MDRfragt - Das Meinungsbarometer für Mitteldeutschland Corona: Mehrheit glaubt nicht an Krisen-Ende 2021
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10. März 2021, 09:05 Uhr
Ein Jahr dauert die Coronapandemie nun an - und die meisten Menschen in Mitteldeutschland gehen davon aus, dass das womöglich erst die Halbzeit ist. Das zeigt die aktuelle Befragung von MDRfragt, an der sich rund 25.000 Bewohnerinnen und Bewohner Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens beteiligt haben. 62 Prozent glauben nicht, dass die Krise in 2021 überstanden sein wird. Auch der geplante Einsatz von massenhaften Schnelltests wird nach Ansicht der meisten Teilnehmer daran kaum etwas ändern.
Viele MDRfragt-Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind aktuell recht pessimistisch, was das Ende der Corona-Krise anbelangt. Nur 38 Prozent denken, dass wir Corona noch in diesem Jahr besiegen werden. Die Mehrheit hingegen meint, dass uns die Pandemie auch 2022 noch beschäftigen wird.
Mehrheit glaubt nicht, dass Schnelltests hilfreich sein werden im Kampf gegen Corona
Auch die derzeit diskutierte Ausweitung der Schnelltests ist für die MDRfragt-Gemeinschaft kein Instrument, das helfen könnte, die Corona-Krise schneller zu besiegen. Zwar geht etwas mehr als die Hälfte davon aus, dass die Tests helfen würden, dass Hotels, Gaststätten, Freizeiteinrichtungen und Läden schneller wieder öffnen können. Daran, dass die Tests helfen, die Krise bald zu bezwingen, glauben jedoch nur 40 Prozent. 56 Prozent glauben dies nicht.
Zwei Drittel begrüßen kostenlose Schnelltests
Die Entscheidung, dass sich nun alle Menschen in Deutschland einmal wöchentlich einem kostenlosen Schnelltest unterziehen können, begrüßen zwei Drittel (66 %) der MDRfragt-Teilnehmer: 39 Prozent davon finden die Strategie von einem kostenlosen Test pro Woche richtig, 27 Prozent hätten sich sogar noch mehr kostenlose Tests gewünscht. 23 Prozent dagegen finden die wöchentlichen, kostenlosen Tests zu viel oder sind generell gegen Schnelltests.
Einige MDRfragt-Mitglieder befürchten durch die Ausweitung der Schnelltests ein Ansteigen der Inzidenzwerte. Dieser Kommentar eines Teilnehmers steht stellvertretend für viele, die uns zu diesem Thema geschrieben haben:
Durch die Schnelltests wird zwangsläufig die (entdeckte) Zahl der Infektionen wieder steigen. Ich befürchte, die Politik wird das zum Anlass nehmen und den nächsten Lockdown verordnen.
Ein Fünftel will regelmäßige Schnelltests nutzen
Gut jeder fünfte MDRfragt-Teilnehmer (22 %) möchte diese kostenlosen Tests künftig regelmäßig und ohne besonderen Anlass nutzen. Weitere 60 Prozent wollen zumindest in bestimmten Situationen darauf zurückgreifen - etwa wenn Tests Voraussetzung sind, um ein Restraurant oder Museum zu besuchen, oder wenn sie Krankheitssymptome haben. Nur 16 Prozent lehnen es kategorisch ab, sich einem Schnelltest zu unterziehen.
Die Kommentare der MDRfragt-Gemeinschaft zeigen, dass sich viele mehr Klarheit wünschen würden, zum Beispiel bei einem positiven Testergebnis:
Der Test ist das eine, die Einhaltung der daraus resultierenden Beschränkung das andere. Wer positiv getestet ist, muss dann auch in Quarantäne bleiben, das ist aber nicht unbedingt zu erwarten.
Wenn ich diesen Test zu Hause mache und bin positiv und melde dies nicht weiter, was dann? Oder ich als positiv Getesteter benutze ein Schnelltestresultat von einer negativ getesteten Person, um an irgendetwas teilzunehmen. Daher sollten Schnelltests nur vor Ort unter Kontrolle stattfinden, alles andere ist Augenwischerei.
Die Medien sollten mehr informieren, wie mit positiven Schnelltestergebnissen umgegangen werden muss. Hier sollten verpflichtende Regelungen her, dann hilft er auch, die Pandemie zu unterdrücken.
Skepsis gegenüber verpflichtenden Schnelltests
Doch trotz der grundsätzlich hohen Zustimmung zu Schnelltests, sähen es viele Menschen kritisch, wenn Tests zur Nutzung bestimmter Freiheiten verpflichtend wären. So gab mehr als die Hälfte der Teilnehmer an, dass ein verpflichtender Test sie gegebenenfalls vom Besuch einer Einrichtung abhalten würde. Möglicherweise, weil die Rahmenbedingungen für solche immer wieder diskutierten Pflichttests bislang völlig unklar sind - etwa wer in solchen Fällen für die Kosten der Tests aufkommen müsste oder wie die Testung logistisch ablaufen wird.
Einige MDRfragt-Mitglieder haben uns ihre Meinung zu diesem Thema in Kommentaren geschrieben:
Wenn ich einen Selbsttest durchführe, wie beweise ich dann das negative Testergebnis in Gaststätten und Geschäften? Und wer bezahlt ansonsten den Schnelltest vor dem Besuch von öffentlichen Einrichtungen?
Wenn Tests Zugangsvoraussetzung für Besuche von Einrichtungen sind, dann sollten diese Einrichtungen die Tests auch zur Verfügung stellen. Wenn privat Vorsorge getroffen werden muss, besteht die Gefahr zu hoher Kosten bei selbständig gekauften Tests oder von Mauscheleien bei Test-Vergaben, wie etwa beim Impfen.
Ich denke, mir vergeht der Appetit, wenn mir der Kellner, der später das Essen serviert, vor dem Gaststättenbesuch mit einem Stäbchen in der Nase herumbohrt oder der Gast am Nebentisch gerade einen Spucktest macht. Bitte nicht!!!
Bereitschaft, selbst für Tests zu zahlen, niedriger
Die Bereitschaft, für Tests auch Geld auszugeben, ist deutlich niedriger, als die Bereitschaft, grundsätzlich Tests zu nutzen. Nur ein Drittel der MDRfragt-Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist bereit, Selbsttests in Discounter, Drogerie und Co. zu kaufen. 62 Prozent wollen dieses Angebot nicht nutzen.
Viele MDRfragt-Mitglieder haben geschrieben, dass ihnen die derzeitigen Kosten der Selbsttests von fünf bis 15 Euro pro Stück zu hoch sind:
Wer kann sich eigentlich mehrere Tests im Monat leisten. Ich als Rentner nicht. Verzichte ich weiter und bleibe im Lockdown.
Mehrheit wünscht sich weitreichendere Lockerungen
Die Coronamüdigkeit der Menschen zeichnet sich immer stärker in den Befragungsergebnissen ab. Sprachen sich die MDRfragt-Teilnehmer bislang stets für harte Maßnahmen aus, so wünscht sich mittlerweile mehr als die Hälfte wieder mehr Freiheiten: 35 Prozent sprechen sich für weitreichendere Lockerungen aus, als bislang von der Regierung beschlossen. 20 Prozent sind sogar für die komplette Öffnung der geschlossenen Bereiche. 25 Prozent finden, der Regierungskurs sollte weiter verfolgt werden. Zusammengerechnet 18 Prozent würden sich weitreichendere Schließungen oder die komplette Schließung aller nicht-lebensnotwendigen Einrichtungen für einige Wochen wünschen.
Bereitschaft, sich an Regeln zu halten, sinkt
Dazu passt auch, dass offenkundig immer weniger Menschen bereit sind, sich an die Regeln zu halten. Während Mitte Februar noch 55 Prozent angaben, die Bereitschaft dazu ist ungebrochen hoch, sind es jetzt nur noch 50 Prozent. Das ist der Tiefstwert seit Beginn unserer Befragungen zu diesem Thema im Mai 2020. Außerdem gaben aktuell 16 Prozent an, dass die Bereitschaft seit Längerem zurückgegangen ist und 19 Prozent, dass dies seit Kurzem der Fall ist – das sind jeweils 3 Prozent mehr als Mitte Februar.
Mehrheit findet Lockerungsbeschlüsse verwirrend
Hinzu kommt, dass viele Menschen offenbar Schwierigkeiten haben, sich im Regelwirrwarr rund um Inzidenzen und Co. zurecht zu finden. Mehr als zwei Drittel gaben an, dass sie die Regeln für unübersichtlich halten.
Auch hierzu haben uns viele MDRfragt-Mitglieder ihre Meinung geschrieben:
Ich bin zunehmend frustriert über den Wust an völlig unübersichtlichen und sich teilweise widersprechenden Regelungen. Kein Wunder, dass viele Menschen bockig reagieren. Ich wünschte mir klarere Ansagen ohne auf tausend Befindlichkeiten Rücksicht nehmen zu müssen.
Undurchsichtig, ohne Augenmaß, unfair und willkürlich. Je nachdem, wer gerade am lautesten um Hilfe schreit, der wird beschwichtigt.
Worin der Unterschied zwischen Blumen- und Baumärkten bei der Gefährdung besteht, erschließt sich mir nicht. Ich kann nicht verstehen, dass der Einzelhandel nicht generell wieder aufgemacht wird. Die Regelungen sind verwirrend und nicht konsequent.
Gespaltene Meinung zum Zeitpunkt für Lockerungen
Was den Zeitpunkt der jetzigen Lockerungen angeht, so ist die MDRfragt-Gemeinschaft gespalten: 37 Prozent finden ihn genau richtig, 35 Prozent jedoch zu früh. Zu spät kommen die Lockerungen für 28 Prozent der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder.
Immer mehr MDRfragt-Mitglieder sind zu sofortiger Impfung bereit
Hoffnungsträger für Viele bleibt die Impfung. Seit Juni 2020 fragen wir immer wieder danach, ob sich die MDRfragt-Teilnehmer gegen Corona impfen lassen würden. An der grundsätzlichen Impfbereitschaft hat sich seither kaum etwas geändert. Aktuell sind 84 Prozent der MDRfragt-Teilnehmer grundsätzlich zu einer Impfung bereit. Dieser Wert ist relativ konstant. Allerdings gab es deutliche Verschiebungen innerhalb der Impfbereiten:
Immer weniger Menschen wollen erst Langzeitstudien abwarten, immer mehr Menschen sind zu einer sofortigen Impfung bereit. Das Vertrauen in die Impfstoffe wächst also von Mal zu Mal. Dieser Trend setzt sich stetig fort und lässt sich auch an den aktuellen Befragungsergebnissen ablesen: Während im Juni noch 41 Prozent Langzeitstudien abwarten wollten, sind es mittlerweile nur noch 20 Prozent. Gleichzeitig waren im Juni nur 43 Prozent zu einer sofortigen Impfung bereit, inzwischen sind es 64 Prozent.
Besonderheiten der Gruppe der Impf-Ablehnenden
13 Prozent der MDRfragt-Teilnehmer haben angegeben, dass sie eine Corona-Impfung ablehnen. Betrachtet man diese Gruppe genauer, zeigt sich, dass eine Ablehnung der Corona-Impfung sehr häufig einher geht mit weiteren Ablehnungen rund um Corona: Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, sprechen sich auch überdurchschnittlich oft gegen Tests aus, haben beispielsweise eine geringere Bereitschaft, sich an die Corona-Regeln zu halten oder sind häufiger gegen Schließungen von Einrichtungen. Ausführliche Informationen dazu gibt es in unserem Ergebnis-Report im PDF-Download.
Wunsch nach Impf-Wahlrecht etwas geringer geworden
Neben der sofortigen Impfbereitschaft steigt auch das Vertrauen in Bezug auf die Gesamtheit der zugelassenen Impfstoffe. Während sich Mitte Februar noch gut drei Viertel der grundsätzlich Impfbereiten ein Wahlrecht beim Impfstoff gewünscht haben, sind es mittlerweile weniger als zwei Drittel. In den dazwischen liegenden Wochen wurde in der Öffentlichkeit viel über nicht-genutzte Impfdosen sowie Nebenwirkungen & Wirksamkeit von Astra Zeneca diskutiert.
Hohe Zustimmung auch für AstraZeneca-Impfstoff und "Sputnik V"
Derzeit würden sich 82 Prozent derjenigen MDRfragt-Teilnehmer, die aktuell zu einer Impfung bereit sind, auch mit AstraZeneca impfen lassen. Allerdings gilt: Je älter die Teilnehmer, umso skeptischer stehen sie diesem Impfstoff noch gegenüber. Unter den Über-65-Jährigen – für die der Impfstoff bis vor Kurzem gar nicht zugelassen war – würden sich aktuell nur 77 Prozent mit Astra Zeneca impfen lassen, unter den 16- bis 29-Jährigen 86 Prozent.
Gegenüber des russischen Impfstoffs Sputnik V ist die Skepsis aktuell noch etwas größer als gegenüber Astra Zeneca. Allerdings würden sich rund drei Viertel (74 %) der MDRfragt-Teilnehmer, die aktuell zu einer Impfung bereit sind, auch mit Sputnik V impfen lassen, sobald er zugelassen ist. Interessant ist, dass es sich beim Vertrauen in den russischen Impfstoff genau gegenteilig zum Vertrauen in Astra Zeneca verhält: Hier sind es insbesondere die Älteren, die Sputnik V Vertrauen schenken. 78 Prozent der Über-65-Jährigen würden sich damit impfen lassen aber nur 69 Prozent der 16- bis 29-Jährigen.
Einige MDRfragt-Mitglieder haben uns auch ihre Meinung zu den beiden Impfstoffen geschrieben:
Eine Impfung mit Astra wäre für mich die Notlösung. Leider ist dieser Impfstoff schlechtgeredet worden, sodass eine gewisse Skepsis entstanden ist.
Alle ehemaligen DDR-Bürger hatten nur russische Impfstoffe zur Verfügung, egal ob Polio oder andere Impfstoffe. Die waren stets erfolgsversprechend. Die medizinische Forschung hat doch nichts mit der Ideologie zu tun.
Diese Fragerei nach der Sorte der Impfstoffe ist mir auch schleierhaft. Wenn man in ein fernes Land reisen möchte, sind auch verschiedene Impfungen notwendig. Hinterfragen das die Menschen, die sich dann impfen lassen? NEIN! Ich bin kein Wissenschaftler, Arzt oder ähnliches. Deshalb vertraue ich den Zulassungen für den Impfstoff. Was bleibt einem anderes übrig.
Über diese Befragung
Die Befragung mit dem Titel "Lockerungen – leichtsinnig oder längst überfällig?" lief vom 05.-08.03.202.
An der Befragung haben 25.057 Menschen teilgenommen. Aktuell sind bei MDRfragt 41.404 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen angemeldet.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 30 Jahre: 446 Teilnehmende
31 bis 50 Jahre: 4.361 Teilnehmende
51 bis 64 Jahre: 10.545 Teilnehmende
65+: 9.705 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 12.960 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 6.030 (24 Prozent)
Thüringen: 6.067 (24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Männlich: 53 Prozent
Weiblich: 47 Prozent
Die Befragungen sind nicht repräsentativ, aber sie werden nach statistischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Alter gewichtet. Die Gewichtung ist eine Methode aus der Wissenschaft bei der es darum geht, die Befragungsergebnisse an die real existierenden Bedingungen anzupassen. Konkret heißt das, dass wir die Daten der Befragungsteilnehmer mit den statistischen Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgleichen.
Wenn also beispielsweise mehr Männer als Frauen abstimmen, werden die Antworten der Männer weniger stark, die Antworten der Frauen stärker gewichtet. Die Antworten verteilen sich dann am Ende so, wie es der tatsächlichen Verteilung von Männern und Frauen in der Bevölkerung Mitteldeutschlands entspricht.
Dabei unterstützt ein wissenschaftlicher Beirat das Team von "MDRfragt". Mit dem MDR Meinungsbarometer soll ein möglichst breites Stimmungsbild der Menschen in Mitteldeutschland eingefangen werden – mit möglichst vielen Teilnehmenden.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um zwei | 10. März 2021 | 14:00 Uhr