MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche (Folge 42) Podcast-Transkript: Zur Prostitution gezwungen
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In Dresden stehen seit einem Jahr mutmaßliche Menschenhändler:innen vor Gericht. Sie sollen bulgarische Frauen nach Deutschland gebracht und sie hier zur Prostitution gezwungen haben.
Marcel Siepmann und Carolin Haentjes sprechen mit Esther Stephan über eine Recherche, die sie bis nach Bulgarien geführt hat.
Esther Stephan (ES): Eine Triggerwarnung vorab: In diesem Podcast geht es um Menschenhandel und um Zwangsprostitution. Wenn sie sich mit diesem Thema unwohl fühlen, dann sollten sie an dieser Stelle abschalten. Wenn sie selbst von Gewalt betroffen sein sollten. Dann können sie das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen unter der 0800 0116 016 erreichen.
Sie hören den Podcast "MDR Investigativ - Hinter der Recherche". Ich bin Esther Stephan und arbeite für die politischen Magazine des Mitteldeutschen Rundfunks.
Ja, die Vorwürfe sind, dass sie aus Bulgarien nach Deutschland gebracht worden ist, sie zwei Monate lang als Gefangene in dem Etablissement gehalten wurde. Sie ist geschlagen worden. Ihr ist gedroht worden, dass man sie von einer Brücke schmeißen würde. Ihr ist der Pass abgenommen worden, sodass sie auch keinerlei Möglichkeit hatte, das Land irgendwie zu verlassen.
ES: So fasst die Anwältin Gesa Israel die Vorwürfe zusammen, die gegen drei Angeklagte erhoben werden. Die Anwältin vertritt eine mutmaßlich von Menschenhandel und Zwangsprostitution Betroffene vor Gericht. Der Prozess in Dresden läuft seit einem Jahr. Carolin Haentjes und Marcel Siepmann haben für MDR exactly recherchiert, was genau in Dresden passiert sein soll und aus welcher Lage auch die Betroffenen kommen. Den Film "Zur Prostitution gezwungen: Wie Frauen in Deutschland brutal ausgebeutet wurden", den finden Sie in der ARD Mediathek und bei YouTube. Ich spreche jetzt aber erst mal mit Carolin und Marcel über die Recherche zum Film. Hallo!
Carolin Haentjes (CH): Hi! Hallo Esther!
ES: Bevor wir über den Prozess sprechen, lasst uns noch einmal klären, worum es da eigentlich geht. Also es geht um Menschenhandel. Es geht um Zwangsprostitution. Das sind natürlich so wahnsinnig große Begriffe. Was bedeutet das denn am Ende eigentlich? Was heißt das?
CH: Also Menschenhandel bedeutet, wenn wenn Menschen angeworben werden, um sie dann auszubeuten. Also für eine Form von Arbeitsverhältnis. Also ist das ein bisschen missverständlich. Das geht es nicht um so Schleusungsaktivitäten. Also jemanden zum Beispiel illegal ein anderes Land zu bringen oder so. Es geht darum, dass mit der Arbeit von Menschen ausbeuterisch viel Profit gemacht wird. Und eine Form davon, die so auch im Strafgesetzbuch aufgeführt wird, ist eben Zwangsprostitution, neben eben Zwangsarbeit oder Ausbeutung durch Bettelei. Und Zwangsprostitution ist dann für sich genommen noch einmal besonders strafbar, weil eben Sexarbeit ja unter bestimmten Bedingungen in Deutschland legal ist. Aber in dem Moment, wo Betroffene dazu gezwungen werden, gilt es dann als Zwangsprostitution.
ES: Der Prozess in Dresden, der läuft jetzt seit einem guten Jahr. Könnt ihr noch einmal zusammenfassen, worum es da eigentlich geht in dem Prozess?
CH: Also es geht um ein mutmaßliches Menschenhandels-Netzwerk, die dort an verschiedenen Orten Frauen, die sie größtenteils aus Bulgarien nach Deutschland gelockt haben sollen, ausgebeutet und zur Sexarbeit gezwungen haben sollen. Da geht es unter anderem um einen Nachtclub, in dem das passiert sein soll, ein Massagestudio. Und das Ganze soll über so einen Escortservice, so Onlineseite angebahnt worden sein. Und die Vorwürfe gegen die Angeklagten sind Zuhälterei, Menschenhandel, Zwangsprostitution, teilweise auch Körperverletzung und Erpressung.
ES: Ihr habt den Prozess jetzt auch schon eine ganze Weile begleitet, wie seid ihr denn überhaupt darauf aufmerksam geworden? Es gibt ja die ganze Zeit irgendwelche Prozesse. Wie so genau habt ihr diesen dann rausgepickt?
Marcel Siepmann (MS): Es gab 2019 in Dresden Razzien gegen diese mutmaßlichen Menschenhändler*innen. Das wurde erst mal von der lokalen Berichterstattung begleitet. 2020 wurde dann Anklage erhoben, und da war auffällig, dass bei diesem Prozess, als wir dann mal Kontakt aufgenommen haben, zu einem Opferverband, der dort Betroffene vertritt, dass extrem viele Betroffene in diesem Prozess aussagen. Und das war ziemlich ungewöhnlich. Und dann haben wir uns eingehender damit beschäftigt und hatten auch das Gefühl, dass dieses Thema Menschenhandel eines ist, was teilweise so ein bisschen unterm Radar läuft, aber ein sehr relevantes Thema ist, in dem es um Arbeitsausbeutung, um Ungleichheit geht, die ausgenutzt wird. Und das wollten uns dann mal genauer anschauen.
ES: Wieso war das ungewöhnlich, dass da so viele ausgesagt haben?
MS: Die Schwierigkeit ist häufig, Betroffene zu finden, die dann da auch aussagen, weil das natürlich mit extremen Belastungen verbunden ist und auch gefährlich sein kann für die, die gegen solche Menschenhandelsringe dann aussagen.
ES: Vor Gericht stehen drei Personen. Wer sind die?
CH: Bei den Angeklagten handelt es sich um Gabriela P., das soll die mutmaßliche Chefin des Netzwerks gewesen sein, zusammen mit ihrem Ehemann, der inzwischen verstorben ist. Also sie hat diesen Escortservice, über den die Begegnungen zwischen den Sexarbeiterinnen und den Freiern angebahnt wurden, die leitet den. Und sie soll bestimmt haben, wie die Bedingungen waren, wie die Preise zum Beispiel waren für die Sexpraktiken. Die soll das auch alles ausgehandelt haben, mit den Freiern und am Ende eben Geld eingestrichen haben. Und dann gibt es noch so eine Art Zuhälter*innen-Pärchen, Bozhidar J. und seine mitangeklagte Freundin, die haben das Geld von den Mädchen abgenommen, sagt die Anklage. Und Bozhidar J. soll außerdem bei der Anwerbung der betroffenen Frauen eine Rolle gespielt haben. Das heißt besonders als Loverboy. Er hat Frauen in Bulgarien eine Liebesbeziehung vorgespielt, sagt die Anklage, um die Frauen dann quasi unter Vorspiegelung dieser Beziehung nach Deutschland zu locken und hier dann auszubeuten. Teilweise war es aber auch die Androhung von Gewalt, so die Staatsanwaltschaft.
ES: Lasst uns noch mal auf die Opfer schauen. Ihr hattet Kontakt zur Anwältin einer betroffenen. Gesa Israel heißt die Anwältin, die haben wir vorhin auch schon mal gehört. Und die Betroffene, die nennt ihr Milena. Wie habt Ihr denn eigentlich herausgefunden, was genau mit Milena passiert ist?
CH: Natürlich ist eine Anwältin erstmal die Person, die für eine Betroffene, von einer Zeugin sprechen kann. Und das auch auf so eine sichere Art und Weise, weil die ist ja ihrer Mandantin verpflichtet. Und die wirkt quasi als Mittlerin. Und in dem Fall haben wir eben mit ihr sprechen können, darüber, was ihre Mandantin betrifft.
ES: Mit Milena konntet ihr aber nicht sprechen?
CH: Ne, genau. Mit Milena haben wir nicht sprechen können. Wir sind ja nach Bulgarien gereist. Wir sind dem dann auch nicht so intensiv nachgegangen, weil die Schwierigkeit gerade bei vielen von diesen Menschenhandel-Situationen ist, dass da nahe Bekannte involviert sind. Und da ist es dann einfach schwierig, so zu agieren, dass man nicht vielleicht auch Betroffene in Gefahr bringt.
ES: Was meinst du, damit das nahe Bekannte involviert sind? Inwiefern?
CH: Also die Expert*innen, mit denen wir gesprochen haben, beschreiben das als so ein typisches Muster, damit Menschen in so einer Situation hineingeraten, in der sie dann so krass ausgebeutet werden, gerade in diesen Fällen von Zwangsprostitution. Da sind oft Menschen involviert, denen die Betroffenen vertrauen. Und das sind oft dann eben diese Loverboys. Es klingt halt so fast schon abgedroschen, aber das ist tatsächlich so ein Muster, das offensichtlich noch sehr häufig auftaucht. Also dass irgendein Typ so eine Liebesbeziehung vorspielt und sich Betroffene davon ja in so eine Situation bringen lassen, in der sie dann ausgebeutet werden. Also das ist ja auch der Vorwurf hier in diesem Fall, dass Bozhidar J. Frauen Liebesbeziehungen vorgespielt haben soll, die dann nach Deutschland gebracht hat und die dann hier auf einmal in die Situation hineingeraten sind: Ups, okay, das ist gar keine richtige Beziehung, der hat eigentlich eine andere Freundin. Und die zwingen uns jetzt, hier uns zu prostituieren. Also soll es jedenfalls auch in dem Fall von Milena gewesen sein. Und dieses nahe Umfeld, also dass man sich irgendwie kennt, auch über verschiedene Ecken, dass vielleicht die Familien bekannt sind oder so, das ist was, was wohl häufig in Fällen von Menschenhandel auftritt, sagen uns Expert*innen. Und deswegen weiß man natürlich nicht: ja also mit wem kann man jetzt sicher darüber sprechen, was da passiert sein soll?
ES: Ihr seid dann für die Recherche auch sogar bis nach Bulgarien gefahren. Und erzählt , dass eben auch viele dieser Frauen Rom*nja sind, als zur Roma-Community gehören. Warum sind gerade Rom*nja eigentlich dann häufiger als andere Gruppen von Menschenhandel betroffen?
MS: Wir haben dann zwei Sozialarbeiter*innen vor Ort getroffen, die aus der Rom*nja-Community kommen, aus der auch zwei Prozessbeteiligte kommen, uns aber auch mit der Leiterin einer Organisation ausgetauscht. Und denen war immer wichtig zu betonen, dass die Stigmatisierung und Ausgrenzung, die es immer noch gibt, auch ganz stark einhergeht mit wirtschaftlichen Folgen für viele Menschen und die dazu führen, dass für viele Menschen dann nur eine prekäre Arbeit möglich ist und sie auch leicht als vulnerablen Gruppe in Ausbeutungsverhältnisse geraten. Und die haben uns auch erklärt, dass es teilweise, je nach Geschlecht, sehr unterschiedliche Formen sind. Bei Männern ist häufig in der Fleischindustrie oder im Bau, Frauen in der Pflege oder der Sexarbeit.
CH: Wir haben also ja angefangen zu recherchieren: Was hat sich hier in Dresden eigentlich abgespielt? Haben dann auch teilweise Prozessdokumente zugespielt bekommen, durch die wir ein bisschen was verstehen konnten über die Situation in Dresden und auch über die Beteiligten an dem Prozess. Und es gibt eben eine Region in Bulgarien, da kommen sowohl Angeklagte als auch Opfer her. Und dahin sind wir gefahren, um zu verstehen: was ist eigentlich die Situation, aus der die Betroffenen kommen? Und dann haben wir eben gesehen: krass, in diesem konkreten Fall kommen mehrere der Beteiligten, sowohl Angeklagte als auch Betroffene aus der Rom*nja-Community. Und warum das so ist, das wollten wir eben auch wissen und deswegen haben wir mit diesen beiden Sozialarbeiter*innen gesprochen.
ES: Vor Ort hat euch eine bulgarische Journalistin begleitet. Die hat auch übersetzt. Das gibt’s ja häufiger bei Recherchen im Ausland. Na klar, wir als Journalist*innen können nicht alle Sprachen sprechen, die Leute vor Ort kennen sich in der Regel viel besser aus als wir. Wie habt ihr die denn eigentlich kennengelernt?
MS: Das lief über das Auslandsstudio der ARD. Verantwortlich ist da das Wiener Auslandsstudio...
ES: Das heißt, das ist eine ARD-Kollegin, die dann euch begleitet hat?
MS: Ganz genau, das ist eine ARD-Kollegin. Und die kannte sich natürlich vor Ort viel besser aus als wir, spricht die Sprache und ist auch sofort mit in die Recherche eingestiegen und hatte da natürlich noch einen ganz anderen Zugang als wir den jetzt einfach haben.
ES: Carolin, du hast mit dieser Kollegin zusammen auch in einem Schutzhaus in Bulgarien Anna Nikolova getroffen. Und die hat dir dort erzählt, dass sie tatsächlich häufiger Frauen aufnimmt, die in Deutschland zur Prostitution gezwungen worden sind. Und sie kritisiert die deutschen Strafverfolgungsbehörden auch recht scharf, wie ich finde.
Soll ich ehrlich sein? Gut. Ich denke, die deutschen Behörden müssen sich mehr anstrengen, Ausbeutungsfälle zu identifizieren. Sie müssen unterscheiden können zwischen denen, die wirklich freiwillig arbeiten und denen, die Opfer von Menschenhandel sind. Sie müssen auch sichergehen, dass die, die freiwillig arbeiten, nicht ausgebeutet werden. Ich glaube, das ist das, was in Deutschland nicht gut klappt.
ES: Ist das eigentlich so ein Muster? Wenn sie sagt, sie trifft immer wieder Frauen, die in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden? Passiert das nicht auch in anderen europäischen Staaten? Oder bietet sich da Deutschland an, weil die Strafverfolgungsbehörden nicht so sehr dahinterher sind?
CH: Ja. Das ist natürlich eine Frage, die sich allgemein nicht ganz so einfach beantworten lässt. Also was Anna Nikolova meint, Deutschland ist auf jeden Fall eher ein Empfängerland als ein Entsendeland, anders als Bulgarien. Das hat erst einmal was mit verschiedenen ökonomischen Verhältnissen zu tun. Und sie sagt nun, dass für die Betroffenen, die sie getroffen hat, eine große Rolle gespielt hat, dass in Deutschland Prostitution unter bestimmten Bedingungen legal ist. Also es gibt ja das Prostitutionsgesetz und das Prostituiertenschutzgesetz. Und das legt fest, unter welchen Bedingungen hier Sexarbeit möglich ist. Und eigentlich soll das auch einen Rahmen stecken, indem das auf eine faire Art und Weise stattfindet. Anna Nikolova sagt, dass aber das ganz häufig eben nicht so richtig gut überprüft wird. Also wie sind eigentlich die Arbeitsbedingungen in den Bordellen? Wie sicher sind die Sexarbeiterinnen? Wie selbstbewusst können die auch bestimmen, was sie machen wollen? Und das sagt sie, ist das besondere Probleme in Deutschland oder eben auch in anderen Ländern, wie den Niederlanden, wo Prostitution legal ist. Weil es gibt ja auch den Fall, dass Betroffene aus einem Land wie Bulgarien kommen und die vorher schon Sexarbeiterin waren und davon ausgehen, dass sie eben, weil es hier legal ist, in guten Bedingungen arbeiten können. Also sie sagt auch, das spielt eine Rolle: So ein Idealbild von Deutschland, als ein Land in dem Dinge gut funktionieren, indem es dann eine gewisse Rechtssicherheit geben wird und die Möglichkeit in gutes Einkommen zu haben. Und das sagt sie, spielt eine große Rolle. Sie macht da den deutschen Behörden die Vorwürfe, dass die das nicht genau genug kontrollieren und diese Fälle von Menschenhandel fallen eben dann auf, wenn das kontrolliert wird. Und zwar nicht nur irgendwie, sondern da braucht man tatsächlich bestimmte Zugänge, weil es natürlich um Zwangsverhältnisse geht, in denen Betroffene auch gar nicht so einfach sagen können: Übrigens hier, das läuft nicht so super. Ich ziehe jetzt vor das Arbeitsgericht oder so. Sondern da ist krasser Druck in den Beziehungen. Oft geht es auch um Gewalt. Und da würde es eben darauf ankommen, dass die Strafverfolgungsbehörden das sehr genau in den Blick nehmen und mit sehr viel Aufwand auch kontrollieren.
ES: Und dann sagt Yvette Völschow bei euch im Film, von der Uni Vechta, nochmal eine Ebene tiefer, dass es in Sachsen im Gegensatz zu anderen Bundesländern noch viel weniger Ermittlungsverfahren gibt. Warum genau in Sachsen? Was ist das Problem in Sachsen?
CH: Also das Problem überhaupt mit Fragen von Menschenhandel und Zwangsprostitution ist, dass das eben so wahnsinnig im Dunkelfeld stattfindet. Also deswegen kann man auch nie sagen, hier sind die absoluten Zahlen. Klar ist, und das geht aus dem Lagebild des Bundeskriminalamts hervor, dass es bestimmte Regionen in Deutschland gibt, wo es viel, viel mehr Ermittlungsverfahren gibt. Also zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, in Bayern und in Berlin. Und das erklären Expert*innen einerseits damit, dass es dort auch Städte mit großen, großen Rotlichtmilieus gibt. Aber eben auch, dass es dort spezialisierte Abteilungen bei den Strafverfolgungsbehörden gibt. Also in München zum Beispiel gibt es eine besondere Abteilung bei der Staatsanwaltschaft, die sich genau um diese Fälle kümmern. Und dann kann man eben auch anders ermitteln. Und sowas gibt es im Sachsen so nicht. Und dann kann man sich natürlich fragen, und das ist eben die Frage auch, die Yvette Völschow aufwirft: gibt es hier nun möglich weniger Fälle? Oder werden die Fälle einfach nicht entdeckt, weil man nicht so richtig danach sucht? Also das ist eigentlich die Frage, die sich hier stellt. Und es gibt auf jeden Fall in unserer Recherche Hinweise darauf, dass der Polizeidienst in Dresden an der einen oder anderen Stelle vielleicht nicht so genau hingeschaut hat oder nicht so, ich sage jetzt mal, strategisch klug, agiert hat, das dieses Netzwerk aufgefallen wäre. Sondern das wurde ja von Bulgarien aus… nicht aufgeklärt, aber zumindest die Ermittlungen wurden von Bulgarien aus angestoßen.
ES: Ihr habt, während ihr zur Recherche in Dresden unterwegs wart, an dem Massagestudio, um dass sich dieser Prozess auch dreht, eine Nummer gefunden. Und Marcel, du hast dann da angerufen, und du hast es als potenzieller Kunde ausgegeben, um herauszufinden, ob Gabriela P. dort eigentlich noch arbeitet. Wie war das eigentlich für dich zu einem Zeitpunkt, wo ja diese Vorwürfe auch einfach schon im Raum stehen? Menschenhandel, Zwangsprostitution… dich dort dann als Kunde auszugeben?
MS: Erst einmal war ich total überrascht, dass überhaupt jemand ans Telefon ging, weil das Bordell, was von den Betreibern da betrieben wurde, durften die Beschuldigten ja erstmal nicht weiterführen. Und da war es erstmal verwunderlich, dass es überhaupt noch eine funktionierende Infrastruktur gab. Die Person hat sich als Maria erst einmal vorgestellt, und im Laufe des Gesprächs stellte sich dann aber heraus, dass es jetzt einfach ein nur für dieses Arbeitsverhältnis genutzter Name war. Und auf die Hauptangeklagte angesprochen, bestätigte die Person dann irgendwann, dass sie selber die Hauptangeklagte sei. Und das war erst einmal auch mit Blick auf das, was wir in den Akten gelesen hatten, was für Vorwürfe im Raum stehen, wo es um brutale Ausbeutung geht, ein ziemlicher Schock, dass da diese Person noch weiter diese Geschäfte führen darf.
ES: Dieser Prozess geht jetzt schon ein Jahr lang. Wie ist denn da eigentlich gerade der Stand? Offensichtlich, Gabriela P. scheint mutmaßlich auch noch da, zumindest ans Telefon zu gehen, im Massagestudio. Tut sich da jetzt noch was? MS: Uns wurde von der Anwältin auch bestätigt, dass sie weiter dort tätig ist und legal scheint es auch zu sein. Also die darf weiter ihre Geschäfte machen, solange sie sich im legalen Rahmen aufhält. Genau der Prozess an sich ist extrem langwierig, wird seit fast einem Jahr geführt. Es sind jetzt über 20. Prozesstage, sind dadurch auch sehr aufwendig, dass viele Betroffene aus Bulgarien kommen, inzwischen wieder in Bulgarien leben, eingeflogen werden müssen, es immer Übersetzungen bedarf. Und es ist zu erwarten, dass sich der Prozess noch weit ins nächste Jahr zieht.
ES: Dankeschön!
CH: Danke dir, Esther!
MS: Danke!
ES: Das war der Podcast "MDR Investigativ - Hinter der Recherche". Die nächste Folge dieses Podcast erscheint am 28. Januar und dann wieder mit Secilia Kloppmann. Wir freuen uns übrigens, wenn Sie uns Feedback hinterlassen. Das können Sie gerne per Email an investigativ@mdr.de schicken, oder auch bei Apple Podcasts. So oder so, bleiben Sie gesund und machen Sie so gut!
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exakt | 27. Oktober 2021 | 20:15 Uhr