Ein Gewässer. Im Hintergrund hohe weiße Kaliberge bzw -halden.
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MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (Folge 48) Podcast-Transkript: Versalzenes Grundwasser in Thüringen durch Kali-Abbau in Hessen?

Audiotranskription

25. Mai 2022, 11:39 Uhr

Versalzene Trinkwasserbrunnen, Salzlachen und Äcker, auf denen nichts mehr wächst außer Salzpflanzen – und das mitten in Thüringen. Kommt das vom Kaliabbau in der Region und den zur Entsorgung verpressten Salzabwässern?
Gast: Birgit Mittwoch (BM)
Moderation: Secilia Kloppmann (SK)

Willkommen zum Podcast MDR investigativ hinter der Recherche in diesem Podcast sprechen wir mit Journalistinnen und Journalisten über ihre Recherchen. Es geht um das Thema und wie die Reporter zum Beispiel Protagonisten gefunden haben, aber auch um persönliche Eindrücke und Erlebnisse während der Dreharbeiten. Mein Name ist Secilia Kloppmann. Ich arbeite für die politischen Magazine des Mitteldeutschen Rundfunks.

 In dieser Folge geht es um einen Umweltskandal, der seit vielen Jahren bekannt ist. Es geht um versalzene Böden, die, so vermuten es verschiedene Experten durch Abwässer aus der Kaliproduktion verursacht sein sollen. Meine Kollegin Birgit Mittwoch war in Thüringen unterwegs, genauer gesagt an der Werra.

O-TON

Das ist jetzt hier tatsächlich Salzwasser, was hier aus dem Boden kommt? Ja, das ist verdünnt natürlich. Ja .. auch die Salzqueller .. das ist so ne typische Salzpflanze? .. das ist ne Salzpflante – finden Sie an der Nordsee

 

SK

Salzpflanzen, die es an der Nordsee gibt. Auf Feldern in Südthüringen, im Wartburgkreis, also rund um Eisenach Richtung Werra, gibt es rund 20 dieser unnatürlichen Salzwiesen. Nur wenige Kilometer entfernt, auf hessischer Seite, baut das Unternehmen K+S AG, Kali und Salz, seit Jahrzehnten Kali ab. Um die möglichen Folgen geht es in diesem Podcast und auch um eine Frau, eine Behördenmitarbeiterin, die die Tragweite des Problems schon vor 15 Jahren berechnet hat und darauf hingewiesen hat. Doch statt ihre Berechnungen ernst zunehmen, wurde sie, so hat sie es meiner Kollegin Birgit Mittwoch erzählt, versetzt sollte, wie es so schön heißt, andere Aufgaben übernehmen. Das sind ziemlich schwere Vorwürfe, die Birgit Mittwoch da recherchiert hat. Und mit Birgit möchte ich darüber jetzt sprechen. Hallo Birgit, ich freue mich, dass du Zeit hast.

  

Secilia Kloppmann (SK)

Birgit, es geht vor allen Dingen um die Firma Kali und Salz und ihre Hinterlassenschaften. Wenn man das so sagen will. Vielleicht klären wir erstmal, was das überhaupt für ein Unternehmen ist. Also ich denke mal, wenn überhaupt, dann kennt man diese Berge - also ich kenne die an der Autobahn, zwischen Thüringen und Hessen. Die sehen so ein bisschen aus, wie Eisberge oder Schneeberge – diese Halden. Kannst du uns erst mal ein bisschen was erzählen? Wer ist das? Was machen die? Was sind das für Produkte, die die herstellen?

 

Birgit Mittwoch (BM)

Das Unternehmen heißt. Kali und Salz, hat seinen Hauptsitz in Kassel und baut im hessischen/ thüringer Raum, aber auch in Zielitz/Sachsen-Anhalt in großen Mengen Kali-Salze ab. Die liegen in großen, mächtigen Stollen unter Tage, ziemlich tief. Das Unternehmen gibt es in verschiedenartigen Konstellation schon seit Dutzenden von Jahren. Und Kali wird in der Gegend abgebaut, seit Ende des vorigen Jahrhunderts, also seit 1890 oder so ungefähr. Und Kali und Salz fördert diese Salze. Daraus werden sehr, sehr unterschiedliche Sachen hergestellt … Düngemittel, das ist wahrscheinlich die größte Posten. Dann werden sie benötigt als Speisesalz, als Auftausalz in der Viehhaltung, für Lecksteine für Tiere, aber auch in der Industrie, zum Herstellen von Waschmitteln, von Gipskartonplatten. Also es gibt eine große Bandbreite für den Gebrauch von diesen Kalisalzen.

 

SK

Wie muss man sich das vorstellen? Ist das ein großes Unternehmen?

 

BM

Es ist ein sehr, sehr großes Unternehmen. Man spricht vom viertgrößten Anbieter von Kalium weltweit. Es hat noch ganz viele Niederlassung in Europa, selbst in Kanada und in den USA. Es ist ein richtig großes Unternehmen wohl so weltweit bis zu 13.000 Mitarbeitern. An den Hauptstandorten, das ist in Hessen, sind es wohl auch so 2000-3000 Leute, die dort arbeiten. Und das dominiert diese Orte auch, wo diese Kali-Werke sind und der Abbau sind. In Philippsthal zum Beispiel da ist der ganze Ort von diesen Förderturm und von diesen wahnsinnigen Terminal, wo die Züge abfahren, die die Salze und das Kali verteilen europaweit, dominiert.

 

SK

Das ist ja nicht ganz unwichtig für die Geschichte, die wir dann erzählen… Denn bei so einem großen Unternehmen, da geht es ja dann auch immer um Arbeitsplätze …

Dazu später mehr. Also die bauen das Kali ab, verarbeiten das weiter. Und dabei entstehen natürlich auch Abfallprodukte, und die enthalten Salz und diese Salzabwässer müssen entsorgt werden. Sehe ich das richtig, Birgit?

 

BM

Das richtig. Es gibt verschiedenartige Abbauprodukte: Es gibt diese festen Abbauprodukte, und es sind diese Halden, die man überall sieht, diese so genannten "Kalimandscharo" oder "Monte Kali". Und dann gibt es diese Salzabwässer, die beim bei der Aufbereitung der Salze anfallen. Und diese Salzabwässer, die werden sowohl direkt in die Werra verkippt, also mit Erlaubnis natürlich..

 

SK

… also in diesen Fluss, der da lang fließt, durch das Werratal zwischen Hessen und Thüringen ...

 

BM

.... Genau ... Als auch über Rohrleitungen zu sogenannten Brunnen geleitet. Und diese Brunnen drücken diese Salzlauge sehr, sehr, sehr tief in den Untergrund, damit es dort angeblich schadlos deponiert werden kann.

 

SK

Ganz am Anfang haben wir dich gehört, da bist du da unterwegs gewesen. Da wuchsen Salzpflanzen auf auf Feldern. Wie muss man sich das denn eigentlich vorstellen? Also kann kann man das sehen, diese Verseuchung mit diesem salzigen Wasser?

 

BM

Das kann man sehr gut sehen. Also stell dir vor, man kommt auf so eine Wiese, und da ist, als ob es seit Wochen geregnet hat, so ein kleiner See. Vielleicht kniehoch, wadenhoch. Und der sieht von oben aus, als ob ganz normales Wasser wäre. Aber die beiden Kommunalpolitiker, die mit waren, haben mich auf eine besondere Pflanze aufmerksam gemacht, den sogenannten Salzqueller, der darauf hindeutet, dass das eben pures Salzwasser ist, was dort aus dem Untergrund nach oben drückt und nicht einfach mal nur Regenwasser, was dort nicht abfließen kann. Und das ist riesengroßes Gebiet. Diese unnatürlichen Salzstellen, davon gibt es ein gutes Dutzend, und ein paar natürliche gibt es auch. Und im Sommer blüht dieser Salzqueller sogar. Da sieht es fast nett aus. Aber nichtsdestotrotz ist es natürlich Salzwasser, was da gar nicht hingehört.

SK

... und kann da dann noch irgendwie was wachsen? Andere Pflanzen?

BM

Nein, da gibt es nur Salzpflanzen, die sind für die Viehhaltung oder für die Landwirtschaft völlig unbrauchbar,

 

SK

Damit man da mal eine Größenvorstellung hat, laut Deiner Recherchen sind da in den letzten 100 Jahren geht man davon rund einer Milliarde Kubikmeter Salzabwässer dort entsorgt worden, richtig?

BM

Das ist eine Riesenmenge. Diese Lauge wird sowohl in die Werra als auch in den Untergrund verdrückt. Die bisherige Annahme war eben, das ist alles schadlos. Die Werra wird immer überwacht, was die Konzentration von chemischen Produkten betrifft, und die ist versalzen. Das ist klar, aber nicht so schlimm, dass man es nicht ertragen kann. So war die bisherige Lesart...

 

SK

Dass heißt also, ein Teil von diesen Salzwassern landet in der Werra, das wird überwacht, damit dieses Gewässer nicht nicht versalzen wird. Und der andere Teil wird sozusagen verpresst. Da liegt ja dann auch das Problem. Das wirst du uns gleich erzählen. Aber vielleicht kannst du uns noch mal ganz kurz erklären, wie man sich das vorstellen muss. Also welche Gesteinsschichten oder wie tief wird das denn verpresst?

 

BM

Es ist wird relativ tief in den Untergrund verpresst, mit einem großen Druck, und das wird in den sogenannten Plattendolomit verpresst. Der liegt vielleicht so 600, 700, 800 Meter tief, und ist ein poröses, relativ hartes Gestein. Und da soll es völlig schadlos deponiert werden, in diesem porösen Blasen. Dort kann es bleiben, bleiben bleiben. Das Problem ist nur, dass das schon etwas drinne ist, in diesen Blasen in diesem porösem Gestein und das wird rausgedrückt. Da sind schon, das ist ja so ein Salzgebiet, leicht salzhaltige Wässer drin um das wird raus gedrückt. Und diese versenkte Salz-Abwassermenge drückt dann nicht nur ins Grundwasser, zum großen Teil, sondern auch wieder in die Werra. Das sind die sogenannten diffusen Einträge, sagt man. Also eine zusätzliche Menge, die noch in die Werra fließt..

 

SK

Das heißt im Prinzip ist diese Lagerungsmöglichkeit der Abwässer nicht so optimal, wie man angenommen hat? Denn da gab es ja auch Berechnungen, die was anders sagen...

BM

Ja, man hat bisher angenommen, dass es unendlich deponierbar war, diese Salzabwässer. Und das war auch ganz bequem. Das sind ja Millionen Kubikmeter, die da angefallen sind bisher. Aber dann 2007 hat ein hessisches Landesamt, das sogenannte Landesamt für Geologie und Umwelt, da hat eine Mitarbeiterin den Auftrag bekommen, zu prüfen anhand der Menge, die bis jetzt versenkt worden ist und der geologischen Gegebenheiten, wo die denn tatsächlich gelandet sind, dieser Abwässer. Und die hat eben 2007 herausgefunden das dieser Plattendolomit, diese poröse Gesteinsschicht, überhaupt nicht für immer als Deponie gelten kann. Das war damals schon so ein kleiner Paukenschlag.

SK

Die Frau heißt Ute Aragon, und Du hast die auch getroffen. Und ich habe jetzt auch noch einmal ein der Töne rausgesucht, was sie erzählt hat.

Also die Bilanz erbrachte dann, dass ich einen gewissen Teil im Plattendolomit untergebracht habe, der mir durch die Messstellen worden angezeigt war. Und dass ich aber durch die versenkt Mengen, die ich bis dahin verschenkt habe, niemals alles im Plattendolomit untergebracht habe, sondern dass ein gewisser Teil in ein anderen Speicher abgewandert sein muss. Nach meiner Einschätzung hätte ich gesagt, die Versenkung ist einzustellen. Und die Mengen sind erheblich und es können Trinkwasseranlagen dadurch versalzen.

Ute Aragon, Geologin, ehem. Mitarbeiterin Landesamt für Umwelt und Geologie Hessen MDR exakt

 

SK

Das klingt ja jetzt eigentlich, so Birgit, als müssten da bei der Behörde sämtliche Alarmglocken angehen? Dass man sagt, das können wir so nicht mehr weitermachen … versalzenes Grundwasser oder eine versalzene Werra, das hat ja dann auch Auswirkungen auf zum Beispiel das Trinkwasser und auf die Felder und so weiter... Wie haben die denn reagiert?

 

BM

Naja die Behörde, wo Frau Aragon gearbeitet hat, das hessische Landesamt für Umwelt und Geologie, die haben schon mit großer Aufmerksamkeit reagiert. Es gab auch einen Vortrag von ihr, dann gab es noch einen Vortrag von ihr am Runden Tisch, und die Lesart von Frau Aragon wurde sogar vom Umweltministerium aufgenommen. Da gibt es einen Abteilungsleiter, der Jahr später gesagt hat ,also wir können nicht länger diesen Plattendolomit, also diese Gesteinsschicht als gesichertes Speichermedium annehmen. Das geht nicht mehr, der ist eigentlich voll. Es gab schon eine große Aufmerksamkeit, aber die hielt eben nicht sehr lange an.

 

SK

Im Prinzip war klar, dass der Weg, den man bisher gegangen ist, so nicht mehr funktioniert, weil es zu gefährlich ist. Aber trotz alledem hat man ja nicht aufgehört, diese Versenkbrunnen zu nutzen, oder Birgit?

 

BM

Nein, es ist im Prinzip so weitergegangen. Die Versenkbrunnen sind da mal so ein bisschen versetzt worden, das da mal eingeleitet worden .. und vor allen Dingen sind die Mengen in den Jahren darauf doch deutlich, die genehmigten Mengen, doch deutlich geringer geworden. Also man hat schon gesehen, da ist etwas, was man beachten sollte. Aber man hat sich sozusagen der Lesart von Frau Aragon, das sofort einzustellen, die Versenkung, nicht angeschlossen. Und man hat über die Jahre immer die Mengen bisschen reduziert und fleißig weiter verpresst.

SK

Die Erkenntnisse und die Berechnungen und das Fazit was Frau Aragon daraus gezogen hat, das muss man ja schon sagen, für ihre Karriere ist ihr das nicht so besonders gut bekommen oder?

 

BM

Das ist ihr überhaupt gar nicht gut bekommen. Ganz am Anfang waren alle ganz aufmerksam und haben nachgefragt, und es wurde stark beachtet. Und in ihrer Beurteilung wird es nochmal hervorgehoben, die sich im Jahr später dann erstritten hat, wie gut sie doch gearbeitet hat. Und umso mehr war sie überrascht, dass es dann also ein knappes Jahr, nach dem sie diese Erkenntnisse dort veröffentlicht hatte, plötzlich hieß, aus heiterem Himmel, Frau Aragon wird jetzt in eine andere Abteilung versetzt.

 

Also stellen sie sich vor, sie machen eine sehr gute Arbeit, die allgemein Zustimmung findet, die sogar die Kali und Salz geprüft hat, und dann auf einmal werden sie von ihren Aufgaben abgezogen. Ich wurde dann von einem Tag auf den anderen ohne Ankündigung, es wurde also das Dezernat zusammengerufen und dann hieß es Frau Aragon bekommt neue Aufgaben.

Aragon, Geologin, ehem. Mitarbeiterin Landesamt für Umwelt und Geologie Hessen MDR exakt

 

BM

Und das, was sie bis dahin ermittelt hat, das verschwand irgendwie. Das wurde nicht weiter beachtet und verschwand irgendwie. Und das hat sie psychisch, glaube ich, sehr, sehr stark mitgenommen.

 

SK

Also das, worüber wir jetzt uns unterhalten haben, diese Berechnungen von Frau Aragon, die sie ja im Auftrag der Behörde durchgeführt hat – die hat sie ja nicht auf eigene Faust gemacht oder so, sondern sie hat da ja als Mitarbeiterin des Landesamtes gemacht. Das war 2007/ 2008. Hat sie denn noch einmal über diese Geschichte gesprochen? Warum ist sie denn eigentlich jetzt erst dann an die Öffentlichkeit gegangen?

 

BM

Sie wäre wahrscheinlich nie an die Öffentlichkeit gegangen, wenn ich sie nicht irgendwie gefunden hätte. Das ist noch mal eine eine Parallelgeschichte: Es gab Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, seltsamerweise gegen Behördenmitarbeiter von hessischen und thüringer Behörden, wegen Verunreinigung des Grundwassers. Da ging es um strafrechtliche Sachen. Und da tauchte, nicht offen, der Name einer Behördenmitarbeiterin auf, die 2007 diese Erkenntnisse schon hatte. Und das las sich so spannend, dass ich versucht habe, herauszubekommen, wer diese Behördenmitarbeiterin ist, und das ist mir auch gelungen. Und sie hat sich dann bei mir gemeldet, per Mail. Und dann haben wir uns getroffen. Persönlich bin ich zu ihr nach Hessen gefahren, nach Ingelheim an den schönen Rhein. Und dann haben wir lange geredet. Daraufhin folgten noch einmal ungefähr ein Vierteljahr einarbeiten in die Thematik und natürlich auch checken von den Erkenntnissen. Stimmen die, sind die belastbar .. Und ich habe ehemalige Kollegen von ihr telefonisch gefragt, die mir das bestätigt haben, sowohl inhaltlich, als auch den Umgang mit der Frau Aragon. Und insofern war mir dann klar, das ist belastbar. Und sie war daraufhin schnell bereit, offen darüber zu reden. Das, was Frau Aragon dort ermittelt hat, herausgefunden hat, dass ist bis jetzt noch nicht in die Öffentlichkeit gedrungen, dass ist exklusiv. Sie hatte von sich aus nicht den Drang, das öffentlich zu machen. Denn ich glaube, sie ist immer noch so ein bisschen beeindruckt von dieser ganzen Umgehensweise mit ihr damals. Die hat auch vor dem Interview sagte sie, eine ganze Nacht nicht geschlafen. Da gibt es schon immer noch eine ziemliche psychische Angefasstheit.

 

SK

Das erzählst du ja auch im Rahmen deiner Recherche. Es ist ja nicht nur so gewesen, dass sie andere Aufgaben bekommen hat....

 

BM

Richtig. Die wurde dann in eine ganz andere Abteilung versetzt, mit ganz anderen Aufgaben. Sie hat dann diesen Druck, der über Jahre auf ihr gelastet hat nicht mehr so wirklich ausgehalten und hat dann auch die Frühverrentung, die man ihr angeboten hat, 2013 dann angenommen.

SK

Jetzt bist du keine Geologin, du bist Journalistin. Du sitzt da mit mit einer ehemaligen Mitarbeiterin der Behörde, mit einer Geologin, zusammen. Die kann dir eigentlich alles Mögliche erzählen, wie bist du da vorgegangen? Das muss man ja schon auch noch mal checken. Oder?

 

BM

Ja, ich habe mir da tatsächlich Hilfe suchen müssen, weil es ist eine sehr, sehr umfangreiche Materie. Und ich habe einen Gutachter gefunden, der ist unabhängig. Ralf Krupp. In der Nähe von Hannover hat der ein eigenes kleines Ingenieurbüro und ist seit vielen, vielen Jahren in der Gegend rund um die Werra, dort in der Salz-Gegend unterwegs. Und der hat mir relativ klar gesagt. Das es ja gar nicht anders sein kann, als dass es Salzabwässer sind, die da ins Grundwasser kommen und in die Werra über diffuse Einträge gelangen. Die chemischen Zusammensetzung dieser von ihm untersuchten Salzabwässer sind so eindeutig, dass es nur etwas aus der Industrie sein kann und nichts wirklich natürliches sein kann. Das war für mich nochmal ganz wichtig. Der ist ein unabhängiger Gutachter, wird auch im Bundestag öfter mal in Ausschüssen gehört. Hat auch wirklich einen Namen, ist renommiert. Und das, was er mir dort erzählt hat, in relativ einfachen, klaren Sprache, war für mich dann sozusagen der Beweis dafür, dass Frau Aragon da durchaus richtig gelegen hat.

Also ich hatte von Anfang an, seitdem ich mich mit dem Thema beschäftigt hab, hab ich Bedenken gehabt, weil es ist irgendwie nicht logisch, dass man große Mengen Salzabwasser in den Untergrund presst, ohne dass da Platz ist, wo das Wasser aufgenommen werden kann. Der Platz ist zwar in Form von Porenraum da, aber dieser Porenraum ist bereits mit salzhaltigen Formationswässern gefüllt, d.h. wenn ich da Salzabwässer rein presse, dann müssen die anderen Wässer raus und genau das ist passiert, man hat diese Verdrängungsketten sozusagen in Gang gesetzt.

Ralf Krupp, Geologe und unabhängiger Gutachter MDR exakt

 

SK

Das Unternehmen, was diese Verpressung durchführt – legal, das muss man immer nochmal sagen – also mit einer Genehmigung diese Salzabwässer in den Boden gedrückt hat, bis zu 800 Meter tief, das ist die K+S AG mit Sitz in Kassel. Was sagen die denn eigentlich zu diesen Vorwürfen, Birgit?

 

BM

Also ich habe natürlich bei Kali und Salz angefragt in der Pressestelle. Habe auch genau beschrieben, worum es mir geht, welche Erkenntnisse ich habe. Ein mündliches Interview haben die in Kassel abgelehnt, und sie haben danach die Fragen schriftlich beantwortet. Und im Grunde genommen sagen sie, wir haben ein eigenes Modell gemacht und unsere unser Grundwassermodell hat eben gezeigt, dass diese Aussagen von Frau Aragon aus dem Jahr 2007 nicht mehr zur Diskussion stehen. Wie haben andere Erkenntnisse, und es sind eben keine Salzabwässer von uns, die das Trinkwasser dort beeilen. Punkt.

 

SK

Dass heißt, die haben die Vorwürfe eigentlich zurückgewiesen. Das Zitat ist folgendermaßen:

„Der hydrochemische Zustand der Grundwässer wurde vollumfänglich untersucht. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Versenkung von Salzabwässern keinen Einfluss auf die Trinkwasserbrunnen hatte.“ Quelle K+S AG

K+S AG MDR exakt

Der unabhängige Gutachter Ralf Krupp, der sagt dazu:

Ist völliger Unsinn. Und es widerspricht sämtlichen Fakten, die vorlegen. Das ist ein harter Fakten. Also man kann es geochemisch sehr gut nachweisen. Und wenn wir von Salzabwässern sprechen, dann finden wir Abwässer, die enorm hohe Bromid-Gehalte beziehungsweise noch aussagefähiger Bromid-Chlorid-Verhältnisse haben und diese hohen Bromid-Chlorid-Verhältnisse., die finden wir an sehr, sehr vielen Stellen, wo diese Abwässer eingewandert sind. Und die sind ein eindeutiger Beweis dafür, dass das keine geogenen Wässer sind, sondern dass da Abwasseranteile dabei sind. Die lassen sich anders beim besten Willen nicht erklären.

Ralf Krupp, Geologe und unabhängiger Gutachter MDR exakt

 

SK

Jetzt sind das ja zwei wirklich komplett gegenüberstehende Seiten, also die Firma, die dies verursacht, die sagt das kann nicht sein. Der Gutachter sagt naja, es kann gar nicht anders sein. Wie hast du dir da jetzt eigentlich eine Meinung dazu gebildet? Also, man kann ja jetzt auch dem Unternehmen jetzt keine, keine Lüge unterstellen...

 

BM

Es schon richtig. Die behaupten ja unter anderem noch immer, das gibt ja sowieso da ein bisschen Salzwasser in den Gegend, das ist so das natürliche des geogene Salzwasser. Und das ist immer da. Und natürlich beeinflusst das auch die Trinkwassergewinnung. Aber die Fakten liegen ja eigentlich auf dem Tisch. Diese Brunnen dort, die Trinkwasserbrunnen in der Gegend, also zwischen zwischen Heringen, Gerstungen, Dankmarshausen, Bad Salzungen, sind seit Jahren schon versalzen. Seit Jahren schon nicht mehr brauchbar. Das hängt, mit dem jahrelangen Versenken von Salzabwasser zusammen. Der einzige Brunnen, der noch brauchbar war, war einer in Gerstungen. Und die hätten den auch stilllegen müssen, wenn nicht Kali und Salz einer Klage der Gemeinde aus dem Wege gehen wollte. Und die haben 2017 gesagt, wir beteiligen uns an der Herstellung von einem neuen Trinkwasserbrunnen. Das ist für mich immer auch ein Hinweis, das kann nicht ganz ohne Einfluss sein. Und zweitens ist es ja so, dass dieser Gutachter sehr klar gesagt hat, die chemische Zusammensetzung von dem, was er da gemessen hat, das sind keine natürlichen Salzabwässer, das sind eindeutig Salzabwässer und keine natürlichen Salzwässer, die da unten sowieso immer rum fließen.

 

SK

Aber hab ich dich jetzt richtig verstanden, Birgit? Dass dort, in diesem betroffenen Gebiet teilweise das Trinkwasser, nicht mehr genutzt werden kann, die Trinkwasserbrunnen?

 

BM

Das ist richtig. Es gibt nur noch eine oder andere Teil Brunnen in in Gerstungen, die so ein bisschen genutzt werden können. Das heißt, die mischen dieses stark chloridhaltige Wasser mit anderem Wasser, und am Ende kommt ein Grenzwert raus, der wieder für die Trinkwasserversorgung möglich ist. Aber alle anderen Brunnen, in allen anderen Gemeinden dort, sind seit langer langer Zeit schon versalzen. Und die holen über kilometerweit ihr Trinkwasser mit Leitungen von woanders her.

 

SK

Und wer bezahlt das dann? Ich meine, wenn ich das woanders her hole, das kostet doch viel mehr Geld, als wenn ich meine Brunnen von vor Ort nutzen kann?

 

BM

Richtig. Mitunter sind diese Leitung schon relativ alt, 20 bis 25 Jahre alt. Aber die müssen natürlich immer wieder erneuert werden. Und bis jetzt ist es wohl den Gemeinden noch einigermaßen gut gelungen, das nicht die Bewohner dort spüren zu lassen. Aber der stellvertretende Bürgermeister vom Werra-Suhl-Tal sagte mir auch, dass das in Zukunft nicht mehr gewährleistet sein kann, weil wenn die Leitung jetzt grundlegend erneuert werden muss, dann müssen dummerweise auch die Einwohner tiefer in die Tasche greifen.

 

SK

Wir haben dich ja am Anfang gehört, am Anfang von unserem Podcast Da bist du unterwegs gewesen in Thüringen auf diesen versalzenen Feldern Salzwiesen. Aber auch das muss das eigentlich irgendwie saniert werden? Oder bleibt das dann einfach so?

BM

Das kann eigentlich nicht saniert werden. Es gibt demnach natürliche und unnatürliche Salz-Austritte in den Wiesen und dieses Salzabwasser, das ist ja da. Das kann ja nicht weg, diese 1 Milliarde, Kubikmeter. Das kann sein, dass das mal durch Regen ein bisschen verdünnt wird. Das wird dort über Jahre so bleiben, also auch das Grundwasser und das Trinkwasser, das wird über Jahre belastet bleiben. Einzig und allein die Werra wird ihre salzige Fracht vom Abwassersser irgendwann mal, wenn nichts Neues nachkommt, in die Nordsee gespült haben.

 

SK

Aber das darf Kali und Salz, diese Abwässer einleiten?

BM

Das darf Kali und Salz seit langer, langer Zeit. Die letzte Genehmigung haben sie bekommen für seit Anfang dieses Jahres bis 2027. Wenn aber zum Beispiel die Werra Niedrigwasser hat, weil es nicht so stark geregnet hat, dann dürfen sie eben nicht zu viel oder auch gar nichts in die Werra einleiten. Und da gab es in der Vergangenheit auch schon mal Kurzarbeit in den beiden hessischen Werken, weil man eben nicht wusste, wo man mit dem Salzabwasser hin soll. Und der andere Teil der Salzabwässer, die jetzt nicht mehr in den Untergrund gedrückt werden dürfen, die muss Kali und Salz jetzt sehr aufwendig mit Tankwagen per Schiene nach Niedersachsen transportieren. Das ist natürlich erheblich teurer als die, einfach mal über Leitungen in den Boden zu drücken. Und dort werden diese Abwässer in stillgelegte Kalibergwerke eingeleitet.

 

SK:

Das ist jetzt also das, was die machen müssen, seit Anfang diesen Jahres. Weil die Genehmigung zur Verpressung dieser Abwässer, die ist Ende 2021 ausgelaufen. Das ist, Du hast es ja gerade erklärt, wesentlich aufwändiger und auch teurer. Auf er anderen Seite hat der Vorstandsvorsitzende der K + S AG, Burkhard Lohr, vor kurzem angekündigt, dass das Unternehmen für das laufende Jahr das beste Konzernergebnis seiner Geschichte erwartet. Da müssen die sich ja jetzt eigentlich gar nicht so viele Sorgen machen, oder?

 

BM

Naja, Sorgen machen die sich in Zukunft schon, wenn ich jetzt mal so sagen darf. Weil mit dem Zug diese Kalilauge wegbringen, geht natürlich nicht auf die Dauer. Die warten auf eine Genehmigung für die Einleitung in ein nahegelegenes Bergwerk gleich da in Hessen. Aber die lässt eben auf sich warten, weil es da noch sehr, sehr, sehr große Bedenken gibt, was die geologischen Konsequenzen betrifft. Die hätte schon seit Anfang des Jahres da sein sollen. Und Kali und Salz wartet händeringend darauf.

 

SK

Ich hatte es gerade gesagt, Birgit, dass der Vorstandsvorsitzende von Kali und Salz, Burkhard Lohr, erst vor kurzem angekündigt hat, dass K + S das beste Konzernergebnis seiner Geschichte erwartet für 2022. Wie kommt das überhaupt?

 

BM

Es könnte damit zusammenhängen, dass es im Moment eine große Nachfrage nach Düngemitteln gibt, weil eben aufgrund dieser kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine momentan sowohl aus Belarus als auch aus Russland keine Düngemittel geliefert werden können. Dort sind riesige Vorkommen mit riesigen Mengen, die dort produziert werden. Das heißt, das natürlich die deutschen Kali und Salz da vielleicht auch ein bisschen einsteigen könnten, soweit es möglich ist. Und das heißt natürlich auch, dass die wieder eine Menge mehr Abwässer produzieren, wenn sie mehr herstellen.

 

SK

Ja, je mehr sie produzieren, umso mehr Abwässer produzieren sie. Und das heißt, sie müssten sich jetzt doch langsam mal was überlegen, oder was denkst du?

 

BM

Naja, überlegen tun die schon seit mehreren Jahren. Das ist tatsächlich so. Es gab 2015 die Absicht, eine Leitung direkt aus Hessen - von den beiden hessischen Werken - bis an die Nordsee zu bauen, um die Abwässer dort sozusagen direkt in die Nordsee, in die salzige Nordsee, zu entsorgen. Das wurde wieder auf Eis gelegt, weil das Kali und Salz zu teuer war... Keine Ahnung.

 

SK

Jetzt mal die die Frage gestellt, für die Leute, die da wohnen und deren Gewässer und Grundwasser ja beeinträchtigt werden durch diesen Kali -Abbau und Kaliproduktion. Birgit, gibt es denn für die eine Hoffnung, dass das irgendwann mal aufhört?

 

BM

Na, was die Werra betrifft, da gibt es schon eine Hoffnung. Wenn dann 2027 die letzte Einleitgenehmigung endet, dann soll es noch so etliche Jahre dauern, man sagt bis 2075, bis die dann tatsächlich salzfrei ist. Und was das Grundwasser betrifft, da wird es sehr, sehr viel länger dauern. Da gibt es gar keine Zeit, die man nennen kann, bis das vielleicht wieder vor Ort auch konsumierbar ist. Weil durch Regen und durch andere Süßwasser was von oben kommt, wird es eben nicht so verdünnt, dass sich diese riesigen Mengen dort irgendwie auflösen. Damit werden die Leute vor Ort noch viele, viele Jahre zu tun haben, glaube ich.

 

SK

Da muss noch eine Menge Wasser die Werra runterfließen, wie man so schön sagt.. Birgit, ich danke dir sehr für diese interessante Geschichte. Herzlichen Dank.

 

BM

Wer gerne war, auch für mich sehr interessant, muss ich sagen ja, Dankeschön.

Dieser Podcast erscheint alle 14 Tage und ist abonnierbar auf allen gängigen Portalen, von der ARD Audiothek, über Apple bis spotify. Zu jeder Folge erscheint auch immer ein Transkript. Hier geht es zur Übersicht:

Die nächste Folge erscheint am 8. April – da geht es um die Arbeitsbedngungen in der Lieferbranche – in dem Fall um Domino´s Pizza Service

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