche Aussagen immer wieder an ihrer eigentlich gelobten Staatstreue zweifeln lassen. Und damit herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche. Mein Name ist Secilia Kloppmann. Ich arbeite für die politischen Magazine des Mitteldeutschen Rundfunks. In diesem Podcast sprechen wir mit unseren Autorinnen und Autoren über ihre Recherchen und die persönlichen Eindrücke während der Arbeit am Thema
Richter, Richterinnen, Staatsanwälte, Bundeswehrsoldaten, Polizisten, verbeamtete Lehrer und Lehrerinnen. Sie alle sind in einem beamten- oder beamtenähnlichen Status. Als Staatsdiener haben sie gewisse Vorteile, aber auch Pflichten. Bei ihrer Verbeamtung haben sie einen Eid auf das Grundgesetz geschworen und sind zu besonderer Verfassungstreue verpflichtet. Wir wollen in diesem Podcast auf Staatsdiener schauen, die mit dem Parteibuch der AfD in Parlamenten sitzen und klären, warum ihre Reden dort, so provokant sie manchmal sein mögen, von dem für Beamte geltenden Mäßigungsgebot nicht betroffen sind und welche Möglichkeiten es für den Rechtsstaat gibt, gegen staatsfeindlich agierende Staatsdiener vorzugehen.
Mit diesem Thema, intensiv beschäftigt, haben sich Knud Vetten und Tom Fugmann für ihren ARD-Film "Radikale Staatsdiener in der AfD", zu sehen in der ARD Mediathek und auf YouTube. Und ich freue mich, das Knud Vetten und Tom Fugmann zu Gast sind in unserem Podcast.
Richter, Staatsanwälte, Beamte in der Verwaltung, Lehrer, Polizisten, Bundeswehrsoldaten, die sitzen ja auch für andere Parteien in den Parlamenten. Warum waren jetzt die, die in der AfD sind für euch so interessant?
Knud Vetten (KV)
Naja, also jede Partei darf und hat auch im Laufe der Bundesrepublik Beamte, Richter, Bundeswehrsoldaten in ihren Reihen gehabt und auch Mandatsträger im Bundestag gehabt. Das ist von 1949 an so. Es hat sich aber wesentlich etwas geändert, nachdem die AfD politisch tätig geworden ist. Da ist im Prinzip das Prinzip gekippt worden, dass man auf der einen Seite ein Amt bekleidet und auf der anderen Seite berufliche Verpflichtungen hat. Die AfD ist durch Grenzüberschreitungen, durch offensive extreme Äußerungen aufgefallen, und das von 2015 /16 an.
Tom Fugmann (TF)
Ich würde noch ergänzen: Und zwar gibt es ja einen Passus im Beamtengesetz, demnach Beamtinnen und Beamte zu einer gewissen Treuepflicht verpflichtet sind. Und zwar müssen sie sich im gesamten Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen und sich positiv mit der Verfassung identifizieren und zwar auch aktiv. Das heißt, wenn sie nichts Schlimmes machen, reicht nicht, sondern es muss ein aktives Bekennen sein. Und da war unser Gedanke, wenn das auf der einen Seite so ist bei diesen Leuten, dass sie eigentlich ein positives Verhältnis zur Verfassung haben müssen, auf der anderen Seite aber als rechtsextremer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet werden - was gibt es denn da für ein Problem mit den Leuten, die aktiv Mandatsträger in einer solchen Partei sind? Das war der Grund, da mal hinzuschauen und vor allen Dingen auch der Gedanke, dass die AfD für sich eigentlich auch in Anspruch nimmt, sie wäre quasi ein natürliches Habitat für diese Staatsdiener. Und deswegen haben wir da mal geguckt, wie sich das verhält.
SK
Wenn man sich Debatten anschaut, im Landtag oder auch im Bundestag, wo AfD- Abgeordnete Reden halten... Also ich habe da schon mehrfach geschluckt, habe gedacht, darf man das denn überhaupt sagen? Und dann habe ich in eurem Film gelernt, das dürfen die im Prinzip...
TF
Na ja, es gibt ja diesen Begriff der Indemnität, und das bedeutet, dass die Parlamentarier frei sind im Parlament, sich zu äußern, natürlich auch mit Grenzen. Also den Holocaust leugnen, das würde auch im Parlament bestraft. Aber ansonsten wird das nicht verfolgt, wenn sie dort im Parlament Reden halten oder Äußerungen tätigen, die sich eigentlich mit diesem Mäßigungsgebot als Beamte nicht vertragen. Sie sind dann frei davon. Und das muss man in dieser Geschichte auch so ein bisschen beachten, weil - da werden wir bestimmt auch noch darauf zu sprechen kommen - bei den Fällen, die dann sanktioniert worden sind, von Beamten in der AfD, wurde genau immer hingeschaut. Was ist da jetzt im Parlament gesagt worden? Und was wurde außerhalb des Parlaments irgendwo bei Pegida, im Wahlkampf oder Facebook geäußert? Also da gibt es eine Trennschärfe, die beachtet werden muss.
SK
Ein Beispiel, eine bekannte Person, die alle Zuhörerinnen und Zuhörer auch kennen, das ist Björn Höcke. Das ist der AfD-Vorsitzende aus Thüringen. Der provoziert eigentlich, seit er die politische Bühne mit der AfD betreten hat. Der fällt immer wieder auf. Wir haben den eingangs schon gehört, wird immer wieder mit rechtsextremen Positionen zitiert, wie "Mahnmal der Schande", "erinnerungspolitische Wende" oder auch Aussagen wie diese
Im 21 Jahrhundert trifft der lebensbejahenden afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp.
SK
Höcke ist von Beruf Lehrer, verbeamteter Lehrer und könnte - so er nicht wieder in den Landtag gewählt wird, wonach es nicht aussieht - aber, wieder als Lehrer für Sport und vor allem für Geschichte arbeiten. Richtig, Tom?
TF
Höcke ist Lehrer, verbeamteter Lehrer und das hessische Kultusministerium, was in seinem Falle auch aufgrund dieser Äußerungen, die er tätigt, dieser krassen, die du auch zitiert hast. Seit er im Thüringer Parlament als Abgeordneter gewählt wurde, wurde natürlich auch schon mal angefragt, wie sich das mit diesem Mäßigungsgebot der Treuepflicht zur Verfassung verträgt. Und da gab es quasi immer eine Rechtsposition, die auch gegenüber der Kollegin Carmen Salas, die uns ja im Film unterstützt hat, und nochmal vom Pressesprecher des hessischen Kultusministeriums bestätigt wurde, das eben quasi die Rechten und Pflichten von Beamten und Beamten ruhen, wenn sie in einem Parlament gewählt worden sind. Und wenn Björn Höcke aber wieder in den hessischen Schuldienst zurückkehren will, dann würde man alles dafür tun, dass er nicht mehr Unterricht an einer hessischen Schule erteilen darf - eben aufgrund dieser ganzen Äußerungen. Höcke selber ist interessanterweise da ein bisschen allergisch, wenn das Thema angesprochen wird. Ich hatte ihn ja in Münster versucht danach zu fragen, und dann hat er sofort abgewiegelt und ist ausgewichen ..
Wir machen einen Film über das Verhältnis von Beamten und Staatsdienern in der AfD – Ach, nee, da habe ich keine Lust zu ..
TF
Und er hat selber auf Facebook 2016, sich schon mal dazu geäußert. Und hat im Prinzip seine Rechtsauffassung dahingehend da beschrieben, dass er der Meinung ist, Beamte ... was er da sagt und tut, das würde einfach .. ich zitiere ihn mal … „eine volkstümliche, kämpferische Art, Politik zu machen, die an Franz Josef Strauß oder Herbert Wehner erinnern mag.“ Insofern sieht er sich natürlich nicht als jemand, der zu sanktionieren wäre. Aber natürlich ist er notorisch jemand, der auch gerade eben jetzt erst sich noch mal geäußert hat angesichts der Zerstörung Dresdens hat er auch nochmal sich revisionistisch geäußert. Also man könnte das verfolgen. Man müsste es natürlich in gewisser Weise zeitnah machen, weil das Beamtenrecht kennt relativ kurze Verjährungsfristen, und man muss auch dazu sagen, dass die Bearbeitungsfristen sehr lang sind. Also man müsste da eigentlich mal aktiv rangehen. Aber dass das nicht passiert, haben wir in verschiedenen Fällen im Film gezeigt.
SK
Also wir haben es jetzt gerade gehört, Björn Höcke hatte nicht so viel Lust, mit Tom darüber zu sprechen über das Thema "Beamte in der AfD". Wer ganz ausführlich mit dir, Knud, gesprochen hat, ist Karsten Hilse. Da gibt es ein langes Interview im Film. Wir haben den auch hier schon eingangs im Podcast gehört. Der ist Polizist aus Sachsen. Der sitzt für die AfD im Bundestag, schon die zweite Legislatur. Du warst auf einer Veranstaltung von ihm, und da hören wir auch gerade noch mal rein, was Karsten Hilse den Leuten im Saal so erzählt ...
Die Angriffe auf unser Volk sind ja vielfältig. Es wird mit einer familienfeindlichen Politik dafür gesorgt, dass wir uns nicht genügend reproduzieren. Das wir schrumpfen, dafür wird gesorgt. Es wird extrem viel Geld aus Deutschland hinausgebracht oder herausgebracht. Es gibt Angriffe auf unsere Kultur, auf unsere Geschichte...
SK
Die Frage, die ich mir stelle, Knud, ist das jetzt eigentlich schon verfassungsfeindlich was der sagt? Ich meine, der behauptet, es gebe hier eine eine familienfeindliche Politik, damit wir schrumpfen. ..
KV
Das sind jetzt zwei Fragen gewesen. Also verfassungsfeindlich, glaube ich, ist das nicht. Das wird sich im Rahmen der Meinungsfreiheit wahrscheinlich richterlich nicht sanktionieren lassen, was er hier sagt. Das ist eben seine Meinung. Auf der anderen Seite merkt man an der gesamten Veranstaltung, wir haben die ja zwei Stunden verfolgt, dass er insgesamt immer wieder Öl ins Feuer gießt, wenn es um strittige Themen geht. Also was ich besonders, ja prekär fand, war die Äußerung eines älteren Mannes, der behauptet hat, dass wir uns ja im dritten Weltkrieg befänden. Das ist etwas, was von Karsten Hilse im Raum überhaupt nicht kommentiert, geregelt oder moderiert wird, sondern das lässt er einfach laufen. Und er gießt dann noch Öl ins Feuer, indem er sagt, wer denn wohl diese Pipeline in die Luft gejagt haben könnte und gibt einen ganz klaren Hinweis dorthin, wo er das verortet, nämlich nicht in Russland, sondern in den USA. Die gesamte Veranstaltung ist nicht als eine Hetze mit Schaum vor dem Mund gewesen, sondern ist es durchaus der subtile Unterwanderungsversuch, den Leuten quasi Thesen des Widerstandes mitzugeben. Und genau das ist ja auch sein Dogma. Er befindet sich parlamentarisch und auf der Straße eindeutig im Widerstand zu diesem Staat.
SK
Das bestätigte der ja auch noch mal im Interview, wie er sich da sieht.
Ich persönlich leiste parlamentarischen Widerstand. Und ich leiste Widerstand, indem ich auf der Straße meine Meinung frei kundtue und die Leute aufhalte, auffordere auch, den Druck von der Straße hochzuhalten beziehungsweise noch zu erhöhen.
SK
Grundsätzlich wirkte das so für mich im Film, das der euch durchaus bereitwillig empfangen hat, bereitwillig ein Interview gegeben hat...
KV
Also er hat dem Interview relativ schnell zugestimmt. Und er hat uns dann auch zwei Möglichkeiten gegeben, wo wir drehen konnten, weil die erste Möglichkeit ausgefallen ist, da wären drei Bundestagsabgeordnete der AfD dort gewesen, und diese Veranstaltung wurde dann aber abgesagt. Nachdem wir dann die zweite Möglichkeit bekommen haben, wardas völlig problemfrei. Und das Interview war auch ausgiebig, und er hat jede Frage beantwortet.
SK
.. und so im Saal? ganz kurz, die Stimmung?
KV
Also Herr Hilse hat uns angekündigt. Damit konnte jeder im Raum auch wissen, das Dreharbeiten durchgeführt werden und wer dafür verantwortlich ist. Es gab einige Bemerkungen in unsere Richtung, die Zweifel an unserer Berichterstattung vom Grundsatz her angebracht haben. Aber großartig feindlich würde ich das nicht einordnen. Was ich erstaunlich fand, der Raum war wirklich voll. Wir waren im sächsischen Ohorn, einem kleinen Ort in der Nähe von Dresden, und da haben 70 bis 80 Leute ungefähr geschätzt Platz gehabt, und der Saal war voll. Da war kein Platz mehr frei. Die Leute haben gegessen, haben getrunken. Die haben das wie ein Event genommen, der zu ihrer Unterhaltung beiträgt, und sind dann auch sehr zufrieden, so wie ich das beurteilt habe, nach Hause gekommen.
SK
Ein Aspekt, den Ihr im Film ausführlich behandelt und der eine große Rolle spielt ist, wie der Staat mit solchen Staatsdienern umgeht, die sich staatsfeindlich äußern und verhalten. Da ist ja die große Frage, was kann denn der Staat oder die zuständigen Stellen überhaupt machen?
TF
Na ja, also es gibt ja ein Beispiel. Thomas Seitz, das erzählen wir auch dem Film Staatsanwalt aus Baden-Württemberg, dem der Beamtenstatus aberkannt wurde. Das ist eigentlich im Prinzip der bisher einzige Fall, in dem das gelungen ist. Und bei Thomas Seitz hat das baden-württembergische Justizministerium konsequent geschaut: Was hat der veröffentlicht auf in den sozialen Medien?, vor allen Dingen oder auch auf Wahlkampfveranstaltungen und die Äußerungen, die er da getätigt hat. Also er hat ein Bild zum Beispiel, geteilt auf Facebook, wo ein Koran der Toilette runtergespült wird. Er hat Barack Obama rassistisch beleidigt in sozialen Medien, und auch die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert. Das hat eben dem baden-württembergischen Richtergericht gereicht, zu sagen, wir erkennen die Beamtenstatus ab. Das ist sozusagen einmal durchgezogen worden. Und in anderen Fällen, also wir haben es ja auch versucht zu untersuchen und sind eigentlich darauf gekommen, dass es alles immer relativ zögerlich passiert. Das Beispiel ist ja auch bei Höcke, da stellt sich eben das hessische Kultusministerium auf den Standpunkt, das interessiert uns solange nicht, solange er Politiker ist, egal, ob das eventuell zu sanktionieren wäre oder eben nicht. Und das sich eben einen schlanken Fuß den man sich bisher gemacht wurde. Aktuell läuft gerade eine Verschärfung der entsprechenden Gesetze. Vielleicht passiert dann was...
SK
Welche Konsequenzen hat das denn, wenn der Beamtenstatus entzogen wird, im Falle von diesem Staatsanwalt zum Beispiel aus Baden-Württemberg?
TF
Es hat für ihn dahingehend relativ krasse Konsequenzen, weil er seine ganzen Pensionsansprüche verliert. Das heißt, er fällt da auf ein relativ niedriges Rentenniveau zum Beispiel zurück. Und wenn er beispielsweise - ich habe jetzt nicht mehr im Hinterkopf, wie alt er ist – aber, wenn er nicht mehr in den Bundestag gewählt werden würde, könnte er natürlich nicht mehr als Staatsanwalt arbeiten. Also für die Betroffenen kann das schon relativ harte persönliche Konsequenzen haben.
SK
Oft geht es ja erst mal vor allen Dingen um eine Suspendierung vom Dienst. Das war ja zum Beispiel auch das Beispiel - das werden auch viele Zuhörerinnen und Zuhörer kennen - als am 7. Dezember diese große Razzia war gegen Menschen aus der Reichsbürger-Szene. .. Das ging auch durch die Medien... Da war auch eine Berliner Richterin dabei. Birgit Malsack-Winkemann. Die saß bis 2021 für die AfD im Bundestag, ist dann nicht wieder gewählt worden und wollte wieder zurück in den Justizdienst als Richterin am Landgericht in Berlin. Knud und du hast dich getroffen, mit der Justizsenatorin von Berlin. Und die hatte eigentlich auch versucht und relativ zügig, diese Frau zumindest zu suspendieren. Aber es hat nicht funktioniert. Oder?
KV
Die Justizverwaltung hat sich genau angeschaut: Was hat die Frau in der letzten Zeit geäußert? Mit wem hat sie sich getroffen? Die hatte eine Youtube-Kanal gehabt. Das haben die sich ganz genau angeschaut und sind zu der Schlussfolgerung gekommen, dass diese Frau nicht mehr als Richterin tätig werden sollte. Das Richterdienstgericht in Berlin war aber anderer Auffassung. Das heißt, die haben gesagt - und jetzt kommt eine interessante Wendung! - Die haben gesagt, wir sehen sehr wohl xenophobe Äußerungen, fremdenfeindliche Äußerungen bei Malsack-Winkemann. Es ist aber nicht verfassungsfeindlich, und solange es nicht verfassungsfeindlich ist, kann sie trotzdem in den Richterdienst zurückkehren. Und jetzt gehen wir zwei Monate weiter. Im Oktober entscheidet dieses Gericht, und am 7. Dezember wird die Frau festgenommen, weil sie im Verdacht steht in einer Reichsbürgergruppe ein Putsch geplant zu haben. Das heißt also, hieran sieht man, was hinter den Kulissen passiert, ist uns offensichtlich oft nicht klar. Aber dahinter zu kommen, das ist oftmals gar nicht möglich. Und die Leute sind auch sehr geschützt.
SK
Jetzt gilt ja die AfD als Verdachtsfall beim Verfassungsschutz. Hat das denn eigentlich jetzt auch Auswirkungen auf AfD-Mitglieder, die Beamte sind?
TF
Die simple Mitgliedschaft hat meines Wissens keine Auswirkung. Man muss schon im Einzelfall dann nachweisen, dass diese Leute sich in einer Art und Weise positioniert haben, wie beispielsweise Höcke, Seitz oder Maier, die eben nahelegt, dass sie es mit ihrer Treuepflicht zum Grundgesetz nicht so genau nehmen beziehungsweise grob dagegen verstoßen. Dann kann man ein Verfahren anstoßen. Bislang ist es so, dass das nicht reicht.
SK
Es gab auch Austritte aus der AfD. Und du Knud hast ja zum Beispiel auch einen ehemaligen Landtagsabgeordneten der AfD in Sachsen getroffen. Ivo Teichmann. Der ist aus der AfD ausgetreten...
KV
Genau, er ist kurz vor Weihnachten aus der Partei ausgetreten, aus der Fraktion ausgetreten und hat das begründet, dass die Partei immer weiter nach rechts abdriftet, in Rechtsextreme ab driftet und dafür hat auch Beispiele genannt.
SK
Unter anderem, im Film erzählt Ivo Teichmann dir, dass er in einer Chat-Gruppe gewesen ist. Die ist auch von einem Mitglied des Bundestages, zumindest administriert wird sie von ihm. Steffen Janich, heißt der, der ist Polizist. Der ist auch in der AfD sitzt immer noch im Bundestag, ist allerdings als Polizist tatsächlich schon vom Dienst suspendiert. Warum ist der eigentlich vom Dienst suspendiert als Polizist?
KV
Es hat die Demonstrationen gegeben, die sich gegen die Corona-Maßnahmen gerichtet haben. Das hat es auch in Pirna gegeben, und da war bei der Organisation im Hintergrund Steffen Janich tätig. Er war dann auch teilweise Versammlungsleiter, hat sich für nicht angemeldete, also quasi illegale Demonstrationen als Versammlungsleiter dann auch geoutet. Und das hat quasi zur Suspendierung geführt. Er ist zurzeit unseres Wissens als Polizist suspendiert.
SK
Du hast Steffen Janich getroffen, der wollte jetzt nicht unbedingt mit dir reden. Du hast ihn konfrontiert mit einem Post auf Facebook. Da ging es unter anderem um die gerade erwähnte Birgit Malsack-Winkemann, diese Richterin aus Berlin state, sich ganz offen solidarisiert, muss man sagen..
Reporter: „Es hätte jeden treffen können – so sinngemäß - aber sie stand nur weiter vorn. Das stand auf Ihrer Facebook-Seite.“
Steffen Janich: „Das ist meine Kachel gewesen und das ist völlig korrekt. Und genau das habe ich auch ausgedrückt. Wir werden so lange Birgit Malsack-Winkemann als das sehen, was sie ist. Sie ist jetzt ganz einfach in Haft genommen worden und es muss sich erstmal bestätigen, was dort passiert ist. Und das wird ein Richter machen.“
Reporter: „Aber es hört sich sehr solidarisch an.“
„Ja, Entschuldigung, aber natürlich darf mach sich mit jemanden solidarisch zeigen. Wir werden am Ende sehen , was dieses Gerichtsverfahren bringt, dann werden wir unsere Meinung eventuell anpassen oder werden sehen, was dort rauskommt und werden schauen was da passiert.“
SK
Er hat es nicht einmal abgestritten. Oder?
KV
Nein, er hatte ja auch nicht nur in dieser Chatgruppe, die er ja auch moderieren könnte, wo er auch quasi sagen könnte, das, was ihr hier über Staatsstreiche fabuliert, das ist nicht gut, das kann er als Administrator ja in irgendeiner Weise kommentieren, hat er nicht gemacht. Er hat zu Weihnachten Malsack- Winkemann Grüße gesandt und auch quasi mit den Worten, „Birgit, wir denken an dich“ da auf die Frage hin, wie er denn sein Verhältnis zu Maisack Winckelmann betrachte. Ich habe ihm auch Teile quasi dieser Chatgruppe vorgelesen. Und meine Nachfrage war, das klingt für mich wie eine Solidarisierung mit der Frau. Und da hat er dann ganz freizügig gesagt ja, warum sollte ich mich nicht solidarisieren mit ihr?
SK
Ein weiterer Fall, spielt ebenfalls in Sachsen. Das ist Jens Maier. Der war lange Richter in Dresden, ging dann für die AfD in den Bundestag. Der hat unter anderem Verständnis für den norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik geäußert, so in der in der Art , der sei so wegen der "Einwanderung Kulturfremder aus Verzweiflung zum Massenmörder geworden“. Maier gehört zum sogenannten Flügel der AfD. Der wird vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft, klagt aber dagegen. Seine Meinung zum Thema Rechtsextreme haben wir anfangs im Podcast auch schon mal gehört, ich spiele den Ton aber noch mal.
O-TON Jens Maier
Wer in diesen Zeiten nicht als Rechtsextremist diffamiert wird, der macht irgendwas verkehrt.
SK
Der wurde 2021 nicht wieder in den Bundestag gewählt und wollte zurück in den Justizdienst. Tom, Du hast dich intensiv mit dem Fall Jens Maier beschäftigt...
TF
Ja, ich war auch bei der Verhandlung dabei vor dem sächsischen Richterdienstgericht in Leipzig, als es darum ging, ob seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand Bestand haben würde. Er selber war nicht da, hat einen Rechtsanwalt für sich agieren lassen. Und im Prinzip ist das bestätigt worden, dass er in den Ruhestand versetzt werden kann. Weil, so hat es das Gericht gesagt, er sich so geäußert hat und an seiner Haltung keinen Zweifel gelassen hat. Weil dann, wenn er noch Richter wäre, eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege eintreten würde. Und die will man eben abwenden, indem man sagt, der Mann soll lieber nicht urteilen. Weil, wenn da jemand kommt, beispielsweise jemand mit Migrationshintergrund oder jemand, der sozusagen nicht ins politische Raster der AfD passen würde, steht die Neutralität seines Urteils in Frage. Und das Interessante ist ja, dass er selber sogar, das wurde auch im Urteil herangezogen, er selber, hat sich auf Twitter als AfD-Richter bezeichnet. Also gibt es so eine Äußerung von ihm. Ich zitiere das mal: „Wenn Angeklagte AfD-Richter fürchten, haben wir alles richtig gemacht.“ Das kommt vom Twitter-Account von Jens Maier. Und natürlich ist so, jemand wie er, der von der Herstellung von Mischvölkern fabuliert oder den Schuldkult als beendet erklärt und damit ja eindeutig klarmacht, was er für eine politische Haltung hat. Von dem sind eben keine klaren Urteile oder keine neutralen Urteile zu erwarten. Und das hat alles das Gericht bewertet und hat gesagt, das geht nicht, den Mann müssen wir in den Ruhestand versetzen, weil er eben nicht mehr sachlich, rechtstreu, gerecht, objektiv und seine Urteile am Allgemeinwohl ausrichten würde.
SK
Aber sein Anwalt sagt, er will in Berufung gehen. Wie ist denn da der aktuelle Stand der Dinge?
TF:
Ja, er geht in Berufung. Die Rechtsauffassung des Anwalts und auch einer anderen AfD Beamten, die wir interviewt haben für den Film lautet, das quasi das ist nicht zu trennen ist. Also man muss sozusagen den Politiker in seiner Gesamtheit beurteilen. Und jemand, der im Parlament was sagt, und das auch auf Facebook oder im Wahlkampf oder bei Pegida äußert, müsse man als Einheit betrachten. Dem ist das Gericht nicht gefolgt, dem sind auch verschiedene Rechtsexperten, die wir interviewt haben, nicht gefolgt. Und diese Auffassung will er jetzt in der nächsten Instanz, das wäre der Bundesgerichtshof, dann versuchen durchzusetzen.
SK
Also es ist noch nicht ganz final klar, ob er wirklich in den Ruhestand versetzt wird. Ruhestand heißt aber, er verliert nicht seine Pensionsansprüche, wie zum Beispiel der Staatsanwalt aus Baden-Württemberg?
TF
Na ja, im jetzigen Fall noch nicht, weil es ist noch nicht entschieden. Und man müsste dann sicher noch mal schauen, wie sich das in seinem konkreten Fall verhält. Also sind jetzt sind ja zwei Dinge. Das eine ist die Versetzung in den Ruhestand, und das andere sind seine Ansprüche. Die müssten vermutlich in einem gesonderten Verfahren verhandelt werden.
SK
Ich persönlich, als ich euren Film gesehen habe, ich habe mich so ein bisschen gewundert. Über diese Beispiele, also gerade Richter und Staatsanwälte, sind ja auch durchaus honorige Persönlichkeiten. Ich habe mich gewundert, dass es da Leute gibt, die so drauf sind. Ihr habt aber auch einen Experten getroffen. Joachim Wagner, der hat sich damit intensiv beschäftigt. Sein Buch heißt "Rechte Richter", und der sagt, dass das gar nicht so verwunderlich ist...
Alle Richter und Staatsanwälte haben sich der AfD angeschlossen, aus einem Grund: Nämlich wegen der Zuwanderung und der Angst, dass unsere Gesellschaft heterogener und multikultureller wird. Das ist sozusagen bei allen das Hauptmotiv. Alle politischen Lebensläufe zeichnen sich dadurch aus.
KV
Er hat sich im Prinzip angeschaut, die gesamten Beispiele, wo vorher Richter, Staatsanwälte in Parlamente gekommen sind. Und er hat sich angeschaut, wie sie in die Partei gekommen sind. Da sind zwei Auffälligkeiten, die er festgestellt hat, also er zwei Jahre lang recherchiert. Und er hat festgestellt, erstens, die kommen ganz früh in die Partei. Also die meisten sind relativ schnell nach 2013 in der Partei, und das zweite ist die Motivation. Er sagt das ist durchgängig im Prinzip der Zustrom von Leuten, die wir hatten, in 2014/15. Das ist die Motivation für alle gewesen, dass sie in die AfD gegangen sind.
SK
Aber ich hoffe doch jetzt mal, dass Beispiele wie Frau Malsack-Winkemann, Herr Maier oder auch der Staatsanwalt aus Baden-Württemberg...ich hoffe doch, dass das Einzelfälle sind für unsere Justiz oder?
KV
Einzelfälle, sagt Joachim Wagner, der sich immerhin zwei Jahre damit befasst hat. Ja, es sind Einzelfälle. Er hat ja insgesamt rechte Richter betrachtet, nicht nur AfD-Richter, aber trotzdem hat er ein Buch von 300 Seiten geschrieben. Also immerhin ist das ja nicht nichts. Und das sind Einzelfälle, wo er sagt, die haben eine ganz große Auswirkung, weil sie natürlich das gesamte Justizsystem damit auch in Frage stellen. Das heißt, diese Einzelfälle tragen zu einem erheblichen Schaden für die Republik bei. Und deswegen sind sie als Einzelfälle nicht einfach nur ein paar kleine Extremfälle und die können wir vernachlässigen.
SK
Wenn man zum Beispiel auf die AfD-Bundestagsfraktion schaut. Gibt es denn da jetzt grundsätzlich mehr Beamte, Richter, Polizisten, Bundeswehrsoldaten?
TF
Die AfD nimmt ja für sich in Anspruch, das hatte ich vorhin schon gesagt, die natürliche Heimat dieser Leute zu sein, sozusagen die Rechtsstaatspartei oder die Partei der Staatsdiener. Das ist nicht zutreffend. Es gibt statistisch gesehen da nicht mehr Beamte in dieser Fraktion als in anderen Fraktionen. Genaue Zahlen hat die AfD nicht herausgegeben. Wir hatten ja jemand nachfragen lassen. Ich selber hatte mal geschaut. Also es gibt natürlich noch einige andere Beamte in der Bundestagsfraktion: Gymnasiallehrer, Richter a.D., Bundeswehrsoldaten, Polizeibeamte, Hochschulrektoren und so weiter und so fort, aber statistisch gesehen vermutlich nicht mehr als in anderen Fraktionen.
SK
Welches Fazit steht jetzt eigentlich, Tom, im Umgang des Staates mit solchen radikalen Staatsdienern. Kann man da zufrieden sein. Was muss sich da tun?
TF
Im Prinzip hat man jetzt so ein bisschen den Eindruck, dass die Politik sich bewegt. Jedenfalls erst mal im Ankündigungsmodus. Es ist gerade ein Gesetzentwurf verabschiedet worden, mit dem Bundesinnenministerin Nancy Faeser das Disziplinarrecht verschärfen möchte. Die sächsische Justizministerin Katja Meier will auch das Rückkehrrecht verhindern, dass es da einen Automatismus gibt. Also das heißt, man möchte schon ran an diese Problematik mit den radikalen Staatsdienern. Aber man hat es einfach jahrelang laufen lassen. Man hätte disziplinarisch, da sehr viel offensiver gegen diese Leute vorgehen können. Das ist im Prinzip in einem Fall nur geschehen, bei Thomas Seitz. Bei Jens Maier läuft das Verfahren noch. Also man hätte eigentlich diese Leute stärker sanktionieren können und ihnen ihre Schranken weisen können. Das ist bisher unterblieben. Man kann nur hoffen, dass da mehr passiert.
SK
Knud, tut sich der Staat da schwer?
KV
Ich glaube, dass er sehr lange gebraucht hat, um überhaupt das Phänomen, dass ein neues gewesen ist, zu registrieren. Und dann passiert lange wenig oder zu wenig auf jeden Fall, wenn man von dem Grundsatz der Wehrhaftigkeit der Demokratie ausgeht. Und das ist jetzt quasi auf dem Tisch. Das Problem ist klar, und ich glaube, dass das, was Frau Faeser hier vorschlägt, schon zu einer Besserung führen könnte. Erst einmal muss man doch das Problem aber wahrnehmen, damit man überhaupt dagegen etwas machen kann.
Knud Vetten und Tom Fugmann vielen Dank für dieses Gespräch
MDR INVESTIGATIV - HInter der Recherche