MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (FOLGE 94) Gangsterjagd - Polizei im Kampf gegen die Mafia

Audiotranskription

29. Dezember 2023, 12:04 Uhr

Polizeiarbeit gegen die italienische Mafia, hier in Deutschland. Darum soll es in dieser Folge von MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche gehen. Und deshalb lassen wir zu Beginn dieser Folge auch gleich mal zwei Ermittler zu Wort kommen. Und zwar Markus Druschke von der Polizei Frankfurt am Main und Oliver Huth vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen.

Es ist nicht so wie bei anderen Gruppierungen, wo man klare Erkennungszeichen hat, die für jeden ersichtlich sind. Da ist es eben oft der Pizzabäcker um die Ecke, der unscheinbar für den Normalbürger ist.

Markus Druschke / Polizei Frankfurt am Main Gangsterjagd - Polizei im Kampf gegen die Mafia

O-TON

Wir können keinen Bundesland ausschließen, denn die 'Ndrangheta ist überall präsent.

Oliver Huth/ Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen. Gangsterjagd - Polizei im Kampf gegen die Mafia

Moderation Secilia Kloppmann (SK)

MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche erscheint alle zwei Wochen freitags mit einer neuen Folge in der ARD Audiothek und überall da, wo sie uns gerade hören. Mein Name ist Secilia Kloppmann. Über die 'Ndrangheta, eine der größten italienischen Mafia-Organisationen, ihre Geschäfte weltweit und hier in Deutschland, ihre Vernetzungen hierzulande und vor allem den Kampf der Polizei gegen diese Organisation, spreche ich diesmal mit meinem Kollegen Axel Hemmerling.

SK

Axel, du bist zugeschaltet aus dem Landesfunkhaus in Erfurt, im schönen Thüringen. Was hat denn die italienische Mafia überhaupt mit Erfurt und mit Thüringen zu tun?

Axel Hemmerling (AH)

Eine ganze Menge, auch wenn das auf den ersten Blick nicht so aussieht. Aber es ist tatsächlich eine ganze Menge, nämlich dahingehend, dass Erfurt seit 1996 97, 98, ein sogenanntes „ "locale" hat. Also einen Stützpunkt der 'Ndrangheta, die ja überall Ortsgruppen bildet von denen aus dann natürlich die kriminellen Geschäfte - mutmaßlich muss man ja immer sagen - , dass heißt aus diesen "locale", aus diesen Ortsgruppen heraus, werden bestimmte Aufgaben verrichtet, im Auftrag der 'Ndrangheta. Es geht vor allem um die Clans aus San Luca, ein kleines Bergdorf in Kalabrien. Und wenn das so stimmt, wie Ermittler und auch wir vermuten, wird vor allem hier in Thüringen Geldwäsche betrieben. Also sprich Drogengeld wird in den legalen Kreislauf eingeleitet, sodass es gewaschen wird.

SK

Wie es der Mafia gelang, sich in Thüringen oder auch ganz Ostdeutschland festzusetzen, nach der Wende - darüber haben wir schon mal gesprochen LINK. Ihr recherchiert schon sehr lange - deine Kollegin Margarita Bettoni, Ludwig Kendzia und du, schon lange zu dem Thema. Ihr habt 2021 den Film "Mafia-Kolonie Ostdeutschland" gemacht. Da hatte ich mit Ludwig darüber gesprochen, und wir haben dann im August 2022 in Folge 59 die Folge mit Ludwig Kendzia wieder holt plus ein Update , wo wir beide miteinander gesprochen. Denn es ist ja nach dem Film einiges passiert. Unter anderem gibt es einen Untersuchungsausschuss im Thüringer Landtag. Und da gibt es jetzt auch wieder Neuigkeiten. Denn im November gab es da eine ziemlich interessante Anhörung. Richtig?

AH

Nachrichten

Ein Polizist mit Maske. Dahinter weitere Polizisten bei einem Einsatz 38 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Genau, um es vorwegzunehmen - es wurde ein Zeuge geladen, ein ehemaliger Richter vom Amtsgericht in Erfurt. Der Richter ist aufgefallen über eine Geheimoperation. Die nannte sich damals Fido. Die wurde vom Bundeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft Gera veranlasst. Die hatten zwischen 2001 und 2002 in Thüringen angefangen, eine Strukturermittlung gegen die 'Ndrangheta zu starten. Und während dieser Observation beziehungsweise Telefonüberwachungen ist auch der Richter ins Netz geraten. Der hatte nämlich von seinem Wirts-Freund … Also er war sein Stammgast in einer bestimmten Lokalität hier in Erfurt. Der Freund war sein Duzfreund, da hat er auch keinen Hehl daraus gemacht. Und just als da eine Telefonüberwachung lief, auf das Handy des Wirts, hat der Richter zum Handy des Wirts und hat ihm einen Anwalt besorgt. Und das Bundeskriminalamt hatte da fleißig mitgehört und war sehr erstaunt, wie innig ganz offensichtlich der Richter mit dem Wirt war. Und auch erstaunt waren vor allem die Ermittler und auch die Staatsanwaltschaft Gera damals, wie der Richter dem Anwalt (des Wirts Anm. d.Red.) sozusagen Tipps gegeben hat, wie man das Verfahren wegen Anklage wegen eines Drogendeliktes gegen den Wirt, wie man da drumherum schippern kann, als wie man erreichen kann, dass dieses Verfahren am Amtsgericht Erfurt, einstellen lassen kann. Also er verwies darauf, dass da Zeugenaussagen wohl Grundlage sind, die aber ein bisschen eigenartig sind. Da hätte man als Anwalt vielleicht gute Chancen. Und er plaudert frei von der Leber. Und irgendwann kommt der Anwalt auch auf die Überwachungen von italienischen Restaurants und fragt den Richter, wie sieht es denn damit aus? Sie wissen das doch. Und das bestätigt der (Richter) dann fleißig. Irgendwann geht es darum, ob das Restaurant seines potenziellen Mandanten überwacht wird. Und dann sagt der Richter, ja, ja, ja, ja, aber nicht wegen ihm. Also nicht wegen des Wirtes, sondern wegen anderer. Also der Untersuchungsausschuss geht davon aus, dass hier ein klassischer Geheimnisverrat vorliegt.

SK

Ist denn eigentlich klar, ob der Wirt zur Mafia gehörte? Zur 'Ndrangheta?

AH

Also von Geburt aus nicht. Weil er kommt aus Norditalien, wie unsere Recherchen ergeben haben. Es ist wohl so, dass die 'Ndrangheta ganz großen Wert auf Familienbunde legt. Da kann eigentlich nur getauftes Mitglied werden, wer zur Familie oder zu den Familien gehört, der aus San Luca stammt. Das ist eben der große Vorteil der 'Ndrangheta, das da natürlich Polizeikräfte ganz, ganz, ganz schwer rankommen. Als Außenstehender in diese Gruppe zu kommen, ist nahezu aussichtslos, nahezu unmöglich. Es gelang damals bei Fido, bei diesen geheimen Ermittlungsverfahren. Aber letztendlich ist der Wirt ein Strohmann gewesen, so sieht das aus. Er war der Türöffner, war gut vernetzt in Erfurt. Er war eloquent, er war freundlich, er war nett. Das war sozusagen derjenige, der die Türen aufgeschlossen hat für die 'Ndrangheta.

SK

Hatte das denn juristische Konsequenzen für diesen Richter? Der Untersuchungsausschuss ist ja was anderes als zum Beispiel eine Gerichtsverhandlung?

AH

Genua. Der Ausschuss folgt zwar der Strafprozessordnung, im Groben. Aber er kann es sozusagen nur zu Protokoll nehmen. Es gab niemals in irgendeiner Form irgendwelche disziplinarischen oder strafrechtlichen Maßnahmen gegen den Richter. Das lag ganz einfach daran, dass Fido, dieses Geheimverfahren eben tatsächlich geheim war. Wie ja unsere Recherchen jetzt ergeben haben, liefen ja die Ermittlungen im Verdeckten weiter. Dass heißt sie, sie haben nie an Relevanz verloren. Aber wenn man natürlich dann anfängt, gegen einen Richter zu ermitteln oder ein Strafverfahren gegen ihn offen zu führen, merkt natürlich jeder Mafiosi, dass da was läuft, und zieht sich schlechtestenfalls zurück. Und aus diesem Grund, so unsere Vermutung, wurde damals darauf verzichtet, irgendwelche strafrechtlichen Maßnahmen gegen den Richter einzuleiten.

SK

Bei dieser Anhörung und Untersuchungsausschuss, wie hat der Richter sich denn da verhalten? Man muss sagen, der ist mittlerweile pensioniert, ist nicht mehr tätig als Amtsrichter, denn der könnte ja eigentlich Geheimnisverrat begangen haben?

AH

...wenn man es zuspitzt. Er sieht das völlig anders. Er sagt ganz einfach, er hätte damals einem Freund geholfen, wie er jedem Freund helfen würde. Auf die Frage hin, wie vielen Leuten haben Sie denn sozusagen Anwälte vermittelt - wohlwissend, dass da gerade Drogenverfahren laufen? Da musste er natürlich sagen keinem. Also er war völlig ohne Reue. Auch eine moralische Verantwortung spielte überhaupt keine Rolle in seinen Überlegungen. Im Gegenteil, also er hält bis heute Kontakt zur Familie des Wirtes, also seines damaligen Freundes, hat auch die Berichterstattung zur 'Nrangheta und zur Mafia verfolgt. Aber selbst vor dem Hintergrund zeigte er keine Reue.

SK

Axel, euer Film heißt ja „Gangsterjagd - die Polizei im Kampf gegen die Mafia“. Es geht ja um die einzelnen Polizeiaktionen, die stattgefunden haben gegen die italienische Mafia, hier auf deutschem Boden. Man kann ja insgesamt jetzt auch nicht sagen, dass die Polizei untätig war. Das ist ja oft ein Vorwurf. Die Polizei macht nichts. Die Ermittler machen nichts. Wenn ich euren Film so anschaue, da muss ich sagen, dass kann man so nicht sagen, oder?

AH

Völlig richtig. Uns hatte auch genau diese Frage beschäftigt. Es steht ganz oft die Kritik im Raum, die Polizei würde nichts machen. Das Problem an der ganzen Geschichte ist, man hört immer mal wieder natürlich in überregionalen Medien, aber auch bei uns, dass es da einzelne Operationen gegeben hat. Aber das verpufft natürlich superschnell wieder. Man hört „großer Einsatz gegen die italienische Mafia“. Und dann ist auch ganz schnell wieder Ruhe eingekehrt. Und aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, einfach mal eine Abfolge zu machen von Fido, dem Geheimverfahren, von dem ich schon gesprochen habe, 2000 bis hin zur letzten großen weltweiten Polizeioperation Eureka, die im Mai 2023 gestartet wurde beziehungsweise umgesetzt worden ist. Und da zeigt sich eben, dass natürlich sehr, sehr viel gegen die 'Ndrangheta gemacht wird, auch vor allem gegen die Clans aus San Luca. Das Problem ist natürlich, und das kommt in dem Film glaube ich, auch sehr deutlich zum Vorschein. Es ist natürlich rein juristisch, wenn man auf die Gesetze guckt, für die Polizeibeamten immer sehr schwierig gegen die Mafia vorzugehen. Weil die Mafia ist, jetzt mal ganz einfach zu sagen, in Deutschland nicht strafbar. Also wer Mitglied der Mafia ist, also in der 'Ndrangheta ist, der hat nach deutschem Recht nichts zu befürchten. Ja, es gibt natürlich die "kriminelle Vereinigung" - aber die ist so unscharf und auch schwer damit eine weltweit operierende Mafia-Gruppierung zu fassen. Das ist eben das warum es oft hinten runterfällt, dass man sagt okay, wir konzentrieren uns auf einzelne Drogendelikte, die den Menschen zugeordnet werden, und lassen die kriminelle Vereinigung (Mafia) einfach nach hinten runterfallen. Die Strafen sind auch so gering, dass sie sich meistens nicht lohnt. Prozessökonomisch, wie es so schön heißt..

SK

Ich muss jetzt noch mal nachfragen: Wenn man an eine kriminelle und weltweite Vereinigung denkt, so als Otto-Normal-Bürger, dann würde mir jetzt als allererstes die Mafia einfallen. Und die gilt in Deutschland nicht als kriminelle Vereinigung?

AH

Völlig richtig. Das ist ja zum Beispiel eine eine neue Erkenntnis aus der Polizeioperation Eureka aus diesem Jahr. Und da sagen auch die Ermittler in unserem Film, wir müssen Paragraf 129, der die kriminelle Vereinigung unter Strafe stellt, ganz dezidiert in Richtung Mafia erweitern. Wie es zum Beispiel die Italiener haben.

SK

Dann lass uns mal über einige der Operation sprechen. Angefangen hat es mit der Operation Fido vor jetzt über 20 Jahren 2000 2001 ...

AH

Genau. Das ist sozusagen der Ausgangspunkt. Wo auch das BKA zumindest nach unseren Recherchen angefangen hat, die 'Ndrangheta schärfer ins Visier zu nehmen. Da liefen natürlich verschiedene Ermittlungen im Vorfeld, und das gipfelte dann eben in dem ersten Versuch, wenn man versuchte, die 'Ndrangheta dranzukriegen. Jetzt wollen wir wissen, wer telefoniert mit wem? Wer hat mit wem welche Geschäftsbeziehung? Wo laufen die Gelder lang? Also hier ging es vor allem um die Geldwäsche, Geldwäsche ist schwierig nachzuweisen, weil in Deutschland braucht es immer die sogenannte Vortat. Also dass heißt, wenn eine Staatsanwaltschaft den Verdacht hat, hier wird Geld gewaschen, muss sie dem Gericht klar deutlich vorlegen, woher dieses Geld, was gewaschen werden soll, eigentlich kommt. Und da kann man sich vorstellen wenn jetzt in Erfurt eine Ermittlergruppe versucht, diese Geldwäsche nachzuweisen, braucht sie sozusagen die Drogenverkäufe, zum Beispiel in Südamerika. Da kann man sich vorstellen, wie schwer das ist eben diesen Deal, der in Ecuador zum Beispiel passiert ist, also nachzuweisen, dass das Geld, was über Erfurt gewaschen wird, tatsächlich aus einem Kokain-Deal in Ecuador stammt. Das ist nahezu unmöglich. Und aus diesem Grund hat sich auch die Polizei jetzt mehr oder weniger darauf verlagert, eben tatsächlich die Ermittlung weltweit aufzustellen.

SK

Zum Beispiel auch in Italien ist es ja mittlerweile anders. Da müssen Leute ja nachweisen, woher sie das Geld haben. Zum Beispiel für Immobilien, für teure Autos und so weiter. Wenn man den Verdacht hat, das könnte aus einer Geldwäsche seien oder nicht auf legalem Wege, dann müssen die (Verdächtigen) das nachweisen. Da gibt es die sogenannte Beweislastumkehr ...

AH

Genau ganz entscheidend. Das gibt es in Deutschland schlicht nicht. Es gibt bisher auch keine Bewegung also auf dem politischen Raum, die da irgendwie Abhilfe schafft. Es ist ganz einfach so: Bei uns müssen die Beamten, also die Polizei, nachweisen, woher das Geld kommt. Bei uns kann sich jeder hinstellen und sagen, das habe ich von meinem Freund gekriegt oder von meiner Familie oder wir haben gespart. Und dann haben wir uns davon eben ein teures Restaurant gekauft. Das heißt, sie tricksen eigentlich diese Beweislast Umkehr aus, indem sie halt einfach behaupten, wir haben das Geld in Deutschland erwirtschaftet. Die italienischen Sicherheitsbehörden können dann maximal in Deutschland anfragen. Könnt ihr das überprüfen? Und dann muss die deutsche Polizei sagen, auf welcher Grundlage? Wir können nicht unverdächtige Leute fragen, wo habt ihr euer Geld her? Das funktioniert nicht. Und aus diesem Grund gilt Deutschland weiterhin als Geldwäscheparadies.

SK

Fido ist eingestellt worden, in eurem Film heißt es wegen "Befindlichkeiten der Staatsanwaltschaft". Da habe ich mich gefragt, was heißt denn das konkret? Axel

AH

"Vermutlich" haben wir geschrieben! Das ist ganz, ganz wichtig. Weil das ja genau der Moment ist, mit dem sich gerade der Untersuchungsausschuss im Landtag befasst. Also so, wie unsere Recherchen es bisher ergeben haben, ist es tatsächlich so. Fido war ja nicht nur das erste wichtige große Verfahren gegen die 'Ndrangheta oder gegen die Clans aus San Luca, sondern in Fido ist ja was gelungen, was bisher als unmöglich galt. Es ist tatsächlich dem Bundeskriminalamt gelungen, fünf !!!! verdeckte Ermittler in das Umfeld der sogenannten Erfurter Gruppe, also das „locale“ hier in Erfurt zu schleusen. So etwas ist nahezu unmöglich. Verdeckte Ermittler sind echt Polizeibeamte, nicht irgendwelche Quellen, die da irgendwie um Umfeld unterwegs waren, sondern echt verdeckt ermittelnde Polizeibeamte. Die waren dann irgendwann mal nach Italien eingeladen.zum Boss sozusagen. Also für Ermittler der Jackpot. Und da ging es dann drumherum. Naja, und das geht so einfach nicht, wie ist da die rechtliche Lage? Dann wurde noch mal hin und her überlegt und die Staatsanwaltschaft Gera ganz vorn dabei, sagte: Wir müssen das machen, wir haben Absprachen mit Italien getroffen, das funktioniert. Und dann kam die Generalstaatsanwaltschaft Thüringen ins Spiel, und die war irgendwie „not amused“ - zumindest, was die Aktenlage hergibt, dass da ein Staatsanwalt in Gera einfach so vorprescht ... und aus diesem Grund ist es dann halt irgendwann mal mit juristischen Spitzfindigkeiten eingestellt worden.

SK

Wer sich das noch mal ganz genau anhören möchte, wie das war mit der Operation Fido, da weise ich noch einmal auf die Folge 59 hin. Da wird auch noch einmal ganz klar, wie frustriert teilweise die Ermittler in Thüringen gewesen sind, dass das Verfahren eingestellt worden ist. Allerdings, du hast es auch gerade schon gesagt, Axel, es hat trotzdem was gebracht, nämlich bis in die heutige Zeit bis zur Operation Eureka. Dazwischen gab es noch eine, die hieß Pollino, da hast du mir auch gesagt, dies ist wichtig, über die müssen wir sprechen. Was bedeutet die Operation Pollino? Axel

AH

Ja, Pollino fand im Dezember 2018 statt, beziehungsweise wurde dann in die öffentliche Ermittlungen eingetreten. Das heißt mit großen Razzien. Da ging es dann in den Niederlanden, in Luxemburg, in Deutschland, Italien und Belgien zur Sache. Allein in Deutschland wurden 21 Männer verhaftet, und Pollino ist der erste große Aufschlag, der in einem sogenannten JIT funktioniert hat. In einem Joint Investigation Team - das ist wie eine Soko. Oder heutzutage heißt es ja eher BAO, also besondere Aufbauorganisation. Nur dass die halt nicht in einem Landeskriminalamt stattfindet oder zwischen zwei Landeskriminalämtern, sondern das eben tatsächlich Polizeibehörden aus mehreren Staaten an einem Tisch sitzen. Und da umgeht man dann halt aufwendige Bürokratie oder die schwierigen und sperrigen Rechtshilfeersuchen. Sondern es wird ein Vertrag geschlossen zwischen diesen Polizeibehörden. Und die können dann auch - abgesegnet von einem Richter - direkt Informationen austauschen, die alle relevant sind, Und das heißt, die sitzen an einem Tisch und können dann im ja weltweit, also in dem Fall war es noch europaweit zuschlagen.

SK

Vier Tonnen Kokain sind da beschlagnahmt worden und in eurem Film heißt es " ... und wieder führende Spuren auch nach Erfurt". Was war das da konkret in dem Fall Axel? Was waren die Spuren nach Erfurt?

AH

Man muss sich immer vergegenwärtigen, dass die sich natürlich alle untereinander kennen. Was wir z.B. auch beobachtet haben in unseren langjährigen Recherchen, dass sich auch Kellner untereinander austauschen. Also ein Kellner, der zum Beispiel in Duisburg war, taucht dann auf einmal als Restaurantbesitzer in Erfurt auf. Oder der Kellner aus Erfurt zieht dann weiter nach Leipzig oder nach Dresden und macht dort ein Restaurant auf. Und so funktioniert das, das heißt der Herr Oliver Huth, den wir ja auch im Interview hatten, der sagt: die Restaurants sind die Grundschulen der 'Ndrangheta.

O-TOn Oliver Huth

Es geht um einen darum, Geldwäsche zu betreiben, Geld hier in den Wirtschaftskreislauf hinein zu befördern, was aus dem Rauschgifthandel stammt. Viel wichtiger ist aber, hier an strategischen Stellen Punkt aufzubauen, nämlich in Städten aktiv zu sein, zu hören, was in den Städten passiert. Kontakt bekommen zu Entscheidungsträgern der öffentlichen Verwaltung, sich ein Bild davon zu machen, mit der Gesellschaft zu assimilieren, aber auch die Stützpunkte zu nutzen, um zum Beispiel Personen unterzubringen, die in Italien von Strafverfolgungsbehörden gesucht werden. Ganz wichtig ist junge vermeintliche dran gedissten, die aus diesen Familien stammen, hier an Arbeit zu bringen, die Sprache lernen zu lassen, weil eins ist klar gerade in Kalabrien wird ein sehr strenger Dialekt gesprochen. Damit kann ich international nicht bestehen. Und die Hauptaufgabe ist es tatsächlich, diese junge Gruppe insbesondere von Männern europaweit aufzustellen, mit Sprachkompetenzen mit Bildung, damit sie später auf dem internationalen Rauschgiftmarkt auch präsent sein können.

SK

2018 hat die Operation Pollino stattgefunden, davor Fido war 2002. Das hat schon ganz schön lange gedauert, bis es noch mal so eine große Aktion gab. Und dann ging es da so ein bisschen Schlag auf Schlag. Denn die aktuelle Operation aus 2023 "Operation Eureka" .. da ich habe sofort gedacht, haha! Ich denke an Archimedes. Er springt aus der Badewanne und läuft durch die Gegend und ruft Heureka! Ich habe es gefunden. Der Operationsname hat aber da nichts damit tun. Axel oder?

AH

Polizeibeamte stehen an einem Auto in der Erfurter Innenstadt
Operation Eureka in Erfurt Bildrechte: MDR/Axel Hemmerling

Genau das ist es! Und das ist auch eine Art Erwachen, eine Zufriedenheit bei den Ermittlern, die in Eureka eingebunden waren. Weil nicht nur der Aufwand ein enorm großer war, sondern eben weil man jetzt sicher ist. Wir haben die Clans aus San Luca. Wir haben Sie fest, und wir haben so viel in der Hand, dass man jetzt endlich und wenn man jetzt mal den Bogen spannen will, also zu Fido, seit 20 Jahren sozusagen im Visier hat. Jetzt hat man endlich genügend Beweise, Belege, Indizien, die es rechtfertigen, alle Durchsuchungsbeschlüsse zu beantragen. Und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und auf der ganzen Welt. Also ist es ein klassisches „Wir haben es!“

SK

Und was das für ein befriedigendes Gefühl auch für die Ermittler sein muss, das kriegt man ja auch mit, wenn man Oliver Huth zuhört, vom Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen.

Der Tag hat damit angefangen, dass ich den Tag vorher um 8 Uhr aufgestanden bin und 36 Stunden am Stück gearbeitet habe. Deswegen kann ich mich sehr gut daran erinnern. Interessant und wirklich ein Highlight war, dass wir es geschafft haben, europaweit zu einem gewissen Festnahme Zeitpunkt in ganz Europa aktiv zu werden. Am Ende war es beruhigend, dass keine eine Kollegin, kein Kollege zu Schaden gekommen ist. Auch alle Beschuldigten, die wir inhaftieren mussten, unbeschadet der Festnahme zugeführt werden konnten und Beweise sichergestellt worden sind, die uns natürlich im weiteren Strafverfahren geholfen haben. Also man saß nicht nur hier in Düsseldorf für sich, um sein Verfahren zu bearbeiten. Man wusste, in ganz Europa arbeiten derzeit Kollegen an einem Strang, und dieses Gemeinschaftsgefühl ist schon sehr befrieden.

Oliver Huth/ LKA NRW Gangsterjagd - Polizei im Kampf gegen die Mafia

SK

Jetzt mal ganz konkret. Operation Eureka was ist jetzt eigentlich da passiert? Welche Resultate hat die gebracht?

AH

Zwei Polizeibeamte stehen in einem Restaurant in der Innenstadt von Erfurt
Bildrechte: MDR/ Axel Hemmerling

Also ganz einfach: Es war wirklich einer der größten Schläge. Nicht nur von der Zahl der Verhafteten. Es gab 132 Festnahmen weltweit, 26 deutsche Haftbefehle sind umgesetzt worden. Und auch, wenn man drauf blickt, mit welcher Intention und mit welchem Aufwand die Polizeien gegen die 'Ndrangheta vorgegangen ist. Es gab Razzien in Italien, in Portugal, in Belgien, in Frankreich, in Slowenien, in Rumänien, selbst in Brasilien, Argentinien, Panama und Australien. Das heißt, es wurde dann von Düsseldorf aus eine weltweite Operation koordiniert. Zusammen mit den kalabrischen Staatsanwaltschaften und Europol, also der europäischen Polizeibehörde und Eurojust. Und es wurde zeitgleich - nach deutscher Zeit 4 Uhr - zugeschlagen.

SK

Und habe ich das richtig verstanden, dass es eine wichtige Rolle auch für den Ermittlungserfolg gespielt hat., dass die Mafiosi ihre Kommunikationsmittel geändert haben, dass sie auf die zunächst möglichst sicheren Krypto-Handys umgestiegen sind?

AH:

Italienische Polizisten stehen neben einem Polizeiauto am Ortseingang von San Luca.
Operation Eureka in San Luca /Italien Bildrechte: FAZ/David Klaubert

Völlig richtig. Erstaunlicherweise muss man sagen, weil die 'Ndrangheta ja eigentlich eher sich vor der Technik immer gescheut hat. Also die alten Mafiabosse haben lieber geredet. Man hat sich getroffen. Zum Beispiel in einem Kloster, Dipolsi zum Beispiel und hat da seine Strategie besprochen. Es wurden lieber Hunderte Kilometer gefahren, um sich direkt in einem Hinterhof oder in einem Hinterraum einer Gaststätte zu treffen, um das zu besprechen. Und vermutlich dann bei Corona - da war natürlich auch die Reisefähigkeit eingeschränkt. Und wir müssen uns nichts vormachen, alles läuft über ein Handy und natürlich auch kriminelle Geschäfte laufen über Handys. Und da hat man sich dann eben auf diese sogenannten Krypto-Handys gestürzt, die für viel Geld gemietet oder geleast werden können. Weil man schlicht dachte, die sind abhörsicher, da können wir frei weg von der Leber reden. Das haben ja nicht nur die 'Ndrangheta gemacht, sondern eigentlich alle anderen, die in irgendeiner Form der Kriminalität unterwegs waren. Die haben dann völlig frei Fotos verschickt von ihren Drogen, Fotos verschickt, von ihren Foltereien oder Videos, verschickt von irgendwelchen Folter-Containern in Belgien. Da haben die überhaupt kein Blatt vor den Mund genommen. Und das war natürlich Gold wert für die Ermittler, als das dann geknackt worden ist, sei es SkyECC, sei es EncroChat oder sei es Anom.

SK

Und das erklärt ja im Film Jean Philippe Le Couffer von Europol ziemlich gut, was dadurch möglich wurde durch das Knacken dieser Krypto-Handys.

Warum? Um es einfach auszudrücken wenn man in der Vergangenheit Nachforschungen angestellt hat, hat man es meistens von der Unteren bis zur oberen Ebene untersucht. Man hatte also die kleinen Fische, ohne sie verknüpfen zu können. Dann hat man versucht, vom kleinen Fisch zum mittleren Fisch und zum großen Fisch zu gelangen. Es handelt sich also um einen Bottom-up-Ansatz. Mit den Daten aus den großen entschlüsselten Kommunikationsnetzwerken sehen wir jetzt das Bild von oben. Es ist ein top- down-Ansatz. Man hat den ganz Großen und sieht, mit wem er in Beziehung steht, sodass es viel einfacher ist zu verstehen, wie sie funktionieren.

Jean Philippe Le Couffer / Europol Gangsterjagd - Polizei im Kampf gegen die Mafia

SK

Jetzt hast du ja schon gesagt, es sind immer mal wieder Leute auch verhaftet worden. Es gibt ein Prozess am Oberlandesgericht in Düsseldorf. Man fragt sich ja schon was passiert jetzt eigentlich mit den mit den Verhafteten? Unter welcher Straftaten werden die überhaupt angeklagt? Also was es überhaupt möglich bei kriminelle Vereinigung haben wir ja auch schon gehört, ist nicht so einfach möglich.

AH

Genau. Also in der Regel ist es so: In der deutschen Rechtssprechung wird von der Prozeßökonomie her betrachtet. Also sprich, es muss sich lohnen. Daher ist es halt immer so, dass man sich natürlich vorrangig auf die Drogen, Drogenvorwürfe, Geldwäsche oder Steuerhinterziehung bezieht. In Deutschland ist es ganz oft Steuerhinterziehung, die ja immer die Geldwäsche flankiert. Und aus diesem Grund ist ja auch Pollino, was ich vorhin schon mal angefügt hatte, so wichtig, weil es hier tatsächlich um die Gesamtheit geht. Und das ist ja auch das, was Eureka versucht gerichtsfest zu machen. Dass man sagt, okay, da gibt's halt Clans, die ganz oben stehen, die das in irgendeiner Form koordinieren diesen Drogenhandel und über die Bühne bringen, zusammen mit irgendwelchen südamerikanischen Kartellen. Und diese Gesamtheit, dieser Blick von obendrauf, das will Eureka erreichen. Da ist ja auch Pollino die Blaupause dazu. Was auch die Anwälte (der Mafia) zum Stöhnen bringt. „Ihr mit eurer Mafia und Co AG“ so eine Schlagzeile zu diesem Pollino Prozess. Da raube nur Zeit, da sitzen dann Leute da, die halt nur „Kurierfahrer“ waren. Lasst uns die verurteilen und gut ist. Da sind die Strafen schon hoch genug. Und da sagt die Staatsanwaltschaft Duisburg, Nein, es geht um mehr. Es geht nämlich um das Gesamtkonzept. Es geht um das gesamte große Netzwerk, und das wollen wir sozusagen vor Gericht ziehen. Dass es keine einzelnen Fälle sind oder Kleinstgruppen, die da irgendwie im Kokainhandel unterwegs sind. Um diesen Austausch auch noch einmal zu belegen. Diese Krypto-Handys... das war der wunderbare Fall in Erfurt. Er gegen den Wirt der jetzt während Eureka verhaftet wurde, gab es immer wieder Verdachtsfälle. Mal wurde wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Da hat er seine Strafen auch bezahlt. Denn Geld spielt keine Rolle, das darf man nicht vergessen. Und die Geschäfte laufen trotzdem weiter so. Und dem wird jetzt vorgeworfen, Kokain organisiert zu haben. Da wurde extra einer seiner Freunde aus München beauftragt, mit einem Krypto-Handy nach Erfurt zu fahren, weil er selber keins hatte. Und über dieses Krypto-Handy sollte er einen Verwandten in Australien überzeugen, einen Kokain-Deal durchzuführen. Das hat der am Ende nicht gemacht. Und das hat er frei von der Leber in SkyECC abgesprochen, so der Vorwurf der Ermittler. Und da sieht man in, welche Dimension das hat. Und aus diesem Grund geht es darum zu sagen, das ist jetzt nicht nur ein einzelner, der angeblich irgendwie Kokain gemanagt haben soll, sondern er ist Bestandteil des großen Netzwerkes 'Ndrangheta. In dem Fall der Clans aus San Luca.

SK

Und dieses "Dilemma" beschreibt ja auch Oliver Huth ganz gut von Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen.

Und mit diesem Phänomen Erkenntnissen und der Überschrift drangheta gefällt es den deutschen Strafverfolgungsbehörden nach nunmehr leichter, die Dinge auch beim Namen zu nennen das einzige, was wir brauchen. Wir brauchen eine justizielle Entscheidung, dass es die drangheta gibt. Da gibt es bis jetzt ein Urteil vom Amtsgericht Konstanz über 34 Seiten. Da ist also noch viel zu tun, dass die Justiz dieses Wort auch im Mund nimmt und in der Lage ist und in die Lage versetzt wird. Dran geht er auch zu verurteilen, wenn Strafverfolgungsbehörden diesen Verdacht

Oliver Huth / LKA NRW Gangsterjagd - Polizei im Kampf gegen die Mafia

AH

Und daran sieht man, wie lange es gedauert hat, bis die 'Ndrangheta sozusagen in der deutschen Justiz angekommen ist. Über 60 Jahre, wenn man bedenkt, dass die 'Ndrangheta in den 1960er 70er-Jahren hier zum ersten Mal gesehen wurde.

ASK

In eurem Film ist auch davon die Rede, dass die Mafia, die 'Ndrangheta nicht mehr nur mit ihren eigenen Familienmitgliedern zusammen arbeitet. Wir hatten ja am Anfang das Beispiel des Strohmanns, der zwar aus Italien war, aber eben nicht aus San Luca. Aber zum Beispiel bei einer Operation wurde auch deutlich, es gibt chinesische Gruppen, mit denen sie zusammenarbeiten. Es gab den Fall eines Diplomaten aus Guinea-Bissau. Macht es das nochmal schwieriger also, wenn sozusagen dann auch noch die Netzwerke richtig international sind?

AH

Ja auf alle Fälle, wobei man dann auch sagen muss es macht die 'Ndrangheta natürlich auch anfälliger. Ja, also die 'Ndrangheta hatte ja bisher immer davon profitiert, dass sie immer in der Familie blieb. Also die Sachen wurden in der Familie gelöst, organisiert, koordiniert. Jetzt sind sie natürlich im vor allem im Ausland, auch auf die Hilfe anderer Grupen, vor allem Albaner, angewiesen. Weil sie es alleine nicht schaffen, weil sie in der Regel auch die die Sprache nicht können. Das macht die 'Ndrangheta angreifbarer. Aber sie kann sich natürlich auch auf verlässliche „Partner“ verlassen, wie zum Beispiel die Chinesen. Chinesische Netzwerke, die mutmaßliche das Geld transferieren, aber wie gesagt, noch mal ausdrücklich. Es macht die Organisation anfälliger. Natürlich, weil nicht alle so abgeschirmt agieren wie die 'Ndrangheta

SK

Ihr seid für den Film auch beim Infotag gegen die Mafia gewesen? Da hab ich mich gefragt: Gibt es denn einen Aufklärungsbedarf in der deutschen Bevölkerung? Welche Rolle spielen da Filme wie die Sopranos oder der Pate, wo auch suggeriert wird, Mafia ist eben auch was Cooles. Inwieweit ist es denn das ein Problem für die Wahrnehmung in der deutschen Gesellschaft?

AH :

Du hast den „Paten“ angespörochen. Der Film, so toll wie er ist, er ist natürlich ein Bärendienst gewesen für die Ermittlungen oder für das Erkennen der 'Ndrangheta oder der Mafia. Es ist Folklore, duinkle Räume, raunende Stimme und Pferdekopf im Bett - das ist natürlich Unsinn. Das ist Hollywood, das hat nichts mit der Realität zu tun. Und das ist eben auch ein riesengroßes Problem, das gerade in der deutschen Bevölkerung das Problem 'Ndrangheta/Mafia nicht erkannt wird. Das Gefühl, dass es da irgendwas gibt, das gibt es, das existiert in Erfurt. „Wir gehen jetzt mal zur Mafia essen“. Hu ja, das hört man hier als Spaß, als Witz ständig. Aber es tut den Deutschen erstmal nicht weh. Die Italiener sind freundlich, da kriegt man immer einen Platz. Man kriegt, wenn man sage, jetzt mal einer bestimmten Hierarchie nach oben gestiegen ist oder beziehungsweise für die Mafia relevant ist halt auch mal einen Grappa geschenkt oder einen Cappuccino. Und es ist echt schwierig dagegen anzukämpfen. Weil uns natürlich auch die Hände gebunden sind. Wir können nicht sagen Leute, dieses und jenes Restaurant steht bei den Sicherheitsbehörden unter Mafia-Verdacht. Da kämen sofort die betroffenen italienischen Gastwirte und klagen. Mit Erfolg klagen die, die sagen ja, was ist denn das Problem? Mafia, was soll das sein? Kennen wir nicht! Mafia-Zugehörigkeit ist ja auch nicht verboten. Was wollt ihr eigentlich lieber Mitteldeutscher Rundfunk oder liebe Frankfurter Allgemeine Zeitung? Ja und Geldwäsche. Ja, das war halt meine Steuerhinterziehung, die haben wir abgegolten. Das hat aber nichts in der Öffentlichkeit zu suchen. Da greift dann auch wieder das Steuergeheimnis. Und man muss halt eben immer wieder solche Filme auflegen und sagen, Leute denkt darüber nach, die Mafia, das ist kein Spaß. Auch wenn das jetzt erst mal nur in Anführungsstriche Geldwäsche ist, das ist Geld, was mit Drogenhandel verdient worden ist. Das heißt mit dem Leid anderer, mit der Sucht anderer und das weltweit. Und das eben auch jede gekaufte Pizza und jeder Restaurantbesuch dazu beiträgt dieses Renommee das ist doch nur der nette Italiener von nebenan, damit natürlich befeuert wird. Und das muss ins Bewusstsein, Es sind nicht alle Italiener in Erfurt Mafiosi oder 'Ndraghettistis. Aber es gibt welche, wo auch die italienischen Behörden einen ganz klaren Verdacht haben. Da müssen wir nicht nur nach Erfurt gucken. Da kann man genauso gut nach Duisburg gucken. Da kann man nach Kassel gucken, da kann man nach München gucken, da kann man nach Leipzig oder nach Dresden gucken.

SK

Leipzig und Dresden - ich kann mich erinnern, als ich mit Ludwig Kendzia über den Filmen „Mafia-Kolonie Ostdeutschland“ gesprochen habe, den ihr zusammen gemacht habt mit Margherita Bettoni. Da ging es eben auch darum, dass es ja noch andere Bundesländer im Osten Deutschlands gibt - zum Beispiel eben Sachsen. Er hatte dort angefragt. Undf damals war Ludwig salopp gesagt, ein bisschen sauer, weil da einfach nichts zurückgekommen ist. Das ist ja jetzt schon über zweieinhalb Jahre her. Hat sich da etwas geändert? Axel

AH

Man muss jetzt frech sagen Nein. Also das ist auch das, was, was uns immer wieder unterkommt, wenn wir mit den Landeskriminalämtern reden, die wir ja auch grundsätzlich immer anfragen. Und auch auch hier. Zur aktuellen Reportage haben wir wieder in Leipzig angefragt. Es gibt immer den Verweis, fragt Thüringen, das ist ein Ding aus Thüringen, oder das ist ein Ding aus Nordrhein-Westfalen. Und Punkt. Also Hintergrundgespräche zur italienischen OK, also zur italienischen organisierten Kriminalität, gibt es gar nicht. Und das macht es natürlich uns auch immer sehr schwer, weil wir dann immer den Umweg über die italienischen Sicherheitsbehörden gehen müssen, die da deutlich offener sind, weil sie auch gelernt haben wir müssen über die Mafia reden, und da braucht es halt eine Öffentlichkeit. Dazu braucht es auch entsprechende Medienhäuser. Wenn wir die Mafia besiegen wollen, müssen wir über die Mafia reden. So einfach ist es das. Das mag die Mafia nicht. Gerade die 'Ndrangheta möchte im Verborgenen arbeiten. Die braucht keine Öffentlichkeit.

SK

Jetzt gehört es ja zu journalistischen Grundsätzen, auch immer die andere Seite zu fragen. Also in dem Falle wären das ja zum Beispiel Restaurants, wo man denkt, die könnten zur Mafia gehören. Ist euch das gelungen? Habt ihr da überhaupt Ansprechpartner?

AH

Das ist einer unserer Grundsätze, egal, ob das italienische organisierte Kriminalität ist oder ob das andere mutmaßliche kriminelle Netzwerke wie zum Beispiel die Armenier sind. Bei uns werden alle angefragt, alle. Es ist nicht so, dass die irgendwie geheim irgendwo agieren. Die Restaurants findet man überall im Netz, auch mit Kontaktadressen. Wir haben uns die Mühe gemacht, die Anwälte herauszubekommen, die jetzt zum Beispiel im Verfahren Eureka eine Rolle spielen. Die haben wir alle angefragt, auch den Anwalt zum Beispiel des Wirtes. Der hatte aber gesagt ja, liebe Leute, es ist im Januar noch mal Haft-Prüfung. Mein Mandant sagt natürlich, das stimme alles nicht. Und ansonsten er wird ja auch nur beschuldigt, einen Kokain-Deal angeblich organisiert zu haben oder damit drinzustecken. Aber er wurde nicht angeklagt wegen Mitgliedschaft in der 'Ndrangheta. Solche Feinheiten werden auch von uns natürlich entsprechend gespiegelt. Aber ansonsten kommt wenig. Oder die Drohung ihr dürft das nicht senden. Ich verbiete Ihnen jegliche Sendung oder jegliche Veröffentlichung zu meinen Mandanten oder zu einem Hausverkauf zum Beispiel oder zu einer Geldwäsche-Ermittlung. Sonst werden wir sie anzeigen. Diese Drohung gibt es immer. Damit müssen wir leben. Und es ist ja bisher auch wirklich tatsächlich nur einmal passiert. Und da sind wir immer noch beim Bundesgerichtshof.

SK

Ihr hab 2021 den Film "Mafia-Kolonie Ostdeutschland" veröffentlicht. Ihr habt aber auch immer wieder berichtet, habt jetzt den den Film "Gangsterjagd - Polizei im Kampf gegen die Mafia" veröffentlicht. Gibt es da irgendwie mal ein Feedback von Betroffenen, also von der Mafia, von Vertretern der Mafia? Oder Drohungen gegen euch?

AH

Nein, bisher gar nicht. Als wie gesagt, wie die. Die 'Ndrangheta geht vor allem juristisch gegen solche Berichtserstattung vor. Das ist jetzt toitoitoi auf Holz geklopft, bisher zum aktuellen Film noch nicht passiert. Aber wie gesagt, in der Regel sind sie sehr klagefreudig, weil auch Geld keine Rolle spielt, schlicht und ergreifend. Da kann man sich halt einen Anwalt leisten. Und da kann man sich auch in der Regel ein mehrjähriges Verfahren durch die Instanzen leisten. Wir müssen uns das leisten. Und das ist auch ein ganz, ganz großes Dankeschön auch an unsere juristische Direktion, die uns da immer unterstützt war. Anders funktioniert es nicht. Ja, und das ist natürlich auch ein riesengroßer Vorteil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, muss man auch mal sagen, wo dann eben viele Lokalzeitung einfach die Kraft nicht mehr haben, die Power nicht mehr haben wir das echt schwierig ist. Und darum freuen wir uns auch über jede Kooperation. Die wird dort dahingehend in der Berichterstattung schmieden können, weil es ganz, ganz wichtiges eben darüber zu reden. Aber wie gesagt, direkte Drohung gab es vonseiten der Italiener noch nie. Außer den Anzeigen. Oder der Aufforderung auf Unterlassung ja, aber bisher noch nicht.

SK

Euer Film endet – ich zitiere einfach mal - endet mit den Worten: "Trotz großer Polizeioperationen, trotz aller Erfolge. Die 'Ndrangheta ist noch längst nicht besiegt. Noch immer machen es ihr vor allem die deutschen Gesetze leicht. Der Kampf gegen die Mafia hat gerade erst begonnen." Deshalb gehe ich mal davon aus, Axel wir hören uns dann zu gegebener Zeit, wieder?

AH

Auf alle Fälle! Ich bin felsenfest davon überzeugt. Ich danke dir für das Gespräch. Axel Dankeschön,

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