MDRfragt - Das Meinungsbarometer für Mitteldeutschland Mehr als drei Viertel würden trotz bedingungslosem Grundeinkommen weiter arbeiten
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04. August 2020, 05:00 Uhr
Die wirtschaftlich schwierigen Corona-Zeiten haben die Diskussion um das Grundeinkommen neu entfacht. Aktuelle Ergebnisse von MDRfragt zeigen: Eine knappe Mehrheit fände die Einführung in Deutschland sinnvoll. Mehr als drei Viertel der Teilnehmer der Befragung würden trotz Grundeinkommen weiter arbeiten, ein großer Teil davon jedoch mit Veränderungen.
Inhalt des Artikels:
- Mehr als drei Viertel würden trotz bedingungslosem Grundeinkommen weiter arbeiten
- Deutliche Mehrheit für Vermögensobergrenze beim Grundeinkommen
- Persönlich glücklicher durch bedingungsloses Grundeinkommen: Mehr als die Hälfte glaubt daran
- Meinung zu Auswirkungen auf Gesellschaft: Glücklichere Menschen, aber negative Auswirkungen auf Arbeitswelt
- Mehr als die Hälfte nicht bereit, Einschränkungen für das Grundeinkommen hinzunehmen
Mehr als die Hälfte der mdrFRAGT-Mitglieder, die sich an der aktuellen Befragung beteiligt haben, hält die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland für sinnvoll. So haben 55 Prozent mit ja oder eher ja geantwortet. Dagegen sind 43 Prozent.
Mehr als drei Viertel würden trotz bedingungslosem Grundeinkommen weiter arbeiten
Wenn es das bedingungslose Grundeinkommen gäbe, würden 78 Prozent der mdrFRAGT-Mitglieder, die abgestimmt haben, weiter arbeiten gehen.
- Fast die Hälfte (46 Prozent) aller mdrFRAGT-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, würden unverändert weiter arbeiten.
- 32 Prozent würden etwas an ihrer jetzigen Arbeitssituation ändern, generell aber weiter arbeiten.
- Nur 8 Prozent geben an, die Arbeit gänzlich aufgeben zu wollen, sollte es ein bedingungsloses Grundeinkommen geben.
Interessanterweise haben deutlich mehr Gegner als Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens in unserer Befragung angegeben, dass sie ihre Arbeit gänzlich aufgeben würden: 15 Prozent der Gegner wählten diese Option, bei den Befürworter waren es nur 3 Prozent.
Weniger arbeiten meist genannter Änderungswunsch an Arbeitssituation
Diejenigen, die angegeben hatten, mit Grundeinkommen etwas an ihrer Arbeitssituation ändern zu wollen, würden vor allem weniger arbeiten gehen bzw. die Stunden reduzieren. 76 Prozent geben dies an.
Mehr als ein Fünftel (22 %) würde außerdem einen anderen Beruf wählen. Ähnlich viele Menschen gaben an, eine Weiterbildung oder eine neue Ausbildung beginnen zu wollen (19 %). In die Selbstständigkeit wechseln würden nur 8 Prozent der Teilnehmenden.
Höhe des Grundeinkommens: 1.200 Euro wären für Befragungsteilnehmer ideal
1.219 Euro – so hoch müsste das bedingungslose Grundeinkommen idealerweise sein, wie der Durchschnittswert der Angaben aller beteiligten mdrFRAGT-Mitglieder ergibt. Die Befragten konnten einen Wert zwischen 0 und 3.000 Euro auswählen.
Zu niedrig, um davon leben zu können, fänden die Teilnehmenden im Durchschnitt Summen bis 889 Euro. Ab 1613 Euro wäre das Grundeinkommen im Schnitt zu hoch.
Deutliche Mehrheit für Vermögensobergrenze beim Grundeinkommen
Würde tatsächlich ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt, würde das bedeuten: Jeder Mensch in Deutschland bekommt monatlich die gleiche Summe gezahlt – egal, wo er lebt, ob er weiter arbeitet oder wie reich er ist. Es gibt aber auch Diskussionen darüber, ein mögliches Grundeinkommen an Bedingungen zu knüpfen. Wir haben die mdrFRAGT-Mitglieder gefragt, was sie von möglichen Bedingungen halten:
Die Ergebnisse zeigen, dass eine deutliche Mehrheit eher oder voll und ganz für eine Vermögensobergrenze ist. So sind 81 Prozent der Meinung: Reiche Menschen sollten kein Grundeinkommen erhalten.
Mehr als die Hälfte der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sind außerdem eher oder voll und ganz dafür, dass die Höhe des Grundeinkommens mit anderweitigen Einkünften verrechnet wird (55 %). Eher oder ganz und gar dagegen sind 40 Prozent.
Die Idee, die Höhe des Grundeinkommens regional unterschiedlich zu gestalten und an die jeweiligen Lebenshaltungskosten anzupassen, findet dagegen keine Mehrheit: 60 Prozent sind eher oder ganz und gar dagegen. Eher oder voll und ganz dafür sind 34 Prozent.
Persönlich glücklicher durch bedingungsloses Grundeinkommen: Mehr als die Hälfte glaubt daran
Wir wollten von den Befragten wissen, was sich an ihrem Leben ändern würde, wenn es das bedingungslose Grundeinkommen gäbe.
- Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden glaubt, dass sie glücklicher wären: 56 Prozent haben dieser Aussage eher oder voll und ganz zugestimmt.
- Auch gibt jede bzw. jeder Zweite (51 %) an, sich mehr ehrenamtlich engagieren zu wollen, wenn es das bedingungslose Grundeinkommen gäbe.
- Politische Engagement schließen jedoch fast zwei Drittel der Teilnehmenden aus (60 %). Bei den Aussagen haben sich jeweils 17 bzw. 18 Prozent enthalten.
- Bei der Aussage, durch bedingungsloses Grundeinkommen eine Familie gründen zu wollen oder mehr Kinder bekommen zu wollen, hat sogar fast die Hälfte (45 %) keine Angabe gemacht. Weitere 39 Prozent können sich dies nicht vorstellen.
Meinung zu Auswirkungen auf Gesellschaft: Glücklichere Menschen, aber negative Auswirkungen auf Arbeitswelt
Neben den Einflüssen auf das persönliche Leben wollten wir in der Befragung auch wissen, welche Auswirkungen das bedingungslose Grundeinkommen vermutlich auf den Arbeitsmarkt und das gesellschaftliche Miteinander haben würde.
- Auch hier ist der Glaube daran, dass das bedingungslose Grundeinkommen glücklich machen könnte, weit verbreitet: 60 Prozent geben an, dass sie der Aussage eher oder voll und ganz zustimmen. Das sind sogar etwas mehr als bei der Frage nach dem persönlichen Glück, wo 56 Prozent dies angaben. Ein Drittel (33 %) glaubt jedoch nicht, dass viele Menschen glücklicher wären.
- Ebenfalls 60 Prozent geben aber auch an, dass sie denken, gesellschaftlich wichtige, schlecht bezahlte Berufe, beispielsweise in der Altenpflege oder der Müllentsorgung, würde dann kaum noch jemand ausführen. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) glauben dies nicht.
- Dass das Grundeinkommen die Schere zwischen Arm und Reich kleiner machen würde, glaubt mehr als die Hälfte nicht: 57 Prozent der beteiligten mdrFRAGT-Mitglieder stimmt eher oder ganz und gar nicht zu, dass die Ungleichheit zwischen Arm und Reich abnehmen würde. 39 Prozent glauben dies eher oder voll und ganz.
- Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt schätzen die Teilnehmenden der Befragung eher negativ ein: So glaubt mehr als die Hälfte (je 55 %), dass viele Menschen nicht mehr arbeiten gehen würden und die Motivation junger Menschen, eine Ausbildung oder Studium zu beginnen, sinken würde. Außerdem glauben 54 Prozent, dass die Arbeitsmoral grundsätzlich sinken würde.
Gegner des Grundeinkommens befürchten eher negative Auswirkungen als Befürworter
Einige Bedenken sind bei den Gegnern des Grundeinkommens, die sich an der Befragung beteiligt haben, stärker ausgeprägt als bei den Befürwortern. So glauben beispielsweise 81 Prozent der Gegner, dass viele Menschen nicht mehr arbeiten gehen würden. Bei den Befürwortern sind es 46 Prozent. Ähnliche Unterschiede gibt es beispielsweise bei der Frage nach der Motivation junger Menschen, eine Ausbildung zu beginnen oder nach der Arbeitsmoral
Mehr als die Hälfte nicht bereit, Einschränkungen für das Grundeinkommen hinzunehmen
Persönliche Einschränkungen für das bedingungslose Grundeinkommen würde mehr als die Hälfte (57 %) der teilgenommenen mdrFRAGT-Mitglieder nicht in Kauf nehmen. Mehr als ein Fünftel (23 Prozent) wäre bereit dazu.
Diejenigen, die dazu bereit wären, würden am ehesten ihre Ausgaben für den Konsum reduzieren (62 %) oder auf Sozialleistungen, wie Hartz IV oder Kindergeld, verzichten (52 %).
Mehrheit würde mit geschenktem Grundeinkommen Familie unterstützen oder sparen
Schon jetzt gibt es die Möglichkeit, ein bedingungsloses Grundeinkommen zu erhalten – nämlich dann, wenn man es bei einer Lotterie gewinnt. Wir haben daher unsere mdrFRAGT-Mitglieder gefragt, was sie mit dem Geld machen würden, wenn sie ab sofort durch einen Lotteriegewinn ein Grundeinkommen bekämen:
- Mehr als zwei Drittel (67 %) gaben an, damit Familienmitglieder finanziell (mehr) zu unterstützen.
- Mehr als die Hälfte (58 %) würden das Geld sparen, beispielsweise fürs Alter.
- Mehr oder teurer verreisen würde jede oder jeder Fünfte (20 %).
Über die Befragung
In einer Befragung vom 17. bis zum 20. Juli 2020 wollten wir von den mdrFRAGT-Teilnehmerinnen und Teilnehmern wissen: "Grundeinkommen und Insektenschutz: Was macht unser Leben in Zukunft aus?"
An der Befragung haben 15.633 Menschen teilgenommen. Insgesamt waren zum Zeitpunkt der Befragung 29.489 registrierte Mitglieder aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Teil der mdrFRAGT-Gemeinschaft.
51 Prozent der Befragten kommen aus Sachsen, 25 Prozent aus Sachsen-Anhalt und 24 Prozent aus Thüringen. Das entspricht in etwa der Verteilung der Einwohner in den drei Bundesländern.
56 Prozent der Befragten sind männlich und 44 Prozent weiblich.
Die Teilnehmer dieser Befragung verteilen sich auf folgende Altersgruppen:
363 Menschen sind zwischen 16 und 30 Jahre alt,
3.119 zwischen 31 und 50 Jahren,
6.520 zwischen 51 und 64 Jahren und
5.631 Teilnehmer sind 65 Jahre und älter.
Die Befragungen sind nicht repräsentativ, aber sie werden nach statistischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Beruf gewichtet. Die Gewichtung ist eine Methode aus der Wissenschaft bei der es darum geht, die Befragungsergebnisse an die real existierenden Bedingungen anzupassen. Konkret heißt das, dass wir die Daten der Befragungsteilnehmer mit den statistischen Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgleichen.
Wenn also beispielsweise mehr Männer als Frauen abstimmen, werden die Antworten der Männer weniger stark, die Antworten der Frauen stärker gewichtet. Die Antworten verteilen sich dann am Ende so, wie es der tatsächlichen Verteilung von Männern und Frauen in der Bevölkerung Mitteldeutschlands entspricht.
Dabei unterstützt ein wissenschaftlicher Beirat das Team von "mdrFRAGT". Mit dem MDR Meinungsbarometer soll ein möglichst breites Stimmungsbild der Menschen in Mitteldeutschland eingefangen werden – mit möglichst vielen Teilnehmenden.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 04. August 2020 | 20:15 Uhr