Von Graffitisprühern genutztes Brachgelände.
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MDRfragt - das Meinungsbarometer für Mitteldeutschland Mehrheit findet legale Graffiti gut

11. November 2020, 05:00 Uhr

Kunst und Vandalismus liegen in der Wahrnehmung der Befragten in Mitteldeutschland beim Thema Graffiti dicht beieinander: Während die Mehrheit legale Werke auf ausgewiesenen Flächen begrüßt und manche Formen als Kunst einordnet, lehnt sie illegale Schmierereien deutlich ab. Das zeigen aktuelle Ergebnisse des Meinungsbarometers MDRfragt.

Graffiti sind auch eine Kunstform und stören mich optisch nicht (da wo es erlaubt ist) – schnell hingeschmierte Zeichen schon.

42-jährige MDRfragt-Teilnehmerin aus dem Ilm-Kreis

Der Kommentar dieser Befragungsteilnehmerin bringt auf den Punkt, was sehr viele MDRfragt-Mitglieder zum Thema Graffiti denken: Es kommt ganz drauf an, was gesprüht oder geklebt wurde, wo es zu sehen und wie es entstanden ist. 79 Prozent der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, finden bestimmte Formen von Graffiti künstlerisch wertvoll. 17 Prozent ordnen es nicht als Kunstform ein.

Graffiti als Kunst
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Besonders die jüngere Altersgruppe der 16-29-Jährigen hat in dieser Befragung angegeben, dass sie bestimmte Formen von Graffiti als Kunst ansehen (91 %). Der Anteil derer, die Graffiti auch einen künstlerischen Wert beimessen, nimmt mit dem Alter der Befragten ab:

Es gibt künstlerisch wertvolle Formen von Graffiti
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Vor allem Streetart findet bei einigen MDRfragt-Mitgliedern Anklang:

Streetart macht die Städte bunter und bereichert die Kunstszene.

48-jährige Teilnehmerin aus Dresden

Ich habe in Frankreich, in Brest, im Rahmen eines Streetart-Festivals angefertigte Graffiti gesehen, die wirkliche Kunst sind. Dies sollte, meiner Meinung nach, auch in Deutschland mehr gefördert werden.

68-jährige Teilnehmerin aus Leipzig

Legale Graffiti, Schriftzüge und Aufkleber: Großteil findet sie gut

Graffiti werden vor allem dann als positiv empfunden, wenn sie legal produziert wurden, beispielsweise auf extra dafür ausgewiesenen Flächen oder als Auftragswerke. Besonders die aufwendigen Werke finden Anklang: 92 Prozent finden sie eher bis sehr gut. Bei Aufklebern ist der Anteil geringer, stellt aber mit 63 Prozent immer noch die Mehrheit dar.

Einige MDRfragt-Mitglieder haben in ihren Kommentaren über für sie positive Beispiele von Graffiti und Straßenkunst geschrieben:

Wir haben eine Mauer in der Nähe, die war sehr lang und hässlich, bevor die Sprayer sie (legal) verschönert haben. Das ist Kunst im öffentlichen Raum, die Abwechslung mit sich bringt. Ich mag es mal mehr und mal weniger, wie bei anderer Kunst auch. Die Mauer hat definitiv dabei an Ansehnlichkeit gewonnen.

56-jährige Teilnehmerin aus Jena

Unsere Wohnungsgenossenschaft lässt von einem guten Graffitikünstler einige Häuser anmalen. Das sieht schön aus.

73-jährige Teilnehmerin aus dem Altenburger Land

Wir haben in Chemnitz ganz tolle Bilder an Hauswänden, die zu uns als "Kulturhauptstadt" gut passen. Man freut sich darüber, denn sie verschönern die Stadt.

74-jährige Teilnehmerin aus Chemnitz

Straßenkunst des Künstlers "Tasso" in Zwickau: Eine alte Frau mit erhobenem Zeigefinger und ein Oldtimer
"Hier in unserer Region gibt es einige sehr gelungene Graffiti-Kunstwerke u.a. von dem international bekannten Künstler Tasso. Solche Arbeiten sind meiner Meinung nach immer eine Bereicherung für das Stadtbild", schrieb uns eine Teilnehmerin aus Sachsen. Viele MDRfragt-Mitglieder wiesen uns auf seine Werke als positive Beispiele von Streetart hin. Dieses Bild von Tasso entstand 2018 in Zwickau. Bildrechte: MDR/Thomas Friedrich

Deutliche Mehrheit empfindet illegale Graffiti als optisch störend

Allerdings gibt es auch Formen von Graffiti, die die Mehrheit der Menschen, die sich an der Befragung beteiligt haben, stören. So empfinden 86 Prozent illegale Graffiti als optisch störend oder eher störend. Nicht oder eher nicht störend finden sie 14 Prozent.

Illegale Graffiti optisch störend
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In ihren Kommentaren haben viele MDRfragt-Mitglieder ihren Ärger ausgedrückt:

Mir fällt immer der Spruch ein: "Narrenhände beschmieren Tisch und Wände."

54-jähriger Teilnehmer aus dem Unstrut-Hainich-Kreis

Gute Graffiti sind sehr selten. Bei uns sind es zu 99,99 % Schmierereien.

64-jähriger Teilnehmer aus Meißen

Oft sind es ja nur irgendwelche Buchstabenkürzel, die mit Graffitikunst nichts zu tun haben. Niemand kann damit was anfangen, außer der Sprayerszene selbst. Aber die Ansicht betroffener Bauten ist dadurch für den Betrachter zerstört.

64-jähriger Teilnehmer aus dem Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

Graffiti stört vor allem ältere Teilnehmer

Die älteren MDRfragt-Mitglieder, die mitgemacht haben, stören illegale Graffiti deutlich mehr als die jüngeren. Während es bei den 16-29-Jährigen 65 Prozent sind, sind es bei den Über-65-Jährigen 96 Prozent.

Illegale Graffiti optisch störend
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Illegale Sprayereien und Aufkleber: Deutliche Ablehung bei der MDRfragt-Gemeinschaft

Wir haben in der Befragung auch ganz gezielt nach speziellen illegalen Formen gefragt. Bei allen zeigt sich eine deutliche Ablehung. So finden 91 bzw. 88 Prozent der MDRfragt-Mitglieder, die bei der Befragung mitgemacht haben, illegal aufgebrachte Aufkleber und illegale Schriftzüge eher bis sehr schlecht. Etwas mehr Anerkennung bekommen illegal aufgebrachte, aber aufwändige Sprayer-Werke: Sie finden 41 Prozent eher bis sehr gut. Dennoch: Die Mehrheit (57 %) finden sie eher bis sehr schlecht.

Politische Graffiti: Zwei Drittel nehmen sie als Schmiererei wahr

Mehr als drei Viertel (79 %) nehmen in ihrem Umfeld politische Schriftzüge und Aufkleber wahr. Bei 20 Prozent ist dies nicht der Fall. Diejenigen, die angegeben haben, dass ihnen politische Graffiti in ihrer Umgebung auffallen, haben wir danach gefragt, wie sie darauf reagieren:

  • Die Mehrheit (67 Prozent) hat angegeben, diese Schriftzüge und Aufkleber nicht als Botschaft, sondern als Schmierereien wahrzunehmen.

  • Mehr als ein Viertel (27 %) findet, dass mit der jeweiligen politischen Botschaft dem ganzen Stadt- bzw. Ortsteil ein Stempel aufgedrückt wird.

  • 20 Prozent nehmen sie als politische Botschaft wahr.

Nur 11 Prozent geben an, sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen und sie näher anzuschauen. 8 Prozent versuchen, die politischen Graffiti zu entfernen, wenn sie die Botschaft stört.

Mehr als die Hälfte fordert härtere Strafen für Sachbeschädigung durch illegale Graffiti

Illegale Graffiti gelten als Sachbeschädigung. Wir wollten von den Befragten wissen, wie dagegen vorgegangen werden sollte:

  • Mehr als die Hälfte spricht sich für härtere Strafen dagegen aus (59 %).

  • Mehr legale Graffiti-Wände wünscht sich rund die Hälfte (52 %).

  • Mehr Kameraüberwachung auf öffentlichen Plätzen gegen illegale Graffiti befürworten 38 Prozent.

  • Für mehr Polizeistreifen sind 28 Prozent.

Dass die derzeitigen Mittel und Wege, dagegen vorzugehen, ausreichend sind, finden nur 5 Prozent.

Einige MDRfragt-Mitglieder haben uns auch aus ihren eigenen Erfahrungen beschrieben, wie schwierig es ist, gegen unerwünschte Graffiti vorzugehen:

Ich habe bestimmt seit 1995 schon ein Dutzend der Schmierereien händisch von der Fassade unseres Hauses entfernt. Angezeigt bei der Polizei habe ich davon ca. 6 Fälle - ohne Erfolg. Und wenn die Polizei dann den Sachschaden auf 80 € schätzt, kann man sich das Lachen nicht halten. Ob die wissen, was ein Entfernungsspray oder Fassadenfarbe kostet? […] Ich gehe jeden Sonntagvormittag mit einem gewissen Gefühl um unser Eckhaus - und bin froh, wenn nichts passiert ist.

51-jähriger Teilnehmer aus dem Vogtlandkreis

Ich bin dienstlich für unser Bürohaus zuständig und wir lassen jedes Jahr Graffiti entfernen. Da kommen jedes Jahr ca. 2.000 Euro zusammen. Das Haus wurde mit einem Schutz versehen. Dieser ist jetzt schon angegriffen, so dass wir kaum noch Entfernungen vornehmen lassen können. Und wir können an unserer Fassade mit einer anderen Farbe oder Bildern nichts ändern, wir stehen unter Denkmalschutz.

59-jährige Teilnehmerin aus der Börde

Andere MDRfragt-Mitglieder haben in ihren Kommentaren näher beschrieben, wie aus ihrer Sicht mit unerwünschten Graffiti umgegangen werden sollte:

Es sollte sehr, sehr schnell reagiert und besonders politische, sexistische und andere "blöde" Graffiti schnellstens entfernt werden, um den Tätern die Freude an ihrem "Werk" zu vermiesen.

79-jähriger Teilnehmer aus dem Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge

Will man dagegen vorgehen, muss man untersuchen, warum "derartiges" entstanden ist und sich so etabliert hat. Meist war und ist es Protest gegen "das Establishment", eine Form des Aufbegehrens und Protests gegen gesellschaftliche Missstände. […] Die Grundmauern der Gesellschaft werden damit ja nicht zum Wanken gebracht. Da braucht's auch keine eigentliche Ursachenforschung. Erfreuen wir uns an den Bildern und versuchen, die Missstände zu ändern.

62-jähriger Teilnehmer aus Erfurt

Über die Befragung Die Befragung mit dem Titel "Graffiti – Vandalismus oder Kunst?" lief vom 06.-10.11.2020.

Insgesamt sind mittlerweile 32.385 registrierte Mitglieder aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Teil der MDRfragt-Gemeinschaft (Stand: 10.11.20). An der Befragung haben 18.338 Menschen teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 30 Jahre: 378 Teilnehmende
31 bis 50 Jahre: 3.056 Teilnehmende
51 bis 64 Jahre: 7.828 Teilnehmende
65+: 7.076 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 9.300 (51 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 4.769 (26 Prozent)
Thüringen: 4.269 (23 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Männlich: 57 Prozent
Weiblich: 43 Prozent

Die Befragungen von MDRfragt sind nicht repräsentativ, aber sie werden nach statistischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Alter gewichtet. Die Gewichtung ist eine Methode aus der Wissenschaft bei der es darum geht, die Befragungsergebnisse an die real existierenden Bedingungen anzupassen. Konkret heißt das, dass wir die Daten der Befragungsteilnehmer mit den statistischen Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgleichen.

Wenn also beispielsweise mehr Männer als Frauen abstimmen, werden die Antworten der Männer weniger stark, die Antworten der Frauen stärker gewichtet. Die Antworten verteilen sich dann am Ende so, wie es der tatsächlichen Verteilung von Männern und Frauen in der Bevölkerung Mitteldeutschlands entspricht.

Dabei unterstützt ein wissenschaftlicher Beirat das Team von "MDRfragt". Mit dem MDR Meinungsbarometer soll ein möglichst breites Stimmungsbild der Menschen in Mitteldeutschland eingefangen werden – mit möglichst vielen Teilnehmenden.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 11. November 2020 | 16:00 Uhr