MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (FOLGE 52) Podcast-Transkript: Der Einfluss russischer Staatspropaganda in Deutschland

Audiotranskiption

20. Mai 2022, 13:16 Uhr

Narrative von "ukrainischen Nazis und Faschisten" haben auch ihren Weg nach Deutschland gefunden. Die russische Staatspropaganda nutzt längst deutsche Kanäle – zu lange wurde das nicht bemerkt oder ignoriert.
Gäste: Sabine Cygan und Knud Vetten
Moderation: Secilia Kloppmann

Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "MDR Investigativ - Hinter der Recherche". In diesem Podcast sprechen wir mit Journalistinnen und Journalisten über ihre Recherchen. Es geht um das Thema, und wie die Reporter und Reporterinnen zum Beispiel Protagonisten gefunden haben, sowie um persönliche Eindrücke und Erlebnisse während der Dreharbeiten und der Arbeit an ihrem Bericht.

In dieser Folge geht es um pro-russische Demonstrationen, um die Propagandamaschinerie dahinter und um die Debatte um sowjetische Ehrenmale ich bin Secilia Kloppmann. Ich arbeite für die Politischen Magazine des Mitteldeutschen Rundfunks. Schön, dass Sie wieder zuhören.

"Alle Nazis außer Russland", so könnte man die derzeitigen Reden Wladimir Putins auf den Punkt bringen - allen voran die Ukraine, Deutschland aber zum Beispiel auch Schweden, weil es in die Nato will. Die Begriffe Nazi und Faschismus triggern offenbar gerade bei der russischen Bevölkerung, die unter den deutschen Nazis und Faschismus ganz besonders gelitten hat und die jahrzehntelang den Mythos und Status des heroischem Befreiers gepflegt hat ganz besonders. Über Jahre wurden Begriffe wie Faschisten und Nazis lanciert. Mittlerweile werden sie inflationär verwendet. Auch die deutsch-russische Influencerin Alina Lipp übernimmt sie.

O-TON Alina Lipp

Ich glaube Russland hat zum Ziel , die Ukraine zu demilitarisieren und zu entnazifizieren. Also diese Illegale nationalsozialistische Regierung aus Kiew abzusetzen. Und denen die Waffen wegzunehmen. Platt gesagt. Und danach eine Wahl zu machen, wo ein legitim gewählter Präsident an die Macht kommt. Ich glaube nicht, dass Russland vor hat , die Ukraine zu schlucken. Oder sowas.

Alina Lipp, Infuencerin MDR exakt

Secilia Kloppmann (SK)

Sabine Cygan und Knud Vetten haben für ihren Beitrag im MDR Nachrichtenmagazin exakt vom 11. Mai unter anderem mit Alina Lipp gesprochen und umfangreich dazu recherchiert, dass es kein Zufall ist, dass Menschen in Russland, aber auch hier in Deutschland die Begrifflichkeiten aus dem Kreml übernehmen. Und das es auch hierzulande Unterstützer der russischen Propaganda gibt. Ich freue mich, dass ihr zu Gast Zeit in unserem Podcast, hallo Sabine, hallo Knud!

SK

Nur zur Info. Wir haben später noch ein Gespräch mit dem Kollegen Tom Fugmann zum Thema Ehrenmale. Aber wir fangen erst einmal an mit dem Thema Propaganda. Und da ist ja wohl ganze Arbeit geleistet worden, wenn man sich so anhört, was Demonstranten zum Beispiel in Dresden am 30. April in die Kamera gesagt haben.

"Und genau das habt ihr in Ukrainer gemacht, Nationalisten gezüchtet! Und jetzt gibt es einen Krieg, und das ist auch zu 80 Prozent Schuld von Journalisten" - "Also unter einem Krieg Russlands gegen die Ukraine würde ich mir etwas anderes vorstellen. Es ist ein Low Budget Unternehmen, wo die Russen ihren Militärschrott entsorgen und der Westen sein Militärschrott entsorgt. Und äh, also ein Krieg im klassischen Sinn ... Also, ich denke schon, dass Russland mit angezogener Hand Bremse interveniert." - "Wir wollen keinen Krieg! Sie glauben, dass Leute den Krieg wollen? Die Amerikaner."

Demonstranten, pro russsiche Demonstration in Drsden am 30. April 2022 MDR exakt

SK

Es sind also die Amerikaner, die den Krieg wollen. Russland interveniert nur ein bisschen, und wir Journalisten sind schuld, weil wir in der Ukraine so wörtlich Nationalisten gezüchtet haben. Knud, du warst als Reporter da vor Ort, dir haben das die Leute in die Kamera gesagt. Erzähl doch mal, wie war überhaupt da? Die Stimmung auf dieser Demonstration? Was war da los? Wie muss man sich das vorstellen?

Knud Vetten (KV)

Also die Stimmung war freundlich. Es wurden Lieder gespielt zwischen den Reden, es wurde auch getanzt. Es gab Leute, die hatten blaue Luftballons mit Friedenstauben. Von außen war das alles sehr, sehr friedlich. Wenn man dann aber die Gespräche sieht, und unsere Dreharbeiten sieht, dann zeichnet sich schon ein anderes Bild ab. Wir sind von Anfang an von Leuten, ich muss sagen verfolgt worden, wir sind gedreht worden, gestreamt worden. Es gab immer irgendwelche Kameras, die uns quasi festgehalten haben, was wir machen und was wir reden. Zum Schluss hat sich es bei bestimmten Leuten auch herauskristallisiert, wer sie sind. Das sind keine unbeschriebenen Blätter, sag ich mal. Ich habe ungefähr ein halbes Dutzend Leute angesprochen, davon sind drei tatsächlich im Film gelandet, und die drei anderen Gesprächspartner haben ähnliches Zeug geredet. Man kann es nicht anders sagen. Es ist teilweise völlig unnachvollziehbar, wie man behaupten kann, dass die Journalisten auch wir zu 80 Prozent Schuld haben könnten an diesem Krieg.

SK

Du hast gesagt, da gab es auch Redner. Wer ist da aufgetreten? Zum Beispiel?

KV

Wer mir tatsächlich aufgefallen ist, und er hat auch eine Rede gehalten halten, das ist Sergej Filbert gewesen. Der ist auffällig durch Druschba FM, das war ein Kanal, der schon vor Jahren Falschinformationen verbreitet hat. Dann ist er auf die Corona-Szene aufgesprungen, hat die Corona-Leugner im Prinzip übersetzt wie zum Beispiel Ken Jebsen. Und jetzt ist er sehr stark im Ukraine-Krieg engagiert und meint tatsächlich, dass das, was die russische Armee hier gerade macht, eine Befreiung sei.

SK

Bei solchen Demonstrationen sind ja auch immer viele Leute da, die einfach nur da sind. Hast du ergründen können, was ganz normale Menschen dazu treibt, auf so eine Demonstration zu gehen und sich mit einem Land wie Russland zu solidarisieren, was ein anderes Land gerade in Grund und Asche bombt?

KV

Ganz ehrlich gesagt, ich habe natürlich am Anfang versucht, als neutraler Reporter mir ein Bild von den Leuten zu machen. Von außen sah das wirklich sehr, sehr bunt aus und gar nicht unfreundlich. Aber die Gespräche haben mich dann doch sehr schockiert. Denn diese Erzählungen waren pure Propaganda. Das war eigentlich alles aus meiner Sicht nicht richtig, was mir dort gesagt worden ist. Wenn man es positiv wenden will, dann waren dort russlandfreundliche Menschen versammelt. Ich glaube, das ist der gemeinsame Nenner. Was da hinter aber gedacht wurde, ist einfach schockierend.

SK

Starke Propaganda. Sabine, das ist das Stichwort. Du hast dich ja schon lange beschäftigt und recherchiert zu diesem Thema der russischen Propaganda.Und vermutlich im Gegensatz zu vielen Leuten, die sich darüber wundern, so wie ich zum Beispiel, wirst du dich wahrscheinlich aufgrund einer Recherchen darüber gar nicht so wundern über diese Demonstration oder Meinungen. Oder?

Sabine Cygan (SC)

Man wundert sich dann trotzdem noch über das, was dann die Leute auch tatsächlich in die Kamera sagen. Ich habe mich ja vor allem in vielen Telegram Kanälen herumgetrieben und habe dort mitgelesen. Ich war viel in Gruppen unterwegs, in Querdenker-Gruppen, in Gruppen, die eben diese Montagsspaziergängen anführen, organisiert haben und habe dann mitbekommen, wie immer mehr seit Ausbruch des Krieges, dann auch tatsächlich dieser Konflikt zum Thema wurde und auch darüber Verschwörungstheorien verbreitet wurden. Und ich habe dann auch geguckt, von welchen Kanälen kommen diese. Weil das ist nicht originär der Inhalt von diesen Personen, sondern das sind dann auch hauptsächlich Weiterleitungen aus anderen Kanälen. Und das fand ich schon beachtlich, wie das dann auch zugenommen hat, die Stimmung in diesen Gruppen.

SK

Kann man denn sagen, woher das eigentlich kommt, dieser quasi Schulterschluss zwischen Querdenkern, Reichsbürgern ausgerechnet mit Russland, woher diese Sympathien kommen?

SC

Also es gibt eine ganz aktuelle repräsentative Befragung von CeMAS, einem Institut aus Berlin, die interdisziplinär auch zu Verschwörungstheorien forschen. Und die haben herausgefunden, dass zum Beispiel Menschen, die nicht geimpft sind, besonders zum Beispiel diesen Verschwörungstheorien zu Russland zustimmen. Aber auch Menschen mit sehr hoher Protestbereitschaft oder auch Menschen, die sich zum Beispiel vor allem in sozialen Medien und hier vor allem auf Telegram informieren. Und auch Anhänger der AfD sind besonders geneigt, diesen Verschwörungstheorien über den Angriffskrieg auf die Ukraine zu glauben. Tatsächlich so, wie meine Recherche das auch ergeben hat. Und natürlich, das belegen auch andere Forschungen, das vor allem diese Zweifel an den sogenannten Mainstream-Medien und diese Bereitschaft, sich bei anderen zu informieren, dass das eben dazu auch beiträgt, dass man diesen Verschwörungstheorien glaubt. Und da spielt eben auch RT, also das russische Auslandsmedium, eine ganz große Rolle. Weil schon seit 2014 dieses Medium sich gezielt auf bestimmte Gruppen in der deutschen Gesellschaft quasi gestürzt hat und dort zu einem relativ glaubwürdigen Medium geworden ist. Und RT ist natürlich ein großer Verbreiter von Verschwörungstheorien oder beziehungsweise von russischer Propaganda. Und dieser Informationskanal wird auch sehr, sehr häufig gelesen und geteilt.

SK

Da kommen wir später noch mal drauf zurück, auf RT Deutsch.. Diese Begriffe "Nazis", "Faschisten", "Faschismus", "Faschistisches Regime" - das sind ja Begriffe, die vor allem auch in Russland verknüpft sind mit der deutschen Geschichte, mit dem Hitlerfaschismus. Jetzt werden die verstärkt angewandt für den politischen Gegner – in dem Falle, die Ukraine. Gab es da eigentlich einen Zeitpunkt, wo man angefangen hjat, diese Begrifflichkeiten zu etablieren, Sabine?

SC

Also gerade was jetzt diese bestimmten Narrative, die jetzt auch verstärkt verwendet werden, angeht, da kann man wirklich sagen, dass es schon langfristig vorbereitet worden ist. Dass die schon seit 2014 immer mal wieder verwendet wurden. Und das das ist nicht von ungefähr kommt, dass man halt jetzt auch schon bestimmte Teile der Gesellschaft mit diesen Narrativen überzeugt hat und die auch glaubwürdig erscheinen.

SK

Was noch ein anderer Kanal ist, für die Einspeisung von Propaganda, sind einzelne Menschen - in dem Falle so etwas wie Influencer. Euch ist es auch gelungen, mit jemandem zu sprechen. Wir haben das am Anfang vom Podcast auch schon gehört, dass ist eine junge Frau, die heißt Alina Lipp. Influencerin ist immer so ein komisches Wort. Würdet ihr die überhaupt als solche bezeichnen?

SC

Also ich würde die schon als Influencerin bezeichnen, nicht als Journalistin, wie sie es selber tut ...

SK

Stimmt. Sie bezeichnet sich selbst als "Friedensjournalistin" Wir hören sie uns auch gleich noch mal an, ein paar Zitate aus dem Interview, was ihr mit ihr geführt habt. Wollen wir erst mal kurz klären, wie alt ist die? Wo kommt die her? Und was hat die für eine Laufbahn hinter sich?

KV

Also nach dem was wir wissen, ist sie 28, kommt aus Norddeutschland, hat einen russischen Vater und eine deutsche Mutter. Sie ist zu ihrem Vater gereist, auf die Krim, hat dann einen harmlosen Kanal geöffnet, über die Krim, wie Leute feiern, wie es dort aussieht, wenn sie irgendwo ins Museum geht. All das kann man da noch finden. Und dann ist sie wohl in die umstrittenen und heute umkämpften Gebiete gereist und hat dort die aus ihrer Sicht große Ungerechtigkeit gefunden, die der russischen Bevölkerung dort gerade passiert ist. Das hat sie dann eingeordnet in einem "in Deutschland werden hier völlig falsche Geschichten verbreitet. Das muss ich richtig stellen." und ist auf dem Trip, dass sie die Wahrheit jetzt verbreitet.

Ich glaube Russland hat zum Ziel , die Ukraine zu demilitarisieren und zu entnazifizieren. Also diese Illegale nationalsozialistische Regierung aus Kiew abzusetzen. Und denen die Waffen wegzunehmen. Platt gesagt. Und danach eine Wahl zu machen, wo ein legitim gewählter Präsident an die Macht kommt. Ich glaube nicht, dass Russland vor hat , die Ukraine zu schlucken. Oder sowas.

Alina Lipp, Influencerin MDR exakt, 11. Mai 2022

SK

Für mich klingt das eher eins zu eins nach Wladimir Putin... angesprochen auf die vielen zivilen Opfer, sagt Alina Lipp

Das ist so eine Taktik, die die Ukrainer verfolgen, sie gehen in die Wohnhäuser und schießen von dort aus, weil die Russen den Auftrag haben, keine Zivilisten umzubringen. Wenn Russland eben sicher ist, dass alle Menschen im Keller sind oder evakuiert wurden, dann schießen sie eben zurück.

Alina Lipp, Influencerin MDR exakt, 11. Mai 2022

SK

Ich habe auch jetzt, in den letzten Tagen, in Vorbereitung auf unser Gespräch, den Telegram-Kanal von ihr abonniert. Das zieht sich ja auch durch. Also vor allen Dingen diese Behauptung, dass es die ukrainischen Streitkräfte sind, die die eigenen Städte zerschießen und die eigene Bevölkerung töten. War die, als ihr mit ihr gesprochen habt, für euch authentisch? Also glaubt die das wirklich, was sie da sagt?

SC

Das würde ich schon sagen. Also sie macht das, was sie tut, denke ich, schon aus eigener Überzeugung. Aber sie bekommt die Informationen, die sie halt auch verbreitet, von ganz unterschiedlichen Quellen. Eine wichtige Sache ist eben, dass sie auch zu Pressereisen mitfährt, die das russische Verteidigungsministerium zum Beispiel organisiert. Auch schon vor dem Krieg war sie bei Konferenzen eingeladen, die auch vom Kreml organisiert waren. Und sie hat sich, als sie dann nach Donezk gezogen ist, denke ich auch, mit solchen Journalisten auch internationalen Journalisten bekannt gemacht, die eine spezielle Meinung haben, also eine sehr prorussische Meinung. Also, ich denke, man kann auch gut das Wort "Filterblase" verwenden. Das sie sich eben in dieser Filterblase befindet, sowohl online als auch offline. Und diese Informationen ungefragt verbreitet. Also das sieht man auch an der Menge der weitergeleiteten Informationen auf ihrem Kanal, dass sie nicht jede Informationen überhaupt checken kann, ob die überhaupt der Wahrheit entspricht. Und das zeigt für mich schon, dass sie diese eine Meinung hat, verfestigt hat, was man auch im Interview sehr gut auch gesehen hat. Ich würde sie jetzt nicht als unauthentisch da bezeichnen. Die ist da sehr überzeugt und hinterfragt sehr wenig.

SK

Was sie da zum Beispiel auch geteilt hat oder weitergeleitet hat auf ihrem Kanal, war zum Beispiel was von den Freien Sachsen. Das ist eine Kleinstpartei in Sachsen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird, also sie checkt da nicht so viel ...

SC

… Entschuldige Secilia, ich denke mal schon, dass ihr das bewusst ist. Sie hat das auch zu uns gesagt. Weil wir sie auch darauf angesprochen haben, was sie davon hält, dass eben auch Rechtsextreme sie teilen. Aber das ist ihr, sagt sie, das ist ihr egal. Also es habe jeder das Recht, ihre Inhalte zu teilen. Und deswegen gehe ich auch davon aus, dass es für sie, wenn der Inhalt in ihr Weltbild passt, dass sie den dann auch einfach übernimmt.

SK

Man fragt sich ja schon so ein bisschen, was qualifiziert die eigentlich... Knud, du bist ein langjähriger, sehr gestandener Journalist. Wenn du dann mit so jemandem sprichst, der behauptet von sich, er sei "Friedensjournalistin", wie fühlt sich das an?

KV:

Für mich war im Prinzip ihre Erklärung, wie sie dazu gekommen ist, was sie macht, Augen öffnend. Ich sage es mit meinen Worten, aber es ist der Inhalt des Interviews auf die Frage hin, wie sie eigentlich dazu gekommen sei: Ja, sie sei dann mal losgelaufen mit ihrem Handy und hätte das gefilmt und hätte das dann quasi verbreitet. Sie hat keinerlei - aus unserer Kenntnis - Ausbildung. Sie hat einfach angefangen, das, was viele Leute inzwischen machen, mit Dingen über Banalitäten. Aber bei ihr mündet es eben in dem Krieg, und da ist quasi auch für mich die Bruchgrenze. Wenn ich als gestandener Journalist darüber gefragt werde, was man machen kann und was man nicht machen darf, dann hat Frau Lipp eindeutig diese rote Linie überschritten. Sie hat weder die Kompetenz, das zu machen, was sie macht. Noch hat sie irgendeine Objektivität, mit der sie dann die Informationen, die sie verbreitet, noch mal abgleicht oder Relativierungen einbringt. Es ist alles eine Linie. Und in dieser Linie findet die Realität eigentlich nicht mehr statt.

SK

In ihrem Kanal kann man das auch sehen, dass da viele Nachrichten geteilt werden, von RT, vom früheren Russia Today. RT Deutsch zum Beispiel, ist auch die zweithäufigste Nachrichtenquelle, die in Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremisten auf Telegram und Facebook geteilt wird, hast du mir gesagt, Sabine. RT Deutsch ist ein russischer Staatssender, darf eigentlich gar nicht mehr senden, weil die nämlich keine Lizenz haben. Die finden aber immer noch Wege, ihre Nachrichten zu verbreiten, online zum Beispiel. In dem Beitrag, den ihr für MDR exakt gemacht habt, da habt ihr auch mit einer Frau gesprochen, die als freie Autorin für RT Deutsch schreibt. Die heißt Susan Bonath. Das Interessante ist, die kommt, wenn man das jetzt mal so kategorisieren will, nicht aus der rechten Ecke, sondern sie kommt aus der ganz ganz linken Ecke, ist nämlich eine überzeugte Marxistin und in dem Interview mit euch, da weißt sie auch zurück, dass es überhaupt um Propaganda geht.

Worauf beruht denn die Gewissheit, dass jetzt das russische Staat Fernsehen, also der deutsche Ableger vom russischen Staatsfernsehen, hier eine ganz andere Gesellschaft aus uns machen will? Also ich gehe erst einmal davon aus, dass das Interesse von Russland ist. Das, dass die Wirtschaft also Handel betreiben mit Europa und dass sie einfach in Frieden gelassen werden.

Susan Bonath, schreibt für RT deutsch MDR exakt, 11. Mai 2022

SK

Wenn man da jetzt mal auf das, was sie gesagt hat und man guckt auf die Fakten, dann klingt das ganz schön absurd. Was treibt Susan Bonath an, Knud?

KV

Bei Susan Bonath sollte man ein bisschen in die Biografie der Dame schauen. Es ist auffällig, dass sie eine starke Gegnerin von Hartz IV ist, und zwar aus sozialen Erwägungen und hat sich massiv dagegen ausgesprochen. War selber auch eine zeitlang Betroffene und hat daraus ihr soziales Engagement abgeleitet. Als Corona kam, hat sie sich sehr kritisch mit den Maßnahmen auseinandergesetzt und der Ukraine-Krieg ist dann das dritte Thema, bei dem sie eine komplett andere Auffassung vertritt, als die sogenannten Mainstream-Medien

SK

"Mainstream-Medien" - auch hier wieder die Frage, warum hat die mit euch gesprochen? Was war die Motivation?

KV

Das ist tatsächlich etwas, was ein bisschen gedauert hat. Ich hatte sie angesprochen. Sie war sehr verwundert darüber, dass sich der MDR, ein ARD-Journalist für sie interessiert. Ich habe ihr auch im Prinzip geraten zu schauen, was für Beiträge ich mache, wenn sie eine Entscheidung treffen will, ob sie mit uns reden will oder nicht. Das hat sie offensichtlich gemacht. Und das hat sie dazu gebracht, ja zu sagen.

SC

Noch vielleicht eine kleine Ergänzung. Viele Personen, die für RT schreiben, geben sich Künstlernamen, also sind gar nicht mit ihrem echten Namen zu finden. Und andere sind auch sehr bedeckt, also man kommt auch ganz schwer an RT Journalisten ran. Und deswegen war das natürlich ein Pfund, das sich Susan Bonath uns überhaupt geöffnet hat. Sie hat aber auch schon vorher auf einer anderen alternativen Plattform einen Text veröffentlicht, in dem sie über ihre Arbeit bei RT schreibt. Also sie ist da anscheinend schon sehr offen und auch überzeugt von ihrem Arbeitgeber. Und das unterscheidet sie auch so ein bisschen von anderen RT- Journalisten, die nicht so offen damit umgehen.

SK

RT, RT Deutsch, so hat es die Chefredakteurin von RT, Margarita Simonjan selbst gesagt, sind eine wichtige Waffe im Informationskrieg. Worum es dabei geht, das hat im Beitrag die Politologin Susanne Spahn erklärt

Es gibt Zitate der Chefredakteurin Semonjan in Moskau und auch die Chefin hier in Berlin hat davon gesprochen dass RT eine Waffe im Informationskrieg ist. Und Simonjan hat auch ihre Strategie erklärt. In einem Interview mit einer russischen Zeitung. Das ist sehr aufschlussreich, weil sie da erklärt hat, was ihre Ziele sind. Und da sagte sie, dass es darauf ankommt im Ausland eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen zum Mainstream. Und insbes. Die unzufriedenen anzusprechen. Die Linken, die Rechten und andere Kämpfer gegen das System, wie sie sich auch ausgedrückt hat und die dann auch als Ressource im Informationskrieg zu nutzen.

Susanne Spahn, Politologin MDR exakt, 11. Mai 2022

SK

Margarita Simonjan, 2021
RT-Chefin Margarita Simonjan, 2021 Bildrechte: IMAGO / ITAR-TASS

Die Unzufriedenen ansprechen - das ist laut Margarita Simonjan, der Chefredakteurin von RT, das Ziel. Da geht es auch um Schwächung der westlichen Demokratien, um Unruhe, um Spaltung der Gesellschaft .... Ich sehe da zum Beispiel auch in Deutschland eine Partei, wo ich das Gefühl habe, der geht es genau darum, nämlich die AfD - gibt es diese Parallelen?

SC

Also diese Parallelen gibt es und einige der AfD-Politiker teilen ja auch im Moment prorussische Propaganda. Da hatten wir auch versucht, mit einem AfD Landtagsabgeordneten in Sachsen, mit Jörg Dornau, Kontakt aufzunehmen, aber leider ohne Erfolg.

SK:

Man kann nicht sagen komplett. Man muss es sicherlich auch der Ordnung halber sagen, Tino Chrupalla zum Beispiel, hat sich bei Ausbruch des Krieges ganz eindeutig dagegen positioniert. Aber Stichwort Jörg Dornau. Knud, der hat zum Beispiel von Alina Lipp was geteilt auf Facebook und hat dann drunter geschrieben. "Die Ukraine wird entnazifiziert." Also der hat auch diesen Begriff benutzt, der Entnazifizierung. Hast du raus gefunden, was ihn dazu getrieben hat?

KV

Nein, ganz ehrlich nicht, weil er wollte nicht mit uns reden. Er hat nicht reagiert auf Telefonate. Er hat nicht reagiert auf schriftliche Interviewanfragen. Wir sind dann zu einem Infostand, an dem er sowieso kommunalpolitisch vertreten war, gefahren. Und er wollte auch dort uns nicht erklären, warum er solche Sachen veröffentlicht. Er hat ja ganz eindeutig Alina Lipp zitiert, schaut euch das Video an. Frau Alina Lipp hat am 24., Februar, also am Tag, als der Einmarsch in die Ukraine begonnen hatte, ein Video aufgenommen, wo eindeutig von ihr gesagt worden ist, das jetzt quasi die nationalsozialistische Regierung der Ukraine gestürzt werden sollte. Das ist der Ziel dieses Krieges. In diesem Video hat sie am Anfang das Wort Krieg benutzt, das hat sie dann geändert. Das ist ein interessanter Aspekt. Sie ist tatsächlich eingestiegen mit dem Satz, jetzt ist der Krieg ausgebrochen. In den Folgewochen das, was ich von ihr gelesen habe, hat das Wort Krieg nicht mehr stattgefunden. Und das ist ja quasi auch die offizielle Diktion, die aus dem Kreml kommt. Also hat sie da auch im Prinzip das gemacht, was man ihr von oben sagt. Jetzt komme ich zur Herrn Dornau, der sieht dieses Video und teilt es auf Facebook und sagt seinen Leuten im Prinzip: Schaut euch dieses Video an, das ist die Wahrheit in der Ukraine. Und dann,setzt er noch einen drauf und setzt einen Post: "Jetzt wird die Ukraine entnazifiziert". Also auch er ist komplett auf der Kreml-Linie.

Ich würde zu der AfD ganz kurz eine Einordnung geben, weil ich glaube, dass die Linie der AfD im Prinzip folgendermaßen laufen könnte: Wenn wir die erste Reihe der Politiker der AfD sehen, dann ist heißt es häufig "völkerrechtswidriger Krieg" in der Einordnung. Dann kommt aber als einer der Folgesätze. Aber aber aber - also dann wird alles relativiert. Erst einmal wird der Krieg quasi von den führenden Leuten der AfD durchaus verurteilt. Danach wird aber alles mögliche getan, um diesen Krieg doch irgendwie durch die Hintertür zu rechtfertigen. Und in der zweiten Reihe, da sind die Leute, die den Krieg tatsächlich absolut verharmlosen, falsch darstellen und die Desinformation aus Moskau zu uns bringen.

SC

Um da nur noch einmal anzuschließen. Das zeigt auch die Befragung von CeMAS, das von den Befragten, die Verschwörungserzählungen über den Krieg glauben, sind 58,4 Prozent, AfD-Anhänger. Es sind auch 26 Prozent Anhänger der Linken. Aber bei den anderen Parteien, wird es dann schon dünn. Also man sieht eben diesen eklatanten Unterschied. Und dass vielleicht in der obersten Reihe da eher Zurückhaltung herrscht, aber dann weiter unten, dann doch eine prorussische Zustimmung herrscht.

Die Debatte um die sowjetischen Ehrenmale

SK

Jetzt haben wir uns die ganze Zeit über das Thema russische Propaganda unterhalten. Ganz deutlich waren die Auswirkungen auch zu merken zum Beispiel Anfang Mai, am 8. Mai und am 9. Mai - "Tag der Befreiung" beziehungsweise "Tag des Sieges", wie das noch aus Sowjetzeiten heißt. Da gab es auch Veranstaltungen an den sogenannten Ehrenmalen. Das bekannteste ist in Berlin/Treptow: das ist eine 30 Meter hohe Statue mit einem Sowjetsoldaten, der steht auf einem zerschlagenen Hakenkreuz. Diese Ehrenmale insgesamt sind mittlerweile nicht mehr unumstritten, auch aufgrund der Kriegslage. Und mein Kollege Tom Fugmann, der ist am 8. und 9. Mai unterwegs gewesen- Und mit Tom Fugmann habe ich telefoniert. Hallo Tom, ich freue mich erst einmal, dass du Zeit hast, hallo.

Ich habe es gerade gesagt, du bist in Berlin gewesen. 8./ 9., Mai unterwegs gewesen, wo warst du? Und was hast du erlebt?

Tom Fugmann (TF)

Ja, also ich war an beiden Tagen im Treptower Park. Und ich hatte den Eindruck, das war an beiden Tagen an diesem Ort, am Treptower Ehrenmal, russisch dominiert. Also das russische Narrativ, die Erinnerung dominierte. Also am achten waren auch viele Leute da, denen man ansah, dass sie eine gewisse Affinität auch zu sehr linken, sehr kommunistischen Gedanken, haben. Für die Russland in der Tradition der Sowjetunion noch als der Befreier vom Hitlerfaschismus gilt und die sozusagen ein absolut positives Russlandbild vertreten.

SK

Anderem war dort auch Egon Krenz, der ehemalige und letzte Staatsratsvorsitzende der DDR , der hat da auch Blumen niedergelegt...

TF

Sowjetisches Ehrenmal im Treptower Park
Ehrenmal in Treptow Bildrechte: IMAGO / Jürgen Ritter

Ja, das habe ich zwar nicht gesehen, weil wir ihn erst später entdeckt haben. Aber ich gehe stark davon aus. Wir haben ihn dann angesprochen und erst mal nach der Bedeutung dieses Tages für ihn gefragt. Und da hat er natürlich bereitwillig auch was dazu gesagt. Aber als ich ihn dann gefragt habe, wie er denn diesen Tag im Lichte des Aggressionskrieges Russland gegen die Ukraine bewertet, da hat er ganz kurz nur darauf geantwortet, dass sie sich das Gedenken an diesen Tag und an den Tag der Befreiung nicht kaputtmachen lassen wollen würde. Und das war's dann. Also, ob er das bedeutet, er neigt immer noch der russischen Sache zu, oder ob er sich einfach nicht artikulieren wollte muss dahin stehen.

SK

Ehrenmale ..., und es gibt auch ganz viele Ehrenfriedhöfe in ganz Deutschland für die gefallenen Soldaten der Sowjetunion, nicht nur in Berlin. Es gibt zum Beispiel auch eins in Dresden, und da gibt es jetzt auch eine Debatte darüber im Zuge auch der aktuellen Ereignisse, aber auch so ein bisschen generell. Du bist dort gewesen, hast dich mit mit Leuten getroffen. Was ist die Argumentation?

TF

Es gibt einen Gedanken, eines FDP-Mitglieds in Dresden, das ja, dieses Ehrenmal, was der sowjetischen Soldaten gedenkt, die in Dresden stationiert waren, zum einen mit seinem ja doch sehr imperialen, sehr offensiven, sehr militanten Gestus vielleicht nicht mehr in die Zeit passe. Das ist etwas, muss man sagen, was alle diese Ehrenmale kennzeichnet. Also auch das natürlich im Berliner Treptower Park. Und und jetzt kommt noch etwas hinzu: In Dresden war die erste Garde Panzerarmee stationiert. Die war Teil dieser sowjetischen Streitkräfte in der DDR, und die wurde vor einigen Jahren in Russland neu aufgestellt. Und genau diese neu aufgestellte erste Garde Panzerarmee kämpft jetzt im Krieg in der Ukraine, unter anderem auch bei den Angriffen auf Charkiw und ist ein Teil dieses Aggressionskrieges. Und angesichts dieser Tatsache argumentiert das FDP-Mitglied Stephan Scharf aus Dresden, ob man nicht darüber nachdenken sollte, es dort zu verrücken, aus dem öffentlichen Raum und es dem Militärmuseum anzuschließen. Wo man das natürlich, wie es immer so schön heißt bei diesen Denkmälern „gut kontextualisieren“ könnte, also etwas dazu sagen könnte. Und sein Argument ist übrigens auch noch, dass die erste Garde-Panzerarmee, dass die auch sich zu DDR-Zeiten nicht mit Ruhm bekleckert haben, weil sie unter anderem an der Niederschlagung des Arbeiteraufstands 1953 beteiligt war und auch an der Niederschlagung des Prager Frühlings. Da ist eben der Gedanke, dass man diese Denk- und Ehrenmäler jetzt, 77 Jahre nach dem Kriegsende vielleicht in einem neuen Licht setzen, betrachten sollte. Sekundiert, wurde er (Stephan Scharf) vom einem FDP-Stadtrat und Militärhistoriker (Holger Hase). Weil es ja so ist, dass Deutschland sich nach der deutschen Vereinigung bereit erklärt hat oder auch verpflichtet hat, diese Denk- und Ehrenmäler und auch die Ehrenfriedhöfe, auf denen sowjetische Soldaten begraben sind, zu erhalten und zu pflegen, sozusagen einen Vertrag abgeschlossen wurde. Und da argumentiert eben der FDP-Stadtrat und Militärhistoriker Holger Hase aus Dresden, da könnte man doch mal jetzt über 30 Jahre nach der deutschen Einheit eigentlich auch noch mal darüber nachdenken, ob denn der Vertrag noch so Bestand haben kann oder ob die Bedingungen sich geändert haben. Und es ist wohl auch so für die Pflege und den Erhalt dieser Ehrenmäler und Friedhöfe kommt der deutsche Steuerzahler auf. Im Gegensatz wohl - so war seine Argumentation - zu entsprechenden Einrichtungen von amerikanischen oder englischen Soldaten. Da bezahlen wohl die USA und Großbritannien, während es bei den russischen oder bei den sowjetischen Anlagen so sei, die würden eben hier in Deutschland bezahlt werden. So war die Argumentation. Und was da jetzt raus wird, muss man sehen ...

SK

Welche Meinung man dazu hat .. die kann man sich ja selbst bilden. Tom nach dem, was du da jetzt recherchiert hast, denkst du, es besteht tatsächlich die Gefahr, dass diese Ehrenmale, diese Friedhöfe missbraucht werden zu Propagandazwecken von der russischen Seite?

TF

Naja, das ist ja schon in gewisser Weise geschehen. Also zum einen gab es im Umfeld dieses sowjetischen Ehrenmals in Berlin Treptow einen Autokorso, der bewusst daran vorbeiführte, von Putin-Sympathisanten, die mit Russland-Fahnen vorbei fuhren. Im Gegenzug wurde das Ehrenmal dann von vermutlich eher doch der Ukraine nahestehenden Menschen mit roter Farbe beschrieben. Und da stand dann im Prinzip "Putin gleich Hitler" und Losungen gegen den Krieg. Und in Potsdam wurde das Ehrenmal mit roter Farbe beschmiert. Also die stehen natürlich jetzt auch in diesem Spannungsfeld. Es liegt natürlich die Analogie nahe. Putin bezieht sich auf das Erbe der Sowjetunion, also in seiner historischen Argumentation. Dafür stehen auch diese Ehrenmäler. Insofern ist das natürlich sehr naheliegend, dass die jetzt auch Orte diese Auseinandersetzung sind. Aber natürlich generell klar, wenn es darum geht, wie geht man damit um?, bin ich schon der Meinung, eigentlich sollte man sie stehen lassen, weil sie gehören zu unserer Geschichte. Wie auch Denkmäler für Bismarck oder Wilhelm II. stehen, und zu unserer Geschichte gehören. Aber man sollte es einordnen. Also man sollte da vielleicht darüber nachdenken, ob man da irgendwelche einordnenden Tafeln anbringt oder das eben in irgendeiner Weise deutlich macht, dass das jetzt hier nichts ist in seiner Kontinuität, wofür dieser Staat hier noch steht und ununterbrochen diesen Dingen huldigen so wie das zu DDR-Zeiten war, sondern dass es da eine Traditionslinie gibt, die durchaus kritisch zu sehen ist.

SK:

Ja, und das man natürlich auch deutlich macht, dass das kritisch ist, wenn nur Russland diese Ehrenmale für sich beansprucht. Weil in der Roten Armee, sind im Zweiten Weltkrieg auch Tadschiken, Usbeken, Balten und nicht zuletzt auch Ukrainer gefallen. Tom, ich danke dir, dass du dir Zeit genommen hast. Keine Ursache.

SK

Vereinnahmung der Ehrenmale - auch das ist offenbar Teil der russischen Propaganda. Deutsche Korrespondenten in Russland, in Moskau, die bestätigen die große Zustimmung der Bevölkerung. Zum Beispiel auch wieder zu Putins Rede am 9. Mai. Und da kann man immer noch sagen okay, die Menschen, die dort leben, die bekommen nur begrenzte Informationen. Aber wie ist es eigentlich zu erklären, dass Leute hier in Deutschland, die ja auch Zugriff haben und hätten auf jede Menge Informationen, dann doch so eins zu eins russische Propaganda wiederholen? Habt ihr da eine eine Erkenntnis gewonnen?

SC:

Also, ich würde schon sagen, dass diese Zweifel an den sogenannten Mainstream-Medien und dass man sich vielleicht gar nicht mehr die Tagesschau anschaut oder sich dann eben dann nur noch vielleicht ärgert, wenn man sie anschaut, weil sie so komplett konträr ist, zu dem, was ich auf meinem Telegram-Kanal oder in meinen Telegram-Kanälen sehe. Und dass man wirklich dieser Überzeugung ist, dass hier in Deutschland auch eine eine große Verschwörung passiert. Und dass man wirklich diese Überzeugung hat und dann nur noch den Einzelnen glaubt, die eben auch auf diesen Zug aufgesprungen sind und sagen, wir haben aber wirklich die Wahrheit. Wir trauen uns noch was. Das ist ja auch dieser Pathos, dass man sagt, wir trauen uns aber jetzt endlich und berichten das, was wirklich wahr ist.

KV

Ich habe zwei Sachen, die mir sehr stark aufgefallen sind und die mit dem allgemeinen Problem auch zu tun haben. Dass wir nämlich Russland verharmlost haben, dass wir Geschäfte mit ihnen betrieben haben, die uns in Abhängigkeiten gebracht haben. Dass die Politik sich im Kreml die Klinke in die Hand gegeben hat und offensichtlich die Distanz gefehlt hat. Und jetzt läuft parallel seit 2014 ein Informationskrieg, so hat das die Frau Spahn formuliert. Und ich muss jetzt, nachdem ich mich damit beschäftigt habe, sagen, genauso so ist das. Seit acht Jahren sind wir quasi da in eine Desinformationspolitik reingeraten. Wir haben uns das nicht wirklich wahrhaftig machen wollen, was da gerade passiert. Und jetzt fliegen uns diese Sachen um die Ohren. Und das zweite, was ich auch noch sehr auffällig finde: Seit dem dieser Krieg ausgebrochen ist, muss man sich von Leuten, die ja Staatsoberhäupter sind, Herr Putin oder Außenminister in Russland Sachen anhören, die komplett falsch sind. Das heißt also diese Desinformationspolitik wird von ganz oben gesteuert. Das kommt nicht von ungefähr, sondern wir hören uns das quasi von den Staatsoberhäuptern dieses Landes an.

SK

Wir sind in diesem Krieg, in diesem Informationskrieg, das hast du jetzt gesagt. Das hat aber zum Beispiel auch die RT Chefredakteurin so gesagt. Steht die Frage, können wir den überhaupt gewinnen? Können wir dem überhaupt etwas entgegen setzen?

KV

Wir können auf jeden Fall in unserem Land die Sachen, die hier rein sickern, klarstellen. Ich glaube, dass viele Leute auch durch die Menge der Information, dass es oft viele Quellen gibt, denen man einfach nicht vertrauen kann. Da muss sensibilisiert werden, damit die Leute darauf nicht mehr reinfallen. Das, glaube ich, kann man in diesem Informationskrieg gewinnen. Den anderen, den muss man vielleicht zu großen Teilen auch ertragen, weil wir sind da an der Schnittstelle zwischen Meinungsfreiheit auf der einen Seite und auf der anderen Seite: Was lassen wir uns alles gefallen? Ich glaube schon, dass wir als Demokratie auch wehrhaft sein müssen, damit wir solche quasi koordinierten Maßnahmen, uns falsch zu informieren, damit wir denen etwas entgegenhalten können. Wir können aber nicht die Methoden nehmen, die auf der anderen Seite vorherrschen.

SC

Diese langfristige Vorbereitung, die Knud anspricht, das auf jeden Fall eine Sache, die unterschätzt worden ist. Da wurde ganz lange nicht hingeguckt. Ich denke, das Vorsicht jetzt für uns Journalisten, welchen Quellen wir vertrauen, welche Videos wahr sind, also das ist sozusagen das Gebot der Stunde, was wir auch beim MDR, ja auch mit Fact-Checking immer versuchen. Da gibt es Kolleginnen und Kollegen, die da wirklich nur damit beschäftigt sind immer solche Videos, die irgendwie reinkommen, zu überprüfen. Und ich glaube, wir müssen sehr, sehr transparent damit umgehen und immer betonen, was können wir wirklich bestätigen? Was können wir nicht bestätigen? Wo gibt es berechtigte Zweifel? Was muss noch überprüft werden? Denn viele von uns sind ja nicht vor Ort, sprechen nicht wirklich mit den einzelnen Menschen. Und da ist Vorsicht für mich persönlich das, was ich mir immer vor Augen halte, dass man aktuell wirklich auf beiden Seiten vorsichtig sein muss.

SK

Sabine Cygan und Knud Vetten - Ich danke euch sehr für dieses interessante Gespräch

Das war die 52. Folge von MDR INVESTIGATIV – Hinter der Recherche. Diesen Podcast kann man hören auf allen gängigen Podcast-Portalen, in der ARD-Audiothek und auf Youtube. Wir freuen uns, wenn Sie uns abonnieren und oder eine Bewertung geben. Dieser Podcast erscheint alle 14 Tage , immer freitags.

Podcast "MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche"

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